Sünder ohne Zügel - In Extremo Testbericht

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Summe aller Bewertungen
  • Cover-Design:  gut
  • Klangqualität:  sehr gut

Erfahrungsbericht von Treesitter

"Niemals fesselt mich ein Band..."

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Eine stickige Disco in einem kleinen Kaff: Hier machte ich vor einiger Zeit Bekanntschaft mit dem Sound der sieben Vaganten aus Berlin. Ihre Spiel- und Lebensfreude waren live geradezu ansteckend und Subway to Sally hatten plötzlich ernsthafte Konkurrenz...

Heute morgen tigerte ich bei strömenden Regen in die Stadt, um mir die insgesamt sechste Scheibe der Jungs zuzulegen. Waren "Gold" und "Hameln" genauso wie "Die Verrückten sind in der Stadt" noch reine Akustikplatten ohne hartmetallische Untermalung, so sorgte "Weckt die Toten!" und "Verehrt und angespien" schon für ein anerkennendes Raunen bei der Hartwurstfraktion.

Der letzte Release der sieben steht seit einer Woche in den Läden und heisst "Sünder ohne Zügel". Wieder verbinden In Extremo hier modernen Gitarrensound und mittelalterliche Klänge. Dudelsäcke, gezupfte Akustikgitarren und authentische Texte aus verschiedenen Quellen in verschiedenen Sprachen sind erneut die Zutaten - schade, dass man diesmal auf eine Übersetzung verzichtet hat, wie sie im Booklet des Vorgängeralbums gnädigerweise abgedruckt war...oder kann zufällig jemand von euch isländisch oder altfranzösisch? Gut, ich nämlich auch nicht!


Das Cover:
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Schon fast ein kleines Kunstwerk ;) Vorne sieht man unscharf eine Frau im Profil, über deren Oberkörper eine Schlange kriecht. Ein ähnliches Bild aus einer anderen Perspektive erwartet uns auch im Inneren des Jewel-Case und auf der Rückseite. Der Rest ist in schlichtem weiss gehalten, das in ein helles Grau übergeht. Der Titel der CD "Sünder ohne Zügel" steht handschriftlich unter dem ebenfalls in weiss gehaltenen Bandnamen.

Das Booklet ist genauso stilvoll aufgemacht: Zusätzlich zu den Liedtexten (wie gesagt leider ohne Übersetzung) findet man hier Bilder der während eines Live-Auftritts in rotes Licht getauchten Vaganten.


Die Tracks:
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1. Wind
2. Krummvisur
3. Lebensbeichte
4. Merseburger Zaubersprüche II
5. Stetit Puella
6. Vollmond
7. Die Gier
8. Omnia Sol Temperat
9. Le ´Or Chiyuchech
10. Der Rattenfänger
11. Oskasteinar
12. Nature Nous Semont
13. Unter dem Meer


Ein paar Takte zu den einzelnen Songs:


Wind (Text/Musik: In Exremo):
4.25 Min
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Der Opener zeigt schon, wo es in Zukunft lang geht: Hinter dem unscheinbaren Titel verbirgt sich ein harter Stampfer mit einem schnellen Refrain, der live das Blut zum Kochen bringen wird. Die Dudelsäcke setzen erst im Refrain ein und sind eher Nebensäche - wahrscheinlich wurden sie nur eingebaut, damit man weiss, dass man hier In Extremo und nicht etwa Rammstein im Player hat ;).

Krummvisur (Text: Jón Thoroddsen/Musik: Traditional, von IE bearbeitet):
3.48 Min
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Von elektronisch verzerrten Gitarren eingeleitet, hört man bald auch eine gezupfte Akustikgitarre und ein anderes Instrument, das ich zwar nicht kenne, das mich aber an einen türkischen Basar erinnert ;)...Das letzte Einhorn (den Namen hat sich der Sänger selbst gegeben, nicht etwa ich!) singt in seiner altbewährten Art auf isländisch. Eines der komplexeren Stücke auf dem Album.


Lebensbeichte (Text: nach Carmina Burana/Musik: IE):
4.40 Min
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Stromgitarren und Dudelsäcke läuten dieses Werk ein. Nach der ersten Strophe folgt ein eher schwacher Refrain, der trotz des deutschen Textes nicht gleich beim ersten Hören hängenbleibt. Die Dudelsäcke greifen das Thema auf und machen den Song zu einem typischen, aber auch etwas unspektakulären Track.


Merseburger Zaubersprüche II (Text: Traditional/ Musik: IE):
4.24 Min
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Die Fortsetzung des Openers vom Vorgängeralbum. Zu Anfang eine typisch mittelalterliche Ballade mit hohem Mitgröhlfaktor. Man sieht die betrunkenen Barden geradezu vor sich *g*. Auch nach dem bräsigen Basseinsatz immer noch sehr langsam und getragen. Gegen Ende gibt es mehrstimmigen Gesang und leise Dudelsäcke im Hintergrund zu bewundern. Dennoch, trotz der hymnischen Melodie fand ich den ersten Teil einen kleinen Tick besser...


Stetit Puella (Text: nach Carmina Burana / Musik: IE):
4.05 Min
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Dieser Track erinnert mich am ehesten an die Zeiten von "Weckt die Toten!": Ein schleppender Takt und ein zweisprachiger Text (lateinisch/deutsch) sind das Gerüst, auf das später die obligatorischen Dudelsäcke gespannt werden. Unterm Strich ein guter Song, der aber eigentlich nichts besonderes ist und ein paar Anläufe braucht, bis er zündet.


Vollmond (Text: IE nach Villon / Musik: CKay):
3.46 Min
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Einfach geil! Die erste Single-Auskopplung besticht durch ein klasse Intro und ordentlich schrammelnde Gitarren sowie einem traumhaften Refrain. Der Sprechgesang erinnert erneut an Rammstein, ebenso die Effekte. Hatte es mich bis hierher gestört, dass die Stakkato-Riffs die Dudelsäcke etwas erdrücken, so sei ihnen das bei diesem Track verziehen ;)


Die Gier (Text/Musik: IE):
4.03 Min
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Ebenfalls genial! Hier zeigen die Jungs, dass sie nicht nur erstklassige Musik machen können, sondern auch Texte schreiben, die denen von Bands wie Subway to Sally in nichts nachstehen. Ein ruhiger, atmosphärischer Song mit einem klasse Refrain und einem Gänsehaut-Dudelsackeinsatz.


Omnia Sol Temperat (Text: nach Carmina Burana/ Musik: IE):
4.15 Min
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Schreddernde Gitarren und ein...äh, Nebelhorn ?! Nee, ist nur ein Dudelsack, wenn man´s auch nicht gleich merkt ;) Straighter Rocker ohne grosse Überraschungen und mit Mitsumm-Refrain. Manchmal ärgere ich mich regelrecht, dass ich den Text nicht verstehe...ich weiss ja nicht mal, was das für eine Sprache ist! *grummel*


Le `Or Chiyuchech (Text: IE / Musik: Neemann):
3.11 Min
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Ein weiteres Stück Marke Eigenbau. Eine Tröte beginnt den Song und wird von einem harten Riff geradezu überrannt. Die Melodie erinnert mich an etwas, mir fällt´s nur gerade nicht ein...(na, das hilft euch jetzt weiter, was *gg*) Trotz Taktwechsel eher ein unauffälliger Track bewährter Machart, in dem alle Trademarks von IE eingebaut wurden.


Der Rattenfänger (Text: Goethe / Musik: IE):
4.16 Min
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Volltreffer! Textlich nicht umwerfend, musikalisch dafür mit klasse Akustikgitarren und einem ultraeingängigen Refrain versehen, der sich schon nach dem ersten Durchlauf beim Hörer festbeisst. Schnell und kompromisslos heruntergerockt wird dies live sicher ebenso ein Knaller wie der Opener. Der Track befindet sich übrigens auch auf der aktuellen Rock Hard CD und war einer der Gründe für mich, mir dieses Album überhaupt zu holen ;)


Oskasteinar (Text: Hildigunnur Halldórsdóttir / Musik: Trad.):
3.25 Min
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Erneut hartes Riffing und gute Dudelsackmelodien. Das Lied ist wieder sehr schnell, erinnert mich aber dennoch etwas an "Herr Mannelig". Der Schlagzeuger gibt mächtig Gas und auch dem Sänger ist anzumerken, dass ihm sein Job ordentlich Spass macht.


Nature Nous Semont (Text: nach Jean de Beaumont / Musik: IE):
4.32 Min
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Ebenfalls ein harter Rocker mit atmosphärischen Klängen im Hintergrund. Mir macht der Song jedoch auch klar, dass es unheimlich schwer ist, einen Ohrwurmrefrain zu spielen, wenn man eine für Normalsterbliche unverständliche Sprache benutzt. So bleibt auch nach einigen Durchläufen nicht viel hängen, obwohl die Melodie an sich eigentlich sehr eingängig ist...


Unter dem Meer (Text/Musik: IE):
5.13 Min
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Das längste Stück auf der CD wird von leisen Unterwassergeräuschen, Akustikgitarren und schönen Dudelsäcken eingeleitet. Düster und geheimnisvoll wirken Gesang und Musik, nur der abrupte Schluss hat mich gestört. Trotzdem ein guter Ausklang für ein gelungenes Album!


Eine Überraschung erlebte ich, als ich die Scheibe in mein CD-Rom einlegte und feststellen musste, dass sich noch ein 14. Track darauf befindet: Vollmond als Video! Allerdings ist das Wohl nur als kleiner Gag am Rande zu verstehen, denn irgendwie wirkt das Ganze ziemlich krank und sieht eher nach Rammstein aus als nach In Extremo...warum hat man nicht stattdessen einfach einen Live-Clip draufgepackt ? Das wäre eindeutig die bessere Werbung gewesen...


Oje, nun ist es doch wieder länger geworden ;) Egal, die Band ist es auf jeden Fall wert, denn auch im Jahre 2001 werden die Herren nicht langweilig. Der ein oder andere hat sich vielleicht mehr mittelalterliche Klänge gewünscht, mir jedoch ist es so auch recht. Einige Tracks klingen zu Anfang wirklich reichlich modern und man könnte teilweise sogar auf den Gedanken kommen, die neue Rammstein vor sich zu haben - was nicht zuletzt an der megafetten Produktion liegt! Spätestens mit dem ersten Dudelsackeinsatz ist dieses Missverständnis aber aus der Welt geschafft ;)

Ich kann das Album guten Gewissens jedem ans Herz legen, der etwas mit der Mischung Metal/Folk anfangen kann. Fans werden eh nicht enttäuscht sein und selbst Ungläubige sollten schnellstens zum nächsten Plattenladen sprinten und sich Tickets für die Tour sichern, um sich vor Ort ein Bild von den Vaganten machen.

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