Ganz unten. Erweiterte Neuauflage (Taschenbuch) / Günter Wallraff Testbericht

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Erfahrungsbericht von Theophanu

Wer ganz unten ist...

Pro:

gute Darstellung der Geschehnisse man kann den Dialogen fließend folgen

Kontra:

recht wenig Bilder

Empfehlung:

Ja

... kennt die Schikanen die einen da erwarten.
Aber fragen wir uns einmal: Würden wir unser doch noch recht gutes und unbeschwertes Leben gegen dass eines Ausländers tauschen, der jede Drecksarbeit annehmen muss, die er nur irgendwo herbekommt; und dabei auch noch seine Gesundheit und sein Leben auf’s Spiel setzt? Seien wir ehrlich! Sicherlich nicht.
Günter Wallraff aber hat den Mut aufgebracht, sich in einem System, dass von Ausländerhass geradezu durchwoben ist, auf die unterste Schiene zu begeben und er erfuhr da erschreckende Dinge, Dinge von denen Wir als Deutsche keine Ahnung haben und die so schrecklich sind, dass es besser ist, nichts davon zu wissen.
Er schrieb alle seine Erfahrungen, die er als Türke gemacht hatte in seinem 1985 geschriebenem Buch nieder, dass den treffenden Namen hat:

Ganz unten.


Inhaltsverzeichnis (ich lasse die Unterverzeichnisse weg)

1. Die Verwandlung
2. Die Generalprobe
3. Gehversuche
4. Rohstoff Geist
5. „Essen mit Spass“
oder der letzte Fraß
6. Die Baustelle
7. Die Umtaufe
oder „Kopfabmachen ohne Segen“
8. Das Begräbnis
oder leben entsorgt
9. Im letzten Dreck
oder „vogelfrei, ich bin dabei“
10. Der Test. Als Versuchsmensch unterwegs
11. Die Beförderung
12. Die Bertriebsversammlung
13. Die Strahlung
14. Der Auftrag
oder hopp und ex
15. Epilog
oder die Banalisierung des Verbrechens


Zum Inhalt des Buches

Im weiteren Verlauf des Textes werde ich Günter Wallraff bei seinem, für diesen Versuch geliehenen Namen,nennen:
Ali Levent Sinirlioglu

Ali, ein Türke, versucht mit einer Drecksarbeit nach der anderen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er arbeitet als Versuchskaninchen in der Pharmaindustie, als „froher“ Mitarbeiter bei McDonald’s (denn ihre Devise lautet: „Essen mit Spass“, also immer schön lächeln!), als Arbeiter bei Adler (einem Menschenverkäufer) und als dessen Chauffeur.
Während Wallraff’s Verwandlung war immer Günter Zint bei ihm, der die ganzen Szenen dokumentierte und in Bildern festhielt. Da sieht man mal, unter welchen Bedingungen die Ausländer arbeiten mussten und wie sie ausgebeutet wurden.
Ein Beispiel: Mitarbeiter bei Adler und Thyssen wurden immer, wenn sie ihr Geld haben wollten und deshalb ihren noblen Chef’s zu sehr auf die Pelle rückten (diese feinen Herren haben nämlich eine panische Angst vor jeglicher Berührung mit Schmutz), auf den nächsten Monat vertröstet; und wieder auf den nächsten und so weiter und so fort... . Dabei haben diese „doch recht gutbezahlten Arbeiter“ manchmal bis zu 72 Stunden hintereinander (!!!) gearbeitet, um dann zwei Stunden zu schlafen und danach wieder zur Arbeit zu rennen. Und wen wundert es da noch, dass diese Arbeiter nicht einmal 2 Jahre bei Thyssen arbeiten und dann schon völlig verschleißt sind.
Aber nicht nur bei Adler und Thyssen werden die Türken regelrecht „vergast“, sondern auch in AKW’s (Atomkraftwerke) hineingeschickt, ohne vorher über die (Langzeit) -Folgen ausreichen informiert zu sein. Da wird einfach gesagt: „Da passiert schon nix.“ und damit ist die „Aufklärung“ beendet. Auch Ali hatte vor, in ein AKW arbeiten zu gehen, aber sein Arzt und Begleiter Prof. Dr. Armin Klümpner riet ihm, sich diesem selbstmörderischem Unternehmen nicht hinzugeben; deshalb beließ es Ali bei einem Versuch.
Ebenso war Ali bei einem Bestattungsinstitut, wo er sich, wegen einer Krankheit (und eines baldigen Todes) ein paar Informationen über die Bestattungsarten holen und mal schauen wollte, was es alles so für Prachtexemplare von Särgen gibt. Für einen Deutschen wäre das natürlich kein Problem gewesen, aber bei einem Ausländer ist alles anders! Da lautet die Devise: „Schnell mit den nötigsten Infos abspeisen und danach fliegt der RAUS! Das ist doch schlecht für unser gutes Image!“
Ali hat ein Problem. Er will ein deutsches Mädchen heiraten, deren Eltern es aber nur zulassen, wenn er katholisch wird. Ausserdem wird er sonst noch in die Türkei ausgewiesen. So entschließt er sich zur Umtaufe. Er geht zu verschiedenen Gotteshäusern wo er den jeweiligen Pfarrern seine Sorgen vorträgt und um eine Taufe bittet. Das müsste ja schnell gehen. Irrtum. Bei Fragen von Ausländern scheint die katholische Kirche ein paar „kleine Ausnahmen“ zu machen. Ali zeigt, dass er die Bibel kann, dass er Kirchenlieder singen kann und auch sonst recht zum christlichen Glauben tendiert und die Gesetze Gottes achtet. Umsonst; seine dringende Bitte nach der Taufe wird nicht erhört (wie unchristlich).
Auch in anderen Fällen muss sich Ali gegen unmenschliche Schikanen zur Wehr setzen und eine nahende Bronchitis überstehen.


Meine Meinung zu diesem Buch

Ich war schockiert, als ich dieses Buch zum ersten Mal las. Das so etwas in unserer Gesellschaft (auch heute noch) vorkommt, habe ich gewusst, aber aus dieser Sicht es noch nie so erfahren. Aus den Dialogen, die Wallraff aufzeichnete, wurde ersichtlich, wie wenig den Menschenhändlern und der Gesellschafft ein Leben bedeutet, wie die sogenannten „Menschenrechte“ mit Füßen getreten werden, dass nichts, aber auch absolut nichts dagegen unternommen wird und wie achtlos ein Mensch einfach auf den Sperrmüll geschmissen wird, wenn er für die „Arbeitgeber“ nicht mehr wert ist.
Trotzallem konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, so fesselnd ist es. Günter Wallraff schreibt in einem Stil, wo man sich in das Geschehene hineinversetzt, mitfühlt. Es ist so, als sei man dabei gewesen.
Lest dieses Buch und ihr werdet sehen, was für Missstände hier in unserer „zivilisierten“ Gesellschaft herrschen und dass die Menschen, die die Macht dazu haben, diesen Wahnsinn zu stoppen, einfach ihre Augen zumachen nach dem berühmten Spruch:
Ich seh NICHTS, ich hör NICHTS und ich sag NICHTS


Weitere Werke von Günter Wallraff

Wem das Buch „Ganz unten.“ ´von Günter Wallraff gefallen hat und mehr von ihm lesen möchte, für den habe ich hier noch ein paar Werke:
Ihr da oben - wir da unten
# 13 unerwünschte Reportagen
# Nachspiele - Szenische Dokumentation
# Neue Reportagen, Untersuchungen und Lehrbeispiele
# Was wollt ihr denn, ihr lebt ja noch. Chronik einer Industrieansiedlung

33 Bewertungen, 4 Kommentare

  • anonym

    28.11.2006, 23:43 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße Edith und Claus

  • barbu

    27.09.2006, 16:11 Uhr von barbu
    Bewertung: sehr hilfreich

    wirklich sehr schöner bericht. würde mich freun wenn du dir auch meine anderen berichte ansiehst und bewertest. PS: schreibe auch unter ciao,dooyoo, mymeinung und q-test! LG BARBU

  • papaonline

    20.09.2006, 23:05 Uhr von papaonline
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh und lg

  • 78sunny

    15.09.2006, 16:13 Uhr von 78sunny
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht! LG Sunny