Testament der Angst - Blumfeld Testbericht

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Summe aller Bewertungen
- Cover-Design:
- Klangqualität:
Erfahrungsbericht von Frederik
Im Schatten Der Zweifel
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
Im Schatten der Zweifel
Was ist die schönste Sache der Welt? "Fußball" werden die einen nun schreien, "Sex" die anderen. Blumfeld sagen "Liebe" und meinen es auch so. Lange Zeit haben sie gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Das Debüt "Ich-Machine" war für deutsche Popmusik der anderen Art ein geradezu bahnbrechendes Album, das die Bezeichnung "Manifest" verdiente und Intellekt mit Obszönität und Verwirrung mit Eindeutigkeit vereinte, ohne sich in Kompromissen zu verlieren. Nach "L'état et moi" kam jedoch mit "Old nobody" der große Bruch, den etliche Fans nicht nachvollziehen konnten. Menschen, die ihre Gefühle in sich hineinzufressen statt auszusprechen pflegen, "Liebe" stets "Zuneigung" nennen und ihre Freunde zu "Bekannten" degradieren. Menschen, die zum Lachen in den Keller gehen und zum Weinen unter ihre Decke kriechen. Was haben sie Blumfeld alles an den Kopf geworfen? "Schlager" war das Stich-, ja Schimpfwort, das sich Jochen Distelmeyer und seine Band gefallen lassen mußten. Um so erstaunlicher mutet es an, daß sie es sich gefallen ließen. "Weil es Liebe ist."
"Testament der Angst" knüpft nicht nur nahtlos an "Old nobody" an, sondern geht einen Schritt weiter. Die Kritiker werden noch mehr Ansatzpunkte finden als auf dem Vorgänger: Blumfeld tragen dicker auf als jeder Angora-Pullover und offenbaren ihre Seele dabei gleichzeitig nackt bis auf die Knochen. Der Chor im augenzwinkernden "Anders als glücklich" mutet an, als ob er "Kinderquatsch mit Michael" entsprungen sei, pubertäre Textzeilen der Marke "Wie geil es ist / Wenn man sich dann küßt" finden sich zuhauf, und auch das merkwürdige "Abendlied" gibt als Betthupferl Groß und Klein seine Rätsel auf. Doch wohnt nicht in jedem von uns ein Kind? Ist es nicht gerade der infantile Teil des Menschen, der Gefühle und Gedanken unreflektiert zum Ausdruck bringen kann, ohne den Umweg über das Gehirn gehen zu müssen? "Liebe ist der Versuch, sich zu verstehen."
Während das gesellschaftskritische "Die Diktatur der Angepaßten" vor Entschlossenheit nur so strotzt, zieht sich durch "Testament der Angst" in seiner Gesamtheit zunächst ein Gefühl der Niedergeschlagenheit. Die Zweifel über sich selbst und die Welt sind ständige Begleiter von Jochen Distelmeyer geworden: "Ich weiß nicht, warum ich lebe / Nur daß ich am Leben bin" stellt er im Opener "Graue Wolken" mit bebender Stimme fest, bevor die Stimmung in "Der Wind" auf ihrem Tiefpunkt angekommen ist. "Ich will zu mir zurück und find den Weg nicht mehr" hadert er, "Das Einzige, was bleibt ist meine Trauer / Der Schmerz und die Erinnerung ans Glück", bevor er sich mit "Der Wind, er weht - und ich sing meine Lieder" am letzten Strohhalm festklammert, den er noch hat. "Liebe ist das Ende der Ewigkeit."
Trotzdem ist "Testament der Angst" kein Album widerstandsloser Resignation. Bei allem Selbstmitleid spricht Optimismus aus Distelmeyers Stimme. Der Ausweg, das weiß er, führt den Menschen nur über sich selbst und einen zweiten Menschen, zu dem er Vertrauen gefaßt hat. Seine eigene Frage "Soll ich der Hoffnung neuen Glauben schenken? / Hat sie mich nicht so oft verrückt gemacht?" aus "Der Wind" beantwortet er mit einem stillschweigenden Nicken und setzt den Zweifeln mit "Wellen der Liebe" ein überzeugte Äußerung des Glücks entgegen: "Nichts ist stärker als die Liebe, die ich fühl'."
Am Ende bleiben unter dem Strich des guten Geschmacks auf "Testament der Angst" zwar leider nur eine Handvoll bewegender Songs, allerdings auch - was noch viel wichtiger ist - ein Gefühl zurück, das sich unweigerlich auf den Hörer überträgt. Man wird sich bewußt, daß auch hinter der massivsten grauen Wolkendecke die Sonne darauf wartet, eines Tages wieder ihr Lebenselexier zu versprühen. Das Testament ist geöffnet und hält für jeden ein Geschenk bereit: Trauer und Angst sind einem Gefühl der Wärme gewichen, das alle Hinterbliebenen mit beständiger innerer Zufriedenheit erfüllt. Wer Liebe lebt, wird unsterblich sein.
Tracklist: Graue Wolken; Weil es Liebe ist; Eintragung ins Nichts; Anders als glücklich; Testament der Angst; Die Diktatur der Angepaßten; Der Wind; Wellen der Liebe; Abendlied (9)
Was ist die schönste Sache der Welt? "Fußball" werden die einen nun schreien, "Sex" die anderen. Blumfeld sagen "Liebe" und meinen es auch so. Lange Zeit haben sie gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Das Debüt "Ich-Machine" war für deutsche Popmusik der anderen Art ein geradezu bahnbrechendes Album, das die Bezeichnung "Manifest" verdiente und Intellekt mit Obszönität und Verwirrung mit Eindeutigkeit vereinte, ohne sich in Kompromissen zu verlieren. Nach "L'état et moi" kam jedoch mit "Old nobody" der große Bruch, den etliche Fans nicht nachvollziehen konnten. Menschen, die ihre Gefühle in sich hineinzufressen statt auszusprechen pflegen, "Liebe" stets "Zuneigung" nennen und ihre Freunde zu "Bekannten" degradieren. Menschen, die zum Lachen in den Keller gehen und zum Weinen unter ihre Decke kriechen. Was haben sie Blumfeld alles an den Kopf geworfen? "Schlager" war das Stich-, ja Schimpfwort, das sich Jochen Distelmeyer und seine Band gefallen lassen mußten. Um so erstaunlicher mutet es an, daß sie es sich gefallen ließen. "Weil es Liebe ist."
"Testament der Angst" knüpft nicht nur nahtlos an "Old nobody" an, sondern geht einen Schritt weiter. Die Kritiker werden noch mehr Ansatzpunkte finden als auf dem Vorgänger: Blumfeld tragen dicker auf als jeder Angora-Pullover und offenbaren ihre Seele dabei gleichzeitig nackt bis auf die Knochen. Der Chor im augenzwinkernden "Anders als glücklich" mutet an, als ob er "Kinderquatsch mit Michael" entsprungen sei, pubertäre Textzeilen der Marke "Wie geil es ist / Wenn man sich dann küßt" finden sich zuhauf, und auch das merkwürdige "Abendlied" gibt als Betthupferl Groß und Klein seine Rätsel auf. Doch wohnt nicht in jedem von uns ein Kind? Ist es nicht gerade der infantile Teil des Menschen, der Gefühle und Gedanken unreflektiert zum Ausdruck bringen kann, ohne den Umweg über das Gehirn gehen zu müssen? "Liebe ist der Versuch, sich zu verstehen."
Während das gesellschaftskritische "Die Diktatur der Angepaßten" vor Entschlossenheit nur so strotzt, zieht sich durch "Testament der Angst" in seiner Gesamtheit zunächst ein Gefühl der Niedergeschlagenheit. Die Zweifel über sich selbst und die Welt sind ständige Begleiter von Jochen Distelmeyer geworden: "Ich weiß nicht, warum ich lebe / Nur daß ich am Leben bin" stellt er im Opener "Graue Wolken" mit bebender Stimme fest, bevor die Stimmung in "Der Wind" auf ihrem Tiefpunkt angekommen ist. "Ich will zu mir zurück und find den Weg nicht mehr" hadert er, "Das Einzige, was bleibt ist meine Trauer / Der Schmerz und die Erinnerung ans Glück", bevor er sich mit "Der Wind, er weht - und ich sing meine Lieder" am letzten Strohhalm festklammert, den er noch hat. "Liebe ist das Ende der Ewigkeit."
Trotzdem ist "Testament der Angst" kein Album widerstandsloser Resignation. Bei allem Selbstmitleid spricht Optimismus aus Distelmeyers Stimme. Der Ausweg, das weiß er, führt den Menschen nur über sich selbst und einen zweiten Menschen, zu dem er Vertrauen gefaßt hat. Seine eigene Frage "Soll ich der Hoffnung neuen Glauben schenken? / Hat sie mich nicht so oft verrückt gemacht?" aus "Der Wind" beantwortet er mit einem stillschweigenden Nicken und setzt den Zweifeln mit "Wellen der Liebe" ein überzeugte Äußerung des Glücks entgegen: "Nichts ist stärker als die Liebe, die ich fühl'."
Am Ende bleiben unter dem Strich des guten Geschmacks auf "Testament der Angst" zwar leider nur eine Handvoll bewegender Songs, allerdings auch - was noch viel wichtiger ist - ein Gefühl zurück, das sich unweigerlich auf den Hörer überträgt. Man wird sich bewußt, daß auch hinter der massivsten grauen Wolkendecke die Sonne darauf wartet, eines Tages wieder ihr Lebenselexier zu versprühen. Das Testament ist geöffnet und hält für jeden ein Geschenk bereit: Trauer und Angst sind einem Gefühl der Wärme gewichen, das alle Hinterbliebenen mit beständiger innerer Zufriedenheit erfüllt. Wer Liebe lebt, wird unsterblich sein.
Tracklist: Graue Wolken; Weil es Liebe ist; Eintragung ins Nichts; Anders als glücklich; Testament der Angst; Die Diktatur der Angepaßten; Der Wind; Wellen der Liebe; Abendlied (9)
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