Saab 9-5 Testbericht

Als langjähriger Saab-Fahrer muss ich gleich vorweg sagen: Das ist der bislang wohl gelungenste und vielseitigste Saab überhaupt. Obwohl es sich um einen Kombi handelt \"fühlt\" sich der Wagen wie eine Limousine an, er fährt sich genauso handlich und das Geräuschniveau ist sehr niedrig.

Ich will jetzt hier nicht die nackten Zahlen wiederkäuen, die ohnehin aus jedem Katalog ersichtlich sind, und die oft auch nicht geeignet sind ein Auto vollständig zu beschreiben. Also lieber meine persönlichen Eindrücke. Man sieht an vielen - oft erst auf den zweiten Blick erkennbaren Details - dass die Konstrukteure eine Menge Hirnschmalz investiert haben, um die Nutzbarkeit des Wagens zu optimieren.

Man sitzt vorne wie hinten gut und hat eine ausgezeichnete Übersicht, lediglich die automatische Gurthöhenverstellung an den Vordersitzen scheint mir nicht die beste Gurtgeometrie zu bieten. Der Einstieg ist sehr bequem durch die großen und sehr weit öffnenden Türen. Die Klimaautomatik ist getrennt regelbar für Fahrer und Beifahrer und arbeitet schnell und zugfrei, sie lässt sich außerdem nach bestimmten Präferenzen programmieren. Die Platzverhältnisse im Innenraum sind gemessen an der Fahrzeugklasse gut (kennzahlenmäßig ziemlich genau wie E-Klasse Mercedes), obwohl der Vorgänger 9000 hinten noch ein paar Zentimeter mehr Kniefreiheit gehabt haben dürfte. Eng wirds jedenfalls auch für vier 1,90 Meter Leute nicht.

Gelungen finde ich z.B. die zweiteiligen Sonnenblenden, mit denen man gleichzeitig zur Seite und nach vorne abschirmen kann. Die HK-Radio-CD-Kassettenanlage ist hervorragend zu bedienen (in den Grundfunktionen intuitiv, mit den fortgeschrittenen Features etwas komplizierter) und hat einen guten Klang (mit den 7 Lautsprechern des Audiosystems Premium bzw. 2), nimmt aber als Doppel-DIN Gerät auch einen relativ großen Teil in der Mittelkonsole des sehr großen Armaturenbretts weg. Zusammen mit der ebenfalls recht umfangreichen Klimaautomatik sieht man da als Neuling auf ein beinahe verwirrend großes und umfangreiches Cockpit. Auf Dauer ist das Cockpit aber sehr angenehm, da alle Bedienelemente logisch gruppiert und in guter Griffnähe liegen. Die Anzeigen liegen so, dass man den Blick kaum von der Straße abwenden muss, und lassen sich mittels \"night panel\" bis auf die wichtigsten Anzeigen sogar abschalten (angenehm bei längeren Nachtfahrten) - sie schalten sich selbständig wieder selektiv ein, wenn besondere Werte erreicht werden (v>140, Drehzahl sehr hoch, Tank ziemlich leer etc). Im Innenraum gibt es zusätzlich zum Handschuhfach (kühlbar) zahlreiche Ablagen für kleineren Krimskrams und große Taschen in den Lehnen der Vordersitze.

Der Kofferraum ist wegen der abgeteilten separaten 5 Staufächer (3 unter dem Kofferraumboden, 2 seitlich) zunächst gerade ausreichend aber nicht übermäßig groß (vor allem Höhe unter der Abdeckung ist gering) - solange die stabile aber faltbare Abdeckung drin ist. Er wächst aber bei Entfernen derselben auf für einen Kombi der oberen Mittelklasse normales Niveau. Beim Umklappen der Rückbank ensteht dann eine durchgehend völlig ebene Fläche, die mit Lastverankerungssystem, ausziehbarem Kofferraumboden und diversen Gepäcknetzen sehr sicher und vielseitig nutzbar ist.

Noch ein Wort zum ausziehbaren Kofferaumboden: Das Teil ist ca. 50 cm nach hinten ausziehbar (Voraussetzung ist, dass man es zur Aktivierung um 10 cm aufstellt, und hat eine Fläche von ca. 1x1m, auf der man angeblich 200 kg rein-. und rausfahren lassen kann. Da man dann einige Nachteile hat (Der Laderaum hat bei Aktivierung 10 cm weniger Höhe und der restliche halbe Quadratmeter ist kaum noch nutzbar, und man kommt generell wegen der Konstruktion nur mit großer Mühe noch an Ersatzrad und Werkzeug), empfehle ich sich genau zu überlegen, ob man die anderthalbtausend Mark wirklich investieren will.

Mit dem durchzugsstarken 2,3 l Turbomotor sind laut EU-Richtlinie 9,6 l bleifreies Super auf 100 km vonnöten, angesichts 1,6 t Leergewicht und 280Nm/170 PS (ab 2001: 185 PS bei unverändertem Drehmoment und Verbrauch) ein unterdurchschnittlicher Wert, den ich in der Praxis je nach Fahrweise auch oft unterbieten kann. Lediglich der 5. Gang ist auffällig lang übersetzt (Tempo 180 bei gerade mal 4000 Umdrehungen), wodurch der drehmomentstarke Antritt des Motors in der höchsten Übersetzung wieder auf ein unspektakulär normales Niveau gesenkt wird. Dies bewirkt aber auf der Habenseite auch bei höheren Tempi ein sehr niedriges Motorengeräusch, wobei der mit zwei Ausgleichswellen ausgestattete Motor überhaupt kaum zu hören ist.

Mit Versicherungsklassen 18 (HP) und 22 (VK) sowie Schadstoffeinstufung D4 sind die Betriebskosten insgesamt im Verhältnis zur Wagenklasse durchschnittlich. Da der Werterhalt (vor allem wenn man bei der Marke bleibt) passabel ist (aus eigener Erfahrung), relativieren sich die (anfangs zwar im Vergleich zu Audi, BMW oder Mercedes günstigen, absolut gesehen aber immer noch) hohen Anschaffungskosten nochmal etwas. Leider sind die Werkstatt- und vor allem Ersatzteilpreise im Verhältnis zu deutschen Premiummarken relativ hoch....

Als Nachteil sehe ich als erwähnter langjähriger Saabfahrer, dass ich für (beim Vorgänger selbstverständliche) Ausstattungsdetails wie Sitzheizung und Scheinwerferreinigungsanlage nun zusätzlich teures Geld hinblättern musste. Da merkt man halt schon, dass unter der Regie von GM der Charakter der Marke Saab zwar technisch erhalten bleibt, marketing-/vertriebsmäßig aber in der Preisliste ein wenig weichgespült wird.