Tanz der Vampire Testbericht

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Erfahrungsbericht von himmelssurfer

Zwei Löcher, die das Leben verändern

Pro:

Gutes Bühnenbild und gute Ideen

Kontra:

Zu laut

Empfehlung:

Ja

Zwei Löcher, die das Leben verändern

Am Wochenende des 16/17 Oktober 2004 war es meiner Freundin und mir einmal vergönnt, ein Musical zu besuchen, genauer gesagt: den „Tanz der Vampire“.
Das Stück wird schon seit längerer Zeit in dem eigens für Musicalproduktionen gebauten Theater „Neue Flora“ in Hamburg gegeben. Dieses ist leicht zu erreichen, indem man einfach mit der Linie S21 vom Hauptbahnhof aus bis zur Station Holstenstraße fährt. Zwar ist die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Hamburg ziemlich teuer, jedoch fällt das bei durchschnittlichen Kartenpreisen von etwa 69.- Euro (so man denn auf der Bühne noch etwas erkennen möchte) nicht mehr weiter ins Gewicht, zumal ja bei dem einen oder anderen auch noch eine Übernachtung dazukommt.

Das Theater ist von außen nicht besonders schön, strahlt aber im Inneren eine besondere Atmosphäre aus. Das Personal ist nett, das Ambiente schon höher anzusiedeln. Alles in allem kann man sich hier durchaus wohlfühlen (sofern es einem gelingt, den Ticketpreis zu vergessen). Der Theatersaal selbst ist ebenfalls angenehm gestaltet, einzig der Platz zu den nächsten Sitzen könnte etwas größer sein. So jedoch muß man sich die Armlehne jeweils mit dem nächsten Sitznachbarn teilen.

Zum ### INHALT ###

Professor Abronsius und sein Gehilfe Alfred kommen in ein Dorf in Transsylvanien. In diesem Dorf hofft der Professor Bestätigung für seine Theorien zu finden, die besagen, daß es 1. Vampire gibt und daß sie 2. bestimmte Eigenschaften aufweisen. Man kommt im Dorfgasthof unter, deren Besucher alle ganze Ketten Knoblauchzehen um den Hals tragen, jedoch die Existenz eines in der Nähe liegenden Schlosses oder gar von Vampiren vehement leugnen. Der Wirt wiederum hat eine sehr schöne Tochter namens Sarah, die er wohlweislich einschließt, damit sie nicht irgendwelchen Männern in die Hände fällt (außerdem möchte er, daß sie bei ihm bleibt). Zwei Dinge kommen ihm da allerdings in die Quere: 1. begegnet sie Alfred, was dazu führt, daß sich beide Hals über Kopf ineinander verlieben und 2. hört sie in ihrem Inneren einen Ruf, der sie in das Schloß des Grafen Krolock führen würde. Letztlich gibt sie beiden Drängen nach, wobei der Besuch im Schloß vorerst Vorrang hat.
Nachdem Sarah’s Vater sie nicht zurückholen konnte, nehmen der Professor und Alfred die Verfolgung auf...

Die Handlung beruht auf dem gleichnamigen Film von und mit Roman Polanski (als Alfred) aus dem Jahre 1967. Polanski ist es auch, der das Musical, zusammen mit Jim Steinmann, dem „Hofkomponisten“ von Meat Loaf, geschaffen hat. Es handelt sich um eine Art Horrorkomödie. Ein Stoff, der einen nicht wirklich gruseln läßt, aber durchaus seine Wirkung hat.

### Die Inszenierung ###

Es geht um das Verlieren der Unschuld. Sarah, zuerst nackt und bloß in die Welt gelassen (der erste Auftritt erfolgt in der Badewanne, schön dezent mit dem Rücken zum Publikum), später dann in weißer Kleidung. Sarah ist jung, erst 17 und noch unverdorben. Gleichzeitig aber sehnt sie sich danach, entjungfert zu werden, von ihrem gewohnten Leben wegzukommen und endlich Frau zu sein. Dies ist der Grund, warum sie dem Sehnen, dem Rufen Alfreds und des Grafen gerne nachkommen würde. Und sie legt alles darauf an, dies auch zu tun. Die Vampire wiederum sind dunkel, schwarz, morbide, verzerrt, doch gleichzeitig voller Gefühle. Ein Duett zeigt den kommenden Verlust besonders deutlich, indem die weißgekleidete Sarah, die das Licht der Scheinwerfer stark reflektiert, von dem Mantel des Grafen umhüllt wird und damit völlig verschwindet. Nichts von ihrer Unschuld bleibt mehr vorhanden, sie ist und bleibt verschwunden.

Was gibt es zu der Aufführung selbst zu sagen?

Zuallererst: So ganz genießen konnte ich die Aufführung leider nicht. Es gab einen Punkt, der mich so gravierend gestört hat, daß mich der Zauber des Stückes nicht recht gefangen nehmen konnte:

Das Theater ist von der Bauweise her so konzipiert, daß es durchaus in der Lage wäre, den Gesang, der vorne auf der Bühne stattfindet, auch in die letzten Winkel des Publikums zu tragen. Leider hat man darauf aber verzichtet und auf elektronische Hilfsmittel zurückgegriffen. Das gesamte Musical wurde per Lautsprecher in den Saal geschallt, was leider zwei bedeutende Nachteile mit sich brachte. 1. das ganze klang irgendwie mechanisch, nicht wirklich „echt“, so daß ich zeitweise das Gefühl hatte, der sich sichtlich mühende Dirigent würde nur zum Schein ein Orchester dirigieren und ansonsten nur den Mann am Schaltpult belustigen. Das jedoch wäre noch zu vernachlässigen gewesen, wenn die Technik 2. nicht leider dazu geführt hätte, daß es bei intensivem Gesang einfach zu laut wurde. So laut, daß man den Text vor lauter Gedröhne leider nicht mehr verstehen konnte. Was ich überaus schade fand, da die Sänger/Innen durchaus singen konnten. An den leisen Stellen war eindeutig zu vernehmen, daß sie einer Stimmmodulation in den meisten Fällen mächtig waren, die zu gefallen wußte.
Wer meine Einstellung zu Musik kennt, weiß, wie sehr mich das wohl gestört haben mag. Auch wenn ich weiß, daß man „live“ fast immer Abstriche machen muß, war mir dies denn doch zuviel des Schlechten. Aber:

Dieses vorausgeschickt, möchte ich auf die einzelnen Punkte eingehen, die mir jetzt so in den Sinn kommen:

- die Schauspieler

Inwieweit hier schauspielerische Leistung gefragt war, will ich hier jetzt nicht beurteilen. Insgesamt aber wußten den Darsteller durchaus zu gefallen und es war niemand darunter, den man besonders erwähnen müßte. Sei es positiv oder negativ.

- der Gesang

war durchweg in Ordnung. Die Stimmen paßten (bis auf eine Ausnahme) zu ihren Rollen, waren angenehm zu hören und sangen deutlich genug, daß man auch den Text verstehen konnte. Außer natürlich, wenn es laut wurde. Dann, wie gesagt, war man jeglichen Textverständnisses beraubt.
Die besagte Ausnahme stellt der Professor dar: Hier wurde, scheint’s, ein junger Sänger instruiert, die Stimme eines alten Mannes nachzuahmen. Was leider nicht wirklich gelang. Ganz abgesehen davon, daß die Stimme eindeutig so klang, als wär’s Ilja Richter gewesen, dessen Stimme ja zum alten Mann auch nicht recht taugt.

- der Text

Hier ist mal ein eindeutiges Lob auszusprechen. Allzuoft leiden Übersetzungen aus dem englischen ja darunter, daß sie sehr holprig ausgeführt werden. Der Satzbau stümperhaft, der Inhalt entspricht nicht dem Original, die Satzmelodie stolpert sich durch den Abend und die Reime klingen äußerst lächerlich.
Nicht jedoch hier. Bis auf wenige Ausnahmen, war der Rhythmus der Texte durchaus gut anzuhören. Einige Stolpersteine gibt es wohl immer. Aber hier konnte man den Text nicht nur oft verstehen, nein, er machte sogar durchaus Sinn und hatte sogar tiefsinnige Passagen aufzuweisen. Die Befürchtung, lieber im englischen Original hören zu wollen, hat sich hier also durchaus nicht bestätigt. Kompliment!

- das Bühnenbild

Der Hammer! Hier ist eindeutig zu merken, daß das Theater nur dieses eine Stück zu spielen hat. Es wird geklotzt ohne Ende. Das Gasthaus gibt es in mehreren Varianten ebenso zu bestaunen wie die Gänge und Säle des Schlosses. Es rollt und schiebt und drückt sich meist etwas ins Bild, was ausnahmslos zu gefallen weiß. Sei es eine Grabesplatte mt einem guten Dutzend Särge oder die Säulengänge des Schlosses, die Zimmer des Gasthauses oder seine Außenfassade: Alles gefällt.

- die Kostüme und Maske

Auch sie wissen zu gefallen, passen bei den Vampiren zu der dunklen Stimmung, die diese verbreiten (sollen). Viel Bewegung und nichts, was nicht gefallen würde.

- die Musik

Ich muß gestehen, ich habe schon innovativere Werke von Jim Steinmann gehört, aber schlecht ist die Musik auch nicht. Sie ist gefällig, sie trägt das Stück, auch wenn man immer mal den Eindruck hat, man hätte das irgendwie vorhin schon mal gehört.

- Besonderheiten

Sehr positiv anzumerken ist, daß die Darsteller so manches Mal den Weg ins Publikum fanden, die Gänge durchstreiften, ja den Saal im Grunde genommen in ihr Stück einbezogen haben. Das gab dem ganzen eine besondere Atmosphäre, die man so sonst sicher nicht erlebt.
Desweiteren möchte ich eine Sache erwähnen, die ich ebenfalls sehr gut gelöst fand. Wer den Film kennt, wird sich sicher an die Szene im Ballsaal erinnern: Abronsius und Alfred haben sich unter die Vampire gemischt, um an Graf Krolock heranzukommen. Der ganze Ballsaal ist jedoch verspiegelt. Da Vampire kein Spiegelbild haben, fliegen die beiden letztlich auf, da sie in einem vollen Saal als einzige im Spiegel zu sehen sind. Da war ich von vorneherein gespannt, wie man das im Theater lösen wollte. Und ich wurde positiv überrascht: Der Spiegel wurde durch einen Gazevorhang simuliert, hinter dem sich weitere Darsteller bemühten, die Bewegungen ihrer Kollegen vor dem Vorhang 1:1 zu spiegeln. Was bis auf eine Ausnahme auch hervorragend gelang.

### Fazit ###

Würde ich rein nach dem Hörgenuß gehen, bekäme das Musical nur zwei Sterne, da mich das Übermaß an Technik doch erheblich gestört hat. Berücksichtigt man aber objektiverweise all die oben genannten Punkte, so fällt das ganze um einiges positiver aus. Der Text macht Sinn, nichts außer dem genannten Punkt, was wirklich stört und das Bühnenbild bzw. die Besonderheiten machen das ganze auf jeden Fall empfehlenswert, auch wenn man sich das aufgrund der Kosten immer gut überlegen muß. Ich jedenfalls werde der Musik, so sie mir denn mal in Konservenform über den Weg läuft, nun sicherlich mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen, als dies bisher der Fall war.
Wer einen schönen Theaterabend haben möchte, dem sei das Musical hiermit empfohlen. Für den „richtigen“ Hörgenuß allerdings bitte auf die CD zurückgreifen. Der Text ist es durchaus wert, gehört zu werden.

18.10.2004
by Himmelssurfer

14 Bewertungen, 1 Kommentar

  • celes

    18.10.2004, 18:15 Uhr von celes
    Bewertung: sehr hilfreich

    *will dien blut* nene scherzchen ;) klasse bericht - mfg celes ^,..,^ v