Weimar Testbericht

Weimar
ab 79,51
Auf yopi.de gelistet seit 12/2006

5 Sterne
(5)
4 Sterne
(2)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von Azira

Weimar - nicht nur Musenhof,Schiller und Goethe

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Auf nach Weimar - nicht nur Goethes wegen

Als ich im März 1990 (es gab noch Passkontrollen!) mit einer Reisegesellschaft zum ersten Mal nach Weimar fuhr, war das noch fast wie eine Reise in ein fernes, fremdes Land. Die meisten Reiseteilnehmer fuhren zu Verwandten nach Weimar und Umgebung und nur einige wenige eingefleischte Goethe-Fans waren erwartungsfroh im Bus. Bisher hatte man ja nicht zu hoffen gewagt, die Stätte von Goethes Leben und Wirken jemals persönlich kennenzulernen. Im Haus am Frauenplan war es damals noch fast so, als ob man einen Besuch bei Verwandten machte: Man schlenderte umher, durfte alles ohne jede Absperrungsseile aus der Nähe betrachten, ja - sogar auf den eigentümlichen „Steh-Stuhl“ am Schreibpult durfte man sich setzen. Es war eine wunderbare Sache , Goethes private Welt so ungefiltert zu erleben. Da dieses Haus und die Räume des Gartenhauses an der Ilm in Goethes Werk und in Briefen von Zeitgenossen ausführlich und detailliert beschrieben sind, brauchte man keinen Führer.

Anders war es in der Stadt Weimar. Damals wäre ich froh gewesen, das Buch des Goetheforschers Paul Raabe „Spaziergänge durch Goethes Weimar“ zur Hand zu haben. Es gab kaum Hinweise auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt Weimar.

Bei meinen nächsten Besuchen leistete mir das genannte Buch hervorragende Dienste. In sehr übersichtlicher Form, unterstützt von vergrößerten Auszügen aus dem Weimarer Stadtplan, führt dieser (literarische und kunsthistorische) Stadtführer durch die reiche (und geistreiche) Geschichte der Stadt.

Unter dem Motto (von Goethe): „Wer den Dichter will verstehen, muss in Dichters Lande gehen“ begleitet Raabe die Besucher in fünf Kapiteln, die „fünf Spaziergänge“ genannt werden, durch das Weimar Goethes aber auch das Weimar der Moderne.

Die fünf Kapitel sind gegliedert in:
1. Die klassischen Stätten
2. Stadt und Kirchen
3. Schloss und Park
4. Das alte und das neue Weimar
5. Nach Tiefurt.

Genauer möchte ich hier nur das erste Kapitel beschreiben, die folgenden nur streifen, da das klassische Weimar des ersten Kapitels (Spaziergangs) die meisten Weimar-Kurzbesucher am meisten interessieren wird. Die weiteren Spaziergänge sind für Aufenthalte von bis zu einer Woche zu empfehlen.

Raabe führt den Besucher vorbei am Reiterstandbild Carl Augusts, Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757-1828), vorbei ebenfalls am „Fürstenhaus“ (jetzt Musikhochschule Franz Liszt) zum „Haus am Frauenplan“, das liebevoll und ausführlich erklärt wird unter Bezugnahme auf die berühmten Bewohner, Besucher sowie die seit Bestehen des Hauses notwendig gewordenen An- und Umbauten sowie Renovierungen. Mit einem SALVE, da im Fußboden der Eingangshalle eingelassen ist, empfängt das Haus noch heute den Besucher und lässt ihn Einblick nehmen in das Privatleben des größten deutschen Dichters, des Weimarer Staatsministers, des Theaterdirektors, Bergbaudirektors, Naturforschers und engen Freundes und Beraters von Herzog Carl August und der gesamten fürstlichen Familie. Nicht zuletzt bekommt man eine Ahnung, das Goethe auch Ehemann,Vater und Vorstand eines großen Hauswesens war.- Auch das Wirken von Christiane Vulpius, spätere von Goethe, wird in Küche, Hof und Keller sichtbar und nachvollziehbar.

Das Goethe-Nationalmuseum, das 1913 eingeweiht worden ist, ist ein absolutes Muss für jeden, der sich mit der Vielfalt des Naturforschers, Ministers, Bergbaudirektors und Theaterdirektors Goethe vertraut machen will. Auch auf Goethes Werk als Dichter wir hier Bezug genommen. Das hintere Gartenhäuschen, in das sich Goethe zurückzog, wenn es ihm im Hause zu bunt wurde, ist Teil des von Goethe zusammen mit Dienstboten und Gärtnern angelegten Hausgartens, in dem er einige seiner Pflanzenstudien betrieb (und Christiane das Gemüse heranzog).

Die Wohnung Schillers, Frauentorstr. 21, wird im ersten Kapitel ebenfalls ausführlich beschrieben. Man kommt auch am Hause Eckermanns vorbei, der ein treuer Mitarbeier, Freund und Chronist war.

Das deutsche Nationaltheater, in dem zur Zeit Goethes viele berühmte Schauspieler wirkten und Stücke von Goethe, Schiller, Iffland, Schlegel und vor allem Kotzebues uraufgeführt wurden und in dem viele Konzerte berühmter Komponisten zu Gehör kamen, ist Teil des ersten Spazierganges. In diesem Hause, so erfährt man, „hat sich das deutsche Volk in seiner Nationalversammlung am 11. August 1919“ seine „erste Verfassung“ gegeben.

Wenn man die mit Nummern versehenen Wohnhäuser, Wirkungsstätten oder Denkmale vieler berühmter Menschen mit Hilfe des Stadtführers von Paul Raabe so nach und nach in Weimar sucht und besucht, wird einem bewusst, welch ein Sog von dieser Stadt zu Zeiten Goethes aber auch bis heute ausging.

Schon Goethe selbst hat einige seiner früheren Studienfreunde nach Weimar gerufen oder durch den Herzog „berufen“ lassen. So Herder, Friedrich Lenz und den „Kunscht-Meyer“ aus der Schweiz, der ein persönlicher Freund und Hausgenosse am Frauenplan wurde. Er entwarf, überwachte und organisierte den Umbau des Hauses, während Goethe in Italien (zum zweiten Mal) war.

Goethe war zu Lebzeiten schon der Magnet, der fast alle Geistesgrößen seiner Zeit zu kurzen oder längeren Aufenthalten nach Weimar zog. Dieser Strom nach Weimar hielt jedoch zu allen Zeiten an - bis heute (wenn es jetzt auch eher normale Touristen sind). Man kann bis heute mit Fug und Recht sagen, dass alle auf ihre Kosten kommen:
Die Freunde von Goethe, Schiller & Co. finden überall Spuren und reiches Archivmaterial in der Anna-Amalia-Bibliothek, dem Nationalmuseum, dem Goethe-Schiller-Archiv u.a.;
- Kunstinteressierte finden hier die Wohn- oder Wirkungsstätten der Maler: Böcklin, Lenbach,
Kandinsky, Klee, L. Feininger, Marcks, Schlemmer, Muche, Itten u.a.;

- Freunde der bildenden Künste und der Architektur werden angezogen von Namen wie:
Van de Velde, Gropius, Harry Graf Kessler, Paul Ernst u.a.; die Kunstrichtungen „Jugendstil“
und der Baustil der Moderne „Das Bauhaus“ nahmen hier ihrem Anfang. Zu sehen u.a. das
„Haus am Horn 61“ das 1923 erbaut wurde.

- Musikfreunde werden der „Altenburg“, dem Wohnsitz von Franz Liszt und der Fürstin zu
Sayn-Wittgenstein einen Besuch abstatten. Liszt zog Musiker und Komponisten wie
Wagner, Bühlow, Brahms, Cornelius und Klara Schumann nach Weimar. Seine Musikschule
besteht noch heute.

- Naturfreunde werden Freude haben am Schloßpark, Park Tiefurt, dem Park an der Ilm und
der Gegend um Weimar herum

- Freunde von Schlössern, Fürsten und Glanz und Gloria finden ein weites Feld. Das Weima-
rer Schloss, Schloss Ettersberg, Schloss Dornburg, Schloss Tiefurt, das Wittumspalais, Frau
von Steins Schloss Großkochberg.

Geschichtsbewußte sollten sich auf den Weg machen nach Buchenwald, das für die Verflechtung Weimars ins Dritte Reich steht. Ein Konzentrationslager war dort, in dem Zehnausende ihr Leben ließen und das auch nach dem Kriege noch Leidensstätte vieler war. Es ist leider anzumerken, dass auch Hitler ein Freund Weimars war. Er war einige Male zu Besuch in Weimar. Mit diesem Schatten muss der Ettersberg und die Stadt Weimar für immer leben.

Nach diesen langen Ausführungen wird jedem Leser klar sein, dass ich Weimar für die interessanteste Stadt Deutschlands halte, wenn auch nicht für die schönste. Es wäre noch zu erwähnen, dass zu allen Zeiten fleißige und „normale“ Bürger in Weimar lebten und den Größen der Kunst und des Geistes das Leben erst möglich machten durch Handel und Wandel und ehrlicher Hände Arbeit. So ist es auch heute noch und es ist schön zu sehen, dass trotz des Besucherandranges Wert darauf gelegt wird, die Würde des Ortes so weit wie möglich zu wahren. So gibt es relativ wenig Kitsch als Souvenirs zu kaufen und auch sonst wird Werbung und Tourismus eher dezent gehandhabt.

Wer Goethes Weimar und auch das heutige intensiv kennenlernen möchte, sollte sich an den Reiseführer von Paul Raabe „Spaziergänge durch Goethes Weimar“ halten. Ich kann ihn sehr empfehlen.

12 Bewertungen, 3 Kommentare

  • bienejessie

    08.04.2003, 17:56 Uhr von bienejessie
    Bewertung: sehr hilfreich

    das hört sich vielversrechend an

  • lunatix

    27.02.2002, 15:23 Uhr von lunatix
    Bewertung: sehr hilfreich

    schöner Bericht!

  • fa[Q]

    27.02.2002, 15:21 Uhr von fa[Q]
    Bewertung: sehr hilfreich

    nicht schlecht, der bericht. hey, goethe war auch mal in ilmenau. lies mal meinen bericht über ilmenaus uni *g*