Sturz ins Leere (DVD) Testbericht

Sturz-ins-leere-dvd
ab 7,78
Auf yopi.de gelistet seit 10/2004

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Erfahrungsbericht von mima007

Packendes Bergsteigerdrama mit vielen Extras

Pro:

spannend, kenntnisreich, grandiose Landschaftsaufnahmen, Bonusmaterial, sehr guter Sound, sehr gutes Bild

Kontra:

Hauptfilm nicht synchronisiert

Empfehlung:

Ja

Die Bergsteiger Joe und Simon sind gerade beim Abstieg von einem Sechstausender in Peru, als Joe stürzt. Sein Knie ist zerschmttert – ein Todesurteil in den Anden. Simon seilt ihn unter extremen Bedingungen ab, bis Joe über eine Klippe stürzt und darunter hilflos hängen bleibt. Sein Gewicht droht Simon in den Abgrund zu reißen, so dass sich Simon zum Äzßersten entschließt: Er kappt das Seil. Für beide beginnt ein Albtraum…

Das Dokudrama folgt dem Buch „Sturz ins Leere – Überlebenskampf in den Anden“ von Joe Simpson, das ein Weltbestseller wurde.

Filminfos
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O-Titel: Touching the Void (GB 2004)
Dt. Vertrieb: Kinowelt
FSK: ab 12
Länge: ca. 102 Min.
Regisseur: Kevin Macdonald
Drehbuch: basierend auf dem gleichnamigen Buch von Joe Simpson
Musik: Alex Heffes, Bevan Smith
Darsteller: Brendan Mackey, Nicholas Aaron u.a.

Handlung
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Joe Simpson und Simon Yates sind zwei junge britische Bergsteiger, die sich eine besondere Herausforderung ausgewählt haben, um ihre Grenzen auszutesten: die noch nie erstiegene Westwand des peruanischen Sechstausenders Siula Grande. Eine Kleinexpedition bringt sie an den Fuß des Gletschers, wo ihr neuer Bekannter Richard Hawkins auf ihre Rückkehr von der Tour warten will. Er wird sieben Tage warten müssen. Eingeplant sind höchstens drei.

Der Aufstieg klappt wider Erwarten hervorragend, weil auch das Wetter mitspielt. Es ist ein Triumph, auf dem Gipfel zu stehen. Doch auf dem Abstieg, der einer anderen Route folgt, schlägt das Wetter um. Sie verirren sich im Nebel. Bis sich Joe das Knie bricht – in den Anden, fern jeden Krankenhauses, ein Todesurteil. Doch wenigstens findet ihn Simon im Nebel. Sie sind aneinander geseilt.

Doch als Joe über eine verborgene Klippe stürzt und im Nichts hängt, droht sein Gewicht auch Simon in den kilometertiefen Abgrund zu reißen. Simon schafft sich eine Mulde und hält Joe, den er nicht sehen kann, zwei Stunden lang fest. Doch dann verlassen ihn die Kräfte und die Mulde beginnt nachzugeben. Er weiß auch nicht, ob Joe überhaupt noch lebt. Simon hat bereits erste Erfrierungen erlitten und droht an Unterkühlung zu sterben, ebenso wie Joe. Er entscheidet den aussichtslosen Kampf in höchster Not, indem er ein eisernes Tabu der Bergsteiger bricht: Er kappt das Seil, um sich zu retten.

Während sich Simon stundenlang hinab ins Tal kämpft, beginnt für Joe der Überlebenskampf erst: Er stürzt in eine Gletscherspalte. Doch ein schmaler Sims fängt seinen Sturz ins Nichts ab. Von hier kann Joe trotz seines gebrochenen Knies beginnen, sich wieder nach oben zu arbeiten. Eine tagelanger Kampf beginnt…

Mein Eindruck
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Da Joe Simpson ja das Buch geschrieben hat, wissen wir, dass er diesen Kampf gewonnen haben muss. Aber unter welchen Strapazen und Opfer, das erfahren wir nur, indem wir den Film anschauen oder das Buch lesen. Der Weg zurück zum Lager kostet ihn nicht weniger als vier Tage!

Das Dokudrama ist kein Spielfilm, und will es auch gar nicht sein. Denn es gibt ein entscheidendes Hindernis bei der Dramatisierung: Die Hälfte des Geschehens spielt sich nur in Joes Kopf ab. Recht wenig spektakulär für einen Tom-Cruise-Thriller. Deshalb greift das Dokudrama auf die direkten Aussagen der drei Beteiligten zurück. Insbesondere die Stimme Joes erhält so nicht nur mehr Authentizität – sie wird auch sehr eindringlich, wenn er von seinen Wahnvorstellungen und irrsinnigen Einfällen erzählt. Er leidet unter Unterkühlung und Entwässerung, sein Hirn ist kurz davor, komplett abzuschalten. Da fällt ihm ein Song von Boney M. ein: „Brown Girl in the Ring“. Er mag Boney M. nicht mal. Dennoch wiederholt sich der Refrain tausende Mal, bis Joe endlich in die Reichweite von fließendem Wasser gelangt. Hier endlich kann er seinen Durst stillen.

Dramatisch wird dann auch sein Kampf über den Gletscher, durch die Felsen der Seiten- und Endmoräne. Nur ganz am Schluss hört ihn jemand: Es ist Simon, der nicht glaubt, einen Geist zu hören, sondern Joe selbst. Man hatte Joe bereits abgeschrieben.

Der zentrale Grund, warum diese Geschichte überhaupt erzählt werden MUSSTE, ist Simons umstrittene Entscheidung, das Seil zu kappen und Joe aufzugeben. Die traditionellen Bergsteiger in der Community lehnen diese Handlung strikt ab. Als Joe in England dies mitbekam, wollte er den Namen Simons wieder reinwaschen - durch das Buch. Denn Joe bringt volles Verständnis für Simons Handeln auf. Dass sich jeder einzelne am Filmprojekt Beteiligte mit dieser ethischen Frage auseinandersetzen musste, belegen die vier Interviews auf der zweiten Disc. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, sich die 2-Disc-DVD zuzulegen.


Die DVD
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Technische Infos

Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 5.1, Englisch in DD 5.1 und DTS
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D

Extras:
- Trailer
- „Return to Siula Grande“-Doku
- Interviews
- What happened next

Mein Eindruck: die DVD
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Bild und Ton und dieser DVD sind ausgezeichnet, außer in den Dokus der 2. Disc und in den vielen Statement-Einblendungen. Die beste Qualität ist eindeutig in den Spielszenen zu finden. Merkwürdig ist jedoch, dass man den herausragenden DTS-Standard nur im englischen Original geboten bekommt – meist ist es genau anders herum: DTS gibt es dann in der deutschen Version.

Die Untertitel gibt es nur in Deutsch, weil der Originalton durchgehend auf Englisch vorliegt. Im Film wurde nicht synchronisiert, nur in den Dokus. Dort ist dann auch Oliver Rohrbeck als bekannter Synchronsprecher zu vernehmen.


EXTRAS
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1) Doku „Return to Siula Grande“ (ca. 25 min)
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Diese Doku zeigt die Rückkehr der Hauptakteure zum Siula Grande 17 Jahre später, also um das Jahr 2002 herum. Jim Simpson, der sein Tagebuch gefunden und ein Buch geschrieben hat, erzählt, wie er diese Rückkehr erlebt: mit Zittern und Zagen, die ihn im früheren Basislager überkommen. Er hat Albträume. Auch Simon Yates ist dabei, ebenfalls als Berater, sowie Richard Hawkins, den man in Japan ausfindig gemacht hat. Alle drei liefern persönliche Statements und schildern, wie sie die anstrengenden Dreharbeiten erlebten.

2) What happened next (ca. 9:40 min)
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Joe und Richard erzählen, wie es nach Joes Rückkehr ins Basislager weiterging: ein wahrer Horrortrip. Erst der Abstieg ins nächste Dorf auf dem Rückkehr eines störrischen Mulis – mit gebrochenem Bein eine Tortur. Weil die Terroristen vom „Leuchtenden Pfad“ (der Terminus „Sendero Luminoso“ wird nicht erklärt) mit Angriff drohen, wird Joe nicht behandelt. Ein betrunkener Taxifahrer fährt ihn also nach Lima. Doch auch dort wird er nicht behandelt: Die Ärzte trauen seiner Krankenkasse nicht wollen Bares sehen. Schließlich England: Seine Eltern hassen Simon, denn sie haben bislang nur Lügen über seine Tat gehört. Also muss Joe das Buch schreiben, um alles zu erklären. Das Bildmaterial besteht aus Fotos und Interviewszenen.

3) Vier Interviews
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a) John Smithson, der Produzent (8:37 min)

Der Produzent begründet seinen Entschluss, den Film machen zu wollen: Es ist eine universell gültige Geschichte, die nicht nur Bergsteiger berührt. Wie oben erwähnt, zwang der umfangreiche innere Monolog dazu, die Form des Dokudramas zu wählen. Er selbst hatte Furcht vor den Bergen und wurde durch die Dreharbeiten dort oben von seiner Höhenangst geheilt. Sein Film wurde weltweit der erfolgreichste Dokufilm überhaupt, noch vor Moores „Bowling for Columbine“.

b) Brendan Mackey, der Darsteller des Joe Simpson

Hatte keine Ahnung vom Bergsteigen, wollte die Rolle aber aus Neugier haben und weil sich ihm eine große Chance bot. Die Dreharbeiten waren sehr gefährlich, die Vorbereitung aber minimal. Äußert Vertständnis für Simons Entscheidung.

c) Brian Hall, der beratende und sichernde Bergführer (8:08 min)

Hatte für den Schutz und die Sicherheit von Schauspielern, Crew und Ausrüstung zu sorgen. Wählte Dreohorte und –zeiten sowie Kleidung, Proviant etc. Simulierte den Sturz mit Cuthbertson. Zeigt Verständnis für Simons Wahl: Man müsse den Kontext sehen.

d) David Cuthbertson, Bergführer, Double und Stuntman für Joe Simpson (5:33 min)

War wie Hall für die Security zuständig, als man ihn bat, Joe zu doubeln. Er hatte Angts vor der Sturz-Szene, und tatsächlich erwies sie sich als recht riskant. Sie musste wiederholt werden, aber alles ging gut.

4) Trailer
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Zeigt die Höhepunkte des Films.

Unterm Strich
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Der Film selbst besticht durch einen nie zuvor gesehenen Realismus, den nicht einmal die Verfilmung von Jon Krakauers Everest-Drama „In eisige Höhen“ zu erreichen vermochte. Zweitens ist der größte Teil des Films an Dramatik und Tragik kaum zu übertreffen. Drittens beeindruckten mich die grandiosen Landschaftsaufnahmen, die sowohl in Peru als auch in den Alpen gedreht wurden.

Und viertens bietet der Film jede Menge Stoff für Diskussionen über ethisches Handelns in Notsituationen: Würde man selbst einen Hilfebedürftigen wirklich im Stich lassen, um sich selbst zu retten? Der einzige Bergsteigerfilm, den ich kenne, der noch packender ist, ist das deutsche Drama „Nordwand“, das an Tragik kaum zu überbieten ist. Hier gibt es auch einen „Joe“, aber er schneidet sein Seil selbst durch – um seine Retter nicht in Lebensgefahr zu bringen.

Die DVD

Die Silberscheibe beitet nicht nur hervorragenden Sound (DTS im Original), sondern auch eine ganze Disc (ca. 66 min) voller Hintergrundinformationen zur Tour von 1985 und zur Verfilmung anno 2002. Dass hier die Bildqualität nicht immer optimal ist, liegt an den Aufnahmegeräten: In der Kälte versagten die meisten Kameras. Aber der Eindruck wird erhärtet, dass nicht nur die Tour lebensgefährlich war, sondern auch die Dreharbeiten. Die Schwächen, die die DVD vielleicht aufweist, habe ich oben aufgezeigt. Dafür gibt es Punktabzug.

Fazit: vier von fünf Sternen.

Michael Matzer (c) 2012ff

64 Bewertungen, 9 Kommentare

  • anonym

    04.02.2012, 05:38 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    Liebe Grüße und einen schönen Tag

  • Matze081

    10.01.2012, 17:15 Uhr von Matze081
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöne Grüße aus Greifswald ;)

  • Miraculix1967

    09.01.2012, 16:38 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: sehr hilfreich

    WWW = Wunderschöne Wochenstarts-Wünsche! Lieben Gruß Nr. 1 für heute aus dem gallischen Dorf Miraculix1967

  • Tweety30

    09.01.2012, 13:32 Uhr von Tweety30
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW und einen schönen Montag!

  • uhlig_simone@t-online.de

    09.01.2012, 11:28 Uhr von [email protected]
    Bewertung: besonders wertvoll

    Liebe Grüße v. Simone

  • anonym

    09.01.2012, 10:50 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW + Einen schönen Wochenstart wünsch ich dir

  • anonym

    09.01.2012, 09:08 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    danke fürs Lesen bei mir

  • katjafranke

    08.01.2012, 22:00 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße von der KATJA

  • Lale

    08.01.2012, 21:48 Uhr von Lale
    Bewertung: sehr hilfreich

    Allerbesten Gruß *~*