Tour de France 2002 Testbericht

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Erfahrungsbericht von Fhrink

100 Jahre "Le Tour"

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Kaum eine Sau nahm Notiz davon, als vor 100 Jahren die 1.
Tour de France durchgeführt wurde. Es war allenfalls ein
Spleen von diesem Henri Desgrange, der mit dieser Aktion
Werbung für seine Sport-Gazette \"L\'Auto-Velo\" machen woll-
te.
Desgrange veröffentlichte Anzeigen in seinem Blatt, um
Fahrer zu werben. Am Ende hatte er 60 Pedaleure, die sich
auf die 6 Etappen machten und 2428 km zurück legen soll-
ten.
Der Franzose Maurice Garin wurde der 1. Sieger der \"Tour\",
die für Desgrange eher ein Reinfall war. Doch unverdrossen
unternahm er 1904 einen 2. Versuch, der noch desaströser
enden sollte, als der Erste. Viele Fahrer beschissen nach
allen Regeln der Kunst, ließen sich wie der Sieger von 1903, Garin, von Autos und Eisenbahn transportieren.
Zuschauer warfen Nägel auf die Straße, oder drohten den
ihnen unsympathischen Fahrern Prügel an.
Zum Sieger wurde einige Wochen nach der Tour der Rangfünf-
te Henri Cornet erklärt.
Trotzdem. Nicht nur heute, auch damals schon konnten Nega-
tiv-Schlagzeilen Neugier in der Bevölkerung wecken. Das
Interesse an der Tour wuchs, die aber auch in den nächsten
Jahren von Skandalen nicht verschont blieb (1907 wurde der
19jährige Marcel Codolle zu Fall gebracht, was seine Rad-
fahrer-Karriere beendete).
Den Durchbruch erlebte die Tour endgültig 1910, als man die Fahrer in die Pyrenäen schickte. Diese mörderische
Bergtour mit den seinerzeit ziemlich unzulänglichen Rädern
brachte Desgrange den Ruf als \"Sadist\" und \"Menschenschin-
der\" ein. 110 Fahrer aber nahmen diese Tour in Angriff.
Octave Lapize entschied sie für sich. Nicht zuletzt auch
deshalb, da man einem harten Konkurrenten, Gustave Garri-
gou (FRA), den Rahmen seines Rades auf einer Etappe durch-
gesägt hatte...
Auf dieser Tour wurde auch der 1. der bisher 4 Todesfälle
beklagt. Kurioser Weise war es keine Folge eines Sturzes,
sondern die eines Ruhetages, an dem Adolphe Helière im
Meer badete - und ertrank.
Der 1. große Star der Tour wurde der Belgier Philippe Thys, der 1913, 1914 und 1920 siegte. Wahrscheinlich ent-
gingen ihm durch die Kriegsjahre noch einige weitere Siege.
Die 1. Tour nach dem Krieg erfuhr eine Neuerung, die bis
heute aktuell ist. Desgrange kam auf die Idee, dem Spit-
zenfahrer ein gelbes Trikot anzuziehen. Eugen Christophe
war der erste, der es überziehen durfte.
Von 1912-1922 ging der Toursieg ausschließlich an Belgier.
Erst der als jähzornig geltende Franzose Henri Pèlissier
konnte diese Serie beenden. Er wurde im Übrigen 1935 von
seiner Freundin, die sich von ihm bedroht fühlte, erschos-
sen.
Tragische Schicksale sind speziell bei Radfahrern gar
nicht so selten. Warum auch immer. Der Sieger der Jahre
1924 und 1925, Ottavio Bottecchia aus Italien, wurde 1927
auf der Straße mit einem Schädelbruch aufgefunden, an dem
er kurze Zeit später starb. 1948 gestand ein Bauer auf dem
Sterbebett, er habe ihn mit einem Steinwurf tötlich ver-
letzt, weil er Trauben auf dem Weinberg geklaut hatte...
1930 erhielt die Tour durch Desgrange eine weitere nach-
haltige Änderung. Bisher hatten diverse Firmen die Mann-
schaften gestellt und quasi das Zepter über die Tour er-
griffen. Degrange paßte das nicht und lud deshalb 5 Natio-
nalmannschaften, darunter auch eine Deutsche, zur Tour
ein. Natürlich fehlte nun das Geld der Firmen. Desgrange
nicht dumm, organisierte die Reklamekolonne, die auch heu-
te noch der Tour voran fährt und für das nötige Kleingeld
sorgt.
Von 1929-1937 wurde die Tour jeweils von Fahrern aus Bel-
gien oder Frankreich gewonnen. Den größten Erfolg für die
deutsche Mannschaft hatte der Berliner Kurt Stöpel 1932,
als er sich lediglich Andrè Leducq aus Frankreich in der
Endabrechnung geschlagen geben mußte.
Die letzte Tour vor dem 2. Weltkrieg, 1939, war zugleich
auch der Abschied für ihren Erfinder. 1940 starb im Alter
von 77 Jahren Henri Desgrange. Doch schon lange vorher
hatte er einen würdigen Nachfolger im Auge: Jacques God-
det. Er hatte die schwierige Aufgabe, 1947 die 1. Nach-
kriegstour zu organisieren, die von den Franzosen begeis-
tert gefeiert und von ihrem Landsmann Jean Robic gewonnen
wurde.
Große und legendäre Rennfahrer gewannen die Tour 1948 und
1949. Gino Bartali, schon 1938 Sieger, wiederholte sein
Kunststück 10 Jahre (!) später erneut.
Sein Erzrivale Fausto Coppi trug sich 1949 in die Sieger-
liste ein. Coppi gelang auf dieser Tour Sensationelles:
Nach einem Radschaden hatte er 38 Minuten auf den Führen-
den verloren, doch am Ende hatte er diesen Rückstand auf-
geholt und es allen gezeigt!
Bartali und Coppi hätten wie Philippe Thys ohne das
Kriegsdesaster sicher noch etliche weitere Toursiege ein-
gefahren.
1950 wurde Bartali als Führender von Fanatikern attackiert. Man drohte und warf mit Steinen nach ihm. Er
gewann die Etappe trotzdem, aber am nächsten Tag stieg er
nicht mehr aufs Rad. Italien zürnte und Frankreich de-
battierte im Parlament über diesen Fall.
Der nächste große Star der Tour wurde Louis Bobet aus
Frankreich. Er gewann von 1953-1955. Er war damit der 1.
Fahrer, der einen \"Hattrick\" schaffte.
Der nächste Superfahrer war auch schon in den Startlö-
chern. Gleich bei seiner 1. Tour gewann der 23jährige,
großartige Zeitfahrer Jacques Anquetil die Schleife, was
ihm zu diesem Zeitpunkt kaum einer zugetraut hatte.
In den nächsten Jahren musste er sich auch diversen \"Berg-
ziegen\" geschlagen geben, ehe er ab 1961 eine bis dahin
einmalige Siegesserie hinlegte.
1960 gehörte endlich auch mal ein Deutscher zum Favoriten-
kreis. Doch ein zu zögerlicher Hennes Junkermann verpaßte
viele gute Angriffschancen und landete dann am Ende auf
Platz 4. Bei dieser Tour gab es einen der schwersten
Stürze. Der Franzose Roger Rivière, Verfolgungs-Weltmeis-
ter seines Zeichens, flog einen Abhang hinunter und brach
sich dabei das Rückgrat. An den Rollstuhl gefesselt, starb
er 1976 an den Spätfolgen.
Ab 1962 war die Zeit der Nationalmannschaften wieder zu
Ende. Das Unternehmen \"Tour de France\" musste professio-
neller finanziert werden.
Wie bereits erwähnt, wurde die Tour von 1961 an von Jac-
ques Anquetil dominiert. Mit 4 Siegen in Folge und insge-
samt 5 Triumphen stellte er neue Rekorde auf. Allerdings
wurde er nicht wie andere Fahrer so richtig zum Volkshel-
den. Zu berechnend war sein Stil, zu unterkühlt.
Anders der Deutsche Rudi Altig, der 7 Etappen zwischen
1962 und 1969 gewann, 18 Tage in Gelb fuhr und 1962 die
Tour als Punktbester beendete. Wären da nicht diese Berge
gewesen...
Allgemein bekannt ist der bittere Tag, der 13.7.1967, als
der Ex-Weltmeister Tom Simpson aus England gedopt und
überhitzt am Ventoux sein Leben aushauchte.
1969 sollte das bisher größte Phänomen des Radsportes sei-
ne 1. Tour gewinnen. Fast nach Belieben gewann der \"Kanni-
bale\" Eddy Merckx aus Belgien, alles was es zu gewinnen
gab. Nur 1973, als er nicht am Start war, konnte der
Spanier Luis Ocana diese Siegeserie unterbrechen.
Das auch \"Eddy\" nur ein Mensch war, wurde 1975 deutlich,
als er den 6. Sieg wollte. Er führte mit 2:30 Min. das
Feld an, als die Pyrenäen auf dem Programm standen.
Bernard Thevenet (FRA) prüfte ihn, griff an und hatte Er-
folg. In den Alpen machte er dann den Sieg klar. Die Aera
Merckx war beendet. Thevenet konnte 1977 seinen Erfolg
bestätigen. Bei dieser Tour kam der Deutsche \"Didi\" Thurau
für einige Zeit als Führender in die Schlagzeilen.
Ab 1978 dominierte ein Fahrer, der aus dem selben Holz
wie Anquetil und Merckx geschnitzt war, die Tour: Bernard
Hinault. Endlich hatte Frankreich einen ganz großen Rad-
helden. Auch er gewann zwischen 1978 und 1985 die Tour 5x.
Und er hatte den Rekord in greifbarer Nähe. Doch 1980 und
1983 machten ihm Kniebeschwerden zu schaffen, was dem
\"ewigen 2.\" Joop Zoetemelk (NL) und Laurent Fignon (FRA)
zu Toursiegen verhalf.
Im Jahr 1983 schrieb die Tour wieder einmal einer ihrer
vielen unvergleichlichen Geschichten, als der Franzose
Pascal Simon eine Woche lang mit gebrochenenr Schulter das
gelbe Trikot verteidigte.
Auch der drefache Toursieger Greg LeMond (USA) hat so sei-
ne eigene Legende, denn er wurde angeschossen und für 2
Jahre außer Gefecht gesetzt. Sonst stünden eventuell noch
mehr Toursiege auf seinem Konte als diese von 1986, 1989
und 1990.
Immer schon war das Thema Doping speziell im Radsport all-
gegenwärtig. Die Sieger der Tour konnten im Allgemeinen
ohne Verdacht, oder gar Beweis für Doping ihren Erfolg
feiern. 1988 aber war der Spanier Pedro Delgado höchst
verdächtig. Bewiesen wurde auch ihm offiziell nichts. Doch
sein Sieg hat von allen den bittersten Beigeschmack.
Anders die seines Landsmannes Miguel Indurain, der als 1.
5 Siege in Folge feiern konnte. Von 1991 bis 1995 war er
nicht zu bezwingen. Erst der Däne Bjarne Riis, glänzend
unterstützt vom Deutschen Jan Ullrich, beendete Indurains\'
Triumphfahrten.
Jan Ullrich seinerseits scheint ein ähnliches Schicksal
hinnehmen zu müssen, wie seinerzeit der \"ewige 2.\" Joop
Zoetemelk. Auch er mußte sich bis auf 1997, als er der 1.
deutsche Toursieger wurde, mit einigen 2. Plätzen begnü-
gen, weil ein anderer, ein besserer, vor seiner Nase rum
fährt: Lance Armstrong (USA), Non-Stop-Sieger seit 1999,
schickt sich nun an Bestmarken einzustellen, oder gar zu
verbessern. Es scheint, ich betone, es scheint z. Zt. noch
keiner in Sicht zu sein, der Lance Armstrong stellen wird.
Wie auch immer. Die Tour wird auch diesmal, in ihrem 100.
Jahr Sportgeschichte schreiben. Hoffentlich positive.
Negative Schlagzeilen gab es speziell in den letzten Jah-
ren zuhauf, ins besondere beim Thema Doping. Obwohl man
sich fragen muß, ob es bei den mörderischen Strapazen
dieser 3 Wochen überhaupt menschenmöglich ist, ohne diver-
se Hilfsmittel auszukommen. Die Tour hat allerdings bis
jetzt alle wie auch immer geartete Katastrophen überlebt
und ist zu einem der größten und spektakulärsten Sporter-
eignisse der Welt geworden. Man darf gespannt sein, wie es
mit ihr weiter gehen wird.

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