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Erfahrungsbericht von Andreas68

Innere Leere - eine "Ausschüttung" aus eigenem Erleben

Pro:

keins

Kontra:

Eine Freundin sagte mir einmal: "Wenn du so tief fallen kannst, kannst du auch wieder hoch aufsteigen, so verzweifelt du bist, so glücklich kannst du wieder werden." Ich bin nicht einmal mehr verzweifelt!?

Empfehlung:

Nein

Vorsicht, werte Leser! Was folgt, ist gelinde gesagt eine Elegie. Man muss sie sich nicht ´reinziehen. Es könnte aber sein, dass es einzelne gibt, die sich genau dafür interessieren. Sie allerdings, die es betrifft, wird es nicht lesen. Sie hat selbst diese Verbindung abgebrochen.


Juli 2003. Der Sommer ist einer der trockensten, an die ich mich erinnere. Ich blicke aus dem Fenster meiner kleinen 2-Zimmer-Wohnung und wundere mich über grüne Blätter, die im Licht der Sonne vom heißen Wind gequält werden. Wie können sie grün sein?
Obgleich sie grün sind, kommen sie mir trocken und steril vor. Vielleicht übertrage ich mein Inneres auf ihre Betrachtung.

Was da in mir ist, frage ich mich. Ich mache, arbeite, erledige das Allernötigste, aber nicht einmal mehr meine Wohnung ist gut gepflegt und gut anziehen tu ich mich auch kaum noch. Arbeitskleidung, Alltagskleidung, egal, wie ich gesehen werde, falls ich gesehen werde. Ich bemerke das nicht. Ich gehe nicht mehr weg, nur noch einkaufen. Lustlos hole ich aus den Regalen, was ich an Kalorien, Nährstoffen und Vitaminen benötige, um weiterzuexistieren. Ich schlafe auf den neuen Tag oder die Nachtarbeit zu und wünsche mir, dass es später wird, dass die Zeit vergeht, dass irgendetwas mich berührt, belebt, aber da kommt nichts, da ergibt sich keine Aussicht, und ich suche auch nicht mehr.

Einst hörte ich gerne und mit innerer Emotionalität, leidenschaftlich beteiligt und reflektierend Musik, doch jetzt erreicht mich selbst die traurigste nicht mehr. Auf meinem Balkon wächst das Wildkraut, gegossen mit Abfallwasser, aus Kübeln u. Töpfen, die mit irgendwelchem Sand oder irgendwelcher Erde gefüllt sind u. nie bepflanzt wurden. Früher erfreute es mich zu sehen, was sich darin alles wie von selbst entwickelt. Jetzt wächst es eben. Ich lasse es nicht umkommen; es erhält sein Wasser, aber ich fühle nichts. Ich kaufe kleine Aktienpakete und verkaufe sie, wenn ich etwas Gewinn gemacht habe. Manchmal steigen sie danach noch viel weiter und ich schüttel den Kopf über mich. Gerade fallen sie und nichts motiviert mich, meinen Gewinn zu sichern. Sie werden schon wieder steigen.
Ich kann nicht schlafen, was ich früher so gerne tat, aber ich bin zu faul u. zu zerschlagen, um richtig wach zu sein.
Ich lese Bücher. Früher habe ich sie verschlungen, jetzt bin ich voller Abstand. Die Musik ist Geräusch geworden, der Bücher Inhalt ergreift mich nicht, Erfolge bei der Arbeit und erfolgreiche Geschäfte erfreuen mich nicht richtig. Ich nehme sie zur Kenntnis, das ist alles.
Meine Tochter ist meistens nicht da oder mit Schularbeiten, Sport oder Musik beschäftigt. Ihre Mutter hat auch keine Zeit und es ist mir egal. Sie erreichen mich gar nicht mehr. Die niedliche kleine Hündin, ein Kavalier-Prinz-Charles-Terrier, lässt mich manchmal schmunzeln und ich bin gut zu ihr, wenn ich die Familie besuche.
Aber es macht mich auch nicht glücklich.
Es macht mich aber auch nichts unglücklich. Da ist einfach nichts mehr in mir, keine Lust, keine Motivation, nicht einmal mehr Suizidalität, nur Leere. Es gibt nichts, das mich nicht langweilt. Suizidär war ich letztes Frühjahr, als eine Frau, von der ich mich einvernehmlich getrennt hatte, obwohl ich sie liebte, mich ignorierte und mir gegenüber den Eindruck erweckte, mir zuvor nie gezeigt zu haben, wer sie ist und wie unterschiedlich unsere Auffassungen sind. Ich fühlte mich belogen, war verzweifelt, schmerzerfüllt und traurig. Sie ignorierte mich und mein Selbstwertgefühl brach zusammen.
Ich wünschte, ich könnte jetzt diese Traurigkeit spüren. Selbst die Verzweiflung und die Schmerzen von damals wären mir lieber als dieses Nichts, das mir geblieben ist.
Nur einmal, dieses Jahr zu Beltane, als ich in Avalon an alles zurückdachte, ermöglichte SIE mir die Traurigkeit. Und Tränen drangen in mein Gesicht.

Ich hatte damals im Frühjahr noch eine zweite Freundin. Wir waren füreinander die Felsen in der Brandung. Wir durften andere haben, es war sicher, dass wir füreinander blieben. Sie fing mich auf. Sie war nicht einmal in ihrem Vergleich zur Verlorenen unglücklich oder eifersüchtig und meine Liebe zu ihr festigte sich daraufhin.
Zur Mittsommernacht kniete sie an der Quelle, an der wir, beide Heiden und göttinnengläubig, feierten, überraschend vor mir nieder. Sie stach sich eine Blutlanzette in den Finger und schwor mit ihrem Blut und vor der Großen Göttin, immer zu mir zu halten und mich nie zu verlassen. Im Oktober lernte sie mit meiner Unterstützung einen neuen Mann kennen. Das war in Ordnung in unserer Beziehung. Ich wusste ja, dass sie mich nie aufgeben würde. Dann rief sie an und teilte mir mit, dass sie ihm nicht weh tun könnte und ihm die Existenz eines anderen Freundes verletzen würde. Außerdem hätte ich das Badewasser zu lange in der Wanne gelassen und wäre manchmal - sie wohnte 450 km entfernt - nicht zum verabredeten Tag abgereist, sondern einen Tag länger geblieben. Eigentlich waren wir beide glücklich, wenn ich das ermöglichen konnte.
Sie liebe mich nicht mehr.
Danach hörte ich kaum noch von ihr, nur zwei- oder dreimal. Sie sei ein anderer Mensch. An die Vergangenheit wolle sie gar nicht mehr denken, das würde sie nur belasten. Ich solle sie doch vergessen.
Aber ich liebte sie noch. Natürlich war ich wütend. Natürlich habe ich sie gehasst für ihren unglaublichen Wortbruch, ihre Treulosigkeit, ihren mangelnden Willen, die Liebe zu mir über deren Krise in ihr zu retten, ihre Abkehr von unseren gemeinsamen Idealen, nach denen man eben nicht nur einen Menschen lieben könnte und selbst die Liebe des anderen zu einem Dritten kein Grund zum Schlussmachen oder für Eifersucht wäre, sondern ein Anlass, sich für denjenigen, den man liebt und für sein Glück zu freuen (wir hatten das schon erfolgreich praktiziert, es geht und es ging!).
Aber die Wut ist verflogen. Ohne Liebe wäre sie gar nicht möglich gewesen.
Sie hat eben so entschieden. Vielleicht würde sie es irgendwann einmal wieder anders sehen. Ich war bereit, mich für sie offen zu halten und ich wollte wenigstens eins: Wissen, dass es sie noch gibt und ihr vielleicht zweimal im Jahr eine Grußkarte schicken.
Im Herbst vorigen Jahres warf sie mich weg. Jetzt ist Juli. Die Schmerzen sind verheilt. Ich wünschte, ich würde sie spüren.
Ich existiere gar nicht mehr für sie! Irgendwie existiere ich auch nicht mehr für mich. Ich betrachte mich wie einen Fremden, staune über das, was er tut und verstehe nicht, warum er es überhaupt tut.
In einem Gedicht habe ich einmal ausgedrückt, dass Liebe alle Schmerzen wert wäre. Wieviel Hoffnung hatte ich damals noch! Mittlerweil ist sie mir gar nichts mehr wert. Ich hatte zwischendurch eine Frau, die mir erzählt hat, sie würde mich nie so behandeln (die hat sich auch schon ein Vierteljahr nicht mehr gemeldet). Es war mir peinlich, aber ich musste beinahe lachen, als ich ihre Versprechungen hörte.
Ich fürchte, es war zuviel für mich. Ich will mich nicht beklagen, denn ich habe unglaublich viel Liebe im Leben erfahren. Sie war mir stets das Wichtigste. Liebte ich nicht, erschien mir der Alltag trist und grau. Liebte ich, ergab jedes Handeln einen Sinn. Was ich tat, tat ich ja für \"uns\".
Ich hätte nie gedacht, in einen Zustand zu gelangen, indem ich gar nicht mehr nach Liebe suchen würde, gar nicht mehr lieben will. Insofern ist die gegenwärtige Situation vielleicht auswegslos. Ich warte darauf, dass die Zeit vergeht, dass ich älter werde. Es ist mir klar, was am Ende dieser Entwicklung steht: Der Tod. Nein, keine Sorge, nicht der Suizid. Ich habe über ihn nachgedacht. Mir fehlen der Mut und sogar die Lust dazu.
Und nach dem Tod? Vielleicht ein neues Leben? Kein Wissen um das, was war, nur die subjektive Wahrnehmung eines einen umgebenden Universums, ungebrochen durch die Zeit des Todes, die ist wie Schlaf: ohne subjektive Wahrnehmung? Ist das die Hoffnung, die bleibt? Vielleicht kann man dann wieder lieben, eine Zeit lang, bis die Schmerzen übermächtig werden und man wieder soweit ist, sie nicht mehr ertragen zu wollen. Ist man dann reif für das nächste Mal? Wird man dann wieder als Kind von Größeren verprügelt, hat Angst, Zahnschmerzen, Unfälle, Knochenbrüche, Zweifel, die einen zur Verzweiflung treiben, Krankheiten, Verluste, Niederlagen, muss mit ansehen, wie das Schöne systematisch zerstört wird, ohnmächtig, aber hat doch die Liebe in einem, die einen alles ertragen lässt - bis der Schmerz sie zerstört? Ist das alles, was an jedem Leben lebenswert ist, die Jahre des Erlebens der Liebe und der Fähigkeit zu ihr?
Für mich ist es wohl so. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich hoffen sollte, dass der Rest schnell vergeht. Aber besser wäre es wohl.

Ich schreibe diese Dinge auf, um mir über sie klar zu werden. Ob es einen Sinn hat, weiß ich nicht. Versuche ich es mit Humor: Der werte Leser mag mir empfehlen, mich frühmorgens mit der bekannten Tüte Eselsmilch am Krematorium einzufinden. Ich glaube, ich wäre zu faul und zu gleichgültig zum Aufstehen.
Vielleicht kann man aus meinem Erleben eine Warnung entnehmen, namentlich diejenige, sich niemals ganz fallen zu lassen, niemals ohne Rücksicht und ohne Rückzugsmöglichkeit, ohne Minimum an gewahrter Distanz zu lieben und niemals völlig zu vertrauen - oder diejenige, niemals nach dem größtmöglichen Liebesglück zu trachten. Aber ich selbst würde diese Warnung nicht berücksichtigen, wenn ich noch einmal die Möglichkeit hätte, was mir wiederum ganz ausgeschlossen erscheint. Denn dann wäre ich meinem jetzigen Zustande ja immer näher gewesen, als ich es war, als es noch Glück in meinem Leben gab. Dann hätte ich das andere, das Schöne, das Glück ja nie erlebt, oder?
Ich will mich nicht beschweren. Ich habe mich bedankt, bei Ihr, für die wunderbare Fülle von Liebe in meinem Leben, für mehr als ein Dutzend Frauen, für die ich da sein konnte und die für mich da waren.
Ich frage mich, ob das wirklich und für immer bzw. für dieses Leben vorbei ist. Ich hatte daran schon gezweifelt, als ich neue Mädchen kennengelernt hatte. Aber dann fiel mir ein, dass ich ja das Wunderbarste hatte, das, was ich mir immer erträumt hatte, eine, die in jeder Hinsicht zu mir passt, absolutes Verstehen und Vertrauen.
Vielleicht ist es die Kehrseite solchen Glücks, dass danach alles nur noch fad sein kann, dass sich dann ein Vergleich mit dem Gehabten aufdrängt, obwohl man ihn gar nicht will und alles wertlos erscheint was man hat.

Kein Ausweg also. Blätter wehen trocken im Wind. Morgen wartet wieder Arbeit. Liebe zu Frauen gibt es nicht mehr und was ich sonst liebe und schätze, wird zerstört. Ich verstehe plötzlich Menschen,die sich verletzen, um festzustellen, ob sie noch etwas spüren. Aber selbst dazu fehlt mir der Antrieb. Ich kenne das Ergebnis schon.

Es ist Zeit, schlafen zu gehen.

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