Erfahrungsbericht von Abgar
Ein tot gesagtes Volk beginnt sich zu wehren
Pro:
Informationen über das Völkermord an den Aramäern!
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
Ein tot gesagtes Volk beginnt sich zu wehren
Über die Unterdrückung und den Befreiungskampf des aramäischen Volkes
Die Geschichte der bisherigen zwei Weltkriege scheint längst abgeschlossen zu sein. Man glaubt, was in Geschichtsbüchern steht, mal abgesehen von wenigen Geschichtskritiker/innen und einigen Ausschwitzlügner/innen. Was jedoch von jenen, die Geschichte schreiben vergessen - oder willkürlich weggelassen wurde, wird in der Regel als Lüge oder \"aus der Luft gegriffen\" abgetan.
Handelt es sich dabei um einen Völkermord, bei dem ein Regime ganze Völker aus politischen Gründen massakriert und vertrieben hat, sollte es wohl klar sein, dass Nachkommen der Ermordeten zu Recht Anerkennung ihrer Geschichte fordern. Und wenn diese Völker in ihren angestammten Ländereien heute noch unterdrückt und verfolgt werden, so dass sie weder ihre Muttersprache erlernen noch sprechen können, dann muss dieses Thema international behandelt werden.
Tatsache ist, dass im Jahr 1915 während des Ersten Weltkriegs 1,5 Millionen Armenier, und 500\'000 Angehörige des aramäischen Volkes planmäßig ermordet wurden. Um das Geschehene besser zu verstehen, versetze ich Euch, liebe Leserinnen und Leser, ins Osmanische Reich Ende des 19. Jahrhunderts.
Sultan Abdul Hamid hatte Mühe, das riesige Reich wegen Verwaltungsschwierigkeiten und dem wachsenden Nationalbewusstsein der Völker zusammenzuhalten. Auch der Versuch, einen modernen Rechtsstaat zu schaffen, brachte nichts. Die ersten revolutionären Aufstände konnten jedoch niedergeschlagen werden.
Die darauffolgenden vierzig Jahre standen im Zeichen von Verfolgungen, Plünderungen und anderen Ungerechtigkeiten. Vom Sultan organisierte Söldnertruppen terrorisierten die Bevölkerung im Norden Beth-Nahrins (Mesopotamien auf Aramäisch). Unter dem Vorwand des Heiligen Krieges vernichteten sie Dörfer, die Einheimischen wurden getötet, vertrieben oder mit Gewalt zum Islam bekehrt.
Im Juli 1908 stürzten die im Exil ausgebildeten Jungtürken den Sultan. Der Machtwechsel stieß bei allen Völkern im Land auf Begeisterung, da den Völkern Gleichberechtigung und Religionsfreiheit versprochen wurde. Diese Vorfreude sollte aber bald in bittere Enttäuschung umschlagen. Da die Türken den anderen Völkern zahlenmäßig unterlegen waren und Befürchteten, dass die anderen Völker wie die Aramäer , Griechen, Armenier und Kurden bald die Macht im Staat übernehmen könnten, lösten sie sich wieder von ihrem Versprechen der Gleichberechtigung und führten den vom Sultan begonnenen Völkermord fort.
Die Bedingungen im Schatten des Ersten Weltkriegs waren wie geschaffen, die seit längerem geplanten Massaker auszuführen und zu vertuschen. Ziel war es, alle nicht türkischen Völker zu vernichten oder gänzlich zu assimilieren. Dazu wurden die Kurden unter dem Vorwand der unterschiedlichen Religion und mit leeren Versprechungen, ihnen wurde ein eigenständiger kurdischer Staat vorgegaukelt, zur Täterschaft getrieben. Der Völkermord wurde demnach von Türken geplant und durch die Kurden ausgeführt, welche später selbst daran glauben mussten. Laut Zeitzeugen, die damals überleben konnten, zündeten sie ganze Dörfer an. Die Einwohner/innen wurden aufs Grausamste getötet, gefoltert, übereinander gehäuft und verbrannt. Schwangeren Frauen wurde der Bauch aufgeschlitzt und der Fötus in den Dreck geworfen. Durch die Zwangsdeportation sind Tausende verhungert und in der Wüste verdurstet.
Nach 1923 begann die planmäßige Assimilierungspolitik. Städte, Dörfer, Flüsse und Berge wurden umgetauft. Selbst die Menschen mussten türkische Vor und Nachnamen annehmen, Um ihre wahre Identität möglichst schnell vergessen zu machen. Die Tragweite des Genozids kann durch folgendes Beispiel erläutert werden: Vor 1915 lebten noch etwa 200\'000 Aramäer im türkischen Teil Mesopotamiens, heute sind es nur noch etwa 2500.
Die überwiegende Mehrheit dieses Volkes lebt heute auf der ganzen Welt verstreut. Geflohen vor den Brutalitäten des türkischen Regimes, das heute noch die Menschenrechte mit den Füssen tritt, wo sogar in jedem Amtshaus der Spruch steht: \"Eine Nation (die Türkei) - eine Sprache (die türkische)- eine Religion (der Islam).\" Trotzdem werden Flüchtlinge aus der Türkei nur selten als politische Flüchtlinge akzeptiert, zumal die Türkei den Völkermord und die heutige Unterdrückung vehement leugnet. Sie sprechen von der Christenlüge.
Deutsches Reich als Mittäter
Eine große Mitverantwortung für den Völkermord trifft auch das mit der Türkei verbündete Deutschland, das Anfang 1914 die angeschlagene türkische Armee wieder aufbaute, um gegen Russland neben der Ostfront noch eine zweite Front in Persien zu haben. Nebst einem Kredit von 300 Millionen Reichsmark schickten die Deutschen Tausende Soldaten, 800 Offiziere und hohe Generäle in die Türkei. Ihr Auftrag war es, die hohen Ränge der türkischen Armee zu besetzen, da in der Türkei kein genügend ausgebildetes Personal dafür vorhanden war. Somit belegten deutsche Generäle die höchsten Positionen der türkischen Armee. Obwohl die Deutschen den Völkermord nicht selbst begingen und sie während des Massakers versuchten, auf die Jungtürken einzureden, kann dem Deutschen Reich die Mitverantwortung diesbezüglich nicht abgesprochen werden. Von Seiten des deutschen Kaisers wurde nichts unternommen, dieses Gemetzel zu unterbinden. Es wird sogar gesagt, dass deutsche Generäle bei der Planung der Massaker mitwirkten.
Tragisch ist, dass in der neuen deutschen Geschichte nichts über das Verhältnis zwischen dem deutschen Reich und der Türkei während des ersten Weltkrieges geschrieben wird.
Und obwohl Deutschland einerseits die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei anprangert, meist bezüglich des türkischem Bestrebens nach einem Beitritt zur Europäischen Union, werden Flüchtlinge aus der Türkei allgemein als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet.
Zum Interview traf ich mich mit einem Angehörigen des Aramäer Volkes und Vertreter der Patriotisch Revolutionären Organisation Beth-Nahrins. Er möchte namentlich nicht erwähnt werden.
Du bist Angehöriger des Aramäer Volkes und Mitglied der Patriotische Demokratische Revolutionäre Organisation Beth-Nahrin. Was ist die Patriotische Demokratische Revolutionäre Organisation Beth-Nahrin und wie wurde sie ins Leben gerufen?
Die Patriotische Demokratische Revolutionäre Organisation Beth-Nahrin wurde durch die dort lebende Jugend, aufgrund der Erkenntnis der herrschenden Unterdrückung, ins Leben gerufen. Natürlich beeinflusst durch den Guerillakampf der Kurden gegen die türkische Armee, der aufzeigte, dass ein paar wenige Freiheitskämpfer/innen gegen eine ganze Armee antreten können. Man begann sich zu überlegen, was hier eigentlich passiert: \"Warum kämpfen die Kurden und warum wir nicht?\" Die ständige Angst, etwas Falsches zu machen, war immer da, und diese Angst kann man auch heute noch spüren. Dies war eigentlich der Beweggrund, mal zu analysieren: \"Was ist mit unserem Volk passiert?\", \"Wo sind unsere Wurzeln?\". Wir kamen zur Erkenntnis, dass wir als einstige Hochkultur der Menschheit sehr viel gegeben haben, die letzten 2500 Jahre aber gar nichts mehr geben konnten, da wir als Volk eigentlich gar nicht mehr richtig existiert hatten. Wir stellten fest, dass in unserem Volk eine totale Desorganisation herrscht; es gibt zwar viele Organisationen und solche, die große Worte plaudern, Die Flucht aus der Heimat wurde jedoch nicht eingeschränkt, sondern eher noch gefördert. Aus diesen Gründen kam die Jugend von Beth-Nahrin zusammen und hat diese Organisation geschaffen.
Wie steht es heute um Euer Volk?
Mesopotamien, unser Ursprungsland ist heute aufgeteilt auf vier Staaten; Irak, Türkei, Syrien und Iran. Die politische Situation ist in jedem Land total unterschiedlich. Im Irak ist der \"Bösewicht\" Sadam Hussein am Werk und die \"lieben guten\" Amerikaner, die dafür sorgen, dass Sadam nicht \"böse\" werden kann, weil er ein Massenmörder ist, was er natürlich auch ist. Er setzt Giftgas ein, das von den Amerikanern und den Europäern entwickelt worden ist. Zum anderen muss natürlich ganz klar gesagt werden, dass Sadam nur wegen der Erdölinteressen in die Knie gezwungen wurde, wenn man bedenkt, dass dreizehn Prozent des gesamten Erdölvorkommens auf der Welt in den dortigen UNO - Schutzzonen liegt. Wenn nun wirklich Sadam Hussein das Problem wäre, dann müsste man sich angesichts des CIA und der modernen Kriegsmaschinerie der USA fragen, warum Sadam Hussein überhaupt noch am Leben ist. In diesem Teil des Irak leben heute noch etwa 1.5 Millionen des Aramäer Volkes. Das wird Jedoch totgeschwiegen. Man redet zwar vom Kurdenproblem, von uns redet jedoch Niemand.
Ein großes Problem ist dort das Wirtschaftsembargo der UNO. Täglich sterben bis zu vierhundert Kinder an Unterernährung und fehlender medizinischer Versorgung. Weiter muss gesagt werden, dass der Krieg gegen die Kurden im irakischen Teil von Mesopotamien, der seit 1979 andauert, und von dem von türkischer Seite immer wieder gesagt wird dass die Guerilla nun endgültig besiegt sei, nur mit westlicher Hilfe durchgestanden werden kann.
Im türkischen Teil leben noch rund zweitausend Volksangehörige, was natürlich überhaupt kein Potential für irgendeinen Aufstand ist. Die Menschen, die dort leben, sind jedoch relativ sesshaft. Es müsste etwas Gravierendes passieren, damit sie ausziehen würden. Das Problem liegt eher im syrischen und im irakischen Teil, wo angesichts der Repression das Bedürfnis, das Land zu verlassen, viel Größer ist. Es gibt auch Schlepperbanden, die aus verschiedenen Gründen versuchen, möglichst vielen zur Flucht zu verhelfen.
Wir als Organisation haben natürlich erkannt, dass eine Befreiung oder respektive eine Anerkennung nicht im Exil stattfinden kann, das muss in der Heimat passieren, indem wir das Land verteidigen, dass wir für die Menschen da sind, dass wir ein neues Bewusstsein schaffen können, dass das unser Land ist, dass wir das Recht haben, dort zu leben und dass wir, wenn wir in Ruhe gelassen werden, auch etwas schaffen können, wo niemand mehr das Bedürfnis hat zu flüchten.
Was sind die Hauptziele der Patriotische Demokratische Revolutionäre Organisation Beth-Nahrin?
Das Hauptziel ist die Befreiung von Mesopotamien, was natürlich die Kurden, Turkmenen und andere ethnische Minderheiten miteinschließt. Diese werden jedoch ständig gegeneinander aufgewiegelt. Da unser Volk früher zum größten Teil von den Kurden umgebracht wurde, werden natürlich vor allem die Kurden und weniger die Türkei als Feind angesehen. Die verschiedenen Religionen wurden von den herrschenden Mächten ständig ausgenutzt. Somit existiert ein tiefgreifender Hass, der sehr schwer abzubauen ist. Innerhalb unseres Volkes ist zum Beispiel immer noch die Meinung verbreitet, dass es nicht möglich ist, mit den Kurden zusammenzuleben, weil sie rückständig seien, weil sie Moslems sind und viele von uns umgebracht haben. Um diese Meinung abzubauen, brauchen wir politische Beziehungen zu den Kurden. Denn eine Befreiung kann es nur geben, wenn alle betroffenen Völker in den Befreiungskampf mit einbezogen werden und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Um dieses Ziel zu erreichen, muss es gelingen, das ganze Volk zu organisieren, und zwar politisch, ökonomisch und auch im Bildungswesen.
Wie sieht es heute aus mit der Religionsfreiheit in der Türkei?
Rein gesetzlich wäre in der Türkei Politik und Religion strikte getrennt. Man nimmt meistens gar nicht zur Kenntnis, dass die islamistische Partei, die die Führung in der Regierung übernommen hat, eigentlich gar nicht existent sein dürfte. Sie konnte eine sehr gute Infrastruktur aufbauen, hat sich über Jahre hinweg wirtschaftlich sehr gut organisiert, hat im ganzen Land Schulen aufgebaut, die besser waren als die staatlichen Schulen von damals und tatsächlich auch Verbesserungen hingekriegt. Und das war für sie natürlich ein Gewinn. Es existiert eigentlich überhaupt keine Freiheit in der Türkei. Und wo keine Freiheit existiert, kann auch keine Religionsfreiheit existieren. Die Gefängnisse sind voll mit politisch Gefangenen, überall wird gefoltert. In den Gefängnissen sind ständig irgendwelche Hungerstreiks im Gange, Proteste in jeglicher Form, die uns hier gar nicht erreichen. Der Journalismus ist auch nicht frei. In der Türkei werden weltweit am meisten Journalisten und Schriftsteller umgebracht oder verschwinden spurlos.
In der Türkei darf Eure Sprache (aramäisch) nicht gelernt werden. Habt Ihr in Europa irgendwo die Möglichkeit, das nachzuholen?
Nach der türkischen Staatsgründung 1923 haben die Armenier und die Griechen einen Minderheitsstatus bekommen, welcher ihnen erlauben würde, ihre Sprache zu lehren und lernen.
Die Sprache ist natürlich der Kernpunkt für die Organisation und Dynamik eines ganzen Volkes. Weil unser Volk in vier verschiedene Staaten aufgeteilt wurde und heute weltweit verstreut lebt, existiert keine einheitliche Sprache mehr. Die Türken haben zum Beispiel das Recht, ihre Sprache in der Europa in Schulen weiterzugeben. Wir jedoch haben einen türkischen Pass und als Volk mit eigener Sprache existieren wir gar nicht, somit haben wir auch dieses Recht nicht. Es gibt Bemühungen seitens der Kirche und der Bevölkerung, Sprachunterricht zu erteilen, wobei das natürlich absolut nicht ausreicht. Bis zu einem gewissen Alter lernt man vielleicht ein paar Brocken. Wenn aber innerhalb der Familie die Sprache nicht gesprochen wird, bringt das überhaupt nichts. Und wenn man heute die Ausdrucksweise der Kinder anhört, dann sind das vielleicht zwei Worte aramäisch und ein Wort Deutsch, die totale Vermischung. Es handelt sich hierbei übrigens um die älteste geschriebene und gelesene Sprache, sie wird zwar an Universitäten studiert, aber innerhalb des Volkes hat man diese Möglichkeit fast nicht. Das liegt natürlich auch an der schlechten Organisation unseres Volkes.
Auf welche Reaktionen stoßen Eure politischen Aktivitäten bei den anderen Mitgliedern Eures Volkes? Und wie reagieren türkische Mitmenschen?
Politik ist für eine Minderheit innerhalb der Türkei eigentlich ein Tabu. Das heißt, wenn sich jemand unseres Volkes auf irgendwelche Art politisch aktiv für unser Volk einsetzen wollte, wurde er entweder gefangengenommen, umgebracht oder zur Flucht getrieben. Hingegen, wenn ich mich als Türke bekenne und türkische Politik betreibe für den türkischen Nationalstaat, dann hätte ich theoretisch sogar die Möglichkeit, Staatschef zu werden. Unser Volk wurde soweit gebracht, dass sogar das Wort \"Politik\" ein Zittern auslöst. Obwohl gar kein Verständnis für dieses Wort existiert; dass wir auch politisch sind wenn wir nicht politisch sind, indem wir den anderen in die Hände spielen. Wenn wir für unser Volk in dieser Situation Politik machen, muss ein klares Bekenntnis existieren: Was sind die Probleme, wo sind die Ursachen, was sind unsere Ziele, und wer hindert uns daran? Viele hatten Angst, dass den Angehörigen des Volkes in der Heimat etwas passieren könnte. Diese Angst konnten wir in den letzten vier Jahren mit verschiedenen Aktionen abbauen, obwohl natürlich von türkischer Seite her nichts unterlassen wurde, die Antipropaganda voranzutreiben und Angst zu säen. Es ist wieder eine Hoffnung entstanden innerhalb des Volkes und insgeheim der Gedanke an eine Rückkehr.
Unser Feind ist natürlich nicht das türkische Volk, denn ein Volk kann von sich aus nicht schlecht sein. Es ist nur so gut oder so schlecht, wie es von oben gesteuert wird. Und das türkische Volk ist natürlich genau so unterdrückt, weil Armut herrscht, Bildungsrückstände, eine totale Lüge existiert in diesem Land, dem Volk wird etwas vorgemacht, was nicht existiert. Es gibt innerhalb des türkischen Staates Faschisten, die vom Staat unterstützt werden, aber auch links Stehende, zu denen wir wenn möglich sehr gute Kontakte haben. Nehmen wir mal an die Revolution findet statt, der Staat existiert, dann haben wir einen Nachbar und das wird die Türkei sein. Das türkische Volk ist da. Und indem wir gegen die Unterdrückung kämpfen, kämpfen wir auch indirekt für die Befreiung des türkischen Volkes. Das Regime muss gestürzt werden, damit demokratische, soziale Strukturen aufgebaut werden können.
Was für Einflüsse haben die kurdischen Befreiungskämpfe in Eurer Heimat?
Im türkischen Teil ist ganz klar Sympathie zu erkennen, obwohl jeder Angst hat, einen Freiheitskämpfer oder eine -kämpferin aufzunehmen, denn wer das macht, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Das Bewusstsein, dass dort was läuft, ist viel stärker ausgeprägt, obwohl alle Angst haben, es zu sagen, weder am Telefon noch in einem persönlichen Gespräch. Diese Angst ist präsent. In Istanbul sieht man diese Angst im Gesicht jedes Menschen.
Im Irakischen Teil ist die Situation total anders. Dort sind Kurden die gegeneinander kämpfen. Seit Frühling 97 sind zeitweise bis 80\'000 türkische Soldaten in diesem Gebiet stationär mit schwersten militärischen Ausrüstungen zur Unterstützung der KDP (Kurdische Demokratische Partei) Barsanis gegen die PKK, und gegen uns. Wir sind mit unserer Guerilla dort auch vertreten und werden auch in diese Kämpfe verwickelt. Wir sind aber nicht, wie es leider viele verstehen, ein Arm der PKK, sondern unabhängig und werden es auch immer bleiben. Denn nur, wenn wir total eigenständig und unabhängig sind, können wir die Politik machen, die wir zum Erreichen der Freiheit auch brauchen.
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2005-09-15 22:39:34 mit dem Titel Der Völkermord von 1915
Der Völkermord von 1915
Es ist wohl bekannt, dass der 1. Weltkrieg im Juli 1914 begann. Und es ist weltweit ebenso bekannt, dass die Osmanen während dieses Krieges einen der aller blutigsten Völkermorde der Geschichte verübt haben. Nachdem die christlichen Balkanvölker durch den Krieg von 1912 ihre Unabhängigkeit erlangten und das osmanische Reich auch in Afrika und Arabien durch die Aufstände der arabischen und nicht arabische Völker Gebietsverluste erleiden musste, war das Reich nun auch in Mesopotamien, Trakya (Thrazien) und in Anatolien eingeengt worden. Durch den ersten Weltkrieg, wollten die Osmanen noch ihre Niederlage überwinden und einen völligen Zusammenbruch ihres Reiches verhindern. Aus der Befürchtung heraus, dass sie weitere territoriale Gebiete verlieren würden, die von christlichen Völkern besiedelt waren, verwirklichten sie 1915 den Plan zum Völkermord. Mit dem islamischen Ruf zum Heiligenkrieg, wurden die christlichen Völker zum Feind und Verräter erklärt und folglich den offenen Krieg entfachten. Der 1914 begonnene Weltkrieg, hatte für diesen Anschlag bereits die entsprechenden Bedingungen geschaffen. Während dieses Massaker wurden Hunderte Tausende Hellenen, Armenier, Aramäer ermordet, ebenso viele Menschen dem Hungertod und der Krankheiten geweiht und mindestens nochmals so viele Tausende und aber Tausende aus ihrer Heimat vertrieben. Die restlichen Kinder und Frauen wurden dann zwangsweise zum Islam begehrt. Zu jener Zeit, war Sultan Vahdettin der Anführer der Osmanen.
1908 wurde die zweite konstitutionelle Staatsform und das Parlament eingeführt, aber auch eine neue Verfassung erstellt und eine neue Regierung gebildet. Die Führung der zweiten Staatsform wurde vom Ittihat ve Terakki Cemiyeti (Bund zu Vereinigung und Fortschritt) übernommen. Einer der wichtigsten Männer an der Spitze dieser Regierungsmannschaft war Talat Pasha. Talat Pasha spielte bei dem Völkermord von 1915 eine sehr große Rolle. Da Talat Pasha während der Regierungsperiode Said Halim Pashas im Jahre 1913 Innenminister war. Als Said Halim Pasha am 4. Februar 1917 auf sein Amt verzichtete, übernahm folglich Talat Pasha die Rolle des Regierungschefs. Talat Pasha flüchtete nach dem ersten Weltkrieg nach Berlin und wurde 1921 von einem Armenier in Berlin ermordet (1874 Edirne - 1921 Berlin). Talat Pasha war einer, der im osmanischen Reich viele Aufgaben übernommen und ebenso in vielen Kriegen mitgewirkt hatte.
Enver Pasha galt als einer der Hauptakteure des Massakers von 1915. Unter dem Namen Enver Pasha bekannte osmanische General, war in militärischen Schulen zum Offizier ausgebildet worden. 1907 trat er dem Bund zu Vereinigung und Fortschritt (Ittihat ve Terakki Cemiyeti) bei. Gegen den Willen des Sultans Abdulhamid und gegen die Haltung vieler Offiziere, rief er am 10. Juli 1908 im Landkreis Köprülü in Mazedonien, die zweite konstitutionelle Staatsform aus. Noch im selben Jahr musste Sultan Abdulhamid II nun die von Enver Pasha ausgerufene zweite konstitutionelle Staatsform offiziell anerkennen und einführen. Enver Pasha wurde dann zum Verteidigungsminister der 1914 gebildeten Regierung ernannt. Enver Pasha war ein großer Bewunderer Deutschlands und während des ersten Weltkrieges Oberkommandeur-Stellvertreter. Er brachte deutsche Generäle an die Spitze der osmanischen Armee und musste nach dem ersten Weltkrieg, und somit nach der osmanischen Niederlage, flüchten. Zuerst flüchtete Enver Pasha nach Odessa, dann nach Berlin und von da nach Moskau. Er lebte mit dem Traum, eines Tages mit den Ländern Kaukasiens, ein großes \"Türk-Turan\" Reich zu schaffen. Die 30.000 Mann starke Armee, die Enver Pasha aufstellen konnte, wurde von den Bolschewisten auseinandergenommen. Während einer Schlacht gegen die Bolschewisten, wurde Enver Pasha (geb. 1881 in Belhcivan/Istanbul) 1922 in Tadschikistan getötet.
Einer der namhaften Akteure während des Völkermordes von 1915, war Cemal Pasha. Auch dieser Mann war in den osmanischen Militärschulen zum Offizier erzogen worden und hatte viele Aufgabenbereiche des Staates inne. Auch er war im Bund zu Vereinigung und Fortschritt (Ittihat ve Terakki Cemiyeti) der 1899 gegründet worden war. Dabei hatte er die Aufgabe, die Armee dem Bund zu Vereinigung und Fortschritt entsprechend zu organisieren. 1909 wurde Cemal Pasha beauftragt und nach Adana gesandt, um den Aufstand der Armenier zu beenden. 1911 wurde Cemal Pasha zum osmanischen Gouverneur von Bagdad nominiert. 1914 bekam Cemal Pasha den Rang eines Generals. Während des ersten Weltkrieges war er zuständiger Minister für den Meeresbereich und nebenbei noch Kommandant der zweiten und der vierten Armee. Nach dem ersten Weltkrieg, musste er nach Deutschland fliehen und in der Nähe von München Schutz suchen. Später reiste Cemal Pasha nach Tiflis. Und als Cemal Pasha im Begriff war nach Afghanistan weiter zu ziehen, wurde er (geb. 1872 in Midilli) 1922 in Tiflis von einem Armenier getötet. Von 1913-1918, hatte Cemal Pasha im Ministerrat des Bundes (Ittihat ve Terakki Cemiyeti) zu Vereinigung und Fortschritt, noch die Jungtürken und Turanen vertreten. Die eigentliche Denkweise des Kemalismus, der als eine türkisch nationale Idee verstanden wird, ist nichts anders als die damalige Haltung des Bundes zu Vereinigung und Fortschritt (Ittihat ve Terakki Cemiyeti). Aus diesem Grunde, ist der Völkermord von 1915 nicht nur als Verbrechen der Osmanen, sondern ebenso als Verbrechen der türkischen Republik zu erachten. Die türkische Republik versteht sich ohnehin als die Erbin und die letzte Vertretung der Osmanen.
Über die Unterdrückung und den Befreiungskampf des aramäischen Volkes
Die Geschichte der bisherigen zwei Weltkriege scheint längst abgeschlossen zu sein. Man glaubt, was in Geschichtsbüchern steht, mal abgesehen von wenigen Geschichtskritiker/innen und einigen Ausschwitzlügner/innen. Was jedoch von jenen, die Geschichte schreiben vergessen - oder willkürlich weggelassen wurde, wird in der Regel als Lüge oder \"aus der Luft gegriffen\" abgetan.
Handelt es sich dabei um einen Völkermord, bei dem ein Regime ganze Völker aus politischen Gründen massakriert und vertrieben hat, sollte es wohl klar sein, dass Nachkommen der Ermordeten zu Recht Anerkennung ihrer Geschichte fordern. Und wenn diese Völker in ihren angestammten Ländereien heute noch unterdrückt und verfolgt werden, so dass sie weder ihre Muttersprache erlernen noch sprechen können, dann muss dieses Thema international behandelt werden.
Tatsache ist, dass im Jahr 1915 während des Ersten Weltkriegs 1,5 Millionen Armenier, und 500\'000 Angehörige des aramäischen Volkes planmäßig ermordet wurden. Um das Geschehene besser zu verstehen, versetze ich Euch, liebe Leserinnen und Leser, ins Osmanische Reich Ende des 19. Jahrhunderts.
Sultan Abdul Hamid hatte Mühe, das riesige Reich wegen Verwaltungsschwierigkeiten und dem wachsenden Nationalbewusstsein der Völker zusammenzuhalten. Auch der Versuch, einen modernen Rechtsstaat zu schaffen, brachte nichts. Die ersten revolutionären Aufstände konnten jedoch niedergeschlagen werden.
Die darauffolgenden vierzig Jahre standen im Zeichen von Verfolgungen, Plünderungen und anderen Ungerechtigkeiten. Vom Sultan organisierte Söldnertruppen terrorisierten die Bevölkerung im Norden Beth-Nahrins (Mesopotamien auf Aramäisch). Unter dem Vorwand des Heiligen Krieges vernichteten sie Dörfer, die Einheimischen wurden getötet, vertrieben oder mit Gewalt zum Islam bekehrt.
Im Juli 1908 stürzten die im Exil ausgebildeten Jungtürken den Sultan. Der Machtwechsel stieß bei allen Völkern im Land auf Begeisterung, da den Völkern Gleichberechtigung und Religionsfreiheit versprochen wurde. Diese Vorfreude sollte aber bald in bittere Enttäuschung umschlagen. Da die Türken den anderen Völkern zahlenmäßig unterlegen waren und Befürchteten, dass die anderen Völker wie die Aramäer , Griechen, Armenier und Kurden bald die Macht im Staat übernehmen könnten, lösten sie sich wieder von ihrem Versprechen der Gleichberechtigung und führten den vom Sultan begonnenen Völkermord fort.
Die Bedingungen im Schatten des Ersten Weltkriegs waren wie geschaffen, die seit längerem geplanten Massaker auszuführen und zu vertuschen. Ziel war es, alle nicht türkischen Völker zu vernichten oder gänzlich zu assimilieren. Dazu wurden die Kurden unter dem Vorwand der unterschiedlichen Religion und mit leeren Versprechungen, ihnen wurde ein eigenständiger kurdischer Staat vorgegaukelt, zur Täterschaft getrieben. Der Völkermord wurde demnach von Türken geplant und durch die Kurden ausgeführt, welche später selbst daran glauben mussten. Laut Zeitzeugen, die damals überleben konnten, zündeten sie ganze Dörfer an. Die Einwohner/innen wurden aufs Grausamste getötet, gefoltert, übereinander gehäuft und verbrannt. Schwangeren Frauen wurde der Bauch aufgeschlitzt und der Fötus in den Dreck geworfen. Durch die Zwangsdeportation sind Tausende verhungert und in der Wüste verdurstet.
Nach 1923 begann die planmäßige Assimilierungspolitik. Städte, Dörfer, Flüsse und Berge wurden umgetauft. Selbst die Menschen mussten türkische Vor und Nachnamen annehmen, Um ihre wahre Identität möglichst schnell vergessen zu machen. Die Tragweite des Genozids kann durch folgendes Beispiel erläutert werden: Vor 1915 lebten noch etwa 200\'000 Aramäer im türkischen Teil Mesopotamiens, heute sind es nur noch etwa 2500.
Die überwiegende Mehrheit dieses Volkes lebt heute auf der ganzen Welt verstreut. Geflohen vor den Brutalitäten des türkischen Regimes, das heute noch die Menschenrechte mit den Füssen tritt, wo sogar in jedem Amtshaus der Spruch steht: \"Eine Nation (die Türkei) - eine Sprache (die türkische)- eine Religion (der Islam).\" Trotzdem werden Flüchtlinge aus der Türkei nur selten als politische Flüchtlinge akzeptiert, zumal die Türkei den Völkermord und die heutige Unterdrückung vehement leugnet. Sie sprechen von der Christenlüge.
Deutsches Reich als Mittäter
Eine große Mitverantwortung für den Völkermord trifft auch das mit der Türkei verbündete Deutschland, das Anfang 1914 die angeschlagene türkische Armee wieder aufbaute, um gegen Russland neben der Ostfront noch eine zweite Front in Persien zu haben. Nebst einem Kredit von 300 Millionen Reichsmark schickten die Deutschen Tausende Soldaten, 800 Offiziere und hohe Generäle in die Türkei. Ihr Auftrag war es, die hohen Ränge der türkischen Armee zu besetzen, da in der Türkei kein genügend ausgebildetes Personal dafür vorhanden war. Somit belegten deutsche Generäle die höchsten Positionen der türkischen Armee. Obwohl die Deutschen den Völkermord nicht selbst begingen und sie während des Massakers versuchten, auf die Jungtürken einzureden, kann dem Deutschen Reich die Mitverantwortung diesbezüglich nicht abgesprochen werden. Von Seiten des deutschen Kaisers wurde nichts unternommen, dieses Gemetzel zu unterbinden. Es wird sogar gesagt, dass deutsche Generäle bei der Planung der Massaker mitwirkten.
Tragisch ist, dass in der neuen deutschen Geschichte nichts über das Verhältnis zwischen dem deutschen Reich und der Türkei während des ersten Weltkrieges geschrieben wird.
Und obwohl Deutschland einerseits die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei anprangert, meist bezüglich des türkischem Bestrebens nach einem Beitritt zur Europäischen Union, werden Flüchtlinge aus der Türkei allgemein als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet.
Zum Interview traf ich mich mit einem Angehörigen des Aramäer Volkes und Vertreter der Patriotisch Revolutionären Organisation Beth-Nahrins. Er möchte namentlich nicht erwähnt werden.
Du bist Angehöriger des Aramäer Volkes und Mitglied der Patriotische Demokratische Revolutionäre Organisation Beth-Nahrin. Was ist die Patriotische Demokratische Revolutionäre Organisation Beth-Nahrin und wie wurde sie ins Leben gerufen?
Die Patriotische Demokratische Revolutionäre Organisation Beth-Nahrin wurde durch die dort lebende Jugend, aufgrund der Erkenntnis der herrschenden Unterdrückung, ins Leben gerufen. Natürlich beeinflusst durch den Guerillakampf der Kurden gegen die türkische Armee, der aufzeigte, dass ein paar wenige Freiheitskämpfer/innen gegen eine ganze Armee antreten können. Man begann sich zu überlegen, was hier eigentlich passiert: \"Warum kämpfen die Kurden und warum wir nicht?\" Die ständige Angst, etwas Falsches zu machen, war immer da, und diese Angst kann man auch heute noch spüren. Dies war eigentlich der Beweggrund, mal zu analysieren: \"Was ist mit unserem Volk passiert?\", \"Wo sind unsere Wurzeln?\". Wir kamen zur Erkenntnis, dass wir als einstige Hochkultur der Menschheit sehr viel gegeben haben, die letzten 2500 Jahre aber gar nichts mehr geben konnten, da wir als Volk eigentlich gar nicht mehr richtig existiert hatten. Wir stellten fest, dass in unserem Volk eine totale Desorganisation herrscht; es gibt zwar viele Organisationen und solche, die große Worte plaudern, Die Flucht aus der Heimat wurde jedoch nicht eingeschränkt, sondern eher noch gefördert. Aus diesen Gründen kam die Jugend von Beth-Nahrin zusammen und hat diese Organisation geschaffen.
Wie steht es heute um Euer Volk?
Mesopotamien, unser Ursprungsland ist heute aufgeteilt auf vier Staaten; Irak, Türkei, Syrien und Iran. Die politische Situation ist in jedem Land total unterschiedlich. Im Irak ist der \"Bösewicht\" Sadam Hussein am Werk und die \"lieben guten\" Amerikaner, die dafür sorgen, dass Sadam nicht \"böse\" werden kann, weil er ein Massenmörder ist, was er natürlich auch ist. Er setzt Giftgas ein, das von den Amerikanern und den Europäern entwickelt worden ist. Zum anderen muss natürlich ganz klar gesagt werden, dass Sadam nur wegen der Erdölinteressen in die Knie gezwungen wurde, wenn man bedenkt, dass dreizehn Prozent des gesamten Erdölvorkommens auf der Welt in den dortigen UNO - Schutzzonen liegt. Wenn nun wirklich Sadam Hussein das Problem wäre, dann müsste man sich angesichts des CIA und der modernen Kriegsmaschinerie der USA fragen, warum Sadam Hussein überhaupt noch am Leben ist. In diesem Teil des Irak leben heute noch etwa 1.5 Millionen des Aramäer Volkes. Das wird Jedoch totgeschwiegen. Man redet zwar vom Kurdenproblem, von uns redet jedoch Niemand.
Ein großes Problem ist dort das Wirtschaftsembargo der UNO. Täglich sterben bis zu vierhundert Kinder an Unterernährung und fehlender medizinischer Versorgung. Weiter muss gesagt werden, dass der Krieg gegen die Kurden im irakischen Teil von Mesopotamien, der seit 1979 andauert, und von dem von türkischer Seite immer wieder gesagt wird dass die Guerilla nun endgültig besiegt sei, nur mit westlicher Hilfe durchgestanden werden kann.
Im türkischen Teil leben noch rund zweitausend Volksangehörige, was natürlich überhaupt kein Potential für irgendeinen Aufstand ist. Die Menschen, die dort leben, sind jedoch relativ sesshaft. Es müsste etwas Gravierendes passieren, damit sie ausziehen würden. Das Problem liegt eher im syrischen und im irakischen Teil, wo angesichts der Repression das Bedürfnis, das Land zu verlassen, viel Größer ist. Es gibt auch Schlepperbanden, die aus verschiedenen Gründen versuchen, möglichst vielen zur Flucht zu verhelfen.
Wir als Organisation haben natürlich erkannt, dass eine Befreiung oder respektive eine Anerkennung nicht im Exil stattfinden kann, das muss in der Heimat passieren, indem wir das Land verteidigen, dass wir für die Menschen da sind, dass wir ein neues Bewusstsein schaffen können, dass das unser Land ist, dass wir das Recht haben, dort zu leben und dass wir, wenn wir in Ruhe gelassen werden, auch etwas schaffen können, wo niemand mehr das Bedürfnis hat zu flüchten.
Was sind die Hauptziele der Patriotische Demokratische Revolutionäre Organisation Beth-Nahrin?
Das Hauptziel ist die Befreiung von Mesopotamien, was natürlich die Kurden, Turkmenen und andere ethnische Minderheiten miteinschließt. Diese werden jedoch ständig gegeneinander aufgewiegelt. Da unser Volk früher zum größten Teil von den Kurden umgebracht wurde, werden natürlich vor allem die Kurden und weniger die Türkei als Feind angesehen. Die verschiedenen Religionen wurden von den herrschenden Mächten ständig ausgenutzt. Somit existiert ein tiefgreifender Hass, der sehr schwer abzubauen ist. Innerhalb unseres Volkes ist zum Beispiel immer noch die Meinung verbreitet, dass es nicht möglich ist, mit den Kurden zusammenzuleben, weil sie rückständig seien, weil sie Moslems sind und viele von uns umgebracht haben. Um diese Meinung abzubauen, brauchen wir politische Beziehungen zu den Kurden. Denn eine Befreiung kann es nur geben, wenn alle betroffenen Völker in den Befreiungskampf mit einbezogen werden und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Um dieses Ziel zu erreichen, muss es gelingen, das ganze Volk zu organisieren, und zwar politisch, ökonomisch und auch im Bildungswesen.
Wie sieht es heute aus mit der Religionsfreiheit in der Türkei?
Rein gesetzlich wäre in der Türkei Politik und Religion strikte getrennt. Man nimmt meistens gar nicht zur Kenntnis, dass die islamistische Partei, die die Führung in der Regierung übernommen hat, eigentlich gar nicht existent sein dürfte. Sie konnte eine sehr gute Infrastruktur aufbauen, hat sich über Jahre hinweg wirtschaftlich sehr gut organisiert, hat im ganzen Land Schulen aufgebaut, die besser waren als die staatlichen Schulen von damals und tatsächlich auch Verbesserungen hingekriegt. Und das war für sie natürlich ein Gewinn. Es existiert eigentlich überhaupt keine Freiheit in der Türkei. Und wo keine Freiheit existiert, kann auch keine Religionsfreiheit existieren. Die Gefängnisse sind voll mit politisch Gefangenen, überall wird gefoltert. In den Gefängnissen sind ständig irgendwelche Hungerstreiks im Gange, Proteste in jeglicher Form, die uns hier gar nicht erreichen. Der Journalismus ist auch nicht frei. In der Türkei werden weltweit am meisten Journalisten und Schriftsteller umgebracht oder verschwinden spurlos.
In der Türkei darf Eure Sprache (aramäisch) nicht gelernt werden. Habt Ihr in Europa irgendwo die Möglichkeit, das nachzuholen?
Nach der türkischen Staatsgründung 1923 haben die Armenier und die Griechen einen Minderheitsstatus bekommen, welcher ihnen erlauben würde, ihre Sprache zu lehren und lernen.
Die Sprache ist natürlich der Kernpunkt für die Organisation und Dynamik eines ganzen Volkes. Weil unser Volk in vier verschiedene Staaten aufgeteilt wurde und heute weltweit verstreut lebt, existiert keine einheitliche Sprache mehr. Die Türken haben zum Beispiel das Recht, ihre Sprache in der Europa in Schulen weiterzugeben. Wir jedoch haben einen türkischen Pass und als Volk mit eigener Sprache existieren wir gar nicht, somit haben wir auch dieses Recht nicht. Es gibt Bemühungen seitens der Kirche und der Bevölkerung, Sprachunterricht zu erteilen, wobei das natürlich absolut nicht ausreicht. Bis zu einem gewissen Alter lernt man vielleicht ein paar Brocken. Wenn aber innerhalb der Familie die Sprache nicht gesprochen wird, bringt das überhaupt nichts. Und wenn man heute die Ausdrucksweise der Kinder anhört, dann sind das vielleicht zwei Worte aramäisch und ein Wort Deutsch, die totale Vermischung. Es handelt sich hierbei übrigens um die älteste geschriebene und gelesene Sprache, sie wird zwar an Universitäten studiert, aber innerhalb des Volkes hat man diese Möglichkeit fast nicht. Das liegt natürlich auch an der schlechten Organisation unseres Volkes.
Auf welche Reaktionen stoßen Eure politischen Aktivitäten bei den anderen Mitgliedern Eures Volkes? Und wie reagieren türkische Mitmenschen?
Politik ist für eine Minderheit innerhalb der Türkei eigentlich ein Tabu. Das heißt, wenn sich jemand unseres Volkes auf irgendwelche Art politisch aktiv für unser Volk einsetzen wollte, wurde er entweder gefangengenommen, umgebracht oder zur Flucht getrieben. Hingegen, wenn ich mich als Türke bekenne und türkische Politik betreibe für den türkischen Nationalstaat, dann hätte ich theoretisch sogar die Möglichkeit, Staatschef zu werden. Unser Volk wurde soweit gebracht, dass sogar das Wort \"Politik\" ein Zittern auslöst. Obwohl gar kein Verständnis für dieses Wort existiert; dass wir auch politisch sind wenn wir nicht politisch sind, indem wir den anderen in die Hände spielen. Wenn wir für unser Volk in dieser Situation Politik machen, muss ein klares Bekenntnis existieren: Was sind die Probleme, wo sind die Ursachen, was sind unsere Ziele, und wer hindert uns daran? Viele hatten Angst, dass den Angehörigen des Volkes in der Heimat etwas passieren könnte. Diese Angst konnten wir in den letzten vier Jahren mit verschiedenen Aktionen abbauen, obwohl natürlich von türkischer Seite her nichts unterlassen wurde, die Antipropaganda voranzutreiben und Angst zu säen. Es ist wieder eine Hoffnung entstanden innerhalb des Volkes und insgeheim der Gedanke an eine Rückkehr.
Unser Feind ist natürlich nicht das türkische Volk, denn ein Volk kann von sich aus nicht schlecht sein. Es ist nur so gut oder so schlecht, wie es von oben gesteuert wird. Und das türkische Volk ist natürlich genau so unterdrückt, weil Armut herrscht, Bildungsrückstände, eine totale Lüge existiert in diesem Land, dem Volk wird etwas vorgemacht, was nicht existiert. Es gibt innerhalb des türkischen Staates Faschisten, die vom Staat unterstützt werden, aber auch links Stehende, zu denen wir wenn möglich sehr gute Kontakte haben. Nehmen wir mal an die Revolution findet statt, der Staat existiert, dann haben wir einen Nachbar und das wird die Türkei sein. Das türkische Volk ist da. Und indem wir gegen die Unterdrückung kämpfen, kämpfen wir auch indirekt für die Befreiung des türkischen Volkes. Das Regime muss gestürzt werden, damit demokratische, soziale Strukturen aufgebaut werden können.
Was für Einflüsse haben die kurdischen Befreiungskämpfe in Eurer Heimat?
Im türkischen Teil ist ganz klar Sympathie zu erkennen, obwohl jeder Angst hat, einen Freiheitskämpfer oder eine -kämpferin aufzunehmen, denn wer das macht, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Das Bewusstsein, dass dort was läuft, ist viel stärker ausgeprägt, obwohl alle Angst haben, es zu sagen, weder am Telefon noch in einem persönlichen Gespräch. Diese Angst ist präsent. In Istanbul sieht man diese Angst im Gesicht jedes Menschen.
Im Irakischen Teil ist die Situation total anders. Dort sind Kurden die gegeneinander kämpfen. Seit Frühling 97 sind zeitweise bis 80\'000 türkische Soldaten in diesem Gebiet stationär mit schwersten militärischen Ausrüstungen zur Unterstützung der KDP (Kurdische Demokratische Partei) Barsanis gegen die PKK, und gegen uns. Wir sind mit unserer Guerilla dort auch vertreten und werden auch in diese Kämpfe verwickelt. Wir sind aber nicht, wie es leider viele verstehen, ein Arm der PKK, sondern unabhängig und werden es auch immer bleiben. Denn nur, wenn wir total eigenständig und unabhängig sind, können wir die Politik machen, die wir zum Erreichen der Freiheit auch brauchen.
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2005-09-15 22:39:34 mit dem Titel Der Völkermord von 1915
Der Völkermord von 1915
Es ist wohl bekannt, dass der 1. Weltkrieg im Juli 1914 begann. Und es ist weltweit ebenso bekannt, dass die Osmanen während dieses Krieges einen der aller blutigsten Völkermorde der Geschichte verübt haben. Nachdem die christlichen Balkanvölker durch den Krieg von 1912 ihre Unabhängigkeit erlangten und das osmanische Reich auch in Afrika und Arabien durch die Aufstände der arabischen und nicht arabische Völker Gebietsverluste erleiden musste, war das Reich nun auch in Mesopotamien, Trakya (Thrazien) und in Anatolien eingeengt worden. Durch den ersten Weltkrieg, wollten die Osmanen noch ihre Niederlage überwinden und einen völligen Zusammenbruch ihres Reiches verhindern. Aus der Befürchtung heraus, dass sie weitere territoriale Gebiete verlieren würden, die von christlichen Völkern besiedelt waren, verwirklichten sie 1915 den Plan zum Völkermord. Mit dem islamischen Ruf zum Heiligenkrieg, wurden die christlichen Völker zum Feind und Verräter erklärt und folglich den offenen Krieg entfachten. Der 1914 begonnene Weltkrieg, hatte für diesen Anschlag bereits die entsprechenden Bedingungen geschaffen. Während dieses Massaker wurden Hunderte Tausende Hellenen, Armenier, Aramäer ermordet, ebenso viele Menschen dem Hungertod und der Krankheiten geweiht und mindestens nochmals so viele Tausende und aber Tausende aus ihrer Heimat vertrieben. Die restlichen Kinder und Frauen wurden dann zwangsweise zum Islam begehrt. Zu jener Zeit, war Sultan Vahdettin der Anführer der Osmanen.
1908 wurde die zweite konstitutionelle Staatsform und das Parlament eingeführt, aber auch eine neue Verfassung erstellt und eine neue Regierung gebildet. Die Führung der zweiten Staatsform wurde vom Ittihat ve Terakki Cemiyeti (Bund zu Vereinigung und Fortschritt) übernommen. Einer der wichtigsten Männer an der Spitze dieser Regierungsmannschaft war Talat Pasha. Talat Pasha spielte bei dem Völkermord von 1915 eine sehr große Rolle. Da Talat Pasha während der Regierungsperiode Said Halim Pashas im Jahre 1913 Innenminister war. Als Said Halim Pasha am 4. Februar 1917 auf sein Amt verzichtete, übernahm folglich Talat Pasha die Rolle des Regierungschefs. Talat Pasha flüchtete nach dem ersten Weltkrieg nach Berlin und wurde 1921 von einem Armenier in Berlin ermordet (1874 Edirne - 1921 Berlin). Talat Pasha war einer, der im osmanischen Reich viele Aufgaben übernommen und ebenso in vielen Kriegen mitgewirkt hatte.
Enver Pasha galt als einer der Hauptakteure des Massakers von 1915. Unter dem Namen Enver Pasha bekannte osmanische General, war in militärischen Schulen zum Offizier ausgebildet worden. 1907 trat er dem Bund zu Vereinigung und Fortschritt (Ittihat ve Terakki Cemiyeti) bei. Gegen den Willen des Sultans Abdulhamid und gegen die Haltung vieler Offiziere, rief er am 10. Juli 1908 im Landkreis Köprülü in Mazedonien, die zweite konstitutionelle Staatsform aus. Noch im selben Jahr musste Sultan Abdulhamid II nun die von Enver Pasha ausgerufene zweite konstitutionelle Staatsform offiziell anerkennen und einführen. Enver Pasha wurde dann zum Verteidigungsminister der 1914 gebildeten Regierung ernannt. Enver Pasha war ein großer Bewunderer Deutschlands und während des ersten Weltkrieges Oberkommandeur-Stellvertreter. Er brachte deutsche Generäle an die Spitze der osmanischen Armee und musste nach dem ersten Weltkrieg, und somit nach der osmanischen Niederlage, flüchten. Zuerst flüchtete Enver Pasha nach Odessa, dann nach Berlin und von da nach Moskau. Er lebte mit dem Traum, eines Tages mit den Ländern Kaukasiens, ein großes \"Türk-Turan\" Reich zu schaffen. Die 30.000 Mann starke Armee, die Enver Pasha aufstellen konnte, wurde von den Bolschewisten auseinandergenommen. Während einer Schlacht gegen die Bolschewisten, wurde Enver Pasha (geb. 1881 in Belhcivan/Istanbul) 1922 in Tadschikistan getötet.
Einer der namhaften Akteure während des Völkermordes von 1915, war Cemal Pasha. Auch dieser Mann war in den osmanischen Militärschulen zum Offizier erzogen worden und hatte viele Aufgabenbereiche des Staates inne. Auch er war im Bund zu Vereinigung und Fortschritt (Ittihat ve Terakki Cemiyeti) der 1899 gegründet worden war. Dabei hatte er die Aufgabe, die Armee dem Bund zu Vereinigung und Fortschritt entsprechend zu organisieren. 1909 wurde Cemal Pasha beauftragt und nach Adana gesandt, um den Aufstand der Armenier zu beenden. 1911 wurde Cemal Pasha zum osmanischen Gouverneur von Bagdad nominiert. 1914 bekam Cemal Pasha den Rang eines Generals. Während des ersten Weltkrieges war er zuständiger Minister für den Meeresbereich und nebenbei noch Kommandant der zweiten und der vierten Armee. Nach dem ersten Weltkrieg, musste er nach Deutschland fliehen und in der Nähe von München Schutz suchen. Später reiste Cemal Pasha nach Tiflis. Und als Cemal Pasha im Begriff war nach Afghanistan weiter zu ziehen, wurde er (geb. 1872 in Midilli) 1922 in Tiflis von einem Armenier getötet. Von 1913-1918, hatte Cemal Pasha im Ministerrat des Bundes (Ittihat ve Terakki Cemiyeti) zu Vereinigung und Fortschritt, noch die Jungtürken und Turanen vertreten. Die eigentliche Denkweise des Kemalismus, der als eine türkisch nationale Idee verstanden wird, ist nichts anders als die damalige Haltung des Bundes zu Vereinigung und Fortschritt (Ittihat ve Terakki Cemiyeti). Aus diesem Grunde, ist der Völkermord von 1915 nicht nur als Verbrechen der Osmanen, sondern ebenso als Verbrechen der türkischen Republik zu erachten. Die türkische Republik versteht sich ohnehin als die Erbin und die letzte Vertretung der Osmanen.
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