Cypher (DVD) Testbericht

Cypher-dvd-thriller
ab 8,51
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Erfahrungsbericht von Greifenklaue

CYPHER: Utopie meets Cyberpunk

Pro:

utopisches Flair meets Cyperpunkambiente, gute Schauspielerleistungen von neuen Gesichtern, perfektionierter Actionminimalismus, harter Thrill, Wendungsreich

Kontra:

dies wird wohl keine Trilogie, aber ob das negativ ist...

Empfehlung:

Ja

Es gibt Höhepunkte in der Filmgeschichte und es gibt Tiefpunkte. Die Figur „Cypher“ im Film Matrix I ist ein Fingerzeig auf einen Film, der das Genre SciFi revolutionierte. Die Matrix-Saga ist bei Teil III und ihrem inhaltleeren, hohlen Tiefpunkt angekommen, da blitzert einem die DVD Cypher in der heimischen Videothek entgegen.

Das einzige was uns die Verpackung so recht verraten will, ist, dass er von Vincenzo Natali, bekannt als Regisseur von Cube, jenem minimalistischen SciFi-Erfolg mit Mini-Budget, der mir noch heute Freudentränen in die Augen treibt, gemacht wurde. Wenn das nix ist...


_/ _/ _/ _/ _/ Open wide and eat the worms of the enemy \\_ \\_ \\_ \\_ \\_

Morgan Sullivan ist eigentlich Hausmann, aber dank seiner vorbildlichen, blütenreinen Weste schafft er es im Konzern DIGICORPS vorgeladen zu werden und eine Stellung als Wirtschaftsspion zu ergattern. Seiner recht dominante Frau will das gar nicht zusagen, aber Morgan verliebt sich schnell in sein neues, nun „aufregendes“ Leben, er lebt die Rolle seiner neuen Identität „Jack Thursby“ voll aus, den nun hat er Gelegenheit, sich Scotch schmecken lassen, aufregende Hobbies vorzugeben und mit einer aufregenden Frau Rita Foster (gespielt von Lucy Liu) zu flirten.

Er hat nun die Aufgabe mittels Digitalsender – versteckt im Kugelschreiber – eine Vortragsreihe aufzuzeichen, die mehr oder minder über männliche Hygieneartikel geht und nicht nur auf den Zuschauer eher einschläfernd wirkt.

Zugleich ist dieser aber hellwach, denn es bohrt schon, was soll das? Da stimmt doch etwas nicht? Kurze Bildeinblendungen von Erinnerungen während der Vorträge bestärken dem Zuschauer in dem Gefühl und lassen Jack/Morgan mit Kopfschmerzen zurück...

Zuhause gibt es Streit mit seiner Frau, die ihn quasi vor die Tür setzt, aber er will entgegen seiner bisherigen Art nicht nachgeben. Man bekommt das unbestimmte Gefühl, Morgan will über seine Rolle als Jack sein wahres Ich ausleben, nachdem er sich Jahr um Jahr zurückgenommen hat...

Also schickt ihn Digicorp zur nächsten Konferenz irgendwo im flachen Land. Zu seiner großen Verwunderung trifft er erneut auf Rita, diesmal aber warnt sie ihn vor Digicorps und seiner Spionagetätigkeit, den nix ist so, wie es zu seien scheint! Sie empfiehlt ihm, einfach den Digitalsender diesmal ausgeschaltet zu lassen...


_/ _/ _/ _/ _/ We are the enemies of reality \\_ \\_ \\_ \\_ \\_

Also, ich hab mich SEEEHR zurückgehalten, was den Inhalt des Films zurückgeht, den er ist so wendungsreich, dass ich Euch keine vorwegnehmen möchte!!!

Einerseits wirkt meine Beschreibung womöglich etwas langweilig oder gibt gar einen falschen Eindruck von der Gesamtkomposition, aber trotzdem hier sollte deutlich werden, dass der Zuschauer anfangs zwischen zwei Extremen hin- und hergerissen ist. Einerseits ein steriles, biederes, langweiliges Leben, ergänzt durch den Flug auf eine Rasierschaumkonferenz (Was zum Teufel könnte hier wohl geheim sein???). Andererseits klingelt gerade dadurch unterschwellig die Alarmglocken, „Was stimmt hier nicht???“ – man sucht hier förmlich nach Fehlern in der Fassade, einer Fassade, die nicht nur einmal eingerissen und erschüttert werden wird.

Cypher offenbart das Flair einerseits eines klassischen Utopiefilms a la 84 (z. B. Sterilität, Gesellschaftsform, Anordnung der Häuser und Gärten), andererseits enthält er Elemente eines harten Cyberpunkstreifens (Blade Runner, Johnny Mnemonic), wie die Vormachtsstellung der Konzerne, die anscheinend auch über staatlicher Autorität steht.

Das Genre ist entsprechend ein SciFi-behafteter Near-future Agententhriller, der weniger durch nicht allzuviel vorhandene, künstliche Effekte glänzt, sondern vielmehr auf gute, überzeugende Schauspieler setzt und mit einer spannenden, wendungs- und abwechslungsreichen Story daherkommt, dass er den Zuschauer zufrieden zurücklässt. Keine Materialschlacht, einfach noch ein Film in dem Sinne, den Zuschauer miträsteln zu lassen und ihm doch eine Nasenlänge voraus zu sein, ihm Imagination zu ermöglichen und einen Moment vom Alltag zu erlösen.

Schauspielerisch glänzen die Charaktere, ob nun eine erfahrende Lucy Liu (Ally McBeal, Drei Engel für Charly, aber auch Kultstreifen wie Payback [ein brillianter Mel Gibson übrigens] oder Kill Bill), ein kaum minder erfahrender, trotzdem minder bekannter Jeremy Northam (als Morgan; u. a. Mimic, Gosford Park und Das Netz) oder auch gute Nebenrollen.

Über Vincenzo Natali habe ich mich schon anfangs kurz ausgelassen, hier ist ihm nach Cube erneut ein Meisterwerk gelungen, dass eine beklemmende, düstere Zukunft aufzeigt, ohne Actiongewitter auskommt und von einem Minimalismus geprägt ist, dass man schon fast von der Erfindung eines neuen Subgenres sprechen mag. Wenn Cube 2 noch enttäuscht hat, findet hier seinen Frieden.


_/ _/ _/ _/ _/ In a world that`s unforgiving \\_ \\_ \\_ \\_ \\_

Nun, zwar gibt es Geheimtipps zu Hauf, trotzdem möchte ich diesen Film einer breiteren Masse ans Herz legen und über den Status „Kenn ich, der steht doch in der Videothek!“ erheben, den intelligente Filme sind selten geworden, gute Filme nicht, gute Filme ohne Materialschlacht schon eher...

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