Cast Away - Verschollen (DVD) Testbericht

ab 4,60
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Erfahrungsbericht von mima007

Robinsons Freitag heißt nun Wilson und ist ein Volleyball

Pro:

unterhaltsam, bewegend, weise, humorvoll, großartiger Hauptdarsteller, toll fotografiert, gute Musik

Kontra:

relativ lang, keine Extras auf der Single-DVD

Empfehlung:

Ja

Was passiert mit der Seele eines Menschen, wenn er als von der Zeit getriebener Manager plötzlich irgendwo in der Südsee abstürzt und einsam ums nackte Überleben kämpfen muss? Was würde er alles erlernen müssen? Was würde er über sich selbst als menschliches Wesen herausfinden, wenn er auf einmal Zeit im Überfluss hätte, aber niemanden, mit dem er sie teilen könnte? Und was wäre ihm nach seiner Rettung wichtig? Wie sich in "Cast Away" zeigt, kann das Wichtigste im Leben eines solchen bedauernswerten Menschen aus einem einfachen Volleyball bestehen.

Filminfos
°°°°°°°°°°°°°°

O-Titel: Cast Away (USA 2000)
FSK: ab 12
Länge: ca. 138 Minuten
Regisseur: Robert Zemeckis
Darsteller: Tom Hanks, Helen Hunt u.a.

Eine ungewöhnliche Produktionsgeschichte
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

Sechzehn Monate lang drehte Robert Zemeckis an seinem Film "Cast Away". Aber nicht ununterbrochen. Er legte ein Jahr Pause ein, in dem Hauptdarsteller Tom Hanks 55 Pfund leichter werden musste, um den "Robinson" bei Überlebenskampf auf der einsamen Insel glaubwürdig darstellen zu können.

Zemeckis nutzte die Unterbrechung, um mit Abstand auf das gedrehte Material blicken zu können und um einen völlig anderen Film zu machen. So entstand der brillante Thriller "Schatten der Wahrheit" (What lies beneath – ein doppeldeutiger Titel!) mit Michelle Pfeiffer und Harrison Ford in den Hauptrollen.

"Cast Away" drehte Zemeckis auf der Fidschi-Insel Monu-riki. Die Crew arbeitete mit einem Umweltspezialisten zusammen, der darauf achtete, dass die Natur nicht beschädigt wurde. Für jeden Baum, der während des Drehs entfernt werden musste, pflanzte man drei neue Bäume. Greenpeace-Mitglieder können aufatmen!

Handlung
°°°°°°°°°°°°°°°°°

Das Leben von Chuck Noland (Tom Hanks), Ingenieur und manager beim Expresspaketdienst FedEx, wird von der Uhr bestimmt. Als Controller reist er ständig durch die ganze Welt und ist kaum einmal daheim anzutreffen. Dadurch wird das Leben mit seiner festen Freundin Kelly Frears (Helen Hunter) nicht gerade einfach. Sie haben eine Art Fernbeziehung, die auf häufigen Telefongesprächen per Handy basiert.

Aber anderen Leuten geht's genauso: Wir sehen die Schmiedin im Irgendwo von Texas, die ihrem in Moskau lebenden Ehemann ein Geschenk per FedEx schickt. Er öffnet es zusammen mit seiner russischen Geliebten. Die Schmiedekünstlerin taucht am Schluss nochmal auf.

Der Absturz

Auf einer Geschäftsreise quer über den pazifik passiert es dann: In einem üblen gewitter stürzt Chucks Fedex-Flieger ab. Dabei hatte er beim Abschied seiner lieben Kelly noch ein besonderes Abschiedsgeschenk gemacht, höchstwahrscheinlich ein paar Verlobungsringe. Sie hatte ihm eine goldene Uhr geschenkt, ein Familienerbstück mit ihrem Foto darin.

1500 Tage

Chuck überlebt als einziger der Flugzeugbesatzung. Doch die kleine bergige Insel, auf der er strandet, liegt weitab von den üblichen Fluglinien und dem Gebiet, das die Rettungsflugzeuge absuchen. Es wird eine lange zeit, die er auf der Insel verbringt: 1500 Tage. Völlig verlassen und auf sich allein gestellt, muss sich der verwöhnte Geschäftsmann um die Beschaffung von Trinkwasser, Nahrung und einen Unterschlupf kümmern. Wasser gibt es zwar in Kokosnüssen, doch es ist nicht einfach, die harten Dinger aufzubekommen. Und Fische können sehr schnell sein. Und die häufigen Stürme fegen jeden schlecht befestigten Schlafplatz hinweg. Bald haust Chuck in einer Felsenhöhle, die von der Brandung ausgewaschen wurde. Ein Fluchtversuch per Floß scheitert kläglich an den hohen Brandungswellen, die sich am Riff brechen, das die Insel komplett umgibt.

In der Höhle macht es sich Chuck halbwegs gemütlich, er malt das Bild seiner Freundin aus der Taschenuhr ab und erfindet so die Höhlenmaleri neu. Sein Entwicklungsstand ist nun wahrhaftig nicht höher als der eines Steinzeitmenschen. Er ist so verzweifelt, dass er sich erhängen möchte. In einer kleinen beiläufigen Szene erfahren wir davon. Auf dem Gipfel des Inselberges hängt ein Holzmännchen von einer Galgenschlinge herab...

Wilson

Die Ladung des Fedex-Fliegers wird an den Strand gespült. Chuck kann alles verwenden, sogar die künstliche Toilette. Die Schlittschuhe allerdings sind am nützlichsten: als Schneidewerkzeuge und Äxte sind die Kufen unersetzlich. Am wichtigsten stellt sich jedoch ein unscheinbarer Volleyball heraus, der von einer US-Firma namens Wilson hergestellt wurde.

Die Szene, in der "Wilson" zu einem Wesen wird, ist so urtümlich und poetisch ('poiesis' bedeutet Erschaffung), dass sie mich tief bewegt hat. Zunächst ist Wilson nur ein weißer Ball wie jeder andere auch. Doch dann schneidet sich Chuck und drückt Wilson die blutende Hand auf. Voilà, ein Gesicht! Chuck steckt Wilson in einen Baumstumpf und beginnt, mit dem stummen, geduldigen Beobachter zu reden. Ein paar Zweige als Haare machen den zerknautschten Ball noch menschlicher. Chuck erzählt Wilson Geschichten, meist von Kelly. Er ist nun ein kreativer Mensch, der aus sich selbst schöpft; er beutet nicht mehr andere Menschen aus und stiehlt diesen ihre Zeit, wie er es in Moskaus Fedex-Zentrale vorführte.

Jahre später

Chuck als Robinson ist keineswegs glücklicher, wie Leser des Defoe-Romans annehmen würden. Ganz im Gegenteil: Chuck ist abgemagert, sein Gesicht von Leiden zerfurcht. Er ist zwar ein hervorragender Jäger und Sammler geworden, sein Boot zimmert er eigenhändig zusammen, doch die Trennung von den Menschen zehrt an ihm. Deshalb sticht er zusammen mit Wilson in See, sobald die Winde in die richtige Richtung drehen.

Diesmal gelingt ihm auch die Überwindung der Brandungswellen, und ein Segel aus einer halben mobilen Toilette bringt ihn rasch 500 Seemeilen voran. Wale besprühen sein auseinanderfallendes Floß. Sturmwellen spülen Wilson über Bord, und Chuck sieht sich vor einer herzzerreißenden Wahl: entweder muss er am Floß festgebunden bleiben oder von Wilson Abschied nehmen.

Diese wichtige Szene erklärt sein späteres Verhalten gegenüber der verheirateten Kelly. Hier lernt er nämlich loszulassen, was er liebt, selbst wenn es nur ein Volleyball ist. Er bittet Wilson um Verzeihung.

VORSICHT, SPOILER!

Die Heimkehr

Nach seiner Rettung durch einen Containerfrachter und seiner äußerlichen Wiederherstellung, besucht er Kelly, als deren Familie bereits schläft. Und oh Wunder: Sie wäre sogar bereit, mit ihm zu gehen: Sie bekennt, dass er die große Liebe ihres Lebens ist. Und man erinnert sich: Er hat ihr Verlobungsringe geschenkt, sowas (ver-) bindet. Doch er bringt sie zurück zu ihrem Haus. Denn er kann sie nun ebenso loslassen wie einst "Wilson". Er kennt die Kräfte, die Kelly an ihre Familie binden und umgekehrt, und er achtet dies.

Später sehen wir ihn an jener symbolträchtigen Straßenkreuzung in der Mitte von Nirgendwo, Texas, stehen, die wir am Anfang sahen, und seinen künftigen Weg suchen. Da kommt lächelnd die Schmiedekünstlerin des Wegs. Wer weiß: Nun da Chuck seine kreative innere Welt entdeckt hat, kann er mit einer Künstlerin durchaus etwas anfangen. Zeit spielt für ihn keine Rolle mehr, und er hätte jemanden, mit dem er sie teilen könnte.

Der Titel
°°°°°°°°°°°°°°°°°

"Cast Away" ist ganz bewusst als zwei Wörter geschrieben. Ein "castaway" ist ein Schiffbrüchiger oder Ausgesetzter, wie jene zwei Zivilisationsflüchtlinge in dem Film "Eva und Mr. Robinson" mit Oliver Reed. Doch "cast away" bedeutet, dass etwas oder jemand "weggeworfen" wurde. Die Macht, die sowas macht, könnte die Natur, das Schicksal oder ein höheres Wesen sein. Und das Opfer ist zum einen sicherlich Chuck und sein früheres Leben, später aber auch die Zwänge, denen er als Controller gehorchte und die er anderen Menschen aufzwang: Zeit, Termine, Leistung, Geschwindigkeit, kurzum: eine Scheinexistenz mit einer Fernbeziehung (Kelly). Diese Zwänge wirft Chuck ab, als er zurückkehrt.

Die Darsteller
°°°°°°°°°°°°°°°°°

Wie schon in "Forrest Gump" steht und fällt der ganze Film mit der Glaubwürdigkeit, mit der Tom Hanks die Hauptfigur verkörpert. Ich kann nur sagen, dass er in seiner Rolle aufgeht und ich sehr beeindruckt war. Man sah nicht ihn, sondern Chuck, den einsamen Robinson. Ist das "method acting"? Falls ja, dann ist das eine geniale Methode.

Helen Hunt kommt ein wenig zu kurz als Geliebte der Hauptfigur. Ihre besten Szenen hat sie gegen Ende, als sie wirklich bewegende Entscheidungen fällt. Sie hat mir gut gefallen, aber sie war unterfordert. Ihre beste Rolle hatte sie bislang in "As good as it gets" neben Jack Nicholson zu spielen. Ihre Figur in "Was Frauen wollen" war einfach verlogen und ihr nicht angemessen (natürlich war diese Rolle sehr lukrativ, aber was hat das mit Können zu tun?).

Der Regisseur
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Zemeckis setzt hier weniger auf visuelle Effekte wie etwa Postkartenbilder, wie sie eine Südseeinsel en masse zu bieten hätte, sondern auf die Kraft der Story und die Präsenz seines Hauptdarstellers. Die Story wird von Erzählrhythmus und Schnitt wesentlich vorangebracht. Beides ist gut, stellenweise sogar hervorragend gelungen. Die Rondo-Struktur der Erzählung schließt die Story in einem Kreis oder in einer Spirale zusammen, in dessen/deren Zentrum jeweils eine Frau steht: zunächst Kelly, später die Künstlerin in Texas. Zwischen diesen beiden Lebenszentren verändert sich Chuck und bewegt sich von Kreis A zu Kreis B weiter – eine Spirale.

Die DVD
°°°°°°°°°°°°°°

Technische Infos

Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0 und DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: Deutsch/Englisch/Niederländisch

Extras
Trailer
Extras der Doppel-DVD:
* Untertitel: Englisch für Gehörlose, Deutsch, Holländisch
* Audiokommentar mit Regisseur Robert Zemeckis u.a. Beteiligten
* Making of (im Stil eines Tagebuchs)
* Material aus Promomaterial für den Pay-TV-Sender HBO
* Featurette: S.T.O.P: Surviving as a Cast Away
* Featurette: The Island: wie wurde der Ort ausgewählt? Unter welchen Bedingungen
* Featurette: Wilson - The Life and Death of a Hollywood Extra
* Special Effects Vignettes (sechs Sequenzen mit Kommentaren der SFX-Crew)
* Behind The Scenes
* Image Galleries
* umfangreiches Interview mit Tom Hanks
* zwei Trailer und zehn TV-Spots

Mein Eindruck: die DVD
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Die Qualität von Bild und Ton ist wie immer bei Zemeckis-Filme herausragend. Mit DD 5.1 kommen die vielfältigen Geräusche und Soundeffekte richtig gut zur Geltung. Durch die deutschen Untertitel können auch hörbehinderte Zuschauer dem Film mühelos folgen. Allerdings gibt es außer Werbe-Trailern auf der Einzel-DVD keine Extras. Diese muss man auf der Doppel-DVD zu einem höheren Preis erwerben (s.o.).

Unterm Strich
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Ein bewegender, fesselnder Film! Er fesselnd nicht nur durch eine gute Story und exzellente Schauspieler, sondern vor allem auch durch die emotionale Intelligenz, sprich: Weisheit, die in der Entwicklung der Figur des Chucks zum Ausdruck kommt. Hier hat offenbar jemand viel von dem verstanden, was die menschlichen Existenzbedingungen ausmacht und geschafft, dies angemessen auszudrücken. Ich kam mir am Schluss nicht belehrt oder verarscht vor, sondern bereichert. Man sollte diesem Film mindestens zweimal sehen, um alles mitzubekommen.

Michael Matzer © 2007ff

================= Bei Verschmelzung identischer Produkte angehängt: ==========================

Was passiert mit der Seele eines Menschen, wenn er als von der Zeit getriebener Manager plötzlich irgendwo in der Südsee abstürzt und einsam ums nackte Überleben kämpfen muss? Was würde er alles erlernen müssen? Was würde er über sich selbst als menschliches Wesen herausfinden, wenn er auf einmal Zeit im Überfluss hätte, aber niemanden, mit dem er sie teilen könnte? Und was wäre ihm nach seiner Rettung wichtig? Wie sich in "Cast Away" zeigt, kann das wichtigste im Leben eines solchen bedauernswerten Menschen aus einem einfachen Volleyball bestehen.

Eine ungewöhnliche Produktionsgeschichte

Sechzehn Monate lang drehte Robert Zemeckis an seinem Film "Cast Away". Aber nicht ununterbrochen. Er legte ein Jahr Pause ein, in dem Hauptdarsteller Tom Hanks 55 Pfund leichter werden musste, um den "Robinson" bei Überlebenskampf auf der einsamen Insel glaubwürdig darstellen zu können.

Zemeckis nutzte die Unterbrechung, um mit Abstand auf das gedrehte Material blicken zu können und um einen völlig anderen Film zu machen. So entstand der brillante Thriller "Schatten der Wahrheit" (What lies beneath - ein doppeldeutiger Titel!) mit Michelle Pfeiffer und Harrison Ford in den Hauptrollen.

"Cast Away" drehte Zemeckis auf der Fidschi-Insel Monu-riki. Die Crew arbeitete mit einem Umweltspezialisten zusammen, der darauf achtete, dass die Natur nicht beschädigt wurde. Für jeden Baum, der während des Drehs entfernt werden musste, pflanzte man drei neue Bäume. Greenpeace-Mitglieder können aufatmen!

Handlung

Das Leben von Chuck Noland (Tom Hanks), Ingenieur und manager beim Expresspaketdienst FedEx, wird von der Uhr bestimmt. Als Controller reist er ständig durch die ganze Welt und ist kaum einmal daheim anzutreffen. Dadurch wird das Leben mit seiner festen Freundin Kelly Frears (Helen Hunter) nicht gerade einfach. Sie haben eine Art Fernbeziehung, die auf häufigen Telefongesprächen per Handy basiert.

Aber anderen Leuten geht's genauso: Wir sehen die Schmiedin im Irgendwo von Texas, die ihrem in Moskau lebenden Ehemann ein Geschenk per FedEx schickt. Er öffnet es zusammen mit seiner russischen Geliebten. Die Schmiedekünstlerin taucht am Schluss nochmal auf.

Der Absturz

Auf einer Geschäftsreise quer über den pazifik passiert es dann: In einem üblen gewitter stürzt Chucks Fedex-maschine ab. Dabei hatte er beim Abschied seiner lieben Kelly noch ein besonderes Abschiedsgeschenk gemacht, höchstwahrscheinlich ein paar Verlobungsringe. Sie hatte ihm eine goldene Uhr geschenkt, ein Familienerbstück mit ihrem Foto darin.

1500 Tage

Chuck überlebt als einziger der Flugzeugbesatzung. Doch die kleine bergige Insel, auf der er strandet, liegt weitab von den üblichen Fluglinien und dem gebiet, das die rettungsflugzeuge absuchen. Es wird eine lange zeit, die er auf der Insel verbringt: 1500 Tage. Völlig verlassen und auf sich allein gestellt, muss der verwöhnte geschäftsmann um die beschaffung von trinkwasser, nahrung und einen Unterschlupf kümmern. Wasser gibt es zwar in Kokosnüssen, doch es ist nicht einfach, die harten Dinger aufzubekommen. Und Fische können sehr schnell sein. Und die häufigen Stürme fegen jeden schlecht befestigten Schlafplatz hinweg. Bald haust Chuck in einer Felsenhöhle, die von der brandung ausgewaschen wurde. Ein Fluchtversuch per Floß scheitert kläglich an den hohen Brandungswellen, die sich am Riff brechen, das die Insel komplett umgibt.

In der Höhle macht es sich Chuck halbwegs gemütlich, er malt das Bild seiner Freundin aus der taschenuhr ab und erfindet so die Höhlenmaleri neu. Sein Entwicklungsstand ist nun wahrhaftig nicht höher als der eines Steinzeitmenschen. Er ist so verzweifelt, dass er sich erhängen möchte. In einer kleinen beiläufigen Szene erfahren wir davon. Auf dem Gipfel des Inselberges hängt ein Holzmännchen von einer Galgenschlinge herab...

Wilson

Die Ladung des Fedex-Fliegers wird an den Strand gespült. Chuck kann alles verwenden, sogar die künstliche Toilette. Die Schlittschuhe allerdings sind am nützlichsten: als Schneidewerkzeuge und Äxte sind die Kufen unersetzlich. Am wichtigsten stellt sich jedoch ein unscheinbarer Volleyball heraus, der von einer US-Firma namens Wilson hergestellt wurde.

Die Szene, in der "Wilson" zu einem Wesen wird, ist so urtümlich und poetisch ('poiesis' bedeutet Erschaffung!), dass ie tief bewegt. Zunächst ist Wilson nur ein weißer Ball wie jeder andere auch. Doch dann schneidet sich Chuck und drückt Wilson die blutende Hand auf. Voilà, ein Gesicht! Chuck steckt Wilson in einen Baumstumpf und beginnt, mit dem stummen, geduldigen Beobachter zu reden. Ein paar Zweige als Haare machen den zerknautschten Ball noch menschlicher. Chuck erzählt Wilson Geschichten, meist von Kelly. Er ist nun ein kreativer Mensch, der aus sich selbst schöpft; er beutet nicht mehr andere Menschen und stiehlt diesen ihre Zeit, wie er es in Moskaus Fedex-zentrale vorführte.

Chuck als Robinson ist keineswegs glücklicher, wie leser des Defoe-Romans annehmen würden. Ganz im gegenteil: Chuck ist abgemagert, sein Gesicht von leiden zerfurcht. Er ist zwar ein hervorragender Jäger und Sammler geworden, sein Boot zimmert er eigenhändig zusammen, doch die trennugn von den menschen zehrt an ihm. Deshalb sticht er zusammen mit Wilson in See, sobald die Winde in die richtige Richtung drehen. Diesmal gelingt ihm auch die Überwindung der Brandungswellen, und ein Segel aus einer halben mobilen Toilette bringt ihn rasch 500 Seemeilen voran. Wale besprühen sein auseinanderfallendes Floß. Sturmwellen spülen Wilson über Bord, und Chuck sieht sich vor einer herzzerreißenden Wahl: entweder muss er am Floß festgebunden bleiben oder von Wilson Abschied nehmen.

Diese wichtige Szene erklärt sein späteres Verhalten gegenüber der verheirateten Kelly. Hier lernt er nämlich loszulassen, was er liebt, selbst wenn es nur ein Volleyball ist. Er bittet um Wilson um Verzeihung.

Die Heimkehr

Nach seiner Rettung durch einen Containerfrachter und seiner äußerlichen Wiederherstellung, besucht er Kelly, als deren Familie bereits schläft. Und oh Wunder: Sie wäre sogar bereit, mit ihm zu gehen: Sie bekennt, dass er die große Liebe ihres Lebens ist. Und man erinnert sich: Er hat ihr Verlobungsringe geschenkt, sowas (ver-) bindet. Doch er bringt sie zurück zu ihrem Haus. Denn er kann sie nun ebenso loslassen wie einst "Wilson". Er kennt die Kräfte, die Kelly an ihre Familie binden und umgekehrt, und er achtet dies.

Später sehen wir ihn an jener symbolträchtigen Straßenkreuzung in der Mitte von Nirgendwo, Texas, stehen, die wir am Anfang sahen, und seinen künftigen Weg suchen. Da kommt lächelnd die Schmiedekünstlerin des Wegs. Wer weiß: Nun da Chuck seine kreative innere Welt entdeckt hat, kann er mit einer Künstlerin durchaus etwas anfangen. Zeit spielt für ihn keine Rolle mehr, und er hätte jemanden, mit dem er sie teilen könnte.

Der Titel

"Cast Away" ist ganz bewusst als zwei Wörter geschrieben. Ein "castaway" ist ein Schiffbrüchiger oder Ausgesetzter, wie jene zwei Zivilisationsflüchtlinge in dem Film "Eva und Mr. Robinson" mit Oliver Reed. Doch "cast away" bedeutet, dass etwas oder jemand "weggeworfen" wurde. Die Macht, die sowas macht, könnte die Natur, das Schicksal oder ein höheres Wesen sein. Und das Opfer ist zum einen sicherlich Chuck und sein früheres Leben, später aber auch die Zwänge, denen er als Controller gehorchte und die er anderen Menschen aufzwang: Zeit, Termine, Leistung, Geschwindigkeit, kurzum: eine Scheinexistenz mit einer Fernbeziehung (Kelly). Diese Zwänge wirft Chuck ab, als er zurückkehrt.

Die Darsteller

Wie schon in "Forrest Gump" steht und fällt der ganze Film mit der Glaubwürdigkeit, mit der Tom Hanks die Hauptfigur verkörpert. Ich kann nur sagen, dass er in seiner Rolle aufgeht und ich sehr beeindruckt war. Man sah nicht ihn, sondern Chuck, den einsamen Robinson. Ist das "method acting"? Falls ja, dann ist das eine geniale Methode.

Helen Hunt kommt ein wenig zu kurz als Geliebte der Hauptfigur. Ihre besten Szenen hat sie gegen Ende, als sie wirklich bewegende Entscheidungen fällt. Sie hat mir gut gefallen, aber sie war unterfordert. Ihre beste Rolle hatte sie bislang in "As good as it gets" neben Jack Nicholson zu spielen. Ohre Figur in "Was Frauen wollen" war einfach verlogen und ihr nicht angemessen (natürlich war diese Rolle sehr lukrativ, aber was hat das mit Können zu tun?).

Der Regisseur

Zemeckis setzt hier weniger auf visuelle Effekte wie etwa Postkartenbilder, wie sie eine Südseeinsel en masse zu bieten hätte, sondern auf die Kraft der Story und die Präsenz seines Hauptdarstellers. Die Story wird von Erzählrhythmus und Schnitt wesentlich vorangebracht. Beides ist gut, stellenweise sogar hervorragend gelungen. Die Rondo-Struktur der Erzählung schließt die Story in einem kreis oder in einer Spirale zusammen, in dessen/deren Zentrum jeweils eine Frau steht: zunächst Kelly, später die Künstlerin in Texas. Zwischen diesen beiden Lebenszentren verändert sich Chuck und bewegt sich von Kreis A zu Kreis B weiter - eine Spirale.

Die Ausstattung der DVD

Filmlänge: 138 Minuten; FSK: ab 12 Jahren.
• Regionalcode 2, PAL
• Kauf-DVD Erscheinungstermin: 20. September 2001
• ASIN: B00005LDEI

Die Features der Kauf-DVD:
• Tonformat: Deutsch - Dolby Digital 5.1
• Tonformat: Englisch - Dolby Digital 5.1
• Bildformat: 16:9
• Audiokommentar mit Regisseur Robert Zemeckis u.a. Beteiligten
• Making of (im Stil eines Tagebuchs)
• Material aus Promomaterial für den Pay-TV-Sender HBO
• Featurette: S.T.O.P: Surviving as a Cast Away
• Featurette: The Island: wie wurde der Ort ausgewählt? Unter welchen Bedingungen
• Featurette: Wilson - The Life and Death of a Hollywood Extra
• Special Effects Vignettes (sechs Sequenzen mit Kommentaren der SFX-Crew)
• Behind The Scenes
• Image Galleries
• umfangreiches Interview mit Tom Hanks
• zwei Trailer und zehn TV-Spots

Ich habe die Leih-DVD angesehen, die das hier aufgeführte Bonusmaterial leider nicht enthält.

Fazit

Ein bewegender, fesselnder Film! Er fesselnd nicht nur durch eine gute Story und exzellente Schauspieler, sondern vor allem auch durch die emotionale Intelligenz, sprich: weisheit, die in der Entwicklung der Figur des Chucks zum Ausdruck kommt. Hier hat offenbar jemand viel von dem verstanden, was die menschlichen Existenzbedingungen ausmacht und geschafft, dies angemessen auszudrücken. Ich kam mir am Schluss nicht belehrt oder verarscht vor, sondern bereichert. Man sollte diesem Film mindestens zweimal sehen, um alles mitzubekommen.

Natürlich könnte man sagen: Ach, das ist bloß so'ne Bekehrungsgeschichte, vom Saulus zum Paulus und so. Die Entdeckung der wahren Werte. Herrje, was soll's? Schon tausendmal gesehen.

Aber ich glaube, mit dieser (durchaus berechtigten, wenn auch zynischen) Haltung würde man sich diesen Filmgenuss gründlich vermiesen.

Michael Matzer (c) 2002ff

34 Bewertungen, 15 Kommentare

  • morak90

    15.11.2007, 23:56 Uhr von morak90
    Bewertung: sehr hilfreich

    ganz klar sehr hilfreich, schau doch mal bei mir vorbei LG morak90

  • Kjeldi

    30.09.2007, 10:19 Uhr von Kjeldi
    Bewertung: sehr hilfreich

    wieder ein schöner Bericht

  • Miss_Piper

    07.09.2007, 16:58 Uhr von Miss_Piper
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hab gerade heute Morgen noch mit jemandem über den Film gesprochen ... dass ich bei Wilsons \"Tod\" geheult habe. gg

  • Tut_Ench_Amun

    07.09.2007, 00:26 Uhr von Tut_Ench_Amun
    Bewertung: sehr hilfreich

    Die Pharaonin war damals sogar im Kino und enttäuscht von dem Film. LG

  • XXLALF

    06.09.2007, 22:02 Uhr von XXLALF
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich habe den Film öfters mir angeschaut, leider hat dieser Streifen garnichts mit der Realität zu tun. Selbst ein Einzelkämpfer ist diesem dargestellten Bildern nicht gewachsen. Lg XXLALF

  • Clarinetta2

    06.09.2007, 21:03 Uhr von Clarinetta2
    Bewertung: sehr hilfreich

    den werde ich mir anschauen

  • anonym

    05.09.2007, 10:28 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich bin ja ein Film - Muffel, habe ich nur mal von gehört, aber bisher noch nicht gesehen, lg Chrissy

  • anonym

    04.09.2007, 19:09 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Damaris

  • edvdienstleister

    04.09.2007, 12:44 Uhr von edvdienstleister
    Bewertung: sehr hilfreich

    Top!! lg tom

  • Outkast24

    04.09.2007, 01:21 Uhr von Outkast24
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein wundervoller Bericht zu einem schlechten Film;).

  • anonym

    04.09.2007, 00:25 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Sabrina

  • redwomen

    04.09.2007, 00:10 Uhr von redwomen
    Bewertung: sehr hilfreich

    Als der Film damals "rauskam" habe ich in einer Videothek als Aushilfe gearbeitet, aber muss gestehen ihn mir NIE angesehen. Wäre immer der Meinung gewesen ist nichts für mich. LG Maria

  • anonym

    03.09.2007, 21:34 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    super Film, einer der besten von Tom Hanks

  • jenny123

    03.09.2007, 20:55 Uhr von jenny123
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüsse,Jenny123

  • Mathi15

    03.09.2007, 20:13 Uhr von Mathi15
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh. lg