Venedig Testbericht

Venedig
ab 42,21
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  • Empfehlenswert:  ja

Erfahrungsbericht von herzchen112

Für eine Nacht voller Seligkeit

Pro:

zauberhaft

Kontra:

teurer als irgendwo anders

Empfehlung:

Ja

Kompletter Erfahrungsbericht
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… war ich in Venedig. Nach einer Woche Ferien im Tessin wollten wir - mein Herzallerliebster und ich - uns noch ein kleines Highlight gönnen, bevor wir zurück nach Hause mussten.
Von Chiasso, dem Grenzort zwischen der Schweiz und Italien, ist man noch ca. 4 Stunden mit dem Zug unterwegs, und wir haben lange überlegt, ob wir uns das antun sollen. Einzig und allein den Überzeugungskünsten („Venedig MUSS man gesehen haben! Venedig ist was ganz besonderes! Wirklich!!!“) meiner Freundin Eva ist es zu verdanken, dass wir uns dann doch aufmachten.

Trotzdem blieb ich skeptisch: ich hatte schon viel gehört von stinkigen Kanälen, Touristennepplokalen und einem Markusplatz voller Taubendreck. Als wir am Bahnhof ankamen, war der erste Eindruck auch nicht so überwältigend. Ein Bahnhof halt, viele Menschen, und wenn man rauskommt, guckt man auf einen Kanal. Ja, nun war ich ja oft genug in Hamburg, um mich von Kanälen und Brücken nicht beeindrucken zu lassen.

Und mein Vorurteil von Touristenneppern wurde auch gleich an Ort und Stelle bestätigt: Kaum in Venedig angekommen, sprach uns ein kleiner Mann in langem Mantel am Bahnhof an, ob wir denn eine Unterkunft bräuchten. Nun hat man ja von Mama, Papa, Oma und Eduard Zimmermann von \"Nepper, Schlepper, Bauernfänger\" gelernt, dass man kleinen Männern am Bahnhof nie und unter keinen Umständen trauen darf. Aber dieser kleine Mann machte so einen ehrlichen Eindruck, dass wir uns zumindest mal ein Prospekt geben ließen. Die Fotos des Hotels sahen nicht schlecht aus, und der kleine Mann versprach uns, dass das Doppelzimmer inklusive Frühstück nur 90€ kosten würde (was für Venedig vergleichsweise billig ist).
Also gingen wir los, um uns das angepriesene Etablissement mal anzugucken. An der Rezeption befand sich ein weiterer kleiner Mann, der uns versicherte, dass 90€ so in Ordnung seien. Weil wir zu diesem Punkt auch schon keine Lust mehr hatten, weiterzusuchen, beschlossen wir, sämtlichen kleinen Männern zu glauben.
Das Zimmer war schön, sogar mit Blick auf einen kleinen Kanal. (War ich es, die sich von Kanälen nicht beeindrucken lassen wollte?) Nur an der Tür ereilte mich ein Schock: dort stand, dass dieses Zimmer die Kleinigkeit von 197€ kosten sollte!!! Ich musste erstmal nach Luft schnappen. Aber nach weiterem Nachbohren an der Rezeption wurde uns abermals versichert, dass 90€ völlig in Ordnung seien. Na gut.

Auf der Hauptinsel von Venedig ist alles sehr gut zu Fuß zu erreichen; also marschierten mein Schatz und ich los. Durch ein Labyrinth von Gässchen (freundliche Venezianer haben den Weg zur Rialto-Brücke und zum Markusplatz ausgeschildert; der Weg führt selbstverständlich an unzähligen Touristennepp-Läden mit Masken und Glaskunst zu unglaublichen Preisen vorbei), über Brücken treppauf treppab marschierten wir zum Markusplatz, ja, und da passierte es:
Nun hatte ich diesen ollen Platz schon so oft im Fernsehen gesehen und ja, Tauben gibt es auch en masse (die doofen Touristen füttern die Viecher ja auch so fett, dass sie kaum noch fliegen können), aber die Markuskirche lag in der Abendsonne und ihre Mosaiken glitzerten wie Gold und Edelsteine, und dann gingen wir am Dogenpalast vorbei und schauten übers Wasser, das so blau in der Sonne lag und über das die Gondeln schaukelten, ja, da war es um mich geschehen, da hatte ich mich in Venedig verliebt.
Ab jetzt sah ich keine schmuddeligen Häuser mehr, gegen deren Füße brackiges Wasser schwappte, ab jetzt sah ich Venedig als das, was es ist: eine Märchenstadt, die direkt aus dem Wasser aufgestiegen ist, und ich empfand es als wahnsinniges Glück, dass ich diese Stadt sehen und betreten durfte. Denn wer weiß, vielleicht versinkt sie schon morgen ins Meer zurück?

Wir beschlossen den Abend bei einer Pizza und bummelten dann Hand in Hand weiter durch das venezianische Labyrinth. Es ist wirklich schwer, in Venedig nicht verliebt zu sein.

Gondel sind wir trotzdem nicht gefahren. Die Jungs wollten doch sage und schreibe 150€ dafür haben! Ha, nicht mit mir!!! Aber vom Ufer aus sehen die Gondeln auch sehr hübsch aus.

Am nächsten Tag gönnten wir uns erstmal das Hotelfrühstück, das richtig gut war; mit O-Saft, Joghurt, Wurst und Käse und ganz Italien-untypisch. Dann kam die Stunde der Wahrheit: Zimmer räumen und bezahlen. Jetzt sollte sich herausstellen, ob uns die kleine-Männer-Mafia übers Ohr hauen wollte. Aber das Wunder geschah: der kleine Mann an der Rezeption wollte tatsächlich nur 90€ von uns. Ich wollte gerade erleichtert aufatmen, da fragte er: \"Hatten Sie Frühstück? Das ist nicht inbegriffen.\" \"Aha\", dachte ich, \"jetzt kommt\'s, das Frühstück kostet jetzt bestimmt 100€.\" Aber ich teilte ihm mit, dass der Mann am Bahnhof (ich verkniff mir gerade noch das Wort \"klein\"), uns versprochen hatte, dass alles inklusive wäre. \"Ach so ja, wenn er das gesagt hat, ist das auch so in Ordnung.\" sprach der kleine Mann, und damit war alles klar. Ich war völlig überrascht: Die wollten uns doch schlichtweg NICHT übers Ohr hauen!!!
Also, sollte Euch ein kleiner Mann ansprechen, der zum Hotel Basilea gehört, das ganz in der Nähe des Bahnhofs liegt, traut ihm ruhig, es könnte einmal im Leben wirklich ein gutes Angebot sein.

Der Tag hatte gut begonnen und ging gut weiter: als erstes sahen wir uns die Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari an. Auch wenn man sich für Kirchen gar nicht interessiert, sollte man sich diese hier nicht entgehen lassen. Die zwei Euro Eintritt sind es wert, denn unter den eindrucksvollen gotischen Kuppeln und Bögen findet man einzigartige Kunstwerke. Einige davon stammen von Tizian, der das Glück hatte, schon zu Lebzeiten reich und berühmt zu sein (okay, bei „reich“ bin ich mir nicht ganz sicher, aber berühmt auf jeden Fall). In Venedig war er sehr gefragt. Und zum Dank dafür hat man ihn auch in der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari beerdigt und ihm ein monumentales Grabmal gesetzt.

Im Dogenpalast waren wir auch. Die Räume sind ganz unglaublich prunkvoll; nur im Erdgeschoss und unterm Dach befanden sich Gefängnisse, die je nach ihrer Lage „piombi“ (=Blei, nach den Bleidächern) oder „pozzi“ (=Brunnen, Verließ) genannt wurden. Toll, da konnte man sich als Gefangener aussuchen, ob man lieber in der Hitze unter den Bleidächern schmoren oder zusammen mit den Ratten im feuchten kellerartigen Erdgeschoss hausen wollte. Und dazwischen wohnten und regierten die Dogen in aller Herrlichkeit mit Prunk und Gold und beschlossen die nächsten Todesurteile, die dann am Hauptportal ausgehängt wurden.

In den Räumen unter dem Dach befindet sich heute die Waffenausstellung und ausgerechnet dort hatte ich den Lacher des Tages: in einer der Vitrinen hing ein Keuschheitsgürtel (\"Tat der Ritter mal verreisen, schlug er seine Frau in Eisen. Doch der Knappe Fiederich, der hatte einen Dieterich.\" *träller*). Dieser Gürtel war schon ein fortschrittlicheres Modell; immerhin waren an den entsprechenden Stellen Löcher vorgesehen, damit wenigstens was raus konnte, allerdings waren diese Öffnungen mit fiesen Eisenzacken gespickt, damit nichts rein konnte.
Während ich mir also dieses Ding anguckte und über die holde Maid sinnierte, die dieses Accessoire einst tragen musste und wahrscheinlich monatelang nicht richtig sitzen konnte, diskutierte neben mir eine japanische Gruppe auf Englisch über Sinn und Zweck dieses Dinges.
Ihre Lösung: Das muss ein Gürtel sein, den man sich um den Hals hängt und dann das Gewehr durchsteckt, um besser zielen zu können. Ich musste ganz schnell an was Trauriges denken, denn sonst hätte mein Lachausbruch die Herren von der anderen Seite des Globus bestimmt verstört. Aber diesen Spruch fand ich so komisch; schließlich ist das Ding ja dafür da, dass man eben nichts durchsteckt!

Eine Führung haben wir nicht mitgemacht. Die werden nur vormittags angeboten und wir kamen leider zu spät. Schade, denn die Führung „Die Geheimgänge der Dogen“ hätte mich schon interessiert.
Der Eintritt ohne Führung kostet 9,50€; wer aber wie wir mit einem Studentenausweis winken kann, zahlt nur 5,50€.

Nach diesem Kunstgenuss sind wir über den Markusplatz gebummelt, wo sich Touristen und Tauben tummeln. An mehreren Ständen kann man Taubenfutter für 1€ kaufen und viele lassen sich in einem Taubengewimmel fotografieren. Als wenn es zu Hause keine gäbe! Diese Fütterei hat aber den Vorteil, dass man überall sonst in Venedig von den Viechern in Ruhe gelassen wird.

In die Markuskirche sind wir leider nicht mehr hineingekommen, denn in der Vorsaison schließt sie schon um 16 Uhr. Aber auch von außen ist der Anblick schon ein Erlebnis: der Bau wirkt sehr orientalisch und ist prunkvoll verziert.
So viel habe ich von venezianischer Geschichte verstanden: eine Menge Reichtum ist durch Piraterie und Kreuzzüge zusammengekommen, und in der Markuskirche ist ein Großteil davon ausgestellt.

Gegenüber steht der Campanile, ein 98m hoher Turm, der, wenn man 6€ erübrigen möchte, einen schönen Venedig-Rundblick bietet. Wir mochten nicht.
Der Campanile ist auch noch gar nicht so alt; nachdem sein Vorgänger einfach umgefallen war, hat man ihn 1912 durch den heutigen Turm ersetzt.

Wir bummelten wieder durch Venedigs Gassen bis zur Rialto-Brücke. Auf der Brücke selber befinden sich kleine Läden, aber auch vor und nach der Brücke kann man jede Menge Venedig-Souvenirs erstehen.
Es herrscht ein unglaubliches Menschen-Gewimmel, und ich brauchte schon ein bisschen Geduld, um mich zum Brückengeländer vorzukämpfen. Aber das hat sich gelohnt. Inzwischen war es wieder Abend geworden und der Anblick des Canale Grande, auf dem hier und da Gondeln schaukeln und an dessen Ufern das Leben tobt, den vergesse ich nicht. So muss Venedig sein, genau so! Das Wasser glitzert in der Abendsonne, in den Restaurants gehen bunte Lichter an, die Gebäude wirken wie in Gold getaucht…. Dieser Anblick lässt einen wehmütig seufzen.

Aber lange Zeit zum Seufzen hatte ich nicht, denn wir mussten wieder zum Bahnhof. Diesmal gönnten wir uns eine Fahrt mit dem Vaporetto. Das sind die „Wasser-Busse“, die wichtige Punkte in der Stadt verbinden. Für 6€ bekommt man eine einfache Fahrt, für 18€ ein Tagesticket.
Von der Rialto-Brücke bis zum Bahnhof sind es nur 10 Minuten Fahrt und dann war der venezianische Traum für uns vorbei.

Solltet Ihr Euch mal in der Nähe aufhalten, vergesst alles, was Ihr über Venedig gehört habt. Vergesst böse Worte über stinkende Kanäle (okay, man sollte vielleicht nicht gerade im Hochsommer fahren), vergesst Touristennepp und Tauben, fahrt hin und genießt Venedig in der Abendsonne.

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