Sterbehilfe Testbericht

No-product-image
ab 10,98
Auf yopi.de gelistet seit 09/2003

5 Sterne
(5)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(2)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von eponnin

Qualvoll Sterben?!?

Pro:

Beim Sterben gibt es kein Pro

Kontra:

Bisher kein Gesetz zur aktiven Sterbehilfe in Deutschland

Empfehlung:

Nein

Vor nur wenigen Wochen entschied der Europäische Gerichtshof, dass aktive Sterbehilfe weiterhin verboten sei.
Die schwerkranke, vom Hals ab gelähmte Engländerin Diane Pretty, die mittlerweile verstorben ist, hatte auf ihr Recht auf ein menschenwürdiges Leben geklagt, was für sie auch das Recht auf einen menschenwürdigen Tod mit einschloss. Sie wollte sich das Recht erwirken, dass sie von ihrem Leid erlöst werden darf. Doch sie musste den qualvollen Weg nehmen.

Und ich muss ehrlich zugeben, dass ich über dieses Urteil sehr erschüttert war, denn ich war der Überzeugung, dass nun endlich ein Grundsatzurteil gefällt würde, dass für mich schon lange fällig war.

Doch man muss hier Unterscheidungen treffen.
Auch in Deutschland ist die passive Sterbehilfe erlaubt. Das heißt, dass auf Wunsch des Patienten keine Maßnahmen zur künstlichen Verlängerung des Lebens wie zum Beispiel das An-schließen an eine Herz-Lungen-Maschine vorgenommen werden. Dies kann man z.B. durch ein Patiententestament erreichen.
Ebenfalls erlaubt ist die (aktive) indirekte Sterbehilfe, was die Verabreichung von starken Schmerzmitteln durch einen Arzt meint, die zwar als Folge den Tod des Patienten zur Folge haben, aber dies nicht damit bezweckt war. Auch hier natürlich mit der Bedingung, dass dies dem Willen des Patienten entspricht.
Nur die aktive, direkte Sterbehilfe, also das Töten auf Verlangen ist gemäß § 216 StGB verbo-ten und wird mit Strafen bis zu 5 Jahren Gefängnis geahndet.

In Artikel 1 Absatz 1 GG heißt es „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt“ Artikel 2 Absatz 2 GG besagt „Jeder hat das Recht auf Leben …“

Ist es menschenwürdig, dahinsiechen zu müssen und auf einen qualvollen Tod warten zu müs-sen? Oder ist das „Recht“ auf Leben so unveräußerlich, dass es eine „Pflicht“ ist, bis zum bitteren, schmerzvollen Ende auszuharren?

Natürlich sind die religiösen Argumente klar – nur Gott entscheidet über Leben oder Tod, doch wieso entscheiden auch Gerichte immer wieder gegen die aktive Sterbehilfe?

Häufig wird argumentiert, dass Patienten die Entscheidung über ihren Tod zu leichtsinnig entscheiden, weil sie ihr Leben nicht mehr ertragen. Man glaubt, durch die Legalisierung einen Freifahrtschein für alle Suizidgefährdeten ist - ein Argument, dass ich schwer nachvoll-ziehen kann, denn wer noch dazu in der Lage ist, wird dann den Freitod wählen. Denn ich glaube, dass die Legalisierung gerade für solche Menschen wie Diane Pretty, die aufgrund ihrer Lähmung keine Möglichkeit mehr haben, ihr Leben selbst zu beenden. Und es ist für solche Menschen gedacht, deren baldiger Tod gewiss ist, doch das WIE soll selbst bestimmt werden.
Es wird auch angeführt, dass die Gefahr besteht, dass durch die Legalisierung die Grenzen weiter verschwimmen. Wer kann über die Sterbehilfe bestimmen, nur der Patient oder auch Angehörige? Was ist, wenn der Wille des Patienten nicht eindeutig geklärt ist? Ab wann ist das Leben eine Qual? All diese Fragen müssten geklärt werden, und die Gefahr, dass die Schwelle immer weiter nach unten gesetzt wird besteht. So hat eine niederländische Politikerin nach der Legalisierung der aktiven Sterbehilfe (dazu später mehr) den Vorschlag unter-breitet, an alte Menschen „Todespillen“ auszugeben, um ihnen die Wahl den Todeszeitpunk-tes zu geben – was auch für mich eindeutig zu weit geht.

Doch kann nicht auch das Verbot der aktiven Sterbehilfe Menschen in den Tod treiben, näm-lich aus Angst vor einen qualvollen Tod an irgendwelchen Maschinen ect. – ein Freitod aus Prävention vor dem, was sonst folgen könnte?

Und sollte die persönliche Selbstbestimmung nicht so weit gehen, dass mir der Staat nicht vorschreiben kann, wie ich zu sterben habe?

All diese Fragen werden auch hier in Deutschland mal mehr mal weniger stark diskutiert, ohne dass sich wirklich etwas ändert. Kein Politiker hat sich bisher richtig an dieses Tabu-Thema herangetraut.

Doch in den Niederlanden wurde im April 2001 ein „Gesetz über die Kontrolle der Lebensbe-endigung auf Verlangen und die Hilfe bei Selbsttötung“ erlassen, das die aktive Sterbehilfe zwar nicht erlaubt, jedoch den Arzt unter besonderen Bedingungen straffrei lässt.

Der Arzt muss dabei sicher sein, dass der Patient die Entscheidung über den Tod freiwillig getroffen und genau durchdacht hat. Er muss ihn genauestens über seine Situation und seine Aussichten informieren. Und er muss selbst der Überzeugung sein, dass der Tod für den Pati-enten der einzige Ausweg ist.
Auch muss ein zweiter, unabhängiger Arzt genau diese Überprüfung ebenfalls durchführen und der gleichen Auffassung sein.
Und die lebensbeendenden Maßnahmen müssen medizinisch korrekt durchgeführt werden.
Der Fall muss ebenfalls der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung gemeldet werden.

Dies zeigt, dass versucht wurde, dieses äußerst sensible Gebiet abzusichern. Wichtig dabei war, dass die Entscheidung über den freiwilligen Tod nur direkt vom Patienten kommen und diese Entscheidung auch vom Arzt medizinisch unterstützt werden muss.

Aber dort liegt auch ein Problem. Was ist mit Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, ihren Willen zu äußern z.B. weil sie in einem Koma liegen. Dürfen auch Angehörige diese Entscheidung treffen?
In Deutschland gab es mehrere Urteile, wo es den Angehörigen z.B. verboten wurde, Lang-zeitkomapatienten, die keine Aussicht darauf hatten, jemals wieder zu erwachen, durch Nahrungsentzug (indirekte Sterbehilfe) langsam „einschlafen“ zu lassen.

Ich muss sagen, dass ich das Gesetz in den Niederlande befürworte.
Wenn ich noch dazu in der Lage bin, eine Entscheidung zu treffen und ich weiß, dass ich sehr bald auf eine schmerzhafte Art und Weise sterben werden, will auch ich das Recht haben, wenn ich mir selbst nicht mehr helfen kann, jemand um Erlösung bitten zu können und auch die Hilfe erhalten dürfen.
Wie kann sich ein Staat sich anmaßen, jemanden zu einem qualvollen Tod zu verurteilen?

Mir sind die juristischen Schwierigkeiten der Absicherung der wirklichen freiwilligen und gut durchdachten Entscheidung klar. Und ich würde auch sehr strenge Richtlinien nur befürworten, um jeglichen Missbrauch auszuschließen – zwei Ärzte und von mir aus auch noch ein Notar.
Aber bei z.B. Komapatienten finde auch ich die Entscheidung sehr schwer, denn den Willen zu erahnen ist schwer und eine hundertprozentige Absicherung gibt es selten. Ein Patienten-testament hilft hier zwar, aber kann man auch hier nie hundertprozentig sicher sein, ob sich der Wille nicht inzwischen geändert hat oder ob der Patient im tatsächlichen Fall noch immer an seiner Entscheidung festhalten würde.

Doch wie kann man in einen so eindeutigen Fall wie bei Diane Pretty eine so ungerechte Ent-scheidung fällen? Sie war bei vollem Bewusstsein, als sie vor Gericht zog und die Ernsthaftigkeit ihrer Lage ist aufgrund ihres Todes wohl eindeutig.
Ich möchte mir nicht einmal vorstellen, wie es sein muss, gelähmt in einem Bett zu liegen und zu merken, wie das Atmen immer schwerer wird, wie die Schmerzen immer unerträglicher werden und mich fragen zu müssen, wie lange diese Qual noch anhält?

Natürlich bleibt es immer eine Frage von der persönlichen Moral- und Werteeinstellung eines jedem, wie er zu diesem Thema steht. Und auch wenn ich hier einiges geschrieben habe, kann auch ich keine Lösung zu diesem schwierigen Thema bieten, nur meine Meinung mit einigen Argumenten darlegen.
Doch sollte kein Mensch – meiner Meinung nach – so qualvoll enden müssen wie Diane Pretty und noch so viel andere.

20 Bewertungen, 5 Kommentare

  • Yadys

    27.08.2002, 00:37 Uhr von Yadys
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich stimme dir zu..es sollte legal sein..ich könnte noch einiges dazufügen..

  • DrDuke

    14.07.2002, 01:26 Uhr von DrDuke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Soetwas sollte wirklich langsam Legal sein, bloss es traut sich irgendwie niemand von den Politikern an das Thema ran

  • Indigo

    16.06.2002, 00:13 Uhr von Indigo
    Bewertung: sehr hilfreich

    aber auch sehr problematisch, wenn man die ganze Diskussion einmal um die medialen Anteile bereinigt und unter den Aspekten analytischer Ethik reflektiert.

  • ahaefner

    12.06.2002, 09:40 Uhr von ahaefner
    Bewertung: sehr hilfreich

    das Gesetz ist längst überfällig! Es ist eben ein extrem schwieriges Thema und deshalb wird hier wohl lieber keine Entscheidung getroffen... Liebe Grüße, Andreas

  • rolse

    10.06.2002, 00:26 Uhr von rolse
    Bewertung: sehr hilfreich

    keine einfache Sache. Ich habe da immer Angst vor Mißbrauch. gruß Roland