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Erfahrungsbericht von Divalein

Mann im Mond

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Mann im Mond

Der Tag fängt genauso beschissen an, wie der letzte aufgehört hat.
Ich höre noch das dumpfe Pochen, das mir meine von Alkohol ertränkte Schlagader gestern Nacht zugemutet hat. Am liebsten hätte ich das Mistding rausgezogen und aus dem Fenster geworfen. Aber da ich zu bequem bin, um solche Sauereien zu veranstalten, stehe ich auf und schleppe mich zum Klo.
Nach begangener Abfuhr betrachte ich meine verknitterte Visage im Spiegel und empfinde nicht einmal mehr Selbstmitleid. Stattdessen segne ich mich mit Gleichgültigkeit ab und klappe den Spiegelschrank auf, um nach Rasierpaste zu wühlen. Noch bevor ich aber den elendigen Tiegel sichten kann, bleibe ich an Lauras Bild hängen. Wie angewurzelt bleibe ich so stehen, mit der gespreizten Hand im Schrank und denke: „Ihr Geburtstag! Verdammte Scheiße!“ Ein leiser Blitz durchfährt meinen gesamten Körper und kämpft mit dem unerträglichen Spannungssummen, dass mir meine innewohnende Unterbeleuchtung beschert.
Ein Geschenk sollte her. Es müsste aber schnell gehen. Und unkompliziert. Der Weg von hier zum Geschenk erscheint mir meilenweit und unerreichbar fern. Aber Laura… Laura ist es doch wert. Oder? Das kann schon so sein.
Der Tiegel wird also etwas schneller aus dem Schrank gekramt und langsam mit dem entsprechenden Geschirr darin herumgestippt. Und während ich mir die weiße Tunke im Gesicht verschmiere, rattert mein Geist durch zig Nichtigkeiten und bleibt bei einem dicken, braunen Teddybären stehen.

Rasiert, halbwegs gewaschen und minderwertig eingekleidet, verlasse ich das Haus, sehe also aus wie immer und blicke auf die Uhr. Weit nach halb acht. Es bleibt nur das riesige Warenhaus zwei Straßen weiter, um einen Einkauf von irgendetwas in Betracht zu ziehen.
In meinen abgetretenen Jesus-Latschen trotte ich also los und streife Unmengen von Leuten. Ich frage mich, warum an einem Samstagabend so viel los ist und empfinde es als Belästigung.
Nach etwa einer Viertelstunde Schneckengang stehe ich dann im Eingangsbereich einer Kaufstrecke und weiß immer noch nicht, was Laura Freude machen oder ihr zumindest einigermaßen behagen könnte. Die Teddyabteilung scheint mir mittlerweile doch allzu widerwärtig, eine CD ist hingegen sowohl zu teuer als auch zu einfallslos, finde ich. Außerdem entfällt mir mit einem Mal jedwede Kenntnis von Lauras Musikgeschmack. Es ist mir, als ob ich das Mädchen gar nicht kennen würde. Mein Geist hüllt sich in bleierne Schwärze und meine Augen werden von den tausend Scheinwerfern an der hohen Decke über mir in Bann gezogen.
Als eine Lautsprecherstimme so etwas wie „Raus! Wir schließen!“ brüllt, greife ich einen der Remittenden-Beststeller mit einem Titel, in dem eine Banane vorkommt, und schiebe mich müde zur Kasse. Zwölf Stunden Schlaf waren wohl doch nicht genug. Und zu allem Überfluss habe ich nun auch noch mit einer borstigen Kassiererin zu kämpfen, weil die meint, dass man eine einmal geschlossene Kasse nicht wieder aufschließen könne. Ich drohe ungewöhnlich kühn mit einer Beschwerde beim Leiter, und auf einmal gelingt es ihr doch.

Draußen fällt mir ein, dass die Geburtstagsfeier bereits um acht Uhr losgehen sollte. Macht aber nichts, ich komme ja immer ein paar Augenblicke zu spät. Auch die Tatsache, dass Laura etwa eine halbe Stunde von hier entfernt wohnt, schreckt mich nicht.
Langsam trotte ich los und überlege, ob Laura überhaupt lesen kann. Während meine Gedanken Laura und ihr unbekanntes Wesen umranken, setzen sich kalte Regentropfen auf meiner Nase ab und laufen in meinen Mund. Ich fühle mich angewidert, gehe aber tapfer weiter. Keine zwei Minuten später wird der Regen so stark, dass ich mich unterstellen muss. Wie immer habe ich keinen Schirm dabei, außerdem fällt mir ein, dass ich so etwas gar nicht besitze.
Erstaunlicherweise habe auch ich mal etwas Glück - keine zwanzig Meter weiter blitzt mir das auffällige Schuld einer Bushaltestelle entgegen. Ich denke mir zwar, dass ich ihr für 1,20 EUR mehr auch gut und gerne irgendeine CD hätte kaufen können, rede mich dann aber damit heraus, dass Hans-Otto wahrscheinlich eh schon wieder mit einem Stapel von Silberscheiben herangerückt ist.
Ich stelle mich unter und krame einen Haufen Münzen zusammen. Neben mir murmelt ein alter, versoffener Typ irgendwelche Obszönitäten vor sich hin. Sie ergeben keinen Sinn. Ich schüttle den Kopf und wirble mir damit ein paar ekelhafte Tropfen Wasser in die Augen. „Bäääh!“, rufe ich erstaunlich aufregt aus. Der Mann fühlt sich angesprochen und jault, „Spargel steht für Penisneid“. Ich verfluche den Tag und ebenso die Tatsache, dass nass gewordenes Kleingeld ganz besonders eklig riecht.
Der Bus naht und ich schöpfe neue Hoffnung, dass mir heute doch noch irgendwelche Kleinigkeiten Frohsinn zaubern können. Der Typ neben mir lacht und schwingt mit seiner weißen Mütze umher.

Die Luftlosigkeit im Bus macht mich noch müder und ich bin fast glücklich, dass ich in Kürze aussteigen muss. Ich kann Lauras Haus schon sehen. Die Fenster sind hell erleuchtet. Mehrere Arme und Torsos zappeln dahinter herum, zumindest scheint es mir so, zumindest denke ich es mir so.
Ich steige lässig aus dem Bus und trabe in Richtung des Hauses. Dabei übersehe ich eine Bananenschale, rutsche darauf aus, und es wird schwarz.

In der Bewusstlosigkeit wird mir das bewusst, was ich während des Bewusstseins nicht zu begreifen wusste.

- - -

© Eminencia / Divalein, 23.04.2006

55 Bewertungen, 19 Kommentare

  • frankensteins

    31.01.2009, 13:43 Uhr von frankensteins
    Bewertung: sehr hilfreich

    oh ja, toll beschriebener Alltagsliebesrummelquatsch, du rasierst dich also????? oha. lg Werner

  • hjid55

    04.03.2007, 15:00 Uhr von hjid55
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sh & lg Sarah

  • Baby1

    16.01.2007, 12:11 Uhr von Baby1
    Bewertung: sehr hilfreich

    * ~~ * Lieben Gruß Anita * ~~ *

  • anonym

    30.11.2006, 10:15 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :o)

  • junior33

    25.11.2006, 09:45 Uhr von junior33
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH und liebe Grüße, Ingo !

  • Zuckermaus29

    02.11.2006, 01:05 Uhr von Zuckermaus29
    Bewertung: sehr hilfreich

    :o) liebe Grüße Jeanny

  • Gozo-Bernie

    17.09.2006, 02:33 Uhr von Gozo-Bernie
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gruss aus weisst ja woher - bernie

  • panico

    04.08.2006, 03:20 Uhr von panico
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg panico :-)

  • Estha

    01.07.2006, 12:46 Uhr von Estha
    Bewertung: sehr hilfreich

    ☼☼☼ ... lg susi ... ☼☼☼

  • schokofan

    30.05.2006, 22:52 Uhr von schokofan
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh und ganz liebe Grüsse Dagmar

  • Volker111

    30.05.2006, 20:46 Uhr von Volker111
    Bewertung: sehr hilfreich

    Mir ist noch nie etwas in der Bewusstlosigkeit bewusst geworden, wie machen die das? *fg*

  • topware2002

    29.05.2006, 22:59 Uhr von topware2002
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH-------oOO--(_)--OOo----------

  • superlativ

    29.05.2006, 14:11 Uhr von superlativ
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht!

  • Django006

    28.05.2006, 19:31 Uhr von Django006
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & *lg* Alan:>))))

  • Power_Surfer

    28.05.2006, 15:49 Uhr von Power_Surfer
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich... lg patrick

  • darras76

    28.05.2006, 15:11 Uhr von darras76
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wie immer verstörend schön, aber woher wissen Gnä Frau, wie ich den gestrigen Tag verbracht habe?

  • topfmops

    28.05.2006, 14:13 Uhr von topfmops
    Bewertung: sehr hilfreich

    Eine schöne Art der Selbsterkenntnis und -kritik.

  • morla

    28.05.2006, 13:45 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • blackangel63

    28.05.2006, 11:34 Uhr von blackangel63
    Bewertung: sehr hilfreich

    ‹(•¿•)›…..SH - LG Anja......‹(•¿•)›