Zivildienst Testbericht

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Erfahrungsbericht von grandmastr

Anstrengend aber sehr viel Erfahrung

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Etwa ein Drittel aller Wehrpflichtigen Deutschen machen nach derzeitigem Stand Zivildienst. Auch ich gehörte zu diesem Kreis. Ich war in Duisburg an einem Altenheim auf einem Wohnbereich beschäftigt, zu dem ich heute noch ab und zu gehe.

Los ging es mit 18 Jahren. Ein Brief von der Bundeswehr kam und man teilte mir mit da sich nun datentechnisch erfasst bin.

Kurze Zeit danach kam dann ein zweiter Brief mit einer Frist in der ich mich zu melden hatte. Es ging darum ob ich schon gezogen werden kann oder noch eine Ausbildung oder ähnliches mache. Da ich nun mal zu dem Zeitpunkt gerade auf dem Weg zum Abitur war wurde es zurückgestellt bis ich selbiges beendet hatte.

Etwa 6 Monate vor dem Abitur kam dann der neue Brief, die Einladung zur Musterung nach Essen. Dort gab es einen allgemeinen Gesundheitscheck und man tendierte in Richtung T2. Ich habe aber direkt verweigert in Form eines Briefes. Dennoch musste der Tauglichkeitsgrad festgestellt werden, wieso auch immer.

Jedenfalls kam ich zu einer Untersuchung in eine Praxis, die feststellen sollte was da mit meinem eptileptischen Anfall war, den ich vor einigen Jahren hatte. Nach der Untersuchung ging es dann wieder heim und ich bekam nach einigen Wochen einen Brief, dieser besagte meinen Tauglichkeitsgrad 3. Mir eigentlich immer noch ziemlich wurscht.

Bei der Verweigerung ist die wichtige Frage, wieso eigentlich verweigern?

Es gibt viele gute Gründe für eine Verweigerung, wenn man will kann man eine Verweigerung heute ohne Probleme durchkriegen. Ich habe selbst wegen meiner christlichen Grundeinstellung verweigert und habe auf das Grundgesetz der BRD hingewiesen. Demnach muss man nicht gegen sein Gewissen handeln. Und für mich geht es gegen mein Gewissen wenn ich auf Lebewesen schießen muss.

So sieht die Kurzverweigerung auf, die lange und genaue Beschreibung enthielt noch einige kleinere Unterpunkte und war insgesamt etwa eine Seite lang.

Tja, danach war ich zum warten verdammt. Es war klar das die Verweigerung weitergeleitet wird nach Köln, denn dort sitzt das Bundesamt für Zivildienst. Nach einiger Zeit des wartens war ich dessen überdrüssig und habe mehrmals in Köln angerufen was denn nun los ist. Es dauerte immer noch jedoch kriegt man durch solche Anrufe wesentlich schneller Nachricht.

Ich hatte vor mir im Falle einer Annahme der Verweigerung einen eigenen Platz zu suchen. Somit habe ich mich in Duisburg Hamborn beworben in einem Altenheim. Dort muss man sich normal wie für einen Beruf oder eine Ausbildungsstelle bewerben, es gibt auch ein Vorstellungsgespräch. Jedoch war es natürlich wichtig die Zusage von Köln zu bekommen. Also bekam ich dann endlich die besagte Zusage das ich anerkannter Wehrdienstverweigerer bin.

Somit ging dann eine Nachricht zurück nach Köln über den Platz als Zivildienstleistender in besagten Altenheim. Dies muss dann aber noch aus Köln bestätigt werden. Ein schöner Briefwechsel war das…

Wie kann man sich einen Tag im Leben eines Zivildienstleistenden vorstellen?

Los ging es morgens um 8 Uhr. Brötchen und Brote müssen vorbereitet und zubereitet werden. Kaffee einschenken, Wasser einschenken, eine kurze Unterhaltung wenn die zeit reicht. Und natürlich auf die alten und zum Teil dementen Menschen eingehen. Das ganze bei 30 Leuten. Teilweise essen die Bewohner auch auf dem Zimmer, diese bekamen dann zu bestimmten zeiten von mir ein Tablett.

Bis 10 Uhr hatten dann alle gegessen, teilweise habe ich Essen auch gereicht. Bis 10 Uhr müssen die Bewohner dann aus dem Speisesaal in die Zimmer gebracht worden sein, oder aber in den Aufenthaltsraum. Es müssen Tabletts eingesammelt werden und die Küche muss aufgeräumt sein.

Die kritische Zeit beginnt dann. Denn es ist wirklich Streß. Man muss genau mitdenken wer noch nicht gefrühstückt hat und dann für den Bewohner das Essen zubereiten und beiseite stellen, damit diese später frühstücken. So was kommt täglich vor, wenn irgendwo was schief geht oder länger dauert.

Bis 10 Uhr 30 müssen die Wäschesäcke zusammengebunden, abgehangen und die neuen Wäschesäcke müssen eingehangen werden. Der Müll muss ebenfalls abgehängt und mit neuen Tüten versehen werden. Dies muss dann alles in den Keller.

Ab da an war die sehr stressige Morgenszeit vorbei und man konnte etwas entspannen. Hauptsächlich ging es jetzt darum das man Getränke einschüttet, die Bewohner beschäftigt.

Ab 11 Uhr 45 ging es wieder los. Die Bewohner müssen wieder in den Speisesaal, denn um 12 Uhr ist das Mittagessen da. Die Bewohner, die im Zimmer essen müssen nach ihren Wünschen gefragt werden.

Um 12 Uhr wurde das essen dann verteilt, zubereitet (geschnitten) und teilweise gereicht. Tabletts werden direkt verteilt auf den Zimmern.

Um 13 Uhr ist dann das Mittagessen beendet und es ging darum das die Tabletts wieder eingesammelt werden, die Bewohner aus dem Speisesaal gebracht werden und Getränke eingeschenkt werden. Danach ging es wieder weiter mit spazieren gehen mit Bewohnern oder kleinen Spielen mit diesen. Auch haben wir uns oft unterhalten.

Um 14 Uhr wird dann Kaffee verteilt, dabei gab es Plätzchen oder ein Stück Kuchen.

Um 15 Uhr wurde selbiges dann wieder eingesammelt.

Am Anfang ist es wirklich sehr kompliziert. Gerade genau zu wissen welcher Bewohner was gerne isst, wie er seinen Kaffee trinkt, wie viel und wann er essen will, ob er noch ein wenig im Speisesaal warten möchte und vieles mehr ist zu beachten. Dies ist sehr viel Lernarbeit, jedoch hat man recht schnell eine Routine drin.

Es hört sich ein wenig langweilig an immer das gleiche zu machen doch das ist es nicht. Es passieren immer im Altenheim Dinge. Sei es das ein Bewohner nicht zum Essen kommen will oder das jemand erkrankt oder oder oder.

Das Schwierige in dem Beruf ist beileibe nicht das Körperliche. Es ist zwar anstrengend aber man kann es aushalten. Was deutlich mehr wirkt und sehr schwer ist das geistige.

Man lernt viel und muss auch lernen. Ein sehr gutes Beispiel ist die Demenz der Menschen im Altenheim. Man muss lernen wie man damit umgehen kann, muss sich in den Menschen hineinversetzen um ihn zu verstehen. Doch das ist schwierig, nicht nur für mich damals als Zivildienstleistender sondern ebenso auch für das andere Personal. Es geht bei einfachen Dingen wie der Benutzung eines Löffels los, geht über die Namen bis hin zu Menschen die auf die Nahe Autobahn laufen in der festen Überzeugung da zu wohnen.

Ein ebenso schweres Problem in der Hinsicht ist auch das man lernen muss mit Tod und Krankheiten umzugehen und das ist sehr schwer. Es ist mir persönlich passiert das ich mich mit einer Bewohnerin unterhalten habe und diese dann 15 Minuten danach gestorben ist. Friedlich eingeschlafen. Ich hatte einen Termin zu dem Zeitpunkt und weiß das es für mich wohl sehr schwer gewesen wäre wenn ich dabei gewesen wäre. Andererseits bin ich auch sehr froh das ich mich mit der Frau unterhalten habe, mit ihr gesprochen habe, denn so weiß ich das sie einen schönen Tod hatte, schöner als in Einsamkeit.

Gerade in dieser Hinsicht hasse ich es regelrecht wenn ich dann Worte höre wie „Warmduscher“ und „Weichei“ denn das was ich da erlebe geht wirklich an die Nieren wie man so schön sagt.

Die oben genannten Dinge passieren immer so nebenbei. Hinzu kommen wirklich Zeiten wo man mit dem Auto Bewohner sucht, die wieder mal in ihrer Demenz unterwegs sind. Dazu kommen noch viele Arztbesuche, besonders schön bei Ärzten die nicht über einen Aufzug verfügen. Wer mal einen Rollstuhl eine steile Treppe hochgeschleppt hat mit einer 120 Kilo Dame weiß was ich meine.

Jedoch sind dies die sicherlich sehr schwierigen Dinge. Man lernt aber auch sehr viel, was man sonst missen würde. Die Erfahrung der Menschen im Altenheim die einen oder teilweise zwei Weltkriege hinter sich haben ist enorm. Zudem bekommt man somit viel soziale Kompetenz auf den Weg mit durch die zwischenmenschlichen Kontakte die sehr schnell entstehen.

Man lernt sehr viel über das Altwerden und die Veränderung der Menschen im Alter. Somit weiß man schon ein wenig mehr die Jugend die man noch hat zu schätzen und zu nutzen.

Ich habe nach knapp 5 Monaten ein Erlebnis gehabt worauf ich nicht stolz bin, was jedoch mir gezeigt hat das ich viel gelernt habe. Es war ein Tag, an dem ich auf einem anderen bereich eingesetzt war, weil dort Personalmangel herrschte. Morgens ging es einem Bewohner dort schon schlecht und ich habe damals schlicht und ergreifend einen Toten gesehen. Aber es hat mir nicht sehr viel ausgemacht. Sicherlich es war schwer weil man sich so was kaum vorstellen kann was da los ist und ich habe auch noch 2-3 Tage daran gedacht ab und an, aber ich weiß das es einfach dazu gehört.

Einmal während des Zivildienstes ist die Zivildienstschulung. Für fünf Tage ging es zu einer Schulung, in der vor allem über Zivildienst, Demokratie und Gesellschaft gesprochen wurde. Es ist eine recht ruhig zeit gewesen von morgens 8:45 (glaube ich) bis 15:45. Es gab auch sehr viele Pausen zwischendurch und hatte mit richtigem Lernen wenig zu tun. Es war mehr eine Diskussionsrunde. Abends war dann frei und man konnte die vielfältigen Freizeitmöglichkeiten in der Schule nutzen oder aber in Bocholt etwas unternehmen (auch wenn da wenig los war )

Offiziell sollte man in dem Haus auch schlafen, jedoch wird das sehr locker gesehen. Ich glaube etwa die Hälfte hat wirklich dort geschlafen.

Nun noch ein Kurzes Fazit. Ich habe Zivildienst gerne gemacht und würde mich wieder dafür melden, zumindest eher als Wehrpflichtiger. Es ist zwar sehr anstrengend aber es bringt meiner Meinung nach mehr als einen Soldaten zu Mimen.

Ich sehe auch eher einen Sinn in dem Tun der Zivildienstleistenden als dahinter mein „Vaterland“ zu verteidigen gegen irgendwelche Feinde die es eh nicht gibt. Wir sind von Freundlich gesinnten Nachbarn umgeben, gegen Terroristen kämpfen Wehrpflichtleistende soweit ich weiß eh nicht. Und mit einer Waffe gegen einen Pappgegner zu kämpfen. Das sind Kinderspiele die ich im Alter von bis zu 10 Jahren im Sandkasten gespielt habe mM recht unsinnig für Erwachsene.

Vielen Dank für das Interesse, bei Rückfragen einfach Fragen.

17 Bewertungen, 2 Kommentare

  • nickvonzoehner

    31.10.2004, 06:41 Uhr von nickvonzoehner
    Bewertung: sehr hilfreich

    Von dem Brief des Wehramtes und detailgetreue Musterung bis hin zur Ausübung der Tätigkeit. Ein Wirklich sehr guter Bericht. Weiter so.

  • Vojvodinac

    31.10.2004, 02:28 Uhr von Vojvodinac
    Bewertung: sehr hilfreich

    Mensch deine berichte sind echt SUPER!