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Erfahrungsbericht von FrauNeedle

Icke dette kieke mal...

Pro:

Berlinisch ist ein eigener Dialekt

Kontra:

wird nicht als gesellschaftsfähig angesehen

Empfehlung:

Nein

Da ich eine waschechte Berlinerin bin, bleibt es nicht aus, daß ich mich irgendwann mal fragte, warum sprechen wir Berliner eigentlich so komisch?
Nun - ich bin der Sache natürlich auf den Grund gegangen und versuche jetzt mal, das Berlinische etwas näher zu bringen :-)

Zuerst stellt sich hier die Frage, ob denn das Berlinisch überhaupt eine Mundart darstellt, eine Sprache mit eigenen Gesetzen wie die übrigen deutschen Dialekte. Oder aber doch vielmehr ein verhunztes Hochdeutsch ist, ein Jargon ohne Tradition.

Der Schriftsteller Willibald Alexis (der märkische Walter Scott) hatte einst ein vernichtendes Urteil über das Berlinische abgegeben:
ZITAT
\"Das Berlinische ist ein Jargon aus verdorbenem Plattdeutsch und allem Kehricht und Abwurf der höheren Gesellschaftssprache auf eine so widerwärtige Weise komponiert, daß er nur im ersten Moment ein Lächeln erregt, auf die Dauer aber das Ohr beleidigt!\"
ZITATENDE

Det jloob ick doch wohl nich! Da hört sich ja wohl allet uff!

Ein hartes Urteil und ein falsches Urteil, obwohl ja viele Berliner und Nichtberliner es selber glauben. Erst seit 1927 ist es erwiesen, daß die Berliner Sprache kein vulgäres oder falsches Deutsch ist, sondern eine allmählich entwickelte Mundart. Berliner Dialekt war vielen sprachlichen Einflüssen ausgesetzt und hat sich im Laufe der Jahre immer mehr entwickelt.

Das Plattdeutsche ist die Grundlage unserer Sprache. Hinzu kommen dann noch germanische und slawische Sprachreste. Der nordschwäbische Dialekt ist die zweite Grundlage.

Die neumodische hochdeutsche Sprache wollten die Berliner einfach nicht voll und ganz mitmachen. Sie sagten weiterhin \"ick\" statt ich, \"dat\" statt das und \"Pund\" statt Pfund\".
Die hochdeutsche Endsilbe \"es\" hat ihnen wohl auch nicht gefallen, also heißt es weiterhin \"kleenet\" oder \"großet\".
Die Verkleinerungssilbe \"chen\" hatte es den Berlinern auch nicht angetan. Sie behalten daß \"ke\" oder \"ken\" wie: \"Steppke, Männeken oder bißken\".

Im berlinischen Sprachschatz sind immernoch typische niederdeutsche Wörter enthalten wie: \"Schnute, Kiepe, uff, grölen, rin oder kieken\". Auch das \"D\" statt das \"T\" ist immer noch sehr beliebt bei uns - \"Deibel oder doll\".

Zur großen Enttäuschung vieler Berliner, mußte ich nachlesen, daß seit ungefähr dem 15/16. Jahrundert die sächsische Sprache bei den Berlinern großen Einfluß nahm. Wo diese Sprache doch gerade bei den Berlinern so verpönt ist ;-) Vom Obersächsischen stammt zum Beispiel die Änderung des Umlauts \"au\" zu \"oo\".
\"Koofen, loofen, ooch oder roochen\".
Doch das findet nicht regelmäßig statt. Ein echter Berliner würde niemals \"broochen\" statt brauchen, oder \"Hoos\" statt Haus sagen.

Oft wird das \"ei\" zu \"ee\":
\"Fleesch, alleene, Beene oder nee\". Aber niemals sagen wir \"meen\" oder \"deen\" statt mein oder dein. Ihr seht also, daß wir das Sächsische nicht vollkommen nachgeahmt haben, sondern unsere Sprache nur etwas angereichert haben ;-)

Wer glaubt, daß die Umwandlung von \"g\" zu \"j\" typische Berlinisch ist, der ist gewaltig auf dem Holzweg. Auch das wurde aus der obersächsischen Sprache übernommen. Doch wir Berliner haben dort unsere bestimmten Gesetze: Nach l, r, i, ei und e wird das \"g\" zu \"j\": \"ärjern, wejen, Zieje oder zeijen\". Nach Vokabeln bleibt es jedoch ein g. Am Anfang eines Wortes wird es immer zum j:

\"Eene jut jebratene Jans is eene jute Jabe Jottes!\" :-))

Seit Anfang des 19. Jahrhundert wurden dann auch jüdische und hebräische Wörter eingedeutscht, oder sollte ich besser sagen einberlinert?
Keß für Keck, Kluft für Kleidung, mogeln für schummeln, pumpen für leihen oder Kohl für Unsinn.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich bestimmte Spracheigentümlichkeiten herauskristallisiert, die nicht durch fremden Einfluß entstanden sind. So wurde aus \"st\" beispielsweise \"scht\": \"Durscht, Wurscht oder nischt\".
Auch das Endungs-e ist von den Berlinern erfunden worden: \"Musike, dicke, feste oder meine\".

Bis zum 18. Jahrhundert war die berlinische Mundart gesellschaftsfähig, doch dann sank sie zur Vulgärsprache ab. Selbst die \"normalen\" Bürger bemühten sich krampfhaft um das Hochdeutsch, doch es gelang ihnen nie so richtig. Immer wieder brach der berlinische Dialekt durch und hat sich somit bis heute gehalten.

In diesem Sinne - macht et jut und danke, det ihr mal vorbeijekiekt habt.

Bis denne - FrauNeedle

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