Star Search Testbericht

Casting, Casting, Casting. Weil es ja keine individuelle, interessante, neuartige Musik bzw. keine derartigen Künstler mehr gibt (bzw. diese nicht mehr gefragt sind), werden wir momentan ja förmlich überschwemmt mit Casting-Shows und Talentsuchereien. Was da kürzlich aus den USA herüberschwappte (woher auch sonst...?) und bei Sat.1 ins Rennen ging, ist nun das lange angekündigte Star Search. Geworben wurde damit, dass beim amerikanischen Original so „sensationelle Talente“ wie Britney Spears und Christina Aguilera entdeckt worden sind. Nun denn, ich habe mir dieses müde Spektakel ein paar mal angetan – oft genug, um mir eine yopi-reife Meinung bilden zu können...

Das Konzept:

Star Search will ja eigentlich gar nicht direkt als Casting-Show eingestuft werden, weil die eigentlichen Castings schon vorher stattfinden, ohne dass der Zuschauer etwas davon zu sehen bekommt. Was dann im Fernsehen zu sehen ist, soll die Elite der beim Casting angetretenen Kandidaten sein, die dann gleich im Achtelfinale aufeinander treffen. Die Sendung läuft zur Zeit dreimal wöchentlich –am Samstag und Sonntag die Achtelfinales, am Freitag zur besten Sendezeit dann die Viertelfinales.
Es gibt vier Kategorien, in denen jeweils zwei Kandidaten gegeneinander antreten. Eine „hochqualifizierte“ Jury verteilt dann je nach Leistung und Gefallen 1 bis 5 Punkte pro Wettbewerber, anschließend können die Zuschauer von Zuhause aus anrufen und ihrem Favoriten ebenfalls noch einmal 1 bis 5 Punkte geben. Jury und Zuschauer gelten 50:50. Wer am Ende weniger Punkte hat, fliegt raus –der glückliche Sieger kommt eine Runde weiter.
Die Kategorien sind:
- Kinderstar, d.h. Sänger bis 15 Jahre
- Modell
- Comedy-Star
- Sänger ab 16 Jahre
Wie es ausgeht, ist klar: die Gewinner der Viertelfinale sehen sich im Halbfinale wieder, die dortigen Gewinner im Finale. Und wer dort als Sieger rausgeht, wird Deutschlands neuer Held zum lieb haben und toll finden.

Der Moderator:

Des Fernsehens Lieblings-Pseudo-Romantiker Kai Pflaume hat die Moderation übernommen. Er macht seine Sache solide-langweilig ohne besonderen Witz, besondere Originalität oder besondere Schwächen.

Die Jury:

Uaaaah, ich weiß nicht wer diese Möchtegern-Expertenriege zusammengestellt hat. Eigentlich sollte sie aus drei Stamm-Mitgliedern und pro Sendung einem Gast-Experten bestehen, irgendwie scheint man das aber geändert zu haben und es gibt nur noch zwei Jurymitglieder, die wirklich in jeder Sendung auftauen. Diese wären Ex-Modell und Schauspielerin Alexandra Kamp, die vor allem für den Modell-Bereich da ist, und ihre Sache auch noch ganz passabel macht, sowie der Comedy-Fuzzie Hugo Egon Balder, der wohl seit einer Weile bei der Sat.1-Show „Genial daneben“ mit rumkaschpert, und in seiner Jury-Funktion auch noch erträglich ist, weil er meistens etwas zum kritisieren findet.
Damit aber genug der schönen Worte. Drittes Stamm-Mitglied war ursprünglich das Korsett-Röllchen aus GZSZ Jeanette Biedermann. Warum versteht keiner, vielleicht weil sie am Ende der ersten Sendung ihren neuen Titel so schön playback vorgetragen hat und wohl irgendein süßes Hopserchen dabei sein muss, das einfach alles toll findet.
Aus Gründen aber ist Jeanette verschwunden, und als enorme Steigerung saß vergangenen Samstag plötzlich Talk-Blondchen Sonja Kraus auf ihrem Platz, die ich vom musikalischen Verständnis her noch weit niedriger einzuordnen wage als Jeanette, und die mit Dauergrinsen und überschwänglichem Getue ohne dabei jegliche Ahnung zu haben, wovon sie redete, nur noch nervte ohne Ende.
Aber! Auch sie ist ersetzlich, und so hatte man für den gestrigen Abend schließlich Ex-Blümchen Jasmin Wagner irgendwo ausgegraben, die wie eine brünette Version von Sonja Kraus wirkte, ebenfalls alles toll fand, und ebenfalls nervte ohne Ende.
Der Platz für das vierte Jurymitglied wird ebenfalls jedes mal neu besetzt, so zum Beispiel durch Barbara Salesch oder den VJ Patrice von MTV, im Großen und Ganzen auf jeden Fall immer in „hochqualifiziertes“ Team, das auch jeder Zeit durch eine Horde McDonald’s-Verkäufer ersetzt werden könnte, ohne auch nur ein Mindestmaß an Fachkompetenz und Niveau einzubüßen.
Überhaupt sind auch die Entscheidungen der Jury häufig unverständlich und schleierhaft. Da wird an einem Abend einfach alles nieder gemacht und schlecht bewertet, am nächsten Abend einfach alles super gefunden, obwohl es sich um den gleichen Schrott handelt. Dann wird des öfteren fleißig kritisiert, dann aber doch eine hohe Wertung gegeben, oder aber schlechte Wertungen so gut wie gar nicht begründet. Tja, das zeugt von Kompetenz...

Zu den Kategorien:

Begonnen wird immer mit den Kinderstars bis 15 Jahren, manche von denen sind sogar wirklich ganz süß und überraschend talentiert, so zum Beispiel ein kleiner Harry Potter-Verschnitt aus der ersten Sendung, der ganz klasse 4NonBlondes schmetterte. Die beiden Kandidatenliegen sich dann oft mit tränenüberströmten Gesichtern in den Armen während sie auf die Entscheidung warten, und können so mit Sicherheit jedes Elternherz erweichen. Bei vielen der Kleinen lässt allerdings schon der Stimmbruch grüßen, und ob es wirklich sinnvoll ist ein zehnjähriges Kind, das wild Eminem nachplappert, als Star rausbringen zu wollen, sei einmal dahin gestellt.

Noch viel weniger anfangen kann ich mit den Modells. In jeder Sendung stolzieren zwei Gerippe mit Kriegsbemalung und unglaublich aufgesetztem Lächeln über die Bühne und man soll dann auch noch irgendwelche Unterschiede feststellen bzw. unter diesen ganzen Farbe auch noch eine Ausstrahlung und eine Persönlichkeit finden. Ne, danke. Ich habe sowieso noch nie ein Modell schön gefunden („Wos zum Eessen!“)

Ach, was lobe ich mir den Quatsch Comedy Club oder von gehobenerem Niveau das Kabarett auf den dritten Programmen, wo zumindest hin und wieder Leute auftreten, über die ich auch lachen kann. Bei dem was ich bisher bei Star Search gesehen habe, hat noch nicht einmal ein Mundwinkel gezuckt. Im Grunde wirkte bisher jeder einzelne wie eine klägliche Nachahmung guter Komiker wie Mittermeier (dessen beste Zeiten ja leider auch schon vorbei sind) oder Dieter Nuhr. Von bissigen Parodien des Zeitgeschehens brauche ich gar nicht zu reden. Nein, man meint immer noch sich über Ossis lustig machen zu müssen. Wirklich schade, eine verschenkte Kategorie.

Die letzte Kategorie ist altbekannt. Sänger ab 16. Die Auswahl ist brauchbar, kaum erstklassig. Lediglich eine Sängerin konnte mich einmal halbwegs überzeugen, der Rest geht mit normalen Singstimmen ins Rennen und kann zwar Töne treffen, aber nicht außergewöhnlich klingen. Bei den Männern ist es noch schlimmer, wo fast nur 0-8-15-Knabengruppen-Bubis mit 0-8-15-Knabengruppen-Stimmen antreten. Eben etwas für die Zahnspangengeneration. Gääähn!

Fazit:

Tja, dass mich die Sendung nicht gerade vom Hocker reißt, müsste aus der Meinung bereits herauszuhören gewesen sein. Star Search ist ebenso mittelmäßig und überflüssig wie die übrigen alt bekannten Casting Shows, die ich hier nicht mehr aufzählen muss. Wieder sitzt eine Handvoll Leute im Hintergrund, die an der Hysterie der Massen eine Menge Geld verdienen. Ich frage mich sowieso wer da überhaupt anruft. In jeder Sendung kann man viermal anrufen, wobei jeder Anruf 49ct. kostet. Dreimal in der Woche läuft Star Search, und so ist man ganz schnell jede Woche knappe 6 Euro los.
Überhaupt ist der ganze Casting-Wahn eine Erscheinung unserer Zeit, die mich traurig macht, weil Individualität und Kreativität dabei immer auf der Strecke bleiben, um den Massen ständig neue Idole zum Anhimmeln vorgesetzt werden, die nach ein paar Wochen bis zwei Jahren ihre Popularität verlieren und so austauschbar sind wie die Socken, die man jeden Morgen aus der Schublade holt.