Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Testbericht

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Erfahrungsbericht von Börsenfeger

Mein Austritt nach 25 Jahren

Pro:

Kann ich keinen mehr erkennen

Kontra:

Siehe Bericht

Empfehlung:

Nein

Hey, Leute,

Im Juni 2003 habe ich unten aufgeführten Brief an meine damalige Unterbezirksvorsitzende abgeschickt. Damit geht für mich eine Ära zuende.
Alles weitere steht im Brief selbst!

Gerne lese ich eure Kommentare dazu!


Betr.: Kündigung der Mitgliedschaft

Liebe .....,

Aufgrund der Entscheidung des Sonderparteitages der SPD am 1.6. d.J., den Plänen des Kanzlers zur Agenda 2010 zuzustimmen, erkläre ich mit diesem Schreiben meinen Austritt zum 30.06.2003 aus der SPD. Mein Parteibuch und die Nadel zur 25jährigen Parteimitgliedschaft werde ich bis zu diesem Datum in der Geschäftsstelle abgeben. Ich bitte darum, bis zum Austrittstermin meine Beitragsbescheinigung für das Jahr 2003 vorzubereiten bzw. mir diese zeitnah zuzusenden.

Zu den Gründen:

Wie du ja aus einigen Gesprächen mit mir erfahren konntest, bin ich schon eine ganze Weile mit der Politik der Bundesregierung nicht einverstanden gewesen.
Das nun die Partei zu 90 % den Vorschlägen Schröders folgen will, gab den Ausschlag für meine nicht einfache Entscheidung.

Ich bin vor ziemlich genau 25 Jahren in die SPD eingetreten. Insbesondere die Ost-und die innerdeutsche Politik von Willi Brandt und Herbert Wehner brachten mich damals zur Partei. Die Entwicklung der Sozial- und Gesundheitspolitik hat mich auch schon immer interessiert.

Den Weg, den die Partei nun eingeschlagen hat und den Schröder bereits vor 2 Jahren mit dem sogenannten Schröder-Blair-Papier skizziert hatte, kann ich nicht akzeptieren und mitgehen. Hiermit verabschiedet sich die SPD von einem weiteren Eckpunkt ihrer geschichtlichen Wurzeln. Für mich stellt sich die weitere geplante Gestaltung der politischen Arbeit der SPD als schlechte Kopie einer FDP- bzw. CDU-Politik dar.

Insbesondere war und bin ich immer noch darüber enttäuscht, das nach 1998 die SPD-Grüne Bundesregierung die Finanzierung der Deutschen Einheit nicht völlig neu aufgestellt hat. Die einseitige Belastung der Sozialkassen mit dieser, meiner Meinung nach, eher gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die ja fast nur von den abhängig Beschäftigten und ihren Arbeitgebern finanziert wird, hat diese Systeme dorthin gebracht, wo sie nun sind, nämlich an den Rand der Pleite, bzw. schon ein Stück darüber hinaus.

Schon die Bloßstellung Sigmar Gabriels in der Frage der Vermögenssteuer, unmittelbar vor der Landtagswahl 2002, ließ mich ahnen, das sich auch in Zukunft daran nichts ändern wird. Einige Monate später stellt der Kanzler nun seine Agenda 2010 zur Diskussion und verbindet die Zustimmung der Partei zu diesen Überlegungen mit seiner politischen Zukunft. Das ist keine innerparteiliche Demokratie, sondern blanke Erpressung.

Wenn jemand nicht bereit ist, über eine Sache ergebnisoffen zu diskutieren, will er das gar nicht und hat nur Sorge um seinen Job. Bevor wir unsere Ideale verraten, hätten wir es doch lieber die anderen machen lassen!

Jetzt wäre es an der Zeit gewesen, die richtigen Gegner, z. B. die Lobbyisten der Pharmaindustrie, der Ärzte, der Großindustriellen etc. an zugehen und in diesen Bereichen endlich zu handeln!

Aber das sind Nebenschauplätze!

Wichtig sind mir die falschen inhaltlichen Ansätze!

Du schriebst in Deinem Brief vom 20.05. d. J., das es Mut zur Veränderung braucht.

Gerade diesen Mut vermisse ich seit einiger Zeit in der SPD.

Warum z. B. wurde keine Positivmedikamentenliste verabschiedet (noch besser wäre eine Positivwirkstoffliste), die neuesten Kassendefizite in Höhe von 630 Millionen € im ersten Quartal 2003 basieren zum größten Teil aus Mehrkosten für Medikamente. Hintergrund ist, das die Ärzte immer die Neuesten und damit teuersten Medikamente verschreiben, obwohl ein größerer therapeutischer Nutzen nicht oder bestenfalls nur sehr gering vorhanden ist, warum das so ist, darüber wage ich aus strafrechtlichen Gründen nur zu spekulieren,
warum wird nicht daraufhin gewirkt, das die Landschaft der Krankenkassen endlich durchsichtiger wird, mehrere hundert Krankenkassen braucht kein Mensch,
warum werden die unseligen Kassenärztlichen Vereinigungen (die nur durch unnötige Bürokratie und teilweise nachgewiesene betrügerische Machenschaften auffallen) nicht abgeschafft,
warum werden die Steuern nicht gerecht erhoben, die mit den breiteren Schultern sollen auch mehr zahlen, heutzutage zahlen viele davon überhaupt keine Steuern, warum werden die Steuerschlupflöcher nicht konsequent geschlossen,warum werden dazu bei den Finanzbehörden nicht umgehend neue Mitarbeiter eingestellt, bzw. die Ausbildung solcher vorangetrieben,
warum wird das Steuerrecht nicht dahingehend geändert, das die Gewerbesteuer von den Betrieben, die vor Ort angesiedelt sind auch dort zu entrichten ist und nicht von den Muttergesellschaften wegen dubioser Verluste einfach weggerechnet werden kann, warum werden nicht endlich die Subventionen abgebaut, die einfach keinen Sinn mehr machen, Beispiel: Montanindustrie, warum werden die Argumente, die die Gewerkschaften vorlegen, einfach hinweggewischt und von einigen dahingehend verunglimpft, das es sich dabei um Rezepte aus den 70ern handeln würde? Man darf nicht außeracht lassen,dass die Gewerkschaften immer n o c h das Wählerpotential der SPD in weiten Teilen repräsentieren!

Wir brauchen mehr privaten Verbrauch (siehe Prof. Hickel) und nicht noch mehr konsumeinschränkende Maßnahmen und Initiativen.

Wir brauchen jetzt kurzfristig eine höhere Neuverschuldung, mit der Investitionen angeschoben werden, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Wir brauchen j e t z t eine, von der SPD in Zeiten der Kohlregierung immer wieder geforderte, gerechtere Steuerpolitik, wenn nicht jetzt, wann dann?

Diese Agenda ist meiner Meinung nach zum Scheitern verdammt, weil sie in ihren Auswirkungen mehr Arbeitsplätze und damit Geld kosten wird.

Dies sind nur einige, längst nicht alle, Punkte, die ich nicht verstehen kann! Natürlich kannst du jetzt wahrscheinlich zu jedem einzelnen Punkt, mir die für dich passende Antwort geben.
Ich habe darauf aber einfach keinen Bock mehr!

Die Probleme werden m. E. ja teilweise von unseren Parteiführern gar nicht mehr erkannt, geschweige denn angepackt.

Die sog. Gesundheitsreform von Ulla Schmidt wird verpuffen. Eine Senkung der Krankenkassenbeiträge wird daraus nicht resultieren, weil die großen Kuchen

Pharmaindustrie
Krankenhäuser
Ärzteverbände
Krankenkassen

nicht angefasst werden. Auch hier fehlt der M u t sich mit den einflussreichen Lobbyisten der Republik anzulegen.


Liebe ....., bitte grüße herzlich die Genossen des Unterbezirksausschusses von mir. Es hat mir immer Spaß gemacht mit ihnen zu diskutieren und zu streiten, auch wenn ich meistens mit meiner Meinung in der Minderheit mit wenigen war. Im nachhinein zeigte sich allerdings, das diese Minderheit häufig recht behalten sollte, z. B. der Müllverbrennungsvertrag mit Kraftwerk Buschhaus oder ziemlich aktuell die Stadtwerke Braunschweig-TXU-Vertragspleite.

Ich wünsche dir für deine weitere politische Tätigkeit alles Gute. Vielleicht kannst du ja das eine oder andere Detail dieses Briefes dabei berücksichtigen.

Mit freundlichem Gruß

...

So, das war mein Austrittsbrief!
Wer hat ähnliches hinter sich?

Gruß
Börsenfeger

Nachtrag:

Seit dem 15.10.04 war ich Mitglied im Verein
Wahlalternative, Arbeit und soziale Gerechtigkeit, aus dem Verein ging am 22.01.2005 die gleichnamige Partei hervor!

Dies hatte die Urabstimmung unter den ca. 5600 Mitgliedern im Dezember 2004 ergeben.

Zur Landtagswahl in NRW am 22.05.05 tritt sie an. Zur Zeit findet in Dortmund der Bundesgründungskongreß statt.

Es ist spannend, dabei mittun zu können!

Die Website der Partei mit mittlerweile 5370 / Stand 29.04.2005 eingetragenen Mitgliedern lautet:

http://www.asg-wahlalternative.de/

Auch auf regionaler Ebene sind wir bereits aktiv.

Mittlerweile gibts eine Homepage für meinen Kreisverband, in dem ich Mitglied im Sprecherrat bin:

http://www.wasg-bs-wf.de/index.html

PS:
Die Bewertung bezieht sich auf die Wählbarkeit der Partei.
Ein sehr schlecht kann ich hier nicht verteilen, da die anderen Parteien genauso unsozial (Grüne) bzw. noch schlimmer (CDU/CSU und FDP) bzw. meiner Meinung nach, völlig abwegige Vorstellungen in anderen politischen Bereichen haben wie etwa die PDS. Über das braune Gesocks muß ich hier nicht extra was hinterlassen, da meine linke Grundeinstellung deutlich geworden sein sollte.

13 Bewertungen, 2 Kommentare

  • diegorudolf

    24.09.2006, 15:30 Uhr von diegorudolf
    Bewertung: sehr hilfreich

    man sieht wieda das die spd sich zerspaltet wenn sie ein stück von der linken tradition abweicht

  • Lotosblüte

    31.07.2005, 12:44 Uhr von Lotosblüte
    Bewertung: sehr hilfreich

    Österreich...Ich hasse Parteimitgliedschaften sowieso. Hab ja nichts davon. Die tun ja ohnehin, was sie wollen... lg