Sarajevo Testbericht

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Erfahrungsbericht von dr_error

Sarajevo - hier haben der Osten und der Westen haltgemacht

Pro:

wunderschöne Landschaft, Gastfreundlichkeit, preiswert, multikulti, phantastische Küche...

Kontra:

schlechte Straßen

Empfehlung:

Ja

Sarajevo und seine Menschen

Sarajevo ist heute eine Stadt, die meines Erachtens einer guten, vielversprecheneden Zukunft entgegenblickt. Dabei sieht sie sich, verständlicherweise, auch mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert - der Krieg hat seine Spuren hinterlassen, wobei diese in der Stadt selbst mit bloßem Auge mittlerweile kaum zu erkannen sind. Viel tiefer und schmerzlicher sind die Spuren in den Seelen der Menschen...
Glücklicherweise hat es den Bewohnern Sarajevos nie an Willen, Entschlossenheit, Beharrlichkeit und Talent gefehlt, auch dann nicht, als die realen Möglichkeiten zu fehlen schienen.

Schon durch ihre Lage, von Bergen unerbittlich bedrängt, auf grünen Abhängen verstreut, hat diese Stadt nicht die Milde der doch gar nicht so weit entfernten Ortschaften in der Herzegowina oder in Dalmatien - ihre ausgeprägte Höhenlage bringt ihr meist rauhes Winterklima. Doch wie ein fast absichtlicher und unumgänglicher Gegensatz zu der Zurückhaltung, zu den Launen der Natur und der Geschichte, zeigt sich, in umgekehrter Proportion zu ihnen und zu anderen Unannehmlichkeiten, die noch größere Liebe der Bewohner zu ihrer Stadt. Und wie die Stadt selbst ist auch diese Liebe zu ihr von besonderer Art. Sie hat nichts von einer lokalen, kleinstädtischen Eigenliebe, aber auch nichts von aparter großstädtischer Überlegenheit oder Entfremdung. Diese Liebe ist nostalgisch, von zarter Ergebenheit, schwermütig und verschlossen, wie sie z.B. auch in der bekannten Volksliedart \"Sevdalinka\" zum Ausdruck kommt, wo der Geist orientalischer Musik gekonnt in Leidenschaft und Ursprünglichkeit der Heimat verwandelt ist.

Sarajevo ist eine Stadt, die von ihren Menschen auch wegen ihrer vielen, ihnen so gewohnten und natürlichen Kontraste geliebt wird, die so ungewöhnlich anziehend sind für das Auge des Fremden. Aber diese Gegensätze sind keine zufällige, künstliche Dekoration. Sie sind Zeugnis einer jahrhundertelangen und verschieden gestalteten Entwicklung und Wandlung: über 500 Jahre osmanische, dann österreich-ungarische sowie 50 Jahre kommunistische Herrschaft, und nicht zuletzt musste Sarajevo vor nicht einmal einem Jahrzehnt den schwersten Kampf seiner Geschichte führen - den kampf um Freiheit, Existenz und Überleben. Auch diesen Kapmp hat Sarajevo gewonnen.

Es mag paradox klingen, aber Sarajevo hat sowohl die Kennzeichen einer Großstadt, mit all ihren Attributen, als auch den Zauber einer malerischen Kleinstadt, mit ihren einzigartigen Besonderheiten. Und das ist jener besondere Charme, der diese Stadt so anziehend macht, wo jeder für sich Horizonde und Landschaften finden kann.
Sarajevo ist im Vergleich mit westeuropäischen, ja selbst mit den ex-jugoslawischen Metropolen Belgrad und Zagreb, eine relativ kleine Stadt. Dennoch stellt es, auch und gerade im ehemaligen Jugoslawien, seit Jahrzehnten das kulturelle, geistige und kreative Zentrum Südosteuropas dar: ein Goran Bregovic ist in Sarajevo groß geworden, ebenso Filmgenie Emir Kusturica oder Oscargewinner Danis Tanovic... Der Name Sarajevos wurde durch seine außergewöhnliche geistige, geschichtliche und natürliche Landschaft bekannter als der mancher großen Zentren der Welt - das Attentat von 1914 als Anlass für den 1. Weltkrieg, Olympische Winterspiele und Sarajevo als Weltstadt 1984 und nur 8 Jahre später der größte Kriegsschauplatz und das größte Konzentrationslager der Welt, und das mitten in Europa fast zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Im Zusammenhang mit dem kulturellen und künstlerischen Schaffen in Sarajevo erscheint auch das Theme des multikulturellen Lebens. Denn in Sarajevo leben Menschen verschiedenster Nationalitäten und Konfessionen: Mohhamedaner, Katholiken, Orthodoxe, Juden, Roma... Für diese gemeinschaftlichkeit bestehen tiefe Quellen und ein kontinuierlicher Sinn und sie bedeutet auch Verwurzelung im eigenen Boden, ist aber gleichzeitig eine Brücke zur Welt. Sie ist das so wichtige Merkmal der Ursprünglichkeit und Echtheit des Schaffens dieser Stadt und ihres heutigen Lebens überhaupt.




Touristenattraktionen


- die Altstadt Bascarsija:
Gegründet und nach arabischem Vorbild gebaut im 15. Jhd. besteht sie aus mehreren kleineren Plätzen, die durch unzählige kleine Gassen miteinander verbunden sind. In den engen Gassen findet man zahlreiche kleine Handwerksläden, wo man zu jeder Tageszeit das Klopfen der Hämmer hören kann - hier stellen Meister Souveniers aus Kupfer und Silber her, hüten und bewahren ihr Handwerk vor industriellem Druck.
In der Altstadt findet man auch unzählige kleine und große traditionelle Restaurants, wo man mehr als preiswert die typische bosnische Küche genießen kann: Cevapcici, Pita (gefüllter teig mit Fleisch, Käse, Kartoffeln oder Spinat), Sudzukice (Würstchen), Dolma (gefüllte Paprika oder Zwiebeln), Lonac (Eintopf) oder verschiedene orientalische oder österreichische Süßigkeiten.
Bascarsija ist wirklich eine Stadt, eine Welt für sich.


- die Gazihusrefbeg-Moschee:
Ohne Zweifel das bekannteste und attraktivste Denkmal des kulturellen Erbes von Sarajevo und das größte Sakralobjekt islamischer Architektur auf diesem Teil der Erde. Volle 10 Jahre wurde daran gebaut (1521-31).


- Rathaus/Nationalbibliothek:
das Rathaus, das im 20. Jhd. zur Nationalbibliothek umfunktioniert wurde, stellt das schönste und bedeutenste Objekt aus der Österrich-Ungarn-Ära. Es wurde wie fast alle Objekte aus der KK-Zeit im pseudomaurischen Stil gebaut, so dass dieser Baustil zum Synonym der österr.-ung. Herrschaft.
Im letzten Krieg wurde das Rathaus mitsamt aller Schriften abgebrannt und wird z.Z. rekonstruiert - mit Hilfe der österreichischen Regierung:)


- die Sarajevo-Kathedrale, die Alte serbisch-orthodoxe Kirche, die Ferhadija-Moschee und die sarajevo-Synagoge:
Diese vier Sakralobjekte, alle mehrere Jhd. alt, liegen alle im Umkreis von 150 Metern, wodurch vier Religionen direkte Nachbarn sind - einzigartig!


- die evangelische Kirche:
Entstand 1899 auf dem linken Ufer des Flusses Miljacka in pseudoromanischem Stil und wurde in den 60er Jahren des letzten Jhd. in die Akademie für bildende Künste umgewandelt.


- der Vorort Ilidza:
Wurde auch durch die Österreicher geprägt. Sie bauten Hotels in den zahlreichen Parks, setzten das Thermalbas in Stand und heute ist Ilidza ein perfektes Kur- und Erholungsgebiet.
In unmittelbarer Nähe, unter dem Berg Igman, befindet sich auch die Quelle des Flusses Bosna, das beliebteste Ausflugsziel von Sarajevo.


- die olympischen Berge Jahorina, Bjelasnica, Igman und Trebevic:
All diese Stätten wurden in den letzten Jahren renoviert, mit modernen Hotels und Skianlagen ausgestatten, so dass sie heute phantastische Urlaubsmöglichkeiten bieten, sowohl im Sommer als auch im Winter, und das Ganze deutlich billiger als in den Alpen. Unbedingt zu empfehlen.
Zur Zeit wird auch der Berg Trebevic, der direkt über der Stadt thront, von Minen befreit und im nächsten Jahr soll auch die Seilbahn, mit der man aus der Altsadt auf die Bergspitze kommt, wieder aktiviert werden.


Dies sind natürlich nicht alle Sehenswürdigkeiten von Sarajevo - es bieten sich natürlich auch etliche Museen (Olympisches-, Landmusem...) an - aber es würde jetzt den Rahmen sprengen. Besucht diese einzigartige Stadt und überzeugt euch selbst von ihrer Einmaligkeit.


Zum Schluss noch die durchschnittlichen Preise in Sarajevo:

- Essen/Trinken: z.B. Mittagessen für 1 Person mit Getränken und Nachspeise 3-8 EUR.

- Kneipen,Bars,Clubs: einheimisches Bier (sehr lecker!) kostet meistens unter 1 EUR, Importmarken wie Becks oder Heineken sind ein wenig teurer, ca. 2 EUR.

- Lebensmittel: im Schnitt 30-40% billiger als in Deutschland. Ein Brot kostet etwa 0,30-0,40 EUR (man findet problemlos auch deutsche Brotsorten), 2l Cola ca. 0,50 EUR...

- Taxi: eine 10minütige Fahrt kostet ca. 5 EUR. Die Wagenpalette reicht vom maroden Golf II bis hin zum Audi A4 oder neueren Mercedesmodellen. Aber fahren tun die alle.

- ÖPNV(Tram, Bus, Trolleybus): einfache Fahrt kostet so um die 40 Cent. Das Netz ist relativ gut ausgebaut, die meisten Trams und Busse sind neuerer Produktion und in gutem Zustand, nur sollte man die Trolleybusse (die mit der Stange oben) meiden, da sehr alt und grundsätzlich überfüllt.

- Spritpreise: Super ca. 0,75 EUR, Diesel 0,50 EUR.

- Hotels: von 10 bis 100 EUR, je nach Hotelklasse, wobei die billigen nicht unbedingt schlecht sind. Man muss sich einfach mal in der Stadt erkundigen und in Touristenbüros fragen. Das Preisleistungsverhältnis ist absolut OK.

- Noch eine Anmerkung für Autofahrer: Wer mit Auto anreisen möchte, braucht starke Nerven. Bosnien und Herzegowina verfügt lediglich um ca. 20 km Autobahn (um sarajevo herum), der Rest besteht aus maroden \"Schnellstraßen\". Außerdem lauern überall Geier in Gestalt von Verkehrspolizisten, die einen wegen jeder Kleinigkeit anhalten und zur Kasse bitten. Meist handelt es sich um kleinere Beträge (5-10 EUR), aber wenn man länger bleibt kommt schon ein stolzes Sümmchen zusammen, so sind jedenfalls meine Erfahrungen.
Dazu kommt auch, dass Sarajevo Innenstadt über definitiv zu wenig Parkplätze verfügt und auch der Fahrstil in der Stadt ziemlich gewöhnungsbedürftig ist.
Wer sich dennoch entschließt, mit dem Auto anzureisen, sollte unbedingt nur an auslädischen Tankstellen (österreichische, slowenische, kroatische...erkennt man leicht)tanken, da der Sprit an den bosnischen nicht gerade der beste ist.

11 Bewertungen, 1 Kommentar

  • sloga

    06.07.2011, 10:35 Uhr von sloga
    Bewertung: besonders wertvoll

    einfach sehr gut. Lg Denis.