C/O COMING OUT (gebundene Ausgabe) Testbericht

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Erfahrungsbericht von northstar

Mein Outing...

Pro:

danach kann man ein normales Leben führen & muß sich nicht verstecken; man ist man selbst, nicht der, den andere in einem sehen möchten & sollte das auch zeigen...

Kontra:

nix, rate ich jedem zu, also los! ;-)

Empfehlung:

Nein

Mein Coming Out – oder „Gott, was für ein langer Text...“

1. Was ist ein Coming Out?
2. Warum brauche ich ein Coming Out?
3. Schritt 1: Ooops, geoutet!
4. Schritt 2: Ooops, I did it again!
5. Schritt 3: Die restlichen Freunde
6. Pause (oder: Ist mal gut jetzt...)
7. Die große, fremde Stadt mit der großen, fremden Jugendgruppe...
8. Falling in love & Schritt 4: Die Familie (oder: Scheiße, zu laut gewesen!;-))
9. Schritt 5: Verwandte, Bekannte, etc. (oder: Mundpropaganda)
10. Solltest Du, lieber Leser, Dich outen (wenn du denn überhaupt schwul oder lesbisch bist?!)?

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1. Was ist ein Coming Out?

Mit Coming Out bezeichnet man allgemein hin den Prozess des Eingestehens der eigenen Homosexualität. Ich würde das Coming Out (im Folgenden kurz C.O. genannt, ok?) in 2 Phasen unterteilen.
A. Inneres C.O.: Ich merke für mich „Scheiße, ich stehe doch nicht auf Mädels. Ich bin also schwul. §$%&&!!!“, so oder so ähnlich läuft das ab. Langsam lernt man dann das zu akzeptieren, was bleibt einem auch anders übrig? Nagut, man kann von der Brücke springen oder so. Gehen wir mal davon aus, das wir diese (sicherlich manchmal reizvolle) Alternative außer Acht lassen, dann folgt zumeist als nächster Schritt das...
B. Äußeres C.O.: Ich sag dem Rest der Welt Bescheid, wollen die das hören oder auch nicht. Schwerer Schritt, klar, sollte man auch nicht überstürzt machen (hätte ich mal dran gedacht!)...


2. Warum brauche ich ein Coming Out?

Einfache Antwort: weil’s halt sein muß. Klar, man sucht sich nicht aus schwul oder lesbisch zu sein. Heterosexualität ist hierzulande die Norm; nach den hier gültigen Normen und Werten werden wir erzogen. Was passiert also, wenn man merkt, man kann diese Normen und Werte nicht nachvollziehen und auf keinen Fall erfüllen? Man wird (überspitzt gesagt) entweder recht gestört, kommt mit sich selbst nicht klar und endet spätestens mit 30, 35 Jahren in einer zum Scheitern verurteilten Ehe. Oder man kommt damit zu Rande, lebt damit. Ich hab mich damals auch für die sinnvollere Wahl entschieden. Lernen damit umzugehen, lernen damit zu leben und vor allen Dingen lernen ein normales, glückliches Leben zu führen, ohne die Angst vor Rechtfertigungen u.ä., das war es auch, was ich wollte.

Im Folgenden nun einmal meine Schritte auf dem langen Weg dahin.


3. Schritt 1: Ooops, geoutet!

Ok, ich probiere mich einmal zu erinnern. Wer war der erste, dem ich Bescheid sagte, was denn mit mir los war? Und wann war das genau?
Ach ja, Sylvester 1996/97. Die Nacht in der man eigentlich feiern sollte, was wir auch, klar, taten. Wir, das war eine Clique von etwa 10 Leuten, sowohl Jungs als auch Mädels; das merkwürdige daran: wir verstanden uns alle ganz gut, was ich bei der Größe schon ungewöhnlich finde, und wir machten eben fast alles zusammen: Kino, Disco, etc.. Klingt alles ganz toll. Aber so richtig ehrlich war man da, im Nachhinein gesehen, auch nie wirklich. Was ich dann wohl anfing zu ändern in dieser Nacht. Die letzten dümmlichen Raketten hatte die Jungs in den Himmel geschossen, die letzte Flasche Sekt hatten wir gelerrt. Gegen 3, 4Uhr konnte man sich eh fast nicht mehr auf den Beinen halten, also warum nicht ab ins Bett? Wir feierten den Abend bei einem Freund in dessen großen Haus (naja, eigentlich das der Eltern, ist ja schon klar denk ich), die Schlafplätze waren in etwa so verteilt: Mädels im Keller (wo sie hingehören! Ops, hab ich das gesagt?! ;)), Jungs auf den Dachboden. Alles fein getrennt, nachher wird noch wer im besoffenem Kopf schwanger & das wollen wir ja nicht.

Wie gesagt: irgendwann hieß es ab ins Bett. Schlafsäcke hatte jeder mit gebracht & so lagen wir zu ca 4,5 Jungs nebeneinander auf dem doch recht unbequemen Boden. Trotz erhöhtem Alkoholpegel im Blut konnte man so beim besten Willen nicht direkt ein pennen. Und da ich dann doch recht angetrunken war fing ich wieder mal an zu labbern. Labberte über allen möglichen Scheiß, ich kann im Tod nicht mehr sagen worüber. Gott sei Dank war das kein Monolog, der Rest war anscheinend auch noch nicht richtig müde. Und worauf kommen 17, 18 jährige Jungs unter sich recht schnell?! Klar, Mädels. Klar, Sex. Klar, da hatte ich wenig zu erzählen. Das Größte was ich mit ner Frau gemacht habe war einmal zusammen ins Kino zu gehen – in The Birdcage mit Robin Williams, wie bezeichnend, wie ich jetzt mittlerweile erkenne! ;)

Und alle erzählten, und erzählten, und ich kam dran und sagte ich hatte noch nie was mit nem Mädel, wohl aber mit nem Kerl, und der nächste sagte was, und.... stop, Sekunde, hab ich das gerade gesagt!? Shit, hab ich! Und der Rest hat’s auch gehört, wie blöd. Und mußte direkt nachfragen. Na klasse, aber jetzt noch mal zurück nehmen, nee, geht nicht. Ok, also dabei bleiben, „ja, ich hatte mal was mit nem Jungen“. Mein damals bester Freund mußte erst mal deutlich schlucken und sein Schlafsack rutschte einige cm weiter von meinem weg. Ich merkte währenddessen was ich gerade gemacht hatte: den ersten Schritt zum C.O.. Was mir 2 Sekunden später auch als der größte Fehler meines Lebens erschien. Was dann folgte war zwar mehr als verständlich, aber unter Jungs tierisch peinlich: ich heulte los wie blöde.

Das ging noch ne Weile so, bis dann mein bester Freund doch noch 2, 3 Worte sagte. Alles ok, nicht so schlimm, kein Problem, solange du nix von mir willst, etc.pp.. Der Rest war merklich still. Doch eingeschlafen, wer weiß? Verheult kuschelte ich mich dann doch in meinen schlafsack, aber an Schlaf war wenig zu denken. Für mich hatte ich gerade in Selbstregie den Untergang meiner eigenen kleinen Welt inszeniert.

Der sich in den Tagen danach auch fort setzte. „Solange du nix von mir willst“ klang mir jede Sekunde der folgenden Tage im Ohr. Problem war, ich war, wie jeder normale Schwule, in meinen besten Freund verknallt. Aber das konnte ich ihm da ja nicht sagen. Also hielt ich erst mal ne Zeit lang meine Klappe...


4. Ooops, I did it again!

So verging einige Zeit und es kam die große, tolle, auch muß die denn wirklich sein, ja muß sein, Abschlußfahrt in der 13.. Italien, Toskana, sehr schick, war echt ok. 4 Betten in einem Zimmer, 1 Bad, 1 Dusche, 2 der 3 Jungs wußten das ich schwul bin, einer war besagter bester Freund. Besagter bester Freund hatte aber leicht die Tendenz zu einem neuen besten Freund für sich entwickelt, eben jener auf dem Zimmer der nicht Bescheid wußte. Und was passiert wenn man heimlich in jemanden verknallt ist und der dauernd Sachen mit jemand anders unternimmt? Man wird tierisch eifersüchtig, so auch ich. Sehr tragisch das Ganze, ich war die ganze Zeit richtig schlecht drauf, übel gelaunt wäre untertrieben. Und meinen Freund ließ ich das spüren. Was nicht viel brachte, der verschwand immer öfters mit seinem neuen Liebling! Ob die wohl auch.....? Nee... Oder doch? Scheiße! Sowas ging in meinem Kopf vor. Na ja, als ich dann wieder mal in bester „Ich-will-dem-Arsch-eine-rein-hauen“-Laune war, griff ich mir abends dann den neuen, guten Freund von meinem guten Freund (dessen Namen ich auch mal schreiben könnte, aber dann könnte der sauer sein, also laß ich’s) & wollte ihm sagen was Sache ist. Raus kam was ganz anderes: „Du, halt dich von dem fern, das ist meiner, Scheiße noch mal, ich bin schwul.“ Da guckte mich dann wieder einer ungläubig an. Aber irgendwie hat das die Situation dann sehr entschärft: er war nicht schwul, die beiden hatten nix miteinander und auch sonst war ich nur einfach eifersüchtig gewesen & ein wenig dümmlich dazu. Na ja, kann passieren.

Aber dann dachte ich in der Woche dort: eigentlich ganz cool, alle auf einem Haufen. Kann man ja direkt mal weiter machen. Und da gab es eine Freundin von mir, die sollte eben als nächstes auf meiner „Wo-oute-ich-mich-heute?“-Liste stehen. Als wir abends dann mal allein am Strand (ja, den gibt’s auch in der Toskana) unterwegs waren sagte ich zu ihr: „Du, ich muß dir was sagen...“. Was dann kam war klar: sie fing an los zu reden, ich brachte kein Wort raus, nein, sie sei nicht in mich verknallt, das brauchte ich nicht zu probieren und ich sollte jetzt meine Finger bei mir lassen, etc.. Ops. Leider völlig falsch geraten. Nach meiner Aufklärung aus den berühmten 3 Worten (I.B.S.) mußten wir beide lachen. Tja, Missverständnisse zwischen Jungs und Mädels halt! Besonders genial: sie meinte dann, ach, ist doch ok, sie hätte ja auch mal mit ner Frau was gehabt. Da war ich dann aber überrascht. Aber das gab mir auch richtig Mut, weiter zu machen. Für sie war das völlig ok, völlig normal. Dafür auch an dieser Stelle einmal „Danke“, nicht nur an sie, sondern eigentlich alle Leute die ich so kenne, denn was Negatives kam da bisher nie.


5. Die restlichen Freunde

Und der Rest? Ein Coming Out folgte dem anderen, Angst davor hatte ich nicht mehr. Ich dachte mir, was können die schon sagen oder dagegen haben? Das war fast schon ein Spiel von mir, „C.O. – jeder könnte der nächste sein!“ so in etwa. Manchmal erfuhr es auch wer über 2, 3 Ecken, da war ich dann weniger begeistert von. „Ach, das hat mir der und der erzählt´“, na toll. Trotzdem: nie kam was negatives, na gut, einmal schon. Mein bester Freund war mittlerweile Geschichte: wir waren zerstritten, er hatte ne Freundin & ohnehin hatten wir uns nichst mehr viel zu sagen, seit das Abi bestanden war. Aber da gab’s noch diesen Traum von einem Mann in unserem Bekanntenkreis. Groß, gut gebaut, dunkle Haare, einfach nur geil, ne Schnitte wie sie im Buche steht. Und es passierte worauf jeder 18 jährige, verliebte Homo (hier: ich) scharf ist: man geht Badminton (schreib ich das so @Tom ;)) spielen, dann duschen und wenn trifft man da? Genau ihn! Und wo kann ich nicht hingucken? Zu ihm, da ich sonst mit hochrotem Kopf und Händen vor ihr wisst-schon-wo raus gelaufen wäre. Na gut, ein, zwei unvergessliche Blicke hab ich dann doch riskiert, allerdings war er dann zügig weg. Schade auch. ;) Später erfuhr ich dann über jemand anders wie scheiße er doch die ganze Situation unter der Dusche gefunden hätte und das er sich echt was geekelt hätte. Na toll, da war mein Selbstvertrauen wieder mal im Keller. :(

Trotzdem: dies war meine einzige negative Erfahrung bisher.


6. Pause (oder: Ist mal gut jetzt...)

Tja, alle die es wissen sollten wußten es nun, der Rest, Familie besonders, da dachte ich immer, nee, muß noch nicht sein. Mußte es wohl auch nicht, es ging auch so. Und ich hatte natürlich die Angst eines jeden Schwulen im Kopf: der Aufstand der Eltern, das Koffer packen, dann rausfliegen. All das spielt man ja im Kopf durch. Ich hatte auch schon die Notfallpläne im Kopf: bei wem komm ich unter wenn alles schief geht, all so was war schon durchdacht. Wie gesagt, so was wollte ich noch nicht riskieren, also Outing Pause war angesagt...


7. Die große, fremde Stadt mit der großen, fremden Jugendgruppe...

Zeitgleich mit der Pause ging in etwa das hier einher: Susanne, von mir schon mal in anderen Berichten erwähnte beste Freundin meinte: „So kann das nicht weiter gehen“ -> Ich saß den ganzen Tag zu Hause rum, nichts tat sich, geschweige denn ich lernte jemand anderes kennen, der ebenfalls auf Jungs stand. Brachte alles nicht wirklich viel. Susannes Idee: In Aachen gibt’s ne Jugendgruppe, die hat zwar nen bescheidenen Namen, aber da sind 100%ig andere Schwule. Da sollte ich also hin. Na klar. Allein. Traue ich mich doch nie, so schüchtern wie ich bin. Also kam jemand mit, erst ein Freund, dann Susanne selbst. Waren auch 2 nette Abende, aber richtig wohl fühlte ich mich da auch nicht. Dann, 1 Woche später, das erste Mal allein dort hin. Ich sagte geschlagene 3 Stunden gar nichts, guckte keinen an, nichts. Lohnte sich nicht wirklich, oder? Doch, denn am Ende grinste mich jemand an. Jemand den ich zwar nicht kannte, der aber so dreist war mich an zu sprechen. Der Boden unter meinen Füssen verschwand zu meinem Entsetzen auch nicht, also mußte ich wohl reden. Smalltalk. Zunächst. Dann ein richtig vernünftiges Gespräch. Der Kerl von damals wurde dann mein bester Freund, möchst eich sagen. Tägliche Telephonate, Diskobesuche, Grillparties, Jungs gucken, was weiß ich nicht alles. Ein sehr lieber Kerl, auch wenn wir uns derzeit nicht so gut verstehen, wie ich es vielleicht wieder gern hätte, aber daran bin zu großen Teilen ich Schuld. Mein Einstieg ins echte schwule Leben außerhalb meines Kopfes und außerhalb diverser Zeitschriften war geschafft. Was folgte war in etwa das: der erste Sex, der grottig war, der erste Freund, der zwar lieb, aber nicht der richtige war, eigentlich die ganze Bandbreite schwulen Lebens vom Darkroom bis zum Freizeitcamp und wieder zurück. Man muß ja alles mal gesehen haben. Und immer begleitet von konstanten Lügen: „Bin eben in die Stadt, kann spät werden“ & ab nach Köln oder Düsseldorf, schon ne Ecke weg von hier, und rein ins schwule Leben. Die Seite sollten die zu Hause aber eben nicht mit bekommen...


8. Falling in love & Schritt 4: Die Familie (oder: Scheiße, zu laut gewesen! ;-))

Es mag seltsam klingen, aber meinen derzeitigen Freund hab ich in eben beschriebener Jugendgruppe kennen gelernt. Seit 2,5 Jahren sind wir nun zusammen. Es lief auch alles ganz gut und immer mehr dachte ich wieder dran: eigentlich könnte ich ihn ja meinen Eltern vorstellen! Denn das war immer so meine Idee: „Warten bis ich `nen Freund habe & dann zu Mami & Papi rennen & gucken was passiert!“

Kam wieder mal ganz anders:
Jan übernachtete bei mir. Und nicht nur das... ;-)
Als er am nächsten Morgen nach Hause war, fragte meine Mutter, „Na, Besuch gehabt?“- „Ja, hatte ich.“-„Wo hat der denn geschlafen?“-„Ähm.... in meinem Bett...?!“-„Aha, nur geschlafen....“ Bloß weg hier dachte ich & war schon aus dem Zimmer raus. 30 min später ging ich zurück, sie beim Bügeln, ich recht fertig, hatte ich doch eine halbe Stunde überlegt, ob ich dir etwas sagen soll, was ich ihr sagen soll, die Wahrheit, wieder ne Lüge, was auch immer...

Mit 20 reicht es einem dann aber schon mal mit den ewigen Lügen. Also: Wahrheit auf den Tisch. Komplett. „Ich bin seit 2 Wochen mit Jan zusammen. Tut mir leid...“. Kein „Ich bin schwul“, bloß nicht. Aber eben das „Tut mir leid“. Ok, gebügelt wurde dann nicht mehr. Meine Mutter sagte was von wegen schon geahnt etc. & wäre ok so. Na Gott sei Dank, dachte ich. Dann kam die universale Aids & Kondome & Safer Sex & ich weiß nicht was noch alles-Predigt. Ok, die hätte ich nicht haben müssen. Mit 20 wußte ich da schon Bescheid drüber. Dann kam noch der schwerste Teil: „Das mußt du dann nachher deinem Vater aber auch noch sagen...“. Na toll, konnte sie das nicht machen??? Shit. Na gut, muß wohl sein.

17 Uhr, Dad ist von der Arbeit zurück, wir haben Freitag, Wochenende steht an. Das will man nicht versauen, also halte ich den Mund. 1 Stunde, 2 Stunden, 3 Stunden,.... Und meine Mutter guckt mich immer böser an, so nach dem Motto „War da nicht noch was!?!“. Ach ja. Stimmt, hätte ich halt gerne vergessen, aber ein halbes C.O. ist auch nichts richtiges, klar....
Dann, gegen 23 Uhr zu den beiden ins Schlafzimmer. „Ich muß da noch was sagen....“ Wieder kein I.B.S., wieder der Satz von oben. „Da muß ich erst mal drüber nachdenken, drüber schlafen“ so mein Dad. Konnte & sollte er auch und weg war ich.

Die Nacht hab ich arg wenig geschlafen, fast gar nicht. Am nächsten Morgen meinten meine Eltern nur, daß alles ok sei, aber Oma & Opa müßten das nun nicht wissen. Der Rest auch nicht, dachte ich dann. Irrtum...

9. Schritt 5: Verwandte, Bekannte, etc. (oder: Mundpropaganda)

Die Wochen danach waren recht ok. Keine blöden Bemerkungen wie ich sie befürchtet hatte. Kein Rauswurf zu Hause, noch viel wichtiger. Alles wie immer, dachte ich. Nur das zwischenzeitlich meine Eltern mit Onkel und Tante, Cousin, Bruder, kurzum meiner gesamten Verwandtschaft mütterlicherseits geredet hatten. Die wußten nun alle Bescheid. Was mir, als ich es dann merkte echt nicht recht war. Dachte immer, „Mein Gott, was denken die nun von mir...?“. Aber die dachten sich gar nichts, das war ok so. Aber das kapierte ich erst mal nicht. Die Verwandtschaft meines Vaters sollte trotzdem nichts erfahren. Und hat es auch bis heute nicht, womit ich aber leben kann, da ich die so oft nicht sehe, 1 Mal im Monat, wenn’s hoch kommt. Die anderen seh ich aber fast täglich, wohnen wir doch alle im selben Haus. Da ist es wichtiger, das mein Freund aus und eingehen kann, hier schläft, etc.. Der ist mittlerweile eh ein fester Bestandteil meiner Familie geworden, wird zu Hochzeiten eingeladen, etc.. So wie’s halt auch bei jedem laufen sollte, einfach klasse.


10. Solltest Du, lieber Leser, Dich outen (wenn du denn überhaupt schwul oder lesbisch bist?!)?

Und so sollte es auch vielleicht bei Dir gehen, lieber Leser. Es sei denn Du bist ne Hete, dann ist das, klar, nicht nötig. Aber nehmen wir folgendes an: Du bist schwul, aber keiner weiß es. Und Du willst das es jeder weiß, willst es der ganzen Welt sagen, zeigen können. Also kurz: Dein C.O. muß wohl her. Aber solltest Du das wagen?

Ich denke ja, Gründe dafür noch Mal in Kurzform:

- Es ändert sich nichts an Dir, wenn du es sagst...
- Deine Familie sollte Dich lieben wie du bist, daher: nur zu! Freunde natürlich auch: du bist immer noch der selbe, den sie vorher mochten? Warum sollten sie dich jetzt nicht mehr leiden können...?!
- Du willst & mußt Dein Leben leben, nehme da keine falsche Rücksicht...
- Du kannst dann tun und lassen was Du willst & Lügen etc.. gehören endlich der Vergangenheit an. Dir geht’s schlicht und einfach besser, eine rießen Last ist von Deinen Schultern runter...
- Du bist schwul. Und dann gehört es dazu, wenn Du glücklich sein willst, Dich zu outen, so schwer es eben auch sein mag.

Gründe dagegen:

- Deine Familie könnte schlecht reagieren, Dich raus werfen, den Kontakt abbrechen. Aber sind solche Leute es dann wert Familie genannt zu werden?!
- Deine Freunde könnten das selbe machen. Aber wären das Freunde?!
- Nachteile in Job, Schule, Uni. Ich hab bisher keine erfahren, nirgendwo. Aber klar, engstirnige Menschen gibt es überall. Also vorher immer abwägen, wo und wem man etwas sagt. Du bist zwar schwul, aber muß das dein Chef in der Bank wissen? Oder deine Klassenkameraden, die dich eh nicht leiden können? Oder die Leute an der Uni, die du eh hoffentlich bald nicht mehr siehst?
- Du willst Dich selbst quälen. Ok, dann nur weiter so, und viel Spaß mit deiner Frau, die Du nicht liebst & deinen Kindern, die Du enttäuschen könntest, sollte es je raus kommen. Viel Spaß auch, wenn Du dann mit 70 mal allein da stehst & ein Leben der Lügen hinter Dir hast & dann erkennst, eigentlich hätte alles anderes sein können, besser, schöner, aber jetzt ist dafür der Zug ab gefahren...

Was ich also eigentlich sagen will: Klar, mag sein ich hatte nur Glück & die besten Leute um mich die man sich denken kann. Kann auch sein das daß in der heutigen Zeit schon die Regel ist, was mich dann doch freuen würde & so überraschend fänd ich das nun auch gar nicht. Ich kenne wie bereits erwähnt kein Negativbeispiel eines Coming Outs. Keinen Schwulen der null Kontakt nach Hause hat. Keinen der sein C.O. bereut. Was eh das schlimmste wäre. Denn dann bereut man wer man ist. Dann sollte man sich überlegen, ob der Strick nicht besser wäre. So weit ist eh jeder einmal, klar, auch ich. Aber dann zu sagen „Scheiß drauf“ und um es mit dem unsäglichen Lied, welches ich ehrlich gesagt so dermaßen scheiße finde, zu sagen: „I am, what I am“. Man ist halt so wie man ist, schwul; so geboren, so geworden, shit egal. Werd damit fertig. Dein Leben, kein Leben ist einfach, denn Hindernisse gibt’s immer wieder. Drüber weg kommen, weiter machen, darum geht’s. Und offen schwul weiter leben bringt Dir, bringt mir, letztlich mehr. Ich hab genug andere Sorgen, warum soll ich nicht nach und nach mit denen aufräumen, wie ich’s mit meinem Schwulsein als Problem gemacht habe....? Und das solltest Du eben auch...


P.S.: Klingt alles herrlich einfach bei mir, oder? Aber so einfach kann’s tatsächlich sein. Muß man eben probieren. Und wenn man noch nicht so weit ist, dann wachtet man eben. Aber nicht zu lange. Aber nochmals: das ist meine Meinung, und mit dem Text oben wollte ich nur mal berichten, wie’s laufen kann. Auch bei Dir...

42 Bewertungen, 11 Kommentare

  • anonym

    04.08.2003, 12:13 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr ehrlich und aufschlussreich, gartulations zu deinem Freund.

  • Tomster931

    27.10.2002, 11:24 Uhr von Tomster931
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr guter Text, Dankeschön :-)

  • stefan_manhart

    07.07.2002, 22:52 Uhr von stefan_manhart
    Bewertung: sehr hilfreich

    wow, das ist ja ein super text. Ich bin auch schwul und danke dir, das du dies geschrieben hast und ich es lesen durfte. Wird mir bestimmt weiter helfen!

  • Skydancer01

    05.05.2002, 22:09 Uhr von Skydancer01
    Bewertung: sehr hilfreich

    Super geschrieben ^^

  • VfBler

    05.05.2002, 05:06 Uhr von VfBler
    Bewertung: sehr hilfreich

    Bin zwar net schwul, finds aber gut, dass du den Schwulen hier, die sich noch nicht geoutet haben, deine Geschichte erzählst.

  • MatthiasHuehr

    04.05.2002, 23:13 Uhr von MatthiasHuehr
    Bewertung: sehr hilfreich

    nur ein Wort: TOP

  • Ritzilein

    04.05.2002, 23:01 Uhr von Ritzilein
    Bewertung: sehr hilfreich

    Dein bericht war total amüsant und wahnsinnig real, gut dazu. Ich habe mich bei meinen Eltern und vielen Freunden geoutet und eigentlich haben alle super positiv reagiert (okay mein Dad ist etwas fertig...). Ich würde mich auf der Arbeit nicht ou

  • Achmed

    26.04.2002, 22:37 Uhr von Achmed
    Bewertung: sehr hilfreich

    Super Beitrag. Ich bin ja nun bei Punkt 8 angekommen und hab Punkt 9 vor mir! Aber ich hab den liebsten Schatz (Mann) der Welt gefunden, der das alles mit macht und mich unterstützt und mir hilft und mich liebt. Ich lieb dich mein Schatz (Terr0r).

  • Smissonion

    23.04.2002, 22:41 Uhr von Smissonion
    Bewertung: sehr hilfreich

    Deine C.O. ist sehr gelungen und jedem, der noch nicht geoutet ist sicher eine große Hilfe. Alle anderen, die geoutet sind (so wie ich), werden sich in Deiner Story an vielen Stellen sicher selbst wiederfinden. Außerdem weckst Du damit bei mir

  • mellims

    23.04.2002, 21:01 Uhr von mellims
    Bewertung: sehr hilfreich

    Das ist der beste Bericht, den ich hier bis jetzt gelesen habe!

  • LeBaron

    23.04.2002, 20:49 Uhr von LeBaron
    Bewertung: sehr hilfreich

    wirklich hilfreicher Bericht. Bei meinem Freund trafen leider die Nachteile ein. Gruß LeBaron