Volksschauspiele, Ötigheim Testbericht

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ab 8,90
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Erfahrungsbericht von _matthias_

Deutschlands größte Freilichtbühne

Pro:

Schönes Freilufttheater in idyllischer Landschaft, gute Theaterstücke mit vielen Schauspielern

Kontra:

bei schlechtem Wetter ebenfalls Aufführungen, die aber vielleicht nicht ganz so viel Spaß machen könnten

Empfehlung:

Ja

Das Freilichttheater Ötigheim in der Nähe von Karlsruhe und Rastatt ist die größte Freilichtbühne Deutschlands. Umso mehr erstaunte es mich, dass bisher niemand einen Bericht dazu verfasst hat, was ich hiermit dringend nachholen möchte. Früher hätte ich nicht gedacht, dass ich jemals an einen Ort gehen würde, an dem Volksschauspiele aufgeführt werden. Das hörte sich bis vor Kurzem nach volkstümlichem Theater mit bayrischer Brauhausatmosphäre an, aber das hat sich glücklicherweise nicht bestätigt. Eine gute Freundin erzählte uns von ihren bisherigen Besuchen erzählt und trotz einiger Zweifel nahmen wir ihr Angebot an und sie bestellte für uns Karten für eine der Vorstellungen.
Die Volksschauspiele Ötigheim werden auf der größten Freilichtbühne Deutschlands aufgeführt. Es ist in einem Wäldchen gelegen, verschiedene Gebäude sind in ein Wäldchen gebaut worden, die überdachten Tribünen bieten Platz für circa 4000 Menschen. Wenn man das Theater das erste Mal betritt, ist man schon sehr beeindruckt. Zentral steht ein circa 20 Meter hoher Säulenbau, der als einer der Schauplätze des jeweiligen Stückes dient. Von ihm führen Treppen herab zu einem circa 80 Meter breiten Platz, der in einem Halbrund bis an die ersten Zuschauerränge heranführt. Am linken und rechten Ende dieses Platzes stehen weitere zwei Häuser, die mit Ihren Säulen, Verzierungen und je nach weiterer Ausschmückung in den Stücken für verschiedene Handlungsorte herhalten. Viele Wege führen von der Naturbühne hinaus, so dass es immer wieder überraschend ist, woher die Schauspieler auftauchen oder ein plötzlicher Volksauflauf sich in Luft aufzulösen scheint, wenn die bis zu 150 Schauspieler in Sekundenschnelle von den Treppen und der Bühne verschwinden, wobei sie auch an den Zuschauerrängen vorbei laufen oder in Katakomben unter der Tribüne entfleuchen.
Die gesamten Zuschauerränge sind überdacht, so dass nach Angaben der Theaterleitung die Aufführungen bei jedem Wetter stattfinden. Sollte es jedoch in Strömen regnen, kann ich mir nicht vorstellen, dass es sonderlich viel Spaß macht, den weitestgehend im Regen stehenden Schauspielern bei ihrer Arbeit zuzusehen, während sie wahrscheinlich innerlich am liebsten eine warme Dusche herbeisehenen.


Ben Hur sollte es sein, also wenigstens eine Geschichte, die man so halbwegs kennt und keine Angst haben muss, dass man der Handlung nicht folgen könnte. So machten wir uns dann bei erfreulich schönem Wetter auf den Weg.
Die Geschichte des Stückes sei hier kurz zusammengefasst. Ben Hur ist Sohn eines jüdischen Kaufmanns und wird von seinem ehemaligen Freund und jetzigem römischen Tribun Messala unter falschen Anschuldigungen verhaftet und auf eine Sklavengaleere verschleppt. Seine Mutter und Schwester werden verbannt und erkranken an Lepra. Ben Hur jedoch stirbt nicht wie viele Galeerensklaven, ihm wird die Freiheit geschenkt, als er einem Feldherren das Leben rettet. Er kehrt nach Jerusalem zurück, wo seine Mutter und Tochter geheilt werden und er in einem Wagenrennen die Chance bekommt, einen symbolischen Sieg über Messala, dem er sich mittlerweile offenbart hat, zu erreichen und ein Zeichen gegen die Unterdrückung der Juden durch das römische Reich zu setzen.
Diese Handlung wird vier Akten aufgeführt; der Text für dieses Stück wurde extra für die Volksschauspiele und ihre Bühnenfassung umgeschrieben. Wer wollte, konnte sich so ein Textheft im DIN A6-Format für schlappe zwei Mark kaufen, was sicherlich wegen der Erklärung der Personen zu empfehlen ist, wenn man das STück nicht so gut kannte.
Das Schauspiel wusste durchaus zu gefallen. Neben guten schauspielerischen Leistungen und herrlichen Requisiten und römischen Gewändern wussten vor allem die Massenauftritte von Kindern, Frauen und Männern zu gefallen, die jedesmal eine wunderbare Stimmung einer Menschenmenge hervorrief. Absolute Höhepunkte waren jedoch die Auftritte der Pferde, die meist in rasantem Galopp über die Bühne geritten wurden. Das Wagenrennen, welches mit schön hergerichteten römischen Streitwagen aufgeführt wurde, war die Krönung uns sorgte aufgrund des tollkühn wirkenden Fahrstils für Rauenen und Applaudieren im Halbrund. Beim Wagenrennen fuhren die Streitwagen auf der einen Seite der Bühne hinein und auf der anderen wieder hinaus. Für den Zuschauer unsichtbar fuhren sie rücklings um das Theater herum um dann -- quasi eine Runde des Rennens später -- in eventuell neuer Reihenfolge auf die Bühne zu galoppieren. Ein Kommentator schilderte dabei den Rennverlauf.
Die Akustik war sehr gut. Wir saßen ziemlich weit hinten, konnten aber dank der Mikrofone und der guten Ausrichtung der Boxen alles perfekt verstehen. Die Mikrofonanlage gibt es noch nicht sehr lange, ist aber sicher auf den Plätzen hinten und am Rand sehr hilfreich. Auf störendes Knacken oder Rauschen hat man vergeblich warten müssen, nein, der Klang war schon ziemlich klasse. Auch die Beleuchtung war in der einsetzenden Dämmerung effektvoll. Zwischen einzelnem Spot und Beleuchtung der kompletten, breiten Bühne wurden die Lichter und Strahler eingesetzt und das einmal ein falscher Spot angeschaltet wurde, sorgte eher für Erheiterung denn für Empörung.
Das Rauchen war während der Vorstellung verboten, was aber aufgrund der halbstündigen Pause von allen Zuschauern verkraftet wurde, soweit ich das beobachten konnte. Das Sitzen auf der Tribüne, die mit der Bühne zusammen an ein Amphittheater erinnert (also man von jedem Platz aus auf die Bühne herunterschaut) war ebenfalls auszuhalten. Die Beinfreiheit war ausreichend und das Sitzen auch ohne Kissen nicht ermüdend oder anstrengend, obwohl ein Kissen an kälteren Tagen wahrscheinlich von Vorteil ist.
Etwas störend war in den hinteren Reihen das Klappern der Türen, wenn Leute wieder mal aus den verschiedensten Gründen zu spät kamen und das Klappern nach der Pause, das vom Abräumen des Geschirrs auf dem Platz direkt vor den Eingängen herrührte. Aber auch das war zu verschmerzen.

Ötigheim liegt etwa 35 Kilometer südwestlich von Karlsruhe und 12 Kilometer nördlich von Rastatt. Das Freilichttheater lässt sich auf die verschiedensten Arten erreichen. Mit dem Auto kommend, kann man auf der Autobahn A5 die Ausfahrt Rastatt (Nummer 49) nehmen und folgt zunächst der Ausschilderung nach Ötigheim, im Ort ist die Freilichtbühne natürlich ausgeschildert. Auch per Bahn und S-Bahn lässt sich Ötigheim ansteuern.
Die Parkplatzsituation ist einigermaßen gut organisiert worden. Am Fuße des Hügels, auf dem sich das Freilichttheater befindet, gibt es einen großen Platz, auf dem man für 2 Euro parken kann. Ein relativ fairer Preis. Vom Parkplatz aus ist es nur noch ein kurzer Anstieg von einhundert Metern und man hat sein Ziel erreicht. Bedenken sollte man allerdings, dass die Parkplatzanweiser die Autos dicht an dicht rangieren und man somit nach der Vorstellung nicht damit rechnen kann, direkt losfahren zu können. In der Regel gibt es auf der Ausfallstraße auch noch einen kleinen Stau, der sich aber normalerweise auf fünf Minuten Wartezeit begrenzen lässt

Die Bewirtung und Versorgung vor Ort ist sehr gut. Vor den Eingängen des Theaters sind verschiedene Stände und kleine Unterschlüpfe, an denen man sich kleine Snacks, Eis, Brezeln sowie Getränke holen kann. Auch ausreichend Tische, Stühle, Bänke oder Bar-Tische sind vorhanden, so dass es sich durchaus lohnt, bei schönem Wetter etwas früher zu kommen und an einem lauen Sommerabend noch genüsslich ein Eis zu schlecken. Ebenso erfreulich sind die Preise, die eher günstig als horrend zu bezeichnen sind. So kostet ein Sekt oder ein Campari-Soda 2 Euro, was ich bei anderen Veranstaltungen schon für ein halbes Glas Wasser ohne Kohlensäure zahlen sollte. So gestärkt kann man sich also auch nach der Pause oder vor dem Stück wieder ins Theater hineinbegeben.

Die Kartenbestellung ist telefonisch über die Geschäftsstelle möglich, die man zu angegebenen Zeiten unter unten angegebener Nummer erreicht. Im Internet findet man einen kleinen Plan der Zuschauerplätze, die in insgesamt fünf Kategorien unterteilt ist. Vor Ort kann man am Abend der Vorstellung verfügbare Restkarten und kurz vor der Vorstellung zurückgegebene Karten ergattern. Da die Aufführungen aber meist nahezu ausverkauft sind, muss man schon einigen Optimismus an den Tag legen, um eine der begehrten last-minute-Karten erwerben zu können. Wir haben unsere Karten circa 10 Wochen vorher bestellt und bekamen in der Tat nur noch Plätze in der allerletzten Reihe. Frühzeitiges Planen ist also durchaus angebracht. Die Spielsaison in Ötigheim beginnt jeweils Mitte Juni und endet Ende August. Gespielt wird dabei jeweils samstags, aber auch an Frei- und Sonntagen finden regelmäßig Aufführungen statt.

Die Preise der Vorstellungen richten sich natürlich nach dem Platz, der Länge des Stücks und wahrscheinlich wohl auch nach dem Aufwand, der durch die vielen Schauspieler und Statisten entsteht. Als Anhaltspunkte seien hier die Vorstellung "Ben Hur" aufgeführt, deren Preise zwischen 7 und 20 Euro (Loge) schwanken, während "Die Zauberflöte" zwischen 12 und 25 Euro Eintritt kostet. Billiger wird es bei "Ali Baba und die 40 Räuber", hier bezahlt man zwischen 4 und 10 Euro.
Die diesjährige Saison ist seit letztem Wochenende beendet. Gespielt wurden in diesem Jahr neben dem Stück Ben Hur auch das Stück "Ali Baba und die 40 Räuber", der wohl bekanntesten Geschichte aus Tausendundeiner Nacht, in dem der Brennholzverkäufer Ali Baba eine Räuberbande beobachtet, die mit einer Zauberformel ein Versteck für deren Raubgüter zugänglich macht. Als er heimlich den Zauberspruch zur Öffnung der Höhle verwendet, beginnt das für die meisten wahrscheinlich bekannte Abenteuer von ihm, den 40 Räubern und der listigen Sklavin im Hause Alis. Das kindgemäß aufgearbeitete Stück soll aber auch den Zuschauern Möglichkeit bieten, in die Handlung einzugreifen.
Ferner wurde in diesem Jahr noch Die Zauberflöte aufgeführt, Mozarts Oper über Tamino, der die wunderschöne Pamina retten will, die vom geheimnisvollen Sarastro entführt wird. Seine größte Waffe gegen Sarastro ist dabei die berühmte Zauberflöte, die ihm von der Königin der Nacht gegeben wurde, um sie gegen Sarastro einzusetzen. Das glückliche Ende ist wahrscheinlich ebenfalls bekannt.
Zweimal im Jahr gibt es in Ötigheim noch das festliche Konzert, mit renommierten Solisten und Instrumentalisten, die einen Höhepunkt der Spielsaison im Juli bilden sollen. In diesem Jahr wurden dabei von Bedrich Smetana, Edvard Grieg, Franz List, Johannes Brahms und anderen zum Besten gegeben.


Die Adresse und Öffnungszeiten des Freilichttheaters sind neben den Veranstaltungsterminen wie folgt:
Volksschauspiele Ötigheim
Kirchstraße 5
76470 Ötigheim

Geschäftszeiten:
Montag bis Donnerstag 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr
Freitag 10 bis 12 Uhr
Telefon: 07222 - 96 87 90
Telefax: 07222 - 9 68 79 29

Bitte beachten: Die Preise (vom Parken, Sitzen und Trinken) können sich seit unserem Besuch geändert haben ...

Auch im Internet findet man einige Fotos und viele weitere Informationen. Neben dem aktuellen Spielplan der Saison erfährt man auch einiges über die Chronik, Historie und die Geschichte dieses wunderschönen Freilichttheaters.
Die Webseiten scheinen relativ aktuell zu sein und trotz einiger Serverausfälle in letzter Zeit lassen sich die schlichten, aber schönen Seiten schnell aufrufen. Wer plant, eine der Aufführungen zu besuchen, sollte hier auf jeden Fall mal einen Blick riskieren. Die Adressen sind www.volksschauspiele.de oder www.volksschauspiele-oetigheim.de. Wer direkte Fragen hat, kann diese per E-Mail an die Betreiber mit der Adresse [email protected] richten, wobei ich aber über die Schnelligkeit der Bearbeitung keine Aussagen machen kann.
1906 war die erste Aufführung der Volksschauspiele Ötigheim, 95 Jahre später habe ich es das erste Mal geschafft eine solche Aufführung zu besuchen. Wie man wahrscheinlich gemerkt hat, war ich trotz einiger Längen des zweistündigen Stücks begeistert und werde mich auch nächstes Jahr wohl wieder um eine Karte bemühen. Es ist eben mal was anderes als "normales" Theater und eine wirklich sinnvolle Abwechslung zu so langweiligen Dingen wie Fernsehen oder Kino :-) Sehr empfehlenswert, auch wenn mancher im ersten Moment vielleicht denkt, das wäre nichts für ihn. Dachte ich anfangs auch, wurde aber glücklicherweise eines Besseren belehrt.

45 Bewertungen, 11 Kommentare

  • Ibizagirl1977

    11.07.2011, 16:16 Uhr von Ibizagirl1977
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sh, Liebe Grüße von Sonja

  • bigmama

    13.06.2011, 01:48 Uhr von bigmama
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Anett

  • feliciano2009

    13.06.2011, 00:29 Uhr von feliciano2009
    Bewertung: sehr hilfreich

    habe leider kein bw mehr übrig...

  • sterntaler16

    12.06.2011, 19:40 Uhr von sterntaler16
    Bewertung: sehr hilfreich

    ein schönes Pfingstwochenende. LG kiara

  • mima007

    12.06.2011, 14:01 Uhr von mima007
    Bewertung: besonders wertvoll

    bw. Viele Gruesse, mima007

  • morla

    12.06.2011, 01:28 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    schöne feiertage wünsch ich dir. lg. petra

  • Lale

    11.06.2011, 23:53 Uhr von Lale
    Bewertung: besonders wertvoll

    Ötigheim kenne ich - gleich ums Eck bei mir... aber bei den Festspielen war ich noch nie... allerdings der ältere Teil meiner Familie... Grüßle

  • atrachte

    11.06.2011, 22:40 Uhr von atrachte
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh. lg

  • PatMcNamara

    11.06.2011, 22:30 Uhr von PatMcNamara
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW!!Viele Grüße aus der Eifel! Patty

  • sigrid9979

    11.06.2011, 21:57 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wünsche ein schönes Pfingstwochenende...

  • katjafranke

    11.06.2011, 21:21 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Einen schönen Gruß von der KATJA