Tipps & Tricks zu Berichte schreiben Testbericht

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Erfahrungsbericht von Hindenbook

Gegenlesen oder: Das Perpetuum mobile der Unverfrorenen

Pro:

Entfällt.

Kontra:

Zwang & Gefälligkeiten erzeugen nur Bockmist & Verdruss.

Empfehlung:

Nein

I.
„Ich bin ein alter Elefant, auf den zu oft geschossen wurde“: Ausgerechnet ich, der von Sprichwörtern wenig halte, habe ein Lieblings-Zitat. Es stammt vom Regisseur David Lean (1908-1991), dem wir solche Meisterwerke wie „Doktor Schiwago“ oder „Lawrence von Arabien verdanken“, und es vermittelt einen Eindruck von den Kämpfen, die er, ein sowohl selbstbewusster als auch eigensinniger Mann, mit den Filmstudios auszufechten hatte, welche ihm gern vorgeschrieben hätten, wie er seinen Job erledigen sollte.

Für einen Freizeit-Rezensenten wie mich mag es vermessen sein, doch ich identifiziere mich in diesem Punkt mit Lean. Über 1000 Buch- und Filmbesprechungen habe ich seit dem Millennium verfasst und auf diversen Websites veröffentlicht. Ich verfolgte und verfolge damit keine finanziellen Interessen, sondern fröne einem Hobby. Seit vielen Jahren lese ich und schaue mir Filme an, und fast ebenso lang interessiere ich mich für die Mechanismen von Literatur und Kino. Dabei sind einige Informationen hängengeblieben, und wenn mir etwas unbekannt ist, weiß ich, wo ich nachzuschlagen habe.

Mir bereitet es Freude, dieses Wissen zu teilen. Einfach so. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich das Rezensieren längst aufgegeben, denn ich kann meine Leserzahlen im allerbesten Fall dreistellig nennen. Selbst Schuld, könnte ich mir seit einiger Zeit verstärkt vorwerfen, denn offenbar mache ich es gänzlich falsch: Information ist entweder kein Gut, das kluge Leute gratis herausrücken, oder sie ist als Inhalt womöglich kontraproduktiv. Wenn ich es ‚richtig‘ anfinge, könnte ich mich darauf beschränken, wie Jack Torrance selig ganze Manuskriptseiten mit Sätzen wie „All work and no play makes Jack a dull boy“ zu füllen und trotzdem Leserzahl-Rekorde einzufahren.

II.
Ich müsste mich nur auf ein Spiel einlassen, das seit einigen Monaten Furore auf dieser und anderen „Meinungsplattformen“ macht – das Gegenlesen, eine ‚Weiterentwicklung‘ der alten Klickzirkel. Wurden diese noch vom „good will“ der Beteiligten in Schwung gehalten, ist der moderne Gegenleser ein forderndes Wesen: Er hat den Wert seines Kommentars erkannt und will entlohnt werden, wenn er ihn gibt.

Damit das klappt, werden vorab nicht selten sogar Verträge geschlossen: Hallo, ich bin Mitglied Dreist200 und garantiere dir 25 (oder 50 oder ...) Gegenlesungen, wenn du ebensoviele meiner Texte nicht nur zur Kenntnis nimmst, sondern mir das durch die Betätigung der „sehr hilfreich“- oder besser noch der „besonders hilfreich“-Taste belegst. (Letzteres wird nicht selten im Verhältnis 1 „bh“ = 3 oder mehr Gegenlesungen ‚umgerubelt‘.)

III.
Worin liegt der Sinn des Gegenlesens? Ich denke, es gibt zwei Gründe:

Die schlichten Geister haben ihren Kontostand im Auge. Sie scheinen tatsächlich der Meinung zu sein (sowie über viel Freizeit zu verfügen), dass der Aufwand Klick = 0,00irgendwas Cent ‚Honorar‘ sich für sie rentiert. Kommentar? Überflüssig.

Als elementarer erachte ich freilich den Faktor der persönlichen Eitelkeit. Der Mensch ist nicht gern Mensch unter Menschen, sondern will lieber als Individuum zur Kenntnis genommen werden. Die älteste und bewährteste Methode, mit der dies erreicht werden kann, ist das Glänzen durch besondere Leistungen. Freilich ist es nicht jede/m gegeben dies zu schaffen. Intellekt und Bildung sind in diesem Spiel weiterhin feste Größen, eine Regel, die auch durch Ausnahmegestalten wie Dieter Bohlen nicht außer Kraft gesetzt wird.

IV.
Wer schreibt, sollte schreiben können und möglichst gut schreiben, d. h. sein Thema und die Rechtschreibung im Griff haben. Perfektion ist dabei keine Notwendigkeit, Legasthenie kein Hindernis. Präsent zu sein hat daneben aber der Wille zu lernen und besser zu werden. Auch das Internet wurde nicht als Sammelstelle für dummes Geschwätz und dudenfreie Zone erfunden. Es wurde dazu gemacht.

Mancher Zeitgenosse ist schon erstaunlich: Er investiert auf dem Weg zum Erfolg nicht selten mehr Zeit in die Suche nach ‚Abkürzungen‘ als erforderlich wäre, sich diesen Erfolg redlich zu erarbeiten. Das Gegenlesen ist nur eine Sünde in diesem Zusammenhang, das Motiv wahrlich menschlich: Ich kann keine Texte schreiben, die inhaltlich interessant sind und lesbar formuliert für sich bestehen, oder ich will es nicht, weil mir das zu lange dauert. Oder: Wenn ich schon die Mühe mache zu schreiben, dann soll das gefälligst sofort durch Leserzahlen nachweisbar sein.

Das ist vermutlich sehr global und modern gedacht. Ich habe mir meine geringen Leserzahlen noch erarbeitet, bin anfänglich über zwei, drei Leser glücklich gewesen und habe mich gefreut, als es ganz allmählich mehr wurden: Ich hatte sie nicht zum Lesen oder gar Kommentieren verpflichtet, sondern ein Angebot gemacht und mich qualitativ (so hoffe ich) gesteigert, um weitere Interessenten zu locken. Schon damals wurde mir vorgehalten, ich müsse die Werbetrommel in eigener Sache viel stärker rühren. Das habe ich stets abgelehnt und meinen Preis dafür gezahlt. Meine Leser bekommen trotzdem das Beste, was ich zu leisten in der Lage bin und möchte.

V.
Die Zeiten ändern sich, und der Ton ist rauer geworden. Mit ein Grund für diese Zeilen sind Kommentare, die sich in letzter Zeit mehren. Zusammengefasst werden mir nun handfeste Vorwürfe gemacht:

- Ich „betrüge“ angeblich wackere Leser, die meine Texte – ja, was eigentlich? Aufrufen? Überfliegen? Etwa lesen? – zur Kenntnis nehmen, weil ich diesen Gefallen oder diese Gunst nicht pronto erwidere.

- Ich raffe Meilen, Buntpunkte, Mikro-Cents oder ähnliche Nutzlosigkeiten zusammen, zu denen mir die Bewerter und Kommentatoren verhelfen, ohne ihnen meinen Dank (und den Gegenwert) durch entsprechendes Handeln abzustatten.

- Ich „nehme nur und gebe nie“, eine Klage, aus der ich schließen muss, dass ein bedingungsfreies Angebot von Informationen offenbar nicht als Gabe, sondern als im Grunde überflüssiges Beiwerk gilt.

Selbst ich, der keineswegs an das Gute im Menschen glauben mag, reagiere auf solchen kaltblütig zur Schau gestellten Ungeist erschrocken – und wütend: Schreibt gefälligst etwas, das mich interessiert, und nehmt euch gefälligst die Zeit, es in eine lesbare Form zu bringen, dann werde ich schon kommen! (Sprüche wie „Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten“ gelten für mich nicht als Verlockung; Unvermögen sollte man nicht stolz wie eine Fackel vor sich hertragen.) Das gilt für Textbeiträge und Kommentare, auf die ich sehr wohl reagiere (s. u., VII.), wenn sie keine Floskeln darstellen.

VI.
Wie steht es um Selbstverständnis und Selbstbewusstsein eines Menschen, der sein Publikum in die Pflicht nehmen muss? Wie kann man sich unter solchen Umständen über ‚ Leserzahlen‘ freuen? Es entsteht doch nur ein Biotop des Selbstbetrugs, auf dessen Mist inhaltlich wie formal kümmerliche Texte in künstlich erzielte Rekordhöhen wuchern.

Jetzt werde ich wieder utopisch (und ironisch): „Meinungsplattform“ nenne ich persönlich ein Fundament für Berichte, die von ihren Lesern diskutiert werden. Nicht alles kann ins Schwarze treffen; nur eine überschaubare Leserschar wird sich normalerweise für Berichte über Butterkekse, Gardinenstangen oder Hamsterkämme interessieren. Ohne Verpflichtung zum Gegenlesen würden sie deshalb kaum oder gar nicht zur Kenntnis genommen. So marktwirtschaftlich läuft’s halt auch in der Welt des Schreibens: Die Nachfrage regelt das Angebot. Was nicht ankommt, wird aussortiert. Das hat die Leser sicherlich einige Diamanten gekostet aber gleichzeitig vor viel Schutt bewahrt. Wird dieser Ausleseprozess durch exzessives Gegenlesen eliminiert, degeneriert eine Meinungsplattform sehr bald zur Müllhalde.

VII.
Solche deutlichen Worte sind an dieser Stelle zweifellos nicht unbedingt wohl gelitten. Vor allem der unsichere Autor ist ein zartes Pflänzchen, das Kritik oft verdorren lässt. Dabei richten sich meine Worte hier noch einmal ausdrücklich nicht gegen jene, die (noch) üben, sich manchmal blamieren, aber ihren Spaß haben – und lernen. Meister fallen nie vom Himmel. Sie dürfen sich allerdings auch nicht dreist selbst ernennen.

Ich verurteile nicht die Freude an möglichst hohen Leserzahlen. Eitel bin ich selbst und finde daran nichts Verwerfliches. Ein ehrlicher Kommentar freut mich immer. Er darf ruhig negativ sein, denn Kritik ist einerseits hilfreich und muss andererseits nicht angenommen oder gar persönlich genommen werden. (Wobei ich zwischen „Kommentar“ und „freundlicher Phrase“ differenziere; letztere definiere ich als Anmerkungen wie „Greetz aus [Ort bitte einsetzen]“, „Schönes Wochenende“ oder das immer beliebte „toller/guter/etc. Bericht“. Sie werden von mir zur Kenntnis genommen, bleiben aber unbeantwortet: Ich habe nie herausgefunden, was die korrekte Antwort sein könnte: „Auch ein schönes Wochenende“? Aber ich schweife ab ...)

Übrigens bin ich keinesfalls so naiv, ein Eindämmen des Lese-Inzests durch die Plattformbetreiber zu fordern. Die werden den Teufel tun, denn die Qualität der Inhalte, die von den ‚freiwilligen Mitarbeitern‘ einstellt werden, ist für das Alltagsgeschäft absolut nebensächlich. Verdient wird mit den Klicks der User, und die werden durch das Gegenlesen ja nur zahlreicher und einträglicher.

VIII.
So werde ich meine Elefantenhaut wohl noch energischer durch den Hagel digitaler Dumm-Dumm-Geschosse tragen müssen als bisher. Da ich meine Texte nicht ausschließlich für Meinungsplattformen schreibe, kann ich das recht gelassen tun. Eine Alternative fällt mir ohnehin nicht ein, da das System des Gegenlesens ähnlich robust in sich ruht wie die Autogamie des Bandwurms oder der Tellerschnecke; ein Vergleich, den ich nicht bitte wörtlich zu nehmen.


(Copyright 09.10.2008/Dr. Michael Drewniok)

Dieser Text erscheint auch auf anderen Websites meiner Wahl - er wird durch meinen Namen identifiziert und bleibt dadurch - hoffentlich - auch für Faker-Sheriffs als mein geistiges Eigentum erkennbar, mit dem ich AGB-konform umgehen darf wie es mir beliebt. M. D.

30 Bewertungen, 22 Kommentare

  • warismoney

    19.11.2008, 08:28 Uhr von warismoney
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wirfst ja ganz schön Kritik raus an die Leute die mal gerne Leserunden tätigen. Aber jedem das seine und jeder soll so machen wie er am besten damit klar kommt.

  • top_quality_opinion

    04.11.2008, 21:52 Uhr von top_quality_opinion
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich und besonders liebe Grüße

  • l.x.klar@gmx.net

    14.10.2008, 15:02 Uhr von l.x.klar@gmx.net
    Bewertung: sehr hilfreich

    greetz

  • mima007

    11.10.2008, 19:01 Uhr von mima007
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW! Liebe Gruesse von mima007

  • Tut_Ench_Amun

    11.10.2008, 02:08 Uhr von Tut_Ench_Amun
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW für diese schön bissige Kritik an einer der größten Unarten auf sämtlichen Plattformen: Dem mittlerweile schon hochnotpeinlichem Gegenlesungs-Gebettel. Ob einige der SH-und BW-Bewerter hier den Text überhaupt gelesen haben?

  • sabinerolli

    11.10.2008, 01:36 Uhr von sabinerolli
    Bewertung: sehr hilfreich

    schönes Wochenende und lg Sabine

  • Bunny84

    10.10.2008, 21:14 Uhr von Bunny84
    Bewertung: sehr hilfreich

    Einen schönen Abend und einen tollen Start in das Wochenende wünscht dir Anja

  • MasterSirTobi

    10.10.2008, 19:51 Uhr von MasterSirTobi
    Bewertung: sehr hilfreich

    Der Bericht gefällt mir wirklich gut. SH LG MasterSirTobi

  • anonym

    10.10.2008, 18:28 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW!!! Liebe Grüsse, Chrissy

  • sushini

    10.10.2008, 14:40 Uhr von sushini
    Bewertung: besonders wertvoll

    ich brauch nicht darauf eingehen, dass du einen klasse Schreibstil bzw Ausdrucksvermögen hast, mir gehts viel mehr um den angesprochenen Inhalt, den man nicht einfach so abstreifen kann. klicks sind heute alles.. was bedeutet schond er Inhalt...

  • giselamaria

    10.10.2008, 13:14 Uhr von giselamaria
    Bewertung: besonders wertvoll

    ich finde das sehr gut, dass du das mal ansprichst. Und ich muss dir in allem was du schreibst, zustimmen!! herzlichen Gruß Gisela

  • anonym

    10.10.2008, 13:03 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH für deinen guten Bericht.LG Bernd

  • Lachesis

    10.10.2008, 12:23 Uhr von Lachesis
    Bewertung: besonders wertvoll

    Ein sehr wichtiger Beitrag, noch dazu ausgezeichnet geschrieben.

  • anonym

    10.10.2008, 10:46 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    ..super geschrieben..!

  • verbatim

    10.10.2008, 09:59 Uhr von verbatim
    Bewertung: besonders wertvoll

    Die Aspekte in deinem bericht mussten wirklich einmal gesagt werden! Aber auch ich lasse mich nicht zwingen gegenzulesen, denn ich finde auch, dass das nur Geldschinderei ist. Ich bin hier nicht um Geld zu sammeln, sondern um meine Meinung kund zu tun...

  • anonym

    10.10.2008, 09:43 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG, Daniela

  • Fenja

    10.10.2008, 09:10 Uhr von Fenja
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüsse von Fenja

  • Gemeinwesen

    10.10.2008, 08:24 Uhr von Gemeinwesen
    Bewertung: sehr hilfreich

    Jaja, die Gnade, derer man den Plebs teilhaftig werden lässt, wird einem nicht gedankt, wie wahr. Is' sonst noch was, Doc?

  • blackangel63

    10.10.2008, 02:18 Uhr von blackangel63
    Bewertung: sehr hilfreich

    Auch wenn ich deine Meinung in einigen Punkten teile so muß ich doch sagen das ich mich über jede Lesung freue und auch gern gegenlese.Allerdings nicht aus rein finanziellem Aspekt sondern weil es mir einfach Spaß macht...LG Anja

  • Music-King

    10.10.2008, 02:02 Uhr von Music-King
    Bewertung: besonders wertvoll

    Zu sagen gibt es viel: das Spiel der Betreiber kennt man - entweder man spielt mit oder man kündigt. Gegenlesungen machen Spaß, aber ich lasse mich nicht dazu zwingen, schon gar nicht wenn der "Erpresser" ohnehin damit nur geklickt zu haben...

  • presscorpse

    10.10.2008, 02:00 Uhr von presscorpse
    Bewertung: besonders wertvoll

    mir gefallen vor allem deine ausführungen in punkt 5 - es wird suggeriert, man müsse gegenlesen, sonst sei man egoistisch. auf mich persönlich hat diese mentalität leider schon abgefärbt, denn ich habe ein schlechtes gewissen, wenn ich nicht gegenlese. lg

  • luxusklasse1

    10.10.2008, 01:40 Uhr von luxusklasse1
    Bewertung: sehr hilfreich

    Meine Meinung habe ich ja schon an anderer Stelle kundgetan. LG