Der Pianist (VHS) Testbericht

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Erfahrungsbericht von der_dominator

[Holocaust… ]

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

… kommt aus dem griechischen, und bedeutet es eigentlich Brandopfer im Sinne des „geopfert werdens“, entwickelte sich das Wort Mitte der Achtziger Jahre, nicht ganz unumstritten, als geläufiger Begriff für die Beseitigung der Juden während des zweiten Weltkrieges.


# Der Gang zum Bücherregal
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[historisches - von Blitzkriegen und Judenfragen ]

Wir schreiben das Jahr 1939 und mit dem Einfall der deutschen Wehrmacht in Polen am 1. September desselben Jahres beginnt der zweite Weltkrieg. Binnen weniger Wochen geben sich die Polen geschlagen und das Land wird zwischen den Sowjets und eben den deutschen Truppen geteilt.

Wie auch in Deutschland kommt es daraufhin zu speziellen Verordnungen für Juden, die, von einem Tag auf den anderen, nicht auf Bänken im Park sitzen oder keine Gaststätten mehr besuchen dürfen. So auch in Warschau, wo man 1940, wie in allen größeren gefallenen Städten Polens, nach und nach, Ghettos am Rande der Stadt errichtet um die Polen dort zu schikanieren und zu schänden, vorwiegend aber um sie erst einmal „unter Kontrolle“ zu haben…

[literarisches - Wladyslaw Szpilman ]

Die Geschichte um den Pianisten Wladyslaw Szpilman (lebte von 1911 bis 2000) beruht auf einer wahren Begebenheit und wurde bereits vor dem „Filmdreh“ veröffentlicht. Dennoch ist es nicht der Roman der als Vorlage für den Film dient; es ist vielmehr die bewegende Geschichte Szpilmans, die eine „Verfilmung“ rechtfertigt. Leseratten, die lieber etwas in der Hand, als vor Augen haben sollten bei jedem Buchhändler fündig werden.

[filmisches - Roman Polanski und sein Schaffen ]

Roman Polanski, auch wenn es einfallslos erscheint es fällt schwer nicht mit seinem Geburtsdatum zu beginnen, erblickte am 18. August 1933 das Licht der Welt, wohlgemerkt in Paris, ehe es seine Eltern zurück nach Krakau zieht. Ein verhängnisvoller Fehler, denn Hitlers Mannen verschleppen seine Eltern in ein Konzentrationslager nahe ihrer Heimatstadt und während Romans Mutter stirbt, überlebt er den Krieg bei verschiedenen polnischen Pflegefamilien. An Film und Fernsehen stets interessiert, macht Polanski erstmals 1962 auf sich aufmerksam wo er mit „Messer im Wasser“ sein Kinodebüt feiert. Es folgten u.a. „Rosmaries Baby“ und Chinatown, seine wohl bekanntesten Filme. Aber auch als Schauspieler macht sich der gebürtige Franzose einen Namen und so ergattert er eine Reihe von Rollen, vornehmlich aber in, zumindest mir, unbekannten Filmen wie „Blood for Dracula“. Sein Schaffen zeichnet sich, neben unzähligen weiterer Auszeichnungen, durch fünf Oskarnominierungen aus, vier davon immerhin als „beste Regie“ (Rosmarys Baby, Chinatown, Pirates und Tress) - gewinnen konnte er die begehrte Trophäe aber nie.

# Der Gang durch Warschau
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[inhaltliches - darf ich vorstellen: Wladyslaw Szpilman noch mal… ]

Wladyslaw Szpilman (Adrien Brody) ist Musiker, genauer gesagt Pianist, und arbeitet bei einem Warschauer Radiosender, wo er zum erfreuen der Zuhörer, zu meist Chopinklassiker spielt und dadurch einen gewissen Bekanntheitsgrad erhält.

Das ganze wäre, abgesehen von seinem außerordentlichen Talent, nicht weiter erwähnenswert, wäre er nicht jüdischer Abstammung. Ging es ihm, mit seiner Familie, in einer recht komfortabel ausgestatteten Wohnung lebend, recht gut, so bemerken sie, eben so die restlichen jüdischen Bewohner Warschaus schnell, das die Kapitulation Polens nicht ohne Folge für sie bleibt. Schnell ergreifen die deutschen Truppen Maßnahmen um jüdische Bürger zu schikanieren. Die von da an zu tragende Armbinde, versehen mit einem Davidsstern, die schnell als eine Art „Brandmarkung“ erkannt wird, ist dabei nur eine der schrecklichen Sanktionen. Gerade der älteste in Szpilman’s Familie, sein Vater (Frank Finlay) bekommt dieses zu Spüren, als ihm, auf dem Bürgersteig gehend, durch ein paar kurze Schläge klar gemacht wird, das für „Juden“ lediglich die Gosse da ist.

Der Familie Szpilman’s geht es zunehmend schlechter, und nach und nach muss man das komplette Familienmobilar, das Piano inklusive, verkaufen um etwas zum essen zu haben. Es folgt die Verlegung der „Juden“ in ein Ghetto am Rande der Stadt, wo sich schnell Hunger und Gewalt seitens der Aufsichtsführenden Deutschen breit macht. Um der Familie den Hungertod zu ersparen, arbeitet Szpilman in einem schäbigen Café aber auch seine Anstellung dort verhindert nicht, das 1942 die ersten Transporte in Konzentrationslager außerhalb Warschaus stattfinden. Als einziger in seiner Familie, und nur aufgrund seiner „Bekanntheit“ entgeht Wladyslaw diesen Transporten, schlägt sich von da an als Arbeiter durch und nimmt, rein zufällig, Kontakt zu polnischen Untergrundkämpfern auf, für die er Waffen schmuggelt.

Am eigentlichen Aufstand beteiligt er sich nicht. Von Bekannten in vermeintliche Sicherheit gebracht, beobachtet Szpilman das ganze von seinem Fenster aus, sieht wie der Aufstand niedergeschlagen wird, ehe er entdeckt wird und erneut fliehen muss. Die Adresse eines vermeintlichen Freundes „in der Tasche“ macht er sich auf den weg durch die nächtlichen Straßen Warschaus, ehe er den „Freund“ und damit neue Hoffnung auf Überleben findet.

Man verfrachtet ihn erneut in eine Wohnung, diesmal auf der deutschen Seite der Stadt und somit in der Höhle des Löwen, doch auch dort kann er, von Hunger und Angst gequält, nicht lange bleiben. Grund hierfür ist ein zweiter Widerstandskampf, den die Deutschen mit Panzergewalt niederschlagen wobei Szpilmans Wohnung zerstört wird und er erneut fliehen muss. Schutz findet er, wie das Leben so spielt, in der Baracke der Schutzpolizei, ehe diese durch Flammenwerfer gesäubert wird und der stark geschwächte Szpilman, mittlerweile mit Bart, sich erneut auf die Suche nach einem geeigneten Versteck machen muss. Er findet es in einem Verfallenen Haus, ehe er, auf der Suche nach etwas essbaren, von einem deutschen Offizier entdeckt und, nicht wie zunächst befürchtet getötet, sondern ans Klavier gesetzt wird. Vom Spiel des jungen Juden begeistert, bringt der Offizier (Thomas Kretschman) ihm immer wieder Nahrung und so überlebt er die wenigen Wochen ehe die deutschen Truppen ab-, und die Sowjetischen anmarschieren. Jene deutschen Truppen werden gefangen genommen, seinen „Retter“ kann Szpilman aber nicht mehr retten…

[faktisches - alles was man wissen kann… ]

Darsteller: Adrien Brody (Wladyslaw Szpilman), Thomas Kretschmann (Der deutsche Offizier), Frank Finlay (Der Vater), Maureen Lipman (Die Mutter), Julia Rayner (Regina), Ed Stoppard (Henryk), Jessica Kate Meyer (Halina), Ruth Platt (Janina), Emilia Fox (Dorota)

Stab: Roman Polanski (Regie/Produzent), Wojciech Kilar (Musik), Ronald Harwood (Drehbuch), Pawel Edelman (Kamera), Anna Sheppard (Kostüme)

Polanskis „der Pianist“ kam, ausgezeichnet mit der goldenen Palme (Cannes), im letzten Jahr, genauer gesagt am 24. Oktober 2002 in die deutschen Kinos. Der Film, eine Gemeinschaftsproduktion zwischen Polen, Frankreich, Großbritannien und Deutschland, hat eine Gesamtspiellänge von 148 Minuten und ist ab 12 freigegeben, was im Großen und Ganzen in Ordnung geht.


# Der Gang ins Kino
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[definiertes - eine Frage des Genre ]

Wer meinen Bericht zu „Anatomie 2“ gelesen hat, der weis das in einen „Horror-Thriller“ ein bisserl Horror und mindestens ebenso viel „Thrill“ gehört. Doch genau diese Aussage bereitet mir nun Schwierigkeiten, denn so recht einordnen kann ich „den Pianisten“ nicht. Vielleicht wäre es einfach in als „historischen Film“ zu bezeichnen denn Geschichte steckt eine ganze Menge in den gut zweieinhalb Stunden. Doch das ganze trifft es leider nicht ganz auf den Kopf. Also sollte ich nach „Genretypischen Eigenschaften“ suchen um vielleicht hier eine Antwort zu finden. Lustig? Action? Spannend? Dramatisch? Plötzlich ist es mir nicht mehr wichtig ob in einem Actionfilm Action oder in einem Drama all zu viel Dramatik steckt - gut muss er sein, das ist die Hauptsache. Fragt mich also jemand nach dem Genre, so antworte ich: „der Pianist ist ein guter Fim“.

[subjektives - meine Meinung ]

Da saß ich nun, in den Kinosessel gepresst und meinen Kopf voller Gedanken über das was ich gerade erlebt hatte. Wer mir entgegnet „einen Film kann man doch nicht erleben“, den muss ich korrigieren, wenn auch nur mit einem Wörtchen - „doch“.

Es sind oftmals die übertriebenen Darstellungen, die einem Film an Dramaturgie gewinnen lassen, ihn dabei aber oft unglaubwürdig wirken lassen. Polanski verzichtet, und bleibt dabei historisch stets korrekt, auf ein „aufblasen“ der eigentlichen Handlung. „Der Pianist“ ist kein Held, wie er einem typischen Hollywood entsprungen sein könnte, er ist ein Verlierertyp und gerade das macht ihn sympathisch während er flieht, während er leidet, während er hungert. „Mittendrin statt nur dabei“ heißt die Divise, denn, tief in den Kinosessel gepresst, leidet der Zuschauer permanent mit dem armen Juden, als sei er ein Freund, ein Bekannter, ein Nachbar. Dabei sind es vor allem die Bilder mit denen Polanski die Angst beim Kinobesucher schürt. Die Angst entdeckt zu werden ist allgegenwärtig und hier und da kaum erträglich. Langsam aber stetig baut der erfahrene Regisseur Spannung auf, die sich erst in den letzten Minuten auf- und den Betrachter so erlöst.

Dabei sind es aber nicht nur die beeindruckenden, weil authentischen, Bilder des Warschauer Ghettos die den Zuschauer von der ersten Minute an zu fesseln wissen. Im Gegenteil, Bilder von Kopfschüssen und sinnlosem Töten, ebenso wie Hohn und Willkür seitens der Deutschen schüren Gefühle in den Köpfen der Menschen. Wut - vielleicht; Unverständnis - mit Sicherheit; vor allem ist es aber ein seltsames Mitgefühl das sich entwickelt, weil es sich in einem Menschen entwickeln muss, möchte er sich als ein solcher bezeichnen. Kopfschütteln und entsetzte Äußerungen inklusive.

Film ist Kunst. Nicht oft; leider selten, doch an dieser Stelle geistert das Wort „Gesamtkunstwerk“ durch meinen Kopf. Auf der einen Seite stehen wunderschön ausgewählte Pianoklassiker und ein überragend agierender Adrien Brody. Auf der anderen Seite ein glaubhaftes, weil wahres Ambiente. Doch nichts von all dem sticht hervor. Es ist das „Ganze“ was beeindruckt. Es sind nicht etwa die Details, die den Film sehenswert machen, aber ohne sie wäre er es nicht.

Soll ich Polanskis aktuellen, und die Bezeichnung wirkt dabei unwürdig und plump, „Streifen“ mit nur einem Wort beschreiben, so wäre es nun Zeit für eine Reihe von Superlativen, doch dies entspräche dem Film und ich denke auch der Intention des Regisseurs nicht. Er zeigt das Leben im Getto so, wie er es wohl erlebt hat und lässt uns so teilhaben an einer schrecklichen, vor allem aber an einem Teil unserer Geschichte.

Das „der Pianist“ bereits im letzten Herbst bei uns in den Lichtspielhäusern anlief, war mir unbekannt als ich die Kinokarte am Schalter, Sonntagabend gewohnt Menschenleer, löste. Warum ist nur eine Frage die mir seit dem durch den Kopf schwirrt, denn was Polanski da auf Zelluloid gebannt hat ist kurz um ein Meisterwerk.


# Fazit
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[vergleichbares - Filme über den Holocaust ]

„Das kennen wir doch schon.“ „Was interessiert mich das?“ Filme über unsere Vergangenheit genießen nicht gerade Seltenheitswert und doch ist es gefährlich diese miteinander zu vergleichen und als „gleich“ abzutun. So erschienen in den letzten Jahren mit „Schindlers Liste“ und „das Leben ist schön“ noch zwei weitere Filme die sich speziell mit den Geschehnissen des Holocausts befassen, beide jedoch auf ihre Art und Weise; und beide Oskar prämiert. Meine Überschrift „vergleichbares“ ist somit hinfällig, denn „der Pianist“ ist nicht etwa schlechter oder besser, wichtiger oder unwichtiger, vielmehr ist er anders und wichtig. Dies sind die anderen beiden allerdings auch. Ich möchte an dieser Stelle davor warnen, zu verallgemeinern, denn besser oder schlechter ist oft Betrachtungsweise. So nimmt die „Nachbereitung“, das in sich aufnehmen und verarbeiten, einen großen Teil der „Zeit nach dem Film“ ein, denn all zu schnell lässt wohl keines der schrecklichen Geschehnisse den Betrachter los.

[empfehlenswertes? ]

Ja. Einen Moment überlegte ich nur dieses eine Wort stehen zu lassen, der Schlichtheit wegen und weil es mehr kaum zu sagen gibt. Polanski beeindruckt und ergreift mich, lässt mich leiden, hoffen und bangen; nur sterben lässt er mich nicht und schreibt sich so den Slogan auf die Fahne der selbst in der dunkelsten Stunde Hoffnung zu geben scheint. „Sieh immer das Gute daran“. Ich möchte es versuchen. Szpilman sah es, hunderttausende sahen es nicht…




© der_dominator - Mitte Februar 2003

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