Über Themen mit V Testbericht

ab 121,07
Auf yopi.de gelistet seit 09/2003

Erfahrungsbericht von Gemeinwesen

Ich bin ein Spanner

Pro:

siehe Text

Kontra:

siehe Text

Empfehlung:

Ja

Ja, ich gestehe es: Ich sitze gern im Dunkeln und schaue zu. Ich liebe den Anblick leicht bekleideter Damen, auf deren nackte Haut man Filme projiziert. Ich mag es, mir Op-Art-Muster anzusehen, die sich zu treibenden Rhythmen um sich selbst drehen. Ich berausche mich an mit wackeliger Handkamera aufgenommen Bildern in Super 8-Qualität, in denen perverse Handlungen vorgenommen werden.


Ich habe Komplizen, die mir Material zuspielen, mit dem ich meine Schaulust befriedige. Sie bleiben nicht etwa anonym. Sie heißen, um nur einige von ihnen zu nennen, Maurice Binder, Saul Bass und Kyle Cooper.

Was? Die Namen sagen Ihnen nichts? Macht nichts. Das, womit die oben genannten Herren ihr Geld verdienten bzw. verdienen, kennen Sie aber bestimmt. Binder war zwischen 1962 bis zu seinem Tod im Jahr 1991 für das Titeldesign der James Bond-Filme verantwortlich (mit Ausnahme von „Liebesgrüße aus Moskau“ und „Goldfinger“). Von Saul Bass (1920 – 1996) stammt ein großer Teil der Titel zu Alfred Hitchcocks Filmen, darunter Klassiker wie „Der unsichtbare Dritte“ und „Vertigo“, dessen hypnotischer Vorspann nicht nur für Designer fesselnder ist als mancher Sonntagsabend-Tatort. Kyle Cooper schließlich ist unter anderem der Schöpfer des richtungsweisenden und oft kopierten Vorspanns zu David Finchers „Se7en“ (das dreistete Plagiat von Coopers Titeldesign, das ich kenne, ist der Vorspann zu „Der Schakal“), dessen Bildsprache unter anderem die Band Garbage zu ihrem Videoclip „Stupid Girl“ inspirierte.

Ich liebe Vorspänne, und ich sehe mir auch Abspanntitel gern an. Weil dem so ist, sehe ich mir Filme nur noch sehr ungern im Fernsehen an: Ich hasse es zum Beispiel, wenn mir eine Off-Stimme mitten in einen Film hineinquatscht, dessen Handlung gerade erst zu Ende gegangen ist. Eben noch schaut Scarlett O’Hara mit tränenumflortem Blick weit übers Land und tröstet sich mit einem „Ach, verschieben wir’s doch auf morgen!“, da quasselt’s auch schon wieder los: „Nicht erst morgen, sondern schon heute: ‚Die 100 dämlichsten Abspann-Zerlaberer’ – gleich nach der Werbung und exklusiv nur auf RTL II – also, bleiben Sie dran!“

Nicht viel weniger widerwärtig finde ich die Praxis, Abspänne mit x-facher Beschleunigung über den Bildschirm zu jagen. Ich gehöre nun mal zu den Leuten, die es durchaus interessiert, wem ich es zu verdanken habe, dass ich mich 90 Minuten lang gut unterhalten gefühlt habe bzw. wer verantwortlich dafür ist, wenn ich 90 Minuten lang vergeblich darauf gewartet habe, dass ein Film endlich besser wird. Und schon mehr als einmal war ich an den Titeln von Musikstücken interessiert, die im Film zu hören waren. Vollends unter die Decke gehe ich, wenn man mir das Ende eines Films vorenthält: Wer z. B. Barry Levinsons unterhaltsames Sherlock Holmes-„Prequel“ „Das Geheimnis des verborgenen Tempels“ lediglich in der Form kennt, in der der Film für gewöhnlich vom werbefinanzierten Privatfernsehen ausgestrahlt wird, dem sei gesagt: Den eigentlichen Aha-Effekt des Films enthält man ihm mit schöner Regelmäßigkeit vor.

Filme haben einen Anfang und ein Ende, und die Länges des Films ist dabei eben nicht immer deckungsgleich mit dem, was man landläufig als Plot bezeichnet. Im Vorspann der Mordgeschichte „Fargo“ behaupten die für ihren schrägen Humor berühmt-berüchtigten Regisseure Joel und Ethan Coen erst einmal munter, die Geschichte, die der Film erzählt, basiere auf wahren Geschehnissen – nur, um eben diese Aussage dann im Abspann zu widerrufen. Im Abspann von Joe Dantes „Gremlins 2 – The New Batch“ taucht immer mal wieder Zeichentrick-Ente Daffy Duck auf, die sich über die Länge des Abspanns lustig macht und den Zuschauern wiederholt versichert, der Film sei jetzt zu Ende und es gebe nichts mehr zu sehen. Das gibt der eigentlichen Handlung des Films zwar keine neue Wendung, spannt aber den Bogen zurück zum Anfang, an dem wir Daffy zum ersten Mal begegnet sind. Wer sich „Findet Nemo“ ganz bis zum Schluss ansieht, wird ebenso mit einem netten Gag belohnt wie die Zuschauer des hierzulande leider ziemlich gefloppten, skurrilen französischen Zeichentricks „Die Drillinge von Belleville“. Die Rede lang, der Sinn kurz: Wenn ich mir Filme ansehe, möchte ich sie mir ganz ansehen können. Vom Anfang bis zum Ende.

Die Kunst des Vorspanns ist, so scheint es, zwar ein aussterbendes Handwerk, aber Totgesagte leben bekanntlich länger. Das Gros der Filme spart sich heute einen eigenen Vorspann: Schließlich kostet jede Filmminute Geld, und so beschränkt man sich heute zumeist darauf, die wichtigsten Titelinformationen parallel zum Beginn der Filmhandlung einzublenden. Wenn das ganz elegant geschieht, fällt das Ergebnis so überzeugend aus wie bei Tim Burtons „Sleepy Hollow“. Die ganz großen Blockbuster vom Format „Spiderman“, mit denen nicht nur Kinokarten, sondern vor allem Fanartikel verkauft werden sollen, leisten sich in der Regel aber schon noch einen eigenen Vorspann. Manchmal ist der um einiges origineller als das, was dann folgt, manchmal ist auch der Nachspann das Beste am Film. Der von „Die Mumie kehrt zurück“ ist sehenswert. Im schmalen Lichtkegel einer Taschenlampe huscht hie ein Skorpion über die Leinwand, taucht dort eine Mumie aus den Schatten auf, und zu Alan Silvestris brausender Musik wirbeln Buchstaben und Hieroglyphen aus dem Dunkel hervor – mein Eindruck: Da hat Cooper einen Nachspann zu einem Film gemacht, der viel besser sein muss als der, den ich soeben gesehen habe.

Aber bleiben wir beim Vorspann: Was wären die James Bond-Filme ohne die stilbildenden Vorspänne? Sie wären auf jeden Fall um eine Attraktion ärmer. Was wären Blake Edwards’ Filme um den trotteligen Inspektor Clouseau ohne Friz Frelengs kongeniale Zeichentrickvorspänne? Fraglos immer noch unterhaltsam, aber wir wären um einen tollen „Spin Off“ ärmer, denn unser „Paulchen Panther“ erblickte das Licht der Welt schließlich in einem der Anfangstitel der Serie.

Die besten Vor- und Abspanntitel sind eigene kleine Kunstwerke; allen voran die typographischen Titel des ungekrönten Vorspann-Königs Saul Bass. Seine Titel für „Psycho“ und „Der unsichtbare Dritte“ zeigen, welch hohes Maß an Kunstfertigkeit sich in der Beschränkung auf einfache, wesentliche Mittel ausdrücken kann. Einer meiner absoluten Favoriten im Bereich des Vorspann-Designs sind die eingangs bereits erwähnten Titel, die Kyle Cooper für David Finchers düsteren Serienkiller-Thriller „Se7en“ schuf. Auch Cooper arbeitet mit Typographie, allerdings ähnelt seine Arbeit eher der, die David Carson im Printbereich leistete: Cooper setzt in „Se7en“ verschmutzte, beschädigte Typen ein und setzt überdies Kratzer und andere Beschädigungen gezielt als Stilelemente ein. Sein Vorspann ist so kaputt wie das Seelenleben des Mörders, den Kevin Spacey im Film spielt. Aber Coopers Vorspann leistet noch mehr. Coopers Vorspann ist ein Kurzfilm, der jeweils für Sekundenbruchteile Dinge zeigt, die im Film sehr viel später eine Rolle spielen werden. Die ersten Bilder des Films, die der Zuschauer sieht, ergeben zwar erst viel später einen Sinn. Schon zu Beginn aber erzeugt der Vorspann eine bedrohliche Stimmung, die erahnen lässt, welch starker Tobak das ist, was noch folgt. Wer jetzt neugierig geworden ist und über einen breitbandigen Internetzugang verfügt, kann sich mit eigenen Augen ein Bild von Coopers Vorspann machen: Auf der Website seiner Firma www.imaginaryforces.com gibt’s unter „Projects/Films“ unter anderem den Clip „Seven“ zu sehen.

Darf’s etwas netter und weniger düster sein? Bitte sehr: Ronald Searles Titeldesign für „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ hat mir gefallen, das Titeldesign von „The Life and Death of Peters Sellers“, für das es 2005 einen von sechs Emmys gab, mit dem der Film ausgezeichnet wurde, hätte stimmiger und besser nicht sein können. Zuweilen reicht mir ein Vorspann oder auch nur ein Ausschnitt daraus, um zu entscheiden, ob ich einen Film sehen möchte oder nicht: Dass ich „Down with Love“ mögen würde, ahnte ich schon nach den ersten Sekunden des sorgfältig und witzig im Sixties-Style gestalteten Vorspanns (den von “Catch me if you can“ mit der kongenialen Musik von John Williams mag ich auch sehr). Der Vorspann von „E-mail für dich“ gewinnt in der Google Earth-Ära nachträglich noch visionäre Qualität, der von „Lola rennt“ ist eine Antwort des Kinos auf die Clips von MTV. Überaus sehenswert sind auch die End Credits der animierten Filme aus den Pixar Studios, für die, nach dem Vorbild von Filmen aus der realen Welt, eigens verpatzte Szenen gezaubert werden (der Abspann zu “A Bug’s Life“ enthält zum Beispiel eine sehr hübsche Anspielung auf “Toy Story“).


R e s ü m e e

Nicht jeder Film hat Vor- und Abspann. Aber wenn Filme eines von beiden oder beides haben, sind die Filme für mich nicht komplett, wenn eines von beiden oder beide geschnitten werden (die Vorspänne der James Bond-Filme sind zum Beispiel in einigen Ländern der Schere von selbst ernannten Sittenwächtern zum Opfer gefallen). Manche Vor- und Abspänne sind in meinen Augen eigene kleine Kunstwerke, die durchaus Beachtung verdienen (die Abspänne der „Simpsons“-Episoden strotzen oft nur so vor Anspielungen und anderen kleinen visuellen wie musikalischen Gags). Für Fans der James Bond-Filme waren die Abspänne der Serie schon allein wegen der Formel „The end of (...). But James Bond will return in (...)“ interessant, in der nicht nur der Titel des aktuellen Films auftauchte, sondern auch schon der des nächsten Films genannt wurde.

20 Bewertungen, 8 Kommentare

  • hjid55

    03.01.2007, 20:31 Uhr von hjid55
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & lg Sarah

  • Django006

    03.08.2006, 21:02 Uhr von Django006
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & *lg* Alan :>))))

  • bigmama

    03.08.2006, 01:48 Uhr von bigmama
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh, LG Anett

  • anonym

    02.08.2006, 19:33 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    *** sh ***

  • marina71

    02.08.2006, 18:33 Uhr von marina71
    Bewertung: sehr hilfreich

    ich finde das auch nervig wenn die im Fernehsen den Abspann so verhunzen. lg

  • panico

    02.08.2006, 18:13 Uhr von panico
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg panico :-)

  • superlativ

    02.08.2006, 15:13 Uhr von superlativ
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe grüße!

  • kolibri850

    02.08.2006, 14:58 Uhr von kolibri850
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh, Gruß Michael