Yamaha XJ 900 S Testbericht

Yamaha-xj-900-s
Abbildung beispielhaft
ab 43,07
Auf yopi.de gelistet seit 08/2003

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Erfahrungsbericht von oelfinger

Die Freiheit genießen ....

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Es ist kaum zu glauben! Schon seit Jahren gilt Nachfolgerin der immerhin 12 Jahre lang gebauten Yamaha XJ 900 F, die Yamaha XJ 900 S Diversion (Diversion = Ablenkung, Zerstreuung; gebaut seit 1994) als technisch und optisch etwas veraltet. Doch während andere Modelle schon nach kürzerer Bauzeit aus dem Sortiment genommen wurden, wird es die Diversion auch im Modelljahr 2002 wieder geben. Denn, zumindest für ihre Käuferschicht hat die XJ 900 S ihre Schwächen geschickt zu ihren Stärken gemacht. Hier gilt ganz klar das Sprichwort: „Alte Besen kehren gut“

Die Yamaha XJ 900 S Diversion wird von einem luftgekühlten solidem und einfach aufgebauten Reihenvierzylinder-Motor angetrieben, der gerade deshalb ohne größere Defekte 100 000 km Laufleistung erreichen sollte. Bis zum 3. Oktober 2001 legte ich mit meiner Maschine ca. 30 000 km ohne jeglichen technischen Defekt zurück. Lediglich die Vergaser mussten synchronisiert werden, was aber wie Ölwechsel zu den normalen Wartungsarbeiten gehört. Die neunzig PS Motorleistung mit einem satten Durchzug über den nahezu gesamten Drehzahlbereich hinweg, reichen für gemütliches Touren bei weitem aus, wobei die XJ 900 dabei sehr schaltfaul gefahren werden kann. Auch lassen sich kurze Autobahnpassagen problemlos bewältigen.

Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei ca. 210 km/h, wobei es ab 160 km/h trotz der Halbverkleidung ungemütlich wird. Der Fahrtwind schüttelt dann das behelmte Köpfchen des Fahrers heftig durch, was hin und wieder zu temporärer Nackenversteifung führt. Außerdem kommt durch leichtes Lenkerflattern (Shimmy) bei höheren Geschwindigkeiten auch einige Unruhe ins Fahrwerk, was durch das zwangsläufig folgende ängstliche Zittern von Fahrer und Sozia auch nicht gerade verbessert wird.

Das Mitführen einer Sozia empfiehlt sich bei der XJ 900 S eigentlich immer, speziell aber bei längeren Touren. Zunächst hat man immer einen warmen Rücken, weiterhin kann die Sozia schon während der Fahrt einer drohenden Verspannung der Nackenmuskulatur des Fahrers vorbeugen. Ich persönlich hatte vor allem auch den Eindruck, dass etwas mehr Gewicht aufs Hinterrad zu einem besseren Fahrverhalten führt. Die durch den Kardanantrieb hervorgerufene Unart, das Heck beim Beschleunigen zu heben, ist bei Soziusbetrieb bei weitem nicht so ausgeprägt, was wiederum zu einem verminderten (!) Adrenalinausstoß beim Beschleunigen aus Kurven führt.

Für bequemes Touren (besonders für größere Fahrer) empfiehlt sich ein etwas höherer Lenker, wobei darauf geachtet werden sollte, dass die Seilzüge etc. nicht zu knapp bemessen sind ( scheuern sonst an der Tankunterseite und am Rahmen). Allerdings sollte man hierbei beachten, dass es dann durch die veränderte Sitzposition zu einer Entlastung des Vorderrades kommt und damit die Einheit zwischen Fahrer und Motorrad etwas verloren geht.

Durch den Kardanantrieb und den soliden Motor (Ventile (8 Stck) müssen nur alle 24 000 km eingestellt werden) ist die große Diversion ein wartungsarmes Fahrzeug. Die Kundendienste sind dabei entsprechend preisgünstig.

Schwachpunkte sind sicherlich der große Durst (6-10 l Normalbenzin/100 km; ich verbrauchte im Schnitt ca. 7 l) und die etwas zu seichte Federung. Hin und wieder knackt auch mal das Lenkkopflager. Dies ist wohl technisch unbedenklich (wurde mir versichert) kann aber, wenn es stört durch Lenkkopflager von Emil Schwarz beseitigt werden.

Weil ich gerade beim Knacken bin. Dies ist ein besonders interessantes Thema. Meine XJ 900 S Diversion knackte nämlich besonders immer dann recht heftig, wenn die Gabel entsprechend tief einfederte. Den TÜV hat es nicht gestört, aber mich. Also hab ich bei einem großen Augsburger Yamaha-Händler nachgefragt. Nach kurzer Hörprobe sagte mir der Werksattmeister, alles klar, das Lenkkopflager. Ich wollte dieses dann also über den Winter tauschen lassen, konnte mich aber mit der Werkstatt nicht über die Abholung einigen. Ein Lehrling sollte meinen Liebling abholen und mit mir besprechen was zu tun war. Kam nicht in Frage! Also suchte ich weiter nach einer Qualifizierten Werkstatt und fand einen Suzuki (!) Händler, der Bereit war, meine Yamaha zu reparieren. Auch er hörte sich das Knacken an und fand auch den Fehler. Es war nicht das Lenkkopflager, sondern verzogene Gabelholme welche zu Verspannungen des vorderen Schutzblechs führten. Ursache kann hier die unsachgemäße Montage des Vorderrades (hab ich immer bei einem Reifenhändler machen lassen) oder auch ein Unfall sein. (Ich hatte meine Diversion gebraucht und unfallfrei bei einem Yamaha-Händler im Allgäu gekauft) Ein Unfall ist allerdings fast auszuschließen, da mir das Knacken anfangs nie aufgefallen war. Jedenfalls beseitigte mir der Suzuki-Meister das Knacken ohne den Austausch irgendwelcher Teile, schon gar nicht des Lenkkopflagers. Worauf ich hinaus will: Bei unklaren Mängeln sollten unbedingt mehrere Meinungen eingeholt werden.

Da ich die Federung etwas zu weich fand und auch eine härtere Einstellung der Federvorspannung nicht zum gewünschten Ergebnis führte, lies ich mir die Original-Federn durch Öhlins-Gabelfedern und MC 10 SAE 10 Gabelöl (Kosten für Teile: ca. 110 Euro) ersetzen. Zunächst fand ich die neue „Härte“ absolut hervorragend, besonders für sportlichere Fahrer sehr gut geeignet. Allerdings wird die Lust bei Touren (und hierfür ist die XJ 900 S gemacht) sehr schnell zum Frust, nämlich dann, wenn man jeden Kanaldeckel über eine Strecke von mehreren 100 km mit Namen kennt und die Bandscheiben frohlocken.

Wichtig ist auch die richtige Reifenwahl. Ab Werk ist die Diversion mit Dunlop K505F (vorn: 120/70-17 58V) und Dunlop K505 (hinten: 150/70-17 69 V) ausgerüstet. Mit diesen Reifen war ich eigentlich sehr zufrieden, wollte aber auch mal ein neues Reifenpaar testen. Die Möglichkeiten sind hier sehr beschränkt, da serienmäßig nur die genannten Dunlop-Reifen, sowie Brigdestone G601/G602 und Metzeler ME33/ME55A zugelassen sind. Dabei müssen vorne und hinten Reifen des gleichen Fabrikates verwendet werden. Meine Wahl fiel auf Metzeler, der wegen seiner härteren Gummimischung einige Kilometer mehr gefahren werden kann. Begeistert war ich nicht, da diese Bereifung zwar bei Temperaturen von 25 bis 30 °C optimale Haftung bieten, aber im Frühjahr, Herbst und nach Sonnenuntergang bzw. bei Regen katastrophal zu rutschen beginnen. An eine lustige Kurvenhatz ist dann nicht mehr zu denken, höchstens man steht auf russisches Roulette.

Optisch ist die XJ 900 zwar nicht so durchgestylt wie die entsprechenden Konkurrenzmodelle, aber wegen des bulligen, einsehbaren Vierzylinders und der verchromten Auspuffanlage (incl. Krümmer) trotzdem für einen Hingucker gut.

Die Verarbeitung ist relativ gut, bemängeln kann ich nur, wie bei vielen Japanern die schlechte Qualität der Schweißnähte, besonders an den Verkleidungsträgern.


*****
Im Folgenden noch eine kurze Zusammenfassung der Eckdaten, wobei ich auf Grund der Vielzahl der verfügbaren Daten keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe. Bei weitern Fragen/fehlenden Daten freue ich mich immer über einen Kommentar bzw. eine E-mail.

+ Vierzylindermotor DOHC, luftgekühlt, 892 ccm, 66 kW, 84 Nm bei 7000 U/min, 4 Mikuni-Vergaser

+ Doppelschleifenrahmen

+ Kardanantrieb

+ 3 Scheibenbremsen

+ Zentralfederbein hinten

+ Haupt- und Seitenständer

+ Tankinhalt 24 Liter und 5 Liter Reserve

+ Preis 2002 (neu) ca. 9100 Euro

- Fünfganggetriebe (mir fehlte immer der sechste Gang wobei fünf bei Yamaha üblich sind) hakelt etwas beim Hochschalten vom Ersten in den Zweiten.

- kein Warnblinklicht (die neuen Modelle ab 2000 sind meines Wissens damit
ausgerüstet)

- Gewicht vollgetankt 265 kg


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Damit bin ich eigentlich schon am Ende. Aber vielleicht fragt sich doch noch jemand warum mein Beitrag fast vollständig in der Vergangenheit geschrieben ist, und was es mit der Überschrift auf sich hat. Nun, vor zwei Jahren hatte ich an dieser Stelle noch den Hinweis geschrieben, ich wüsste nicht, was ich alternativ für eine Maschine fahren sollte. Dieses Thema hat sich erledigt, ich musste mich von meiner Diversion trennen. Genau genommen geschah es an einem Mittwoch, genauer am 3. Oktober 2001, einem der letzten schönen Herbsttage im vergangenen Jahr. Es war Feiertag, der Tag der Deutschen Einheit, ich tourte planlos wie immer durch die Alpen und war am Abend nur noch ca. 60 km von zu Hause entfernt, in einer kleinen schwäbischen Stadt schaltete die Ampel auf Grün, wir fuhren los (der Pkw vor mir und ich) und bogen rechts ab. Ein Rollerfahrer bog kurz vor meinem Vordermann verbotenerweise entgegen der Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße links ab (konnte ich aber nicht sehen) was den Pkw zu einer Vollbremsung zwang. Noch in Schräglage konnte ich nur noch denken: „Hoppla, warum bremst der denn?“ während ich meine Bremsscheiben zum Glühen brachte. Dass das nicht gut gehen kann, kann sich jeder denken. Jedenfalls purzelte ich peinlicherweise genau vor einer mit Bikern voll besetzten Eisdiele über mein Vorderrad. Am meisten schmerzten dabei aber die Geräusche, die mein Baby beim Aufprall auf die gepflasterte Straße machte. Neben den üblichen Anbauteilen wie Blinker, Getriebedeckel, Auspuff etc. hatte auch die Halbschalenverkleidung einiges mitbekommen. Aber ihr werdet es kaum glauben, nach einer kurzen Kaffeepause (spendiert von einem Harleyfahrer) und Fachsimpeleien der anderen Biker im Cafe über den Schuldigen (der war natürlich getürmt), konnte ich die 60 km noch problemlos nach Hause fahren. Leider war mir dann eine Reparatur doch zu teuer (lackierte Halbschale ohne Scheinwerfer 700 Euro, Seitenverkleidung 250 Euro, Gabelrohre, etc. Insgesamt ca. 2000 Euro) und ich trennte mich von meiner langjährigen Weggefährtin. Ich hoffe, sie wird es auch diese Saison bei einem anderen Besitzer gut haben.

12.02.2002
Oelfinger

26 Bewertungen, 3 Kommentare

  • zwieblinger

    20.06.2007, 09:50 Uhr von zwieblinger
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein hilfreicher Testbericht, besonders was den Verbrauch des Motorrades angeht

  • The_Wishmaster

    14.02.2002, 19:38 Uhr von The_Wishmaster
    Bewertung: sehr hilfreich

    Tja, fangen wir eben alle wieder an... ;-)

  • Marc-Gonzo

    12.02.2002, 23:58 Uhr von Marc-Gonzo
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr guter bericht! Gruss MARC-GONZO