Der Hagestolz Testbericht

Der-hagestolz
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Summe aller Bewertungen
  • Niveau:  sehr anspruchsvoll
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  • Spannung:  hoch
  • Humor:  kein Humor
  • Stil:  sehr ausschmückend

Erfahrungsbericht von margy

der hagestolz

5
  • Niveau:  sehr anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  sehr hoch
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  kein Humor
  • Stil:  sehr ausschmückend
  • Zielgruppe:  Erwachsene

Pro:

siehe bericht

Kontra:

siehe bericht

Empfehlung:

Ja

Zum Buch:

Das 156seitige Taschenbuch erschien im Reclam Verlag im Jahr 1986. Unter der ISBN 978-3150041949 kostet es 4 €.

Buchumschlag:

Der Umschlag des Buches ist gelb mit schwarzer Schrift. Mein Buchexemplar sieht folgendermaßen aus: Der Umschlag des Buches ist tiefblau. In einem Rahmen in der Mitte des Buchumschlages sehe ich eine wunderbare, eine idyllische Landschaft. Unter einem hellblauen Himmel, mit weißen Schleierwolken durchzogen, erheben sich im Hintergrund die majestätische Felsengebirge. Gelb und grün, von hinten nach vorne, durchzieht Wiese und vielleicht Blumenfelder diese Landschaft bis hin zu einem krumm gewachsenen Baum, dicht mit Blättern gefüllt, im Vordergrund. Alles Grün liegt immer in der Nähe eines blauen Sees.

Autor:

Adalbert Stifter, geb. 1805 in Oberplan/Böhmerwald), war der Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers. Nach der Gymnasiumszeit im Benediktinerstift Kremsmünster studierte er ab 1826 die Rechte in Wien, ohne aber eine Schlußprüfung zu absolvieren. In den 1830er Jahren bewarb er sich mehrmals erfolglos um Anstellungen als Lehrer und verdiente dann seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer. Nachdem ihm 1840 die Veröffentlichung der Erzählungen 'Der Condor' und 'Feldblumen' erste Erfolge gebracht hatte, lebte er bis 1850 als freier Schriftsteller. Nach den Märzunruhen von 1848 in Wien zog sich Stifter nach Linz zurück, wurde zum Schulrat ernannt, 1853 von der "Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst und historischen Denkmale" zum Konservator für Oberösterreich bestellt.
1865 trat Stifter, wohl seit 1863 unheilbar erkrankt, durch lästige Verwaltungsarbeit und finanzielle Bedrängnis verbittert, in den Ruhestand. Nach einem Selbstmordversuch starb er 1868 in Linz.

Anmerkungen zur Erzählung:

Stifters dreizehnte Erzählung entstand Ende 1844 und wurde erstmals in dem Almanach ›Iris. Taschenbuch für das Jahr 1845‹ abgedruckt. Thema der Geschichte ist die Erkenntnis eines alten einsamen Mannes, dass ein Junggesellen-Dasein nicht erstrebenswert ist. Indem er seinem jungen Neffen seine eigene Liebes- und Lebensgeschichte erzählt, die auch das Geheimnis um dessen Pflegemutter Ludmilla enthüllt, weist er ihn auf eine glücklichere Lebensbahn.
Die berühmte Erziehungsnovelle trägt die schmerzlichen Züge der Biographie Stifters, der seine Kinderlosigkeit als dramatische Entbehrung erfahren hat.

Klappentext:

In den Schicksalen der beiden Hauptfiguren, dem jungen Victor und seinem Oheim dem auf einer weltabgeschiedenen Insel hausenden Hagestolz, führt Stifters Novelle zwei gegensätzliche Lebensauffassungen vor, die in Bild und Gegenbild die daseinsbestimmenden Gegensätze von Ruhe und Bewegung, von Licht und Finsternis, von Offenheit und Geschlossenheit veranschaulichen.

Aus dem Innenteil des Buches, Informationen:

Pesth 1844/45, Herausgegeben von Joseph Kiermeier-Debre. Der Nachdruck des Textes folgt originalgetreu dem Erstdruck von 1844/45. Die Originalpaginierung wird im fortlaufenden Text vermerkt. Der Anhang gibt Auskunft zu Autor und Werk.

Leseprobe:

1844

1. Gegenbild

Auf einem schönen grünen Plaze, der bergan steigt, wo Bäume stehen und Nachtigallen schlagen, gingen mehrere Jünglinge in dem Brausen und Schäumen ihres jungen kaum erst beginnenden Lebens. Eine glänzende Landschaft war rings um sie geworfen. Wolkenschatten flogen, und unten in der Ebene blickten die Thürme und Häuserlasten einer großen Stadt. Einer von ihnen rief die Worte: »Es ist nun für alle Ewigkeit ganz gewiß, daß ich nie heirathen werde. «Es war ein schlanker Jüngling mit sanften schmachtenden Augen, der dieses gesagt hatte. Die andern achteten nicht sonderlich darauf, mehrere lachten, knikten Zweige, bewarfen sich und schritten weiter. »Ha, wer wird denn heirathen,« sagte einer, »die lächerlichen Bande eines Weibes tragen, und wie der Vogel auf den Stangen eines Käfiches sizen?« »Ja, du Narr, aber tanzen, verliebt sein, sich schämen, roth werden, gelt?« rief ein Dritter, und es erschallte wieder Gelächter.»Dich nähme ohnehin keine.«»Dich auch nicht.«»Was liegt daran?«

Schreibstil:

obsolet im Originaltext, romantisch, poetisch, bildhaft, dialogreich, mit Gegensätzen spielend

Meinung:

Victor ist die Hauptperson dieses Buches. Früh verliert er seine Eltern. Der Autor Adalbert Stifter, war selbst noch sehr jung, als er seinen Vater verlor. Also gibt es Paralellen zum Lebenslauf Stifters. Victor muss zu einer Ziehmutter und hat hier keine männliche Person, die ihm den Vater ersetzen würde. Stifter hatte zu seinen Lebzeiten insgesamt 5 Geschwister. Seine Mutter heiratete zum zweiten Mal. Sein Leben war hart  und geprägt von Entbehrungen.
 Stifters Großvater schickte Adalbert 1818 auf die Lateinschule der Benediktiner in Kronsmünster. Das war, so sagte Stifter später, seine glücklichste Zeit. Der Unterricht dieser Schule weckte in Stifter das Interesse zur Literatur genauso wie den genauen Blick auf die Schönheit der Natur. Alles, was er sah, was er beobachtete, gestaltete er als Bilder und gab sich der Malerei hin. Mit seinen Augen sog er alles auf.
 Stifter ging, um Rechtswissenschaften zu studieren, nach Wien, bricht das Studium jedoch wieder ab und verlässt die Uni ohne einen Abschluss. Stifter beginnt, an sich selbst zu verzweifeln und wendet sich dem Alkohol zu und aß viel zuviel. Stifters Beziehung zu Fanny Greipl hatte ein Ende gefunden und damit wurde er nicht fertig.
 Victor liebte Ludmilla. Er hatte einen Bruder, der ihm die Frau wegnahm. Natürlich war Victor traurig, isst übermäßig und trinkt zuviel Alkohol. Die Paralellen werden sichtbar zwischen Stifter und seiner Figur Victor.
 Obwohl Stifter eine andere Frau heiratete, versuchte er, Fanny wieder für sich zu gewinnen. Amalie Mohaupt, Stifters Ehefrau, war nicht so klug wie er und so wurde sie ihm schnell langweilig. Sie hatten keine Kinder und zudem große Geldsorgen. Als die Revolution zu Ende war, es war 1848, nahm Stifter eine Stelle als Schulinspektor an und sorgte mit viel Einsatz für Reformen im Bildungswesen. Das Ehepaar Stifter nahm eine Nichte zu sich auf, doch die fühlte sich nicht wohl. Sie lief aus dem Haus der Stifters weg und das mehrere Male und eines Tages fand man sie tot in der Donau. Wahrscheinlich wählte sie den Freitod.
 Der Hagestolz, der auch nie Kinder hatte, nahm Victor bei sich auf. Es war sein Neffe. Er versucht sich an der Erziehung des Jungen.                      Wegen seiner Essstörungen wurde Stifter krank und litt an Leberzirrhose, die ihm schreckliche Schmerzen bereitete. Er nahm sein Rasiermesser und schnitt sich damit die Schlagader an seinem Hals auf, starb 2 Tage darauf.
 Das zu meinen Recherchen und den Paralellen des Autors zum Buch.

Eingebracht in diese Geschichte um Victor und den Hagestolz ist das Gleichnis eines unfruchtbaren Feigenbaumes aus dem Lukas-Evangelium, Kapitel 13, Verse 6 - 9. Dabei geht es um einen Feigenbaum, der keine Früchte trägt über 3 Jahre hinweg. Verzweifelt wendet sich der Besitzer des Feigenbaumes an den Weinbergarbeiter und klagt ihm sein Leid. Er bekommt als Rat, den Baum zu schlagen. Doch das will der Besitzer nicht, will dem Baum noch eine Chance einräumen, sich zu bewähren. Er will die Erde lockern und diesen Baum düngen. Sollte er dann immer noch keine Früchte tragen, möge der Arbeiter des Winberges ihn abholzen.

Die Handlung der Erzählung hat keine spannenden Momente und auch keinen außergewöhnlichen oder ungewöhnlichen Schwerpunkt. Deshalb geht es auch nicht um eine Novelle. Es geht um Jugendliche, die fröhlich und ausgelassen sind, sich auf ihre Zukunft freuen im Gegensatz zu dem Feigenbaum. Dieser Baum steht auch für die entgangenen Chancen im Leben des Hagestolzes. Das Leben selbst besteht darin, dass es junge wie alte Menschen gibt. Victor ist die Person, die Figur, die jung ist und für die Jugend steht. Er hat vom Leben selbst und das, was noch auf ihn wartet, noch keine Ahnung. Sein Onkel, der Hagestolz, hingegen ist der Mann, der aus seiner Lebenserfahrung heraus weiß, dass er viele Chancen seines Lebens nicht genutzt hat und sie auch nie wieder in seinem Leben nachholen kann. Er will nicht, dass es Victor genauso geht und gibt ihm ständig gutgemeinte Ratschläge.
 Die Spannung der erzählten Geschichte besteht aus den Spannungen, den Konflikten zwischen den Personen und was in ihnen vor sich geht. Genau diese Konflikte werfen Bilder auf, erzeugen Bilder und auch Gegenbilder. Genau das setzt Kontraste, lassen zu, klar zu erkennen, sie ergänzen sich und bleiben plötzlich stehen.
 Als ich begann, die Erzählung zu lesen und ich mich dann irgendwann in den Ereignissen befand, stellte ich mir einige Fragen:

- Wie würde sich Victor vom Jugendlichen zu einem erwachsenen Menschen entwickeln?

-Würde der Onkel mit seinen Ratschlägen, seiner großen Fürsorge, erreichen, dass Victor sein Leben meister?

- Was überhaupt ist das zentrale Thema des Buches?

- Ging es um die Verfehlungen des Onkels, der versuchte, an seinem Neffen das wettzumachen, was er selbst versäumte?

Titel der einzelnen Erzählungen:

- Eintracht

- Abschied

- Wanderung

- Aufenthalt

- Rückkehr

Das alles betrifft Victor auf seinem Lebensweg. Auf jeden Fall ist der Onkel eine düstere, eine finstere Figur. Wie in einen Bann gezogen ist Victor wie ein Magnetfeld für seinen Onkel. Der Umgang zwischen den beiden ist der Mittelpunkt der Geschichte. Der Onkel nimmt seinem Neffen mit seinem aufdringlichen Verhalten die Würde und das Recht darauf, die Jugend zu genießen und das Leben in eigene Hände zu nehmen. Das Chaos in Victors Gedanken spiegelt sich in der Unordnung seines Zimmer wider. Er fühlt sich unterdrückt und von einer gewaltigen Macht, die vom Onkel ausgeht, erdrückt. Victor sieht in den Bergen an dem Ufer seines Onkels glühende Kohlen, die aus den Trümmern ragen.  Victor war nicht mehr in der Lage, seinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf zu lassen. Anstatt draußen in der Natur zu wandern, blieb er in seinem Zimmer. Kurz darauf flieht er vor seinem Onkel. Das, was er am liebsten machen würde, liegt zwar in greifbarer Nähe, in sich jedoch ist der Kerker, das Gefängnis, aus dem er nicht zu fliehen vermag. Das Leben der Menschen und die Natur haben Ähnlichkeiten. Ordnung, Regeln und Gesetze beherrschen jedes Leben. Das Geschehen in der Natur entscheidet über das Leben oder Verderben so wie der Umgang Erwachsener mit den Kindern bestimmt, wie sich ein Mensch fühlt und sich entfaltet.
 Stifter erzählt von der Natur als den Lebensraum von den Figuren, die darin leben. Wie wir mit der Natur umgehen, so leben wir auch darin. Das gilt auch für das Miteinander unter den Menschen.
 Der Hagestolz stammt aus dem Jahr 1844 und erschien erstmals 1845 im Iris Taschenbuchverlag.
 Dort, wo Victor aufwuchs, fühlte er sich wohl. Dort, wo er hinkommt, ist ein neuer Abschnitt seines Lebens, eine neue Phase. Es geht um die Gegensätze und um die Probleme, die daraus entstehen. Bei Ludmilla fühlte sich Victor in Wärme gehüllt, wurde von Ludmilla versorgt, verwöhnt und trifft bei seinem Onkel auf dessen Härte, sein schroffes Wesen und die Herzlosigkeit, die Kälte dieses Mannes.
 Durch den Wechsel von Ludmilla zum Hagestolz verändert sich Victor zusehends. Die Natur der Umgebung an beiden Orten ist dem Charakter der Personen angepasst.
 Bei Ludmilla sieht Victor ein Tal, das von der Sonne beschienen wird und von Bächen umgeben ist. Die Insel des Onkels dagegen ist einsam und die Felsen am Ufer fallen steil in den See. Die Landschaft steht also auch für den Gemütszustand Victors. Die Beschreibung der Natur und der Landschaft sind also eine Metapher. In der Person Victor triften die Gefühle und die Gedanken mit dem Wollen des Onkels weit auseinander so wie beim Hagestolz die Zweifel quälen, was seine eigene Person betrifft. Immer geht es um Beziehungen zu Personen, die Liebe zwischen Ludmilla und Victor, die Verwandtschaft zum Onkel usw.
 Victor fühlt sich wie in einem Gefängnis. Auf diese Weise lernt er zwei Welten kennen und das Zusammenspiel von beiden macht ihn reif und stark.
 Zu Beginn des Buches unterhalten sich die jungen Männer über das Heiraten. Auch das kann ein Gefängnis sein, jenachdem, wie Menschen miteinander umgehen, aber auch eine Erfüllung. Erst unreif, entwickeln sich Jugendliche zu reifen Menschen. Unbesorgt und ohne Kummer leben Jugendliche, die erst im Laufe des Lebens die Kehrseiten und den Umgang damit lernen. Aus einer Ehe heraus können Kinder entstehen und der Kreislauf des Lebens, des Daseins beginnt von vorn.
 Es geht hier um autobiografische Züge des Autors und das Thema Kinderlosigkeit in seiner Ehe belastete ihn meiner Meinung nach sehr. Ich finde es sagenhaft, wie ein so dünnes Buch mit einer solchen Geschichte eine Tragfläche zum Leben insgesamt zeigt wie dieses. Klasse!

16 Bewertungen, 10 Kommentare

  • goat

    09.12.2012, 20:56 Uhr von goat
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich wünsche Dir einen schönen 2. Advent. LG Melanie

  • monagirl

    09.12.2012, 10:25 Uhr von monagirl
    Bewertung: sehr hilfreich

    Klasse dein Bericht lg Mona

  • Miraculix1967

    09.12.2012, 08:15 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toller Bericht! Schönen 2. Advent bzw. schönen Sonntag und LG aus dem gallischen Dorf Miraculix1967:-)

  • MyDream

    09.12.2012, 05:02 Uhr von MyDream
    Bewertung: besonders wertvoll

    super Bericht bw!

  • katjafranke

    08.12.2012, 23:12 Uhr von katjafranke
    Bewertung: besonders wertvoll

    Einen lieben Gruß zum 2. Advent KATJA

  • bella.17@live.de

    08.12.2012, 22:56 Uhr von [email protected]
    Bewertung: sehr hilfreich

    Grüße von Annabelle

  • sammelmeilen

    08.12.2012, 20:58 Uhr von sammelmeilen
    Bewertung: besonders wertvoll

    bw & einen schönen 2. Advent. Lg Antje

  • morla

    08.12.2012, 20:39 Uhr von morla
    Bewertung: besonders wertvoll

    schönes wochenende lg. petra

  • debbi87

    08.12.2012, 20:02 Uhr von debbi87
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße!

  • anonym

    08.12.2012, 18:43 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Prima beschrieben. Würde mich freuen, wenn du auch bei mir mal reinschaust =) GLG