Ich war Saddams Sohn (Taschenbuch) / Karl Wendl, Latif Yahia Testbericht

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ab 9,86
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Erfahrungsbericht von BeastyGirl

Saddams Regime - unvorstellbar grausam

Pro:

wissens- und lesenswert, leicht verständlich geschrieben

Kontra:

teilweise so schrecklich und grausam, dass man gute Nerven braucht

Empfehlung:

Ja

Nachdem ich vor einiger Zeit in der Sendung „Boulevard Bio“ den Gast Latif Yahia über sein Leben als Doppelgänger von Saddams Husseins ältestem Sohn Odai erzählen hörte, wurde ich sehr neugierig auf seine Lebensgeschichte und kaufte mir dieses Buch, was er zusammen mit dem österreichischen Journalisten Karl Wendl schrieb.

Es handelt sich um ein Taschenbuch mit dem Titel „Ich war Saddams Sohn“ von Latif Yahia und Karl Wendl. Es hat 317 Seiten und ist für € 9,90 im Handel erhältlich. ISBN-Nr. 3-442-15249-6.

INHALT DES BUCHES
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Latif Yahia, aus einer Familie der gehobenen Klasse in Bagdad kommend, erzählt über sein Leben, wie es dazu kam, dass er der Doppelgänger (genannt Fidai) von Odai Hussein wurde, was er in dieser Zeit erlebte und wie ihm die Flucht gelang.

Zunächst besuchte Latif Yahia eine der Eliteschulen in Bagdad, wo dann auch Odai Hussein Schüler wurde. Gleich stellte man die auffällige Ähnlichkeit zwischen den beiden fest, sie wurden oft für Brüder gehalten. Schon in der Schule fiel Odai Hussein wegen seines unmöglichen Benehmens auf, doch da er der Sohn von Saddam Hussein war, traute sich niemand, ihn zurecht zu weisen. Er beteiligte sich nicht am Unterricht, beleidigte die Lehrer und ließ die Hausaufgaben von seinen Angestellten machen. Als er einmal sogar eine Freundin mit in die Klasse brachte (in einer reine Jungen-Schule), und der Lehrer sich wagte, sich darüber in höflichster Weise zu beschweren, wies Odai ihn grob zurecht und der Lehrer wurde von diesem Tage an nie wieder gesehen....

Als Latif Yahia die Schule und die Universität beendet hatte, wurde er zum Militär einberufen. Sein Lebensplan war, anschließend die Geschäfte seines Vaters zu übernehmen. Doch noch während der Militärzeit wurde er eines Tages von Leibwächtern des Saddam-Regimes abgeholt und zu Odai Hussein gebracht. Dieser teilte ihm dann mit, dass er Latif zu seinem „Fidai“ auserkoren habe und er erwarte natürlich keine Widerrede! Niemand widersprach einem Mitglied der Saddam-Familie oder des Regimes (was fast nur aus Familienmitgliedern besteht). Für Latif Yahia brach fast die Welt zusammen, denn er wollte diese Aufgabe auf keinen Fall übernehmen. Ihm war bewusst, dass ein Fidai nicht nur ein Doppelgänger ist, sondern mit dieser Aufgabe zum Leibeigenen seines Herrn wird! Doch ihm blieb keine Wahl. Als er dann äußerte, dass er die Geschäfte seines Vaters übernehmen wollte, wurde er für eine Woche in eine winzige Zelle gesperrt, die 1 x 1 Meter klein war und komplett rot gestrichen. Es gab kein Bett, keine Toilette, keine Waschgelegenheit. An den Wänden waren noch die Blutreste der vorherigen Insassen zu sehen. Als er nach einer Woche, die er teilweise in seinen eigenen Exkrementen liegend dort verbringen musste, wieder Odai vorgeführt wurde, war ihm klar, dass er keine Alternative hatte. Er musste diesen „Job“ übernehmen, sonst würde man ihn umbringen!

So wurde Latif Yahia zum Fidai von Odai Hussein. Von da an lebte er in purem Luxus. Es ist wirklich unglaublich, in welchem unbeschreiblichen, dekadenten Luxus Saddam Hussein und seine Familie leben (während die Normalbürger kaum genug zu Essen haben und es an Medikamenten fehlt, so dass Menschen sterben müssen). Er bekam eine eigene Wohnung auf dem Gelände eines Palastes (wovon die Familie Hussein an die 100 Stück im ganzen Land hat!), vom feinsten ausgestattet, der Swimming-Pool aus purem Marmor, hatte Bedienstete und es fehlt ihm –materiell- an nichts. Doch er durfte nicht mal seine Familie verständigen, hatte keinerlei Kontakt nach außen mehr. Sein eigenes Leben musste er vollkommen aufgeben.

Um ihn auf seine Rolle als Fidai vorzubereiten, wurden ihm zunächst die grausamsten Folterungen auf Video vorgeführt. Aber es handelte sich natürlich nicht um irgendwelche Filme, sondern um Dutzende tatsächliche Folterungen, die von diesem Regime und seinen Helfern ausgeführt wurden. Dabei wurde selbst vor Frauen und Kindern kein Halt gemacht. Es ist so entsetzlich grausam, dass man gute Nerven braucht, wenn man das liest. Hier ein paar Auszüge aus dem Buch:

„Zu sehen ist ein kahlgeschorener Mann. Er ist jünger, sein Körper ist nicht ausgemergelt, sondern gut trainiert, seine Muskeln sind rund und glatt, sein Oberkörper ist ebenfalls nackt. Er trägt eine grüne Uniformhose, ausgewaschen, aber nicht zerfetzt. Seine Hände sind gefesselt, seine Schultern hängend, sein Blick ist gesenkt, offensichtlich will er nicht in die Kamera sehen. Plötzlich hebt er ruckartig den Kopf, blickt mit weit aufgerissenen Augen in die Kamera; er dürfte einen Befehl dazu erhalten haben. Fünf, sechs Minuten starrt der Mann in die Kamera, seine Augen sind leer, der junge Mann scheint gebrochen.
„Das war ein Polizist“, erklärt mein Offizier drohend „der sich Befehlen widersetzt hat.“ Er sagt nicht, welche Befehle er verweigert habe, geht nicht näher darauf ein, und wahrscheinlich kennt er die Geschichte dieses Mannes auch nicht. Schicksale sind im Irak kein Thema. Überall herrscht Gewalt, der Einzelne ist nichts, Tausende sterben für Saddam, und weil es Massen sind, die hingerichtet werden, ist Sterben längst zur Normalität geworden. Zur Routine.
Der Mann dreht sich langsam um und hält seinen Rücken in die Kamera. Sein breiten Rücken ist ein Schlachtfeld. Tiefe, längliche Wunden. Dutzende blauer Striemen, durch mächtige Schläge aufgeplatzte Haut. Die Platzwunden sind an den Rändern ausgefranst, bräunlich rot. Verkrustetes Blut, an manchen Stellen gelblich. Eiter.
Ein Mann tritt hinter den erbarmungswürdig zugerichteten Polizisten, er hat ein schwarzes, rund einen dreiviertel Meter langes Elektrokabel in seiner Hand. Der Mann holt aus, und das Kabel klatscht auf den Rücken des Polizisten. Der zuckt zusammen, verkrampft seine Muskeln. Ich schließe meine Augen. Ich will nicht sehen, wie die eitrige Masse wegspritzt. Ich höre nur dieses imaginäre Zischen, wenn das Kabel die Luft durchschneidet und auf den Rücken des Mannes klatscht. Genau so ein Kabel lag auf dem Schreibtisch Odais. Der Schläger in dem Video ist doch nicht Odai? Nein, er ist es nicht, es ist ein anderer, offensichtlich verwenden alle diese schwarzen Kabel als Folterinstrumente.“

„Sitzen auf der Gasheizung: Der Delinquent wird nackt an eine Gasheizung gefesselt. Sie wird aufgedreht, die bläulichen Flammen verbrennen die Haut des Häftlings.“

„Sie befestigen einen Gefangenen mit den Beinen an einem ventilatorartigen Gestell, das an der Decke angeschraubt ist. Der Kopf des Gefangenen zeigt nach unten. Der Ventilator wird eingeschaltet, der Körper des Mannes rotiert wie bei einer Priouette. Die Folterknechte schlagen mit Holzknüppeln auf den Kopf des Rotierenden ein. Mehr als eine Stunde bleibt der Geschundene an dem Ventilator hängen – es scheint fast unmöglich, diese Tortur zu überleben.“

„Frauen werden an Händen und Beinen gefesselt und an den Haaren aufgehängt. Ehemann und Kinder müssen zusehen.“

„Frauen werden vor ihren Männern vergewaltigt.“

„Kinder werden in einem Raum festgehalten, in dem sich ein Bienenstock befindet. Die Eltern müssen zusehen, wie sie nackt im Raum ausharren müssen und Hunderte von Malen gestochen werden.“

Ich denke das reicht fürs Erste. Im Buch werden 35 solcher Situationen beschrieben. Manchmal übersteigt die Grausamkeit die Vorstellungskraft des Lesers. Mir fehlen die Worte, meine Gedanken dabei zu beschreiben....

Folterungen und Hinrichtungen sind im Irak an der Tagesordnung. Und dazu muss man kein Verbrechen (nach unserem Verständnis) begangen haben: selbst die kleinste Kritik an Saddam Hussein, seiner Familie oder am Regimes genügt, um einer solchen Behandlung unterzogen zu werden!

Was Latif Yahia in dieser Zeit als Fidai erlebt ist wirklich unglaublich. Da er oft Odai Hussein auf seinen unzähligen Partys begleiten musste, die meist zu Orgien ausufern, bekommt er hautnah mit, wie dieser Unmensch sich aufführt: da gibt es extra Angestellte, die „Frauenbeschaffer“, die für Odai die Frauen oder Mädchen besorgen, die er gerne „haben möchte“, die dann so lange von ihm verprügelt und vergewaltigt werden, bis er keinen Spaß mehr daran hat und sie anschließend „entsorgt“ werden. Viele dieser Frauen wurden danach nie wieder gesehen.

Für Odai ist Sex zwanghaft mit Gewalt verbunden. Er empfindet Lust, wenn er andere quält. Er hat extreme Minderwertigkeitskomplexe, immer das große, unerreichbare Vorbild seines Vaters vor Augen, mit dem er nicht mithalten kann. Prahlt aber damit, dass alles noch viel schlimmer und grausamer werden würde, wenn er erst der Nachfolger seines Vaters sei. Odai muss alles haben, immer mehr immer größer und teurer als andere. So hat er über 100 Luxuskarossen in seinem Fuhrpark, eine große Sammlung wertvoller Armbanduhren im Schrank, von der teuersten Designer-Kleidung ganz zu schweigen. Und so will er auch die Frauen haben, die er sieht und die ihm gefallen. Er braucht nur mit dem Finger zu schnippen und schon werden ihm diejenigen gebracht, nach denen er verlangt. Wenn er auf einer Party tanzt, darf kein anderer Mann tanzen. Wenn er befiehlt, dass sich alle Gäste entkleiden sollen, folgen alle brav. Denn Widerworte sind nicht erlaubt. Zwischendurch wird dann man wild mit einer Pistole oder einem Gewehr in die Luft geballert. Um ja immer klar zu machen, wer hier das Sagen hat.

Wenn Odai in einem seiner Luxusautos vor der Univerität vorfährt (selbstverständlich immer farblich passend zum Auto gekleidet!), zeigt er auf eine Frau, die ihm gefällt und die Frauenbeschaffer „besorgen“ sie ihm. Selbst vor Ehefrauen macht er keinen Halt: da ging ein jung verheiratetes Ehepaar spazieren, Odai befiehlt, dass er die Frau haben will und gegen alle leisen und vorsichtig versuchten Einsprüche des Paares wird die Frau mitgenommen. Nachdem Odai sein Vergnügen hatte und die Frau zurück in ihr Hotel gebracht wird, springt sie vor lauter Scham und Verzweiflung aus dem Fenster und nimmt sich so das Leben. Als ihr Ehemann sich daraufhin bei Behörden beschwert, wird auch er „weggebracht“ und grausam ermordet. Manchmal werden diese Personen in einen Hubschrauber geladen und einfach über einem See rausgeworfen.
Unzählige dieser grausamen Machenschaften werden in diesem Buch beschrieben. Auch erfährt man einiges über Saddam Hussein, seine Kindheit und Jugend und wie er an die Macht im Irak kam. Seine Grausamkeit begann schon zu Kindeszeiten, wo er ständig ein Außenseiter war, vor allem, weil er unehelich geboren wurde und niemand ihn in die Gemeinschaft aufnehmen wollte. So hatte er als Kind und Jugendlicher ständig eine Eisenstange bei sich, mit der er sich Widersacher vom Leibe hielt. Seine Grausamkeit zeigte sich schon früh, wenn er diese Eisenstange bis zum Glühen erhitzte und damit streunenden Katzen und Hunden die Augen ausstach! Ich sage euch, ich darf mir so etwas gar nicht vorstellen! Dies ist nur ein Beispiel für die entsetzliche Brutalität des Saddam Hussein.

Des weiteren erfährt man in diesem Buch einiges über die Geschichte des Irak, wie Saddam Hussein an die Macht kam (natürlich indem er auch seinen Vorgänger umbrachte, der offiziell an einem Herzversagen starb), welchen Hass die Husseins und das Irak-Regime auf Israel, den Iran und die Kurden haben. Wie zum Beispiel in dem Giftgasanschlag auf die Kurden deutlich wird, bei dem über 5.000 Menschen ermordet wurden.

Latif Yahia beschreibt auch die Einsätze, die er als Doppelgänger von Odai ausführt. Dabei ist immer das regimetreue Fernsehen, das genaue Anweisungen erhält, wie welche Aufnahmen gemacht werden sollen, damit die Täuschung nicht auffliegt. Deshalb werden keine Nahaufnahmen gezeigt. Vor allem, wenn es brenzlig wird, muss Latif Yahia Odai vertreten. Bei einigen Attentaten wird er verletzt.

Letztlich gelang Latif Yahia die Flucht. Nachdem er Odai Hussein verärgerte, und dieser dann genug von seinem Fidai hatte, wurde er fürchterlich gefoltert und zu Latifs Erstaunen nicht ermordert, sondern zu seinen Eltern gefahren und dort vor der Tür, völlig abgemagert und entstellt, aus dem Auto geworfen. Seine Mutter fand ihn vor der Tür und hat ihren eigenen Sohn nicht erkannt. Durch Beziehungen besorgte er sich gefälschte Papiere und ihm gelang eine abenteuerliche Flucht. Heute lebt er in England und hat dort eine Familie.



FAZIT:
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Es gibt noch viel mehr Einzelheiten, aber ich kann hier leider nicht auf alle eingehen. Mein Bericht ist eh schon sehr lang geworden.

Das Buch informiert über die Vorgänge im Irak, die Grausamkeiten des Saddam Hussein und seiner Familie, seines Regimes. Es ist wissenswert, was dort passiert, darum möchte ich jedem Interessierten dieses Buch empfehlen.

Aber es ist wirklich so entsetzlich, was dort alles passiert, wie die Menschen behandelt werden, dass wir es uns in unserer „heilen Welt“ hier kaum vorstellen können. Mein bleibendes Gefühl danach war „wir wissen gar nicht, wie gut wir es hier haben“ (wir haben wirklich angesichts dieser Zustände im Irak in Deutschland überhaupt keinen Grund zu jammern!) und: „hoffentlich ist die Zeit dieses grausamen Regimes nun endlich bald zu Ende“.

Ich bin nach wie vor gegen den Krieg im Irak. Weil ich den USA nicht abnehme, dass sie ihn führen, um diese Zustände zu verändern und dass sie den Menschen dort einfach nur etwas Gutes tun wollen (siehe meinen Bericht zum Thema Irak-Krieg). Auch weil nun wieder diese arme Volk die Hauptleidtragenden sind.

Und ich bin der Meinung, dass niemand das Recht hat, einen anderen Menschen zu töten, weshalb ich auch gegen die Todesstrafe bin.

Aber nachdem ich dieses Buch gelesen habe, frage ich mich ernstlich, ob es nicht manchmal notwendig ist, ob es nicht besser ist, einen Diktator und seine Helfershelfer zu vernichten, um damit viele tausend Menschenleben zu retten.

Ich weiß nicht, was richtig ist. Das weiß wohl Gott allein. Ich kann nur hoffen, dass es für die Menschen im Irak bald bessere Zustände geben wird. Dass dort niemand mehr sterben muss, weil Odai Hussein (und all die anderen Henker) gerade danach zumute ist....

Euer
BeastyGirl

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