Turin Testbericht

Turin
ab 132,96
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Erfahrungsbericht von klausalfred

Einladung zu einem Bummel durch Turin

Pro:

gechlossenes barockes Stadtbild, elegante Läden, gute Restaurants, gut zu erreichen

Kontra:

wenig

Empfehlung:

Ja

Ich sitze an einem dieser regnerischen Herbsttage an meinem Schreibtisch und schaue aus dem Fenster auf das graue Berlin. Plötzlich entstehen vor meinem geistigen Auge ganz andere, sommerliche Bilder: barocke Prachtbauten mit Arkadengängen, spiegelblitzende und stuckgeschmückte Cafés, verschwenderische Gemächer eines Königspalastes und ein Fünfgangmenü zu zweit am Ufer des Po. Ich denke an unsere beiden Besuche im Jahr 2001 in Turin.

Wenn der Name der Hauptstadt des Piemont fällt, wirst Du, lieber Leser, wahrscheinlich nur an Fiat, Juve, die Olympischen Winterspiele 2006 und eventuell noch an das angebliche Grabtuch Christi denken. Doch diese Stadt hat viel mehr zu bieten. Das möchte ich Dir bei einem sommerlichen – leider virtuellen – Bummel beweisen.

Ein Überblick über die Historie

Vorher will ich kurz auf die Geschichte der Stadt eingehen, ohne die man Turin nicht verstehen kann. Die heute etwas mehr als 900.000 Einwohner zählende Stadt im Westen der Poebene hat in den letzten zwei Jahrtausenden viele Eroberer gesehen. Die Römer machten sie zur Kolonie, die Hunnen, Goten und Langobarden nutzten sie in der Völkerwanderung als Etappenziel, dann machten sich die kriegerischen Sarazenen in der Region breit.

Im späten 13. Jahrhundert übernahmen die aus Frankreich stammenden Fürsten von Savoyen die Herrschaft, die ihnen in der Folge von ihren ehemaligen Landsleuten mehrmals streitig gemacht wurde. Das letzte Mal gehörten Turin und das ganze Piemont Anfang des 19. Jahrhunderts zu Frankreich, allerdings nur für 14 Jahre. Als sich die machtgierigen Savoyer auch Sardinien unter den Nagel rissen, wurde Turin 1720 Hauptstadt des Königreiches Sardinien-Piemont. Von ihr ging Mitte des 19. Jahrhunderts das Risorgimento (Wiedererstehen) aus, die Bewegung für die nationale Einheit Italiens. Bei Gründung des Königsreichs Italien 1861 wurde Turin Hauptstadt, verlor diese Würde allerdings bereits nach vier Jahren an Florenz. (Ein Verlust, den ich als ehemaliger Bonner nachvollziehen kann.)

Piazza Castello – wo die Geschichte noch wach ist

An diese lange und wechselvolle Geschichte erinnert uns am eindringlichsten die Piazza Castello im Zentrum der Stadt, wo wir unseren Rundgang beginnen. Das Castello ist ein Gebäude mit zwei Gesichtern und zwei Namen. Von drei Seiten ist es eine rotbraune mittelalterliche Burg, wie der eine Name (Castello) sagt. Von der vierten Seite aus sieht es mit seiner hellen barock-klassizistischen Fassade wie ein prunkvoller Palast des 18. Jahrhunderts aus, eben wie ein Palazzo Madama. Das ist der zweite Name des kuriosen Baus. Der Hintergrund: In der Burg, die auf einem alten römischen Tor errichtet wurde, residierte auch einmal die Regentin Maria Christina, die „Madama“. Einer ihrer Nachfolger hat dann versucht, das mittelalterliche Kastell zu einer ordentlichen Residenz umzubauen. Doch nachdem die eine Seite umgebaut war, ging dem Bauherrn das Geld aus, und der Bau blieb unvollendet. (Damals gab’s eben noch keine Bausparverträge.)

Wir sollten das Bauwerk betreten, uns unten die Reste der römischen Fundamente anschauen, wo auch eine Diashow zum Gebäude läuft. Dann empfehle ich, das lichtdurchflutete imposante Treppenhaus mit den großen Fenstern hochzusteigen. (Eintritt wird erst verlangt, wenn man den Altbau betritt, wo wechselnde Ausstellungen gezeigt werden.)

Der Königspalast – Prachtentfaltung der absoluten Herrscher

Auf der anderen Seite der Piazza Castello liegt der Palazzo Reale. Wir machen für damals 8.000 Lire pro Person die Führung durch das riesige Gebäude mit. Wenn wir Pech haben, gibt’s die nur auf Italienisch, wenn wir Glück haben, übersetzt die Führerin das Wichtigste ins Englische. Wir durchqueren zahlreiche Räume, von denen der eine den anderen bei der Prachtentfaltung zu übertreffen sucht. Die absolutistisch regierenden Könige aus der Linie Savoyen waren bekannt für ihre Verschwendungssucht. (Gut für die Könige von Savoyen, dass das Volk nur die schlichte Fassade des Schlosses zu Gesicht bekam. Sonst wäre in Italien die Republik vielleicht schon früher ausgerufen worden.)

Ein Meisterstück eines Architekten für ein Grabtuch

Anschließend schauen wir uns im benachbarten – eher unscheinbaren – Dom die Capella della Sacra Sindone an, in der ein mit weißem Damast bedeckter Schrein das angebliche Grabtuch Christi verbirgt. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass es frühestens im Mittelalter gewebt wurde. Anstelle des echten unechten Tuches sehen wir eine Fotografie, auf der man wenig erkennt. Wir kommen mit den schemenhaften Abdrücken von Körperteilen besser zurecht, wenn wir uns vorn eine Postkarte kaufen (400 L.). Und wenn wir Glück haben, kommt ein Dombediensteter und erklärt mit einem Punktstrahler, wo wir die einzelnen Extremitäten des unbekannten Toten zu suchen haben. Durch das Wickeln des Tuches sitzen die natürlich nicht alle da, wo sie eigentlich hingehören.

Vergesst aber nicht einen Blick hinauf in die Kuppel der Kapelle. Die ist nämlich die eigentliche Sehenswürdigkeit hier. Das Bauwerk ist eines der Meisterstücke eines Architektengenies, Guarino Guarini. Wie viele Genies war er auch ein bisschen gaga. Wir werden später auf unserem Rundgang auf ihn zurückkommen.

Barocke Plätze und Galerien

Wir werfen einen Blick auf die nahe gelegenen Ruinen des römischen Theaters aus dem ersten Jahrhundert nach Christus und machen an der Piazza Castello eine Pause im Café Baratti & Milano, das an der 1872 erbauten, mit einem imposanten Eisen- und Glasdach gedeckten Galleria Subalpina liegt. Zum Cappuccino sollten wir uns ein Stück von der sehr herben Schokoladentorte genehmigen, für die das Café berühmt ist.

Anschließend bummeln wir zur Piazza San Carlo, dem schönsten Platz der Stadt. Wir bewundern den symmetrischen Aufbau des Platzes mit seinen hellen Fassaden und Arkadengängen, den beiden Kirchen an der Südseite und dem Reiterstandbild in der Mitte. Auch hier locken renommierte Cafés, unter ihnen das historische Café San Carlo mit seinen Kristallüstern, den verspiegelten Wänden. Vielleicht morgen.

Das Wahrzeichen Turins – die Mole Antonelliana

Dann gehen in Richtung des Wahrzeichens der Stadt, der Mole Antonelliana. Auf dem Weg dorthin fällt uns auf der prächtigen Via Po in der Universitätsgegend eine Gelateria auf, wo besonders viele Passanten an Eiswaffeln züngeln. Es ist Fiorio. Die über zweihundert Jahre alte Eisdiele bietet ein besonderes Schoko-Nougat-Eis an, das Gianduja. Dazu sollten wir nicht nein sagen. Wir schlecken die Waffel leer, während wir uns dem – neben dem Castello – zweiten merkwürdigen Bauwerk der Stadt nähern.

Vorsicht, wenn wir die Spitze der Mole über den alten Häusern sehen, sollten wir nicht versuchen, sich ihr direkt zu nähern. Im Zweifel landen wir auf einem Parkplatz. Wir gehen bis zur Via Montebello vor, in die wir links einbiegen. Jetzt sind wir gleich an der Mole, wo wir für 7.000 Lire mit dem Lift nach oben fahren und den Panoramablick über die faszinierende Stadt genießen. Allerdings müssen wir damit rechnen, vor dem Fahrstuhl in einer langen Schlange warten zu müssen.

Ein Wort zur Geschichte der Mole. Die jüdische Gemeinde betraute 1860 den schon damals renommierten Architekten Alessandro Antonella mit dem Bau einer neuen Synagoge. Weil die Gemeinde nur einen relativ kleinen Bauplatz hatte, sollte das Gebäude von vornherein in die Höhe gebaut werden. Doch als nach dreijähriger Bauzeit im Jahre 1866 klar wurde, dass sich der Architekt nicht an die Pläne hielt, zu weit in die Höhe baute, sich auch eine geradezu gigantische Kuppel abzeichnete und sich die finanzielle Leistungskraft des Bauherrn allmählich erschöpfte, da kam es zum Streit. Eine Gutachterkommission kam zu keinem rechten Ergebnis. Die jüdische Gemeinde trat den halb fertigen Bau der Stadt ab. Antonella, der die Medien auf seiner Seite hatte, durfte 1878 weiter bauen. Auch jetzt hielt er sich nicht an Pläne. Der mittlerweile fast 90-Jährige wollte sich ein Denkmal setzen. Und das schaffte er trotz aller Widerstände.

Guarino Guarini - ein genialer Baumeister

Bei dieser Geschichte fällt uns wieder Guarini ein, der genial-verrückte Barockbaumeister. Wir verzichten auf den Gang zur nahe gelegenen Piazza Vittorio Veneto und gehen die Via Po zurück zur Piazza Castello. Dort steht eine recht unscheinbare Kirche, San Lorenzo, die zunächst nur durch ihre achteckige Kuppel auffällt. Falls drinnen gerade eine Andacht ist, dann sollten wir nicht stören. Wir können uns in eine Bank setzen, die gepolsterten Kniebänke umklappen, so dass wir die Füße hoch, aber nicht aufs Polster stellen können. Wir lassen die Architektur der Kirche auf uns wirken, die wahrlich die Sinne verwirren kann. (Am besten lassen wir uns die Details im Kunst-Reiseführer von DuMont erklären.)

Wenn Euch jetzt die Füße immer noch nicht weh tun, dann schauen wir uns noch kurz den Palazzo Carignano von außen an. Auch der ist von Guarino Guarini (praktischer Name). Hier hat er sich eine geschwungene Backsteinfassade einfallen lassen. Das Gebäude ist das Geburtshaus des ersten Königs des vereinigten Italiens, Vittorio Emanuele II, der in jeder Stadt und jedem Dorf des Landes seine Straße hat. Hier kam 1861 auch das neue Parlament zusammen.

Ein Essen am Ufer des Po

Gegenüber dem Palazzo liegt übrigens eines der berühmtesten Restaurants der Stadt, „Del Cambio“. Da soll angeblich Giovanni Agnelli seine Gäste bewirten. Da der Autokönig uns aber leider nicht eingeladen hat, machen wir uns an diesem schönen Sommerabend im Hotel frisch und schlendern runter zum Po, an den Gewölben der Kaimauern – den Murazzi – vorbei, wo die Jugend von Turin später die Nacht zum Tage macht.

Wir laufen weiter den Po lang zum Parco del Valentino, wo sie sich junge und etwas reifere Turiner am Abend erfreuen. Wir finden direkt am Po das im Reiseführer (Marco Polo) erwähnte „Imbarco del Re da Perosino“. Es sieht jetzt um halb neun noch sehr verlassen aus. Es gibt aber hübsche Tische am Flussufer. Keiner ist besetzt. Trotzdem sollten wir reserviert haben, denn die meisten Gäste kommen noch.

Wir haben einen schönen Blick auf den Fluss, der Kellner entzündet eine Kerze. Wir wählen aus der Karte, das meiste verstehen wir, bei dem anderen raten wir. Man kann sich die Antipasti misti (12.000) zu zweit teilen, ebenso den Risotto con Funghi (12.000). Zu den Antipasti werden wir ans Büfett bemüht, wo man sich selbst bedient. Unter den Hauptgerichten gibt es viel Fisch und Meeresgetier, zum Beispiel Sepie (Tintenfisch) und Gamberini (Krabben). Die sind ein wenig stark gebraten Aber die „Involtini de Sogliola“ (Seezungenröllchen) kann ich Dir empfehlen.

Zu zweit zahlen wir für die genannten Speisen plus Bier und Wein 89.000 Lire. (Imbarco del Re da Perosino, Viale Virgilio, 53, 10126 Torino, Tel.+Fax: 011657362, 12.30 bis 15.30 Uhr und 20.00 bis vier Uhr, montags geschlossen)

Im Park liegt auch eine im 19. Jahrhundert originalgetreu nachgebaute piemontesische Burg aus dem Mittelalter sowie das Lustschlösschen Castello des Valentino. Die könnten wird uns das nächste Mal ansehen. Denn das dürfte Dir nach diesem Bummel klar sein, Du wirst sicher nach Turin zurückkehren.

Übernachten im Hotel Liberty

Nach einem Absacker in einer der Bars an der Piazza Palazzo kommen wir in unser ganz in der Nähe dieses Platzes gelegene Hotel zurück.
Wir fahren mit einem museumsreifen Fahrstuhl mit seinem Kunstschmiedegitter nach oben in die dritte Etage, von wo sich das „Hotel Liberty“ mit über 30 Zimmern über die dritte, vierte und fünfte Etage erstreckt. Dort gibt es einen internen Fahrstuhl. Das ist alles total saniert und sieht aus wie in einem neuzeitlichen Hotel. Unser Zimmer ist freundlich und ansprechend möbliert. Das Bad ist ganz modern. Allerdings mussten wir bei unserem letzten Besuch für das Doppelzimmer mit für italienische Verhältnisse akzeptablem Frühstück 200.000 Lire (103,30 Euro) bezahlen. Praktisch ist die zentrale Lage und der Parkplatz im Hof (25.000 Lit. extra).

Einkaufen

Wenn wir am nächsten Morgen noch etwas Zeit haben, dann sollten wir einen Einkaufsbummel machen. In den Arkaden und Galerien ringsum die Piazza Castelo und den von ihr abgehenden Straßen, vor allem der Via Po, finden wir Geschäfte mit Türen aus edlem Holz und blanken Messingbeschlägen. Sie führen alles, was das Herz begehrt und die Kreditkarte zulässt. Mein Freund Wilfried hat bei unserem letzten Besuch hier einen zweiten Borsalino erworben und für den Rest unserer Reise nicht mehr abgenommen. (Na ja, zum Schlafen schon.) Bummeln kann man in Turin übrigens auch bei schlechtem Wetter. Die insgesamt 18 Kilometer Arkaden sorgen dafür, dass Ihr trockenen Fußes alle Geschäfte erreicht.

Was wir uns fürs nächste Mal vornehmen

Wir werden ganz bestimmt noch mal ins Ristorantini Tèfy (Am Corso Belgio Nr. 26) gehen. Das ist eine relativ hässliche Straße im Osten des Zentrums in der Nähe des Po. Am Haus Nummer 26 ist nur ein kleines Schild, wir sind erst vorbeigelaufen. Hier sagen wir dem Wirt einfach, ob wir Fisch oder Fleisch wollen. Dann bekommen wir ein Fünfgangmenü mit allem, was dazu gehört: Wein, Wasser, Kaffee, Gebäck, ein Gläschen Vinsanto und ein Gläschen Kaffeecreme. (Stopp, nicht mehr, ich habe das „Tèfy“ als Restaurant extra vorgestellt.)

Natürlich sollte man in Turin auch mal ins Automuseum gehen, den berühmten Antiquitätenmarkt besuchen, vielleicht auch ein Fußballspiel von Juve. Eine Bootsfahrt auf dem Po hat auch ihre Reize. Und um das Herrscherhaus Savoyen noch besser kennen zu lernen, sollte man wohl ihr Jagdschloss Stupinigi gesehen haben. Aber das kannst Du alles in einem Reiseführer nachlesen. Leider gibt es in Deutschland keinen speziellen über Turin. Für einen ersten Überblick haben wir den Marco Polo „Piemont Turin“ genommen. Für den Besuch selbst brauchst Du dann aber den Du Mont Kunstreiseführer „Piemont und das Aosta-Tal“.

(Gepostet auch bei ciao und dooyoo)

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