Tales of Mystery and Imagination - Alan Parsons Testbericht

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ab 11,14
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Summe aller Bewertungen
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  • Klangqualität:  sehr gut

Erfahrungsbericht von Milsch

Parsons Debut - ein perfektes Konzeptalbum

5
  • Cover-Design:  gut
  • Klangqualität:  sehr gut

Pro:

Starke Kompositionen, perfekte Arrangements

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

„Music, when combined with a pleasurable idea, is poetry. Music without the idea is simply music“, sagt Orson Welles in der Mitte dieser CD. Genau das ist der Gedanke des Konzeptalbums, bei dem eine durchgängige Geschichte oder Idee als Gesamtwerk vertont wird, ganz in der Tradition der symphonischen Dichtung. Alan Parsons hat sich bereits mit seinem Debut in diese Königsklasse der Rockalben vorgewagt und ein bis heute unübertroffenes Meisterwerk geschaffen.

DIE IDEE DES KONZEPT- UND PRODUZENTENALBUMS
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Das Konzept, der rote Faden, ist Edgar Allan Poe – jener englische Literat, der sich in seinen Kurzgeschichten und Gedichten primär mit den Abgründen der menschlichen Seele beschäftigte und viel zu früh bereits 40-jährig im Delirium starb.

Doch die „Tales“ sind nicht nur ein Konzeptalbum, sie sind auch ein „Producer’s Album“, wie Parsons selbst es nannte. Die Komposition und die Musik sollte bei seinem Project im Vordergrund stehen, weniger die Band – so gab es zum Beispiel keine feste Besetzung, nicht einmal einen Leadsänger, das klassische Aushängeschild jeder Rockband: auf den 5 Stücken mit Gesang sind auch 5 verschiedene Sänger aktiv. Und es wurde grösster Werk auf perfekten Sound und Arrangement gelegt, daher gab es beispielsweise auch keine Live-Auftritte – ein Grundsatz, der erst in den späten Jahren aufgeweicht wurde.

DAS MUSIKALISCHE FUNDAMENT
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Nicht nur die verschiedenen Sänger mit ihren ganz unterschiedlichen Stimmfarben tragen dazu bei, dass die „Tales“ abwechslungsreich bleiben und auch nach vielfachem Hören noch ansprechend sind, Parsons liess sich auch fast für jedes Stück eine kleine Besonderheit einfallen: so war er beispielsweise der Erste, der mit einem Vocoder, also Stimmverzerrer arbeitete, und zwei der Stücke wurden – wie eingangs angedeutet – mit kurzen Lesungen des legendären Orson Welles eingeleitet.

Doch bei aller Vielfalt und Abwechslung zieht sich ein klangmässig immer identisch eingestelltes Grundgerüst aus Schlagzeug, Bass und Keyboardteppich durch alle Kompositionen, und es werden Klangmotive immer wieder in Variationen eingespielt, fast wie in einer Wagner-Oper. Diese beiden Kunstgriffe bilden neben dem inhaltlichen (Poe) den musikalischen roten Faden.

DIE SONGS
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Nach der Einleitung von Welles beginnt das Werk mit dem Instrumental „A Dream Within A Dream“, das sich von einem simplen Bassmotiv über immer vielfältigere Klangschichten zu einem wuchtigen Soundgebilde mit Orchester aufbaut und schliesslich wieder zurückläuft auf die Basslinie, die direkt zum „Raven“ überleitet, einer rockigen Nummer, basierend auf Poes wohl bekanntestem Gedicht. Die erwähnten Vocoder-Effekte symbolisieren sehr gut die krächzende Stimme des Raben.

In der Geschichte „The Tell-Tale Heart“ erschlägt der Erzähler einen alten Mann und vergräbt ihn, hört aber fortan immerzu das Schlagen seines Herzens und wird darüber wahnsinnig. Die musikalische Umsetzung ist ein erster Höhepunkt: der schroff treibende Beat, die wirren Gitarrenriffs und die bis zum Schreien verzerrte Stimme von Arthur Brown, immer wieder von heftigen Orchestercrescendos und Tempiwechseln unterbrochen, sorgen für eine perfekte Intonation dieses Themas.

Um den Wahnsinn geht es auch im „Cask Of Amontillado“, doch nach 3 rockigen Stücken wird dem Hörer hier eine ruhige Nummer gegönnt. In der zugrundeliegenden Erzählung wird der hochnäsige Fortunato durch seine Eitelkeit von einem Neider in einen verlassenen Weinkeller gelockt und dort eingemauert. Auch dies ist hervorragend arrangiert: ein flehender, fast wimmernder Chor bittet in der Person von Fortunato ums Leben, später schon nur noch um etwas Licht, während John Miles als selbstgefälliger Rächer zu süssestem Orchestersound ganz ruhig singt: „Part of you dies each brick I lay.“

Im Anschluss dann ein schlichter, fetziger Gute-Laune-Song mit hartem 4/4-Beat und rockigen Gitarrenriffs, in dem es um die Freude am Leben und Wein, Weib und Gesang geht. Der Hintergrund von „Doctor Tarr and Professor Fether“ ist die Geschichte eines Irrenhauses, in dem die Insassen kurzerhand nach mittelalterlichem Vorbild ihre Ärzte terrten, federten und dann in den Keller sperrten. Fortan freuten sich die Verrückten in anarchischen Zuständen wieder ihres Lebens – der Song geht aber nicht so in die Tiefe wie die Erzählung, die die Grenze zwischen Wahnsinn und Normalität thematisiert.

Jetzt tritt nochmals Orson Welles auf mit einem gesprochenen Part über Musik und Poesie (ursprünglich die Einleitung der 2. LP-Seite) und leitet damit den Untergang des Hauses Usher ein, ein viertelstündiges, rein instrumentales und stark orchesterlastiges Epos über die gleichnamige Erzählung, die sich primär mit dem Tod auseinandersetzt. Mangels Text muss hier die Musik für sich sprechen, und auch dieses beherrscht Parsons in beeindruckender Weise – das Auftauchen des Hauses Usher hinter hohen Bäumen, untermalt durch ein quasi aufblühendes Orchester, das Klopfen ans Portal und auch der lautstarke Untergang, bei dem das Bauwerk zerrissen wird, findet man in den Klängen wieder. In der Schlusssequenz laufen nochmal zahlreiche Motive aus den vorhergehenden Titeln zusammen, u.a. das Raven-Motiv oder der Rhythmus aus dem „Dream“.

Nach dem nervenaufreibenden, lauten Finale schliessen sich sofort milde Akustikgitarren und eingängige Harmonien an, um den Hörer mit der Gedichtinterpretation „To One in Paradise“ entspannt aus diesem Werk zu entlassen.

FAZIT
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Auch ohne Kenntnis der literarischen Vorlagen entfalten die „Tales“ beim Zuhörer eine eigene Kraft, so dass man durchaus auch unbelesen seine Freude an diesem Album hat. Doch wer sich einmal in die „Tales“ vertieft, wird wohl spätestens dann auch anfangen, Poe zu lesen. In jedem Fall sei aber nochmal darauf hingewiesen, dass die Orchestermusik speziell in der 2. Hälfte der CD einen grossen Raum einnimmt – wer mit der klassischen Musik so gar nichts am Hut hat, wird mit den „Tales“ eventuell nicht so warm.

TRACKS
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1. A Dream Within A Dream
2. The Raven
3. The Tell-Tale Heart
4. The Cask Of Amontillado
5. (The System Of) Doctor Tarr And Professor Fether
6. The Fall Of The House Of Usher
7. To One In Paradise


(Text wurde zuerst unter gleichem Namen veröffentlicht bei ciao.de)

18 Bewertungen, 1 Kommentar

  • rolf137

    15.05.2005, 16:51 Uhr von rolf137
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wer dieses Album nicht kennt, ist eigentlich zu bedauern! Eines der besten Konzept-Alben überhaupt, und das absolute Meisterwerk von Alan Parson´s Project! Der Bericht ist super und trifft voll und ganz meine Meinung!