Die Klavierspielerin (DVD) Testbericht

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ab 8,38
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Erfahrungsbericht von LilithIbi

"Ab heute bestimmst du über mich."

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Passend zum Buch legte ich mir – mehr oder minder konsequenterweise – ebenfalls die Verfilmung von

===Die Klavierspielerin=== zu; schenkte der darauf thronenden Bezeichnung „obzön, skandalös, pervers“ hingegen keinerlei wirkliche glaubende Beachtung ~ wer Michael Haneke kennt, der weiß, dass dessen Werke oftmals recht pompös angekündigt werden (u.a. „Funny games U.S.“) , sich der wesentliche Kern hinter den entsprechenden Schlagworten jedoch eher versteckt hält.

De facto hält sich die 134minütige Bebilderung hin und wieder detailgetreu an die Romanvorlage Jelinek's; während andere, meiner Meinung nach durchaus wertvolle Informationen, herausgelassen wurden. Die '''DVD-Extras''' habe ich dahingehend beachtet, dass ich mir das '''Interview''' mit Michael Haneke zumindest zum Teil angesehen habe ~ hier erklärt dieser, dass der einstigen Autorin seine Umsetzung durchaus gefiel, obschon es in der naturgemäßen Sache liegt, dass diejenigen, die das Buch kennen, im Film viel vermissen werden.

Darüber hinaus weiß der Regisseur, mit der vorhandenen Kritik – sprich: viele Zuschauer buhten auf der Premiere den Film aus, wovon auf der DVD-Hülle natürlich nichts zu lesen steht – umzugehen. Laut ihm fände er es viel beunruhigender, wenn dem nicht der Fall gewesen wäre.

'''Biographie''', '''Filmographie''', '''Kinotrailer''', '''TV-Clips''', '''Making of'''' wie die sonstigen '''Intverviews''' habe ich mir hingegen mal wieder nicht angesehen; um mich persönlich nicht völlig mit Infos überversorgt zu fühlen.
Der Film selbst beschäftigte mich schon genug.

_Die Handlung_ ist wie bereits im Buch denkbar profan zusammenfassbar:
die fast 40jährige Klavierlehrerin Erika Kohut (Isabelle Huppert) teilt sich mit ihrer dominanten Mutter (Annie Girardot) eine kleine Wohnung in Wien. Verspätet sich die Tochter auch nur 5 Minuten, ruft jene bei ihren Terminen an und erkundigt sich nach dem Verbleib, wacht darüber hinaus mit Argusaugen über die einzelnen Ausgaben und verlangt Rechenschaft für achso-vieles.
Kontakte mit anderen Männern sind alles andere erwünscht; kaum nähert sich ein solches Geschöpf einer der beiden Damen, weiß Frau Mama diese mit nur einem Satz vollständig zu entwerten. Die rund um die Uhr Herrschsucht erlebte kompensiert Erika dadurch, dass sie sich als strenge, zum Teil arg herablassende Lehrerin entpuppt und ihren Schüler keinerlei Schonung entgegenbringt.

Über kurz oder lang entwickelt Erika überdies eine vollkommen devote Ader; sprich: jene Behandlung wünscht sie sich von ihrem potentiellen Liebhaber und zugleich Klavierschüler Walter Klemmer (Benoit Magimel); schließlich träumt sie schon von Jahren davon, beim Liebesakt geschlagen zu werden....

===Die Umsetzung=== dürfte meiner Meinung nach jene Zuschauer, die das Buch nicht kennen, vereinzelt in der jeweiligen Bedeutung überfordern.

Obschon durchaus positiv zu verzeichnen ist, wie viele Dinge (Sex, Gewalt) lediglich angedeutet oder kameratechnisch geschickt vom jeweiligen Akteur verdeckt werden; '''fehlt meiner Ansicht nach der ein oder andere Eckpfeiler, um den Bogen zu er ein oder anderen Entwicklung überhaupt spannen zu können.'''

'''So vermisse ich beispielsweise die definitive Schlüsselszene, die Erika von einem bislang förmlich „geschlechtslosen“ Lehrkörper zur stetig ausufernderen Voyeurin reifen lässt.''' Besuche von Erotikshops, Peep-Shows, Pornokinos oder gar die direkte Beobachtung eines Paares nehmen im Roman eindeutig mehr Platz ein, als es schließlich in der Verfilmung der Fall ist. Eine arg irritierende „benutzte Taschentuchszene“ befremdet im Buch zwar ähnlich; lässt sich durch die dort befindliche Beschreibung jedoch besser greifen.

'''Generell kommt für meinen Geschmack der tragende Umstand der sog. „Faszination Ekel“ im Film nicht so brachial rüber, wie es dem Leser zum Teil erleichternd dargeboten wurde.'''

Erikas Vater wird lediglich am Rande erwähnt, der Umstand, dass jener nach der Schwangerschaft seiner Frau buchstäblich verrückt geworden ist und in die Geschlossene verfrachtet wurde, lässt sich fast nur mit entsprechendem Vorwissen durch eine einzige verbale Andeutung vernehmen.

Möglich, dass jener Umstand ohnehin lediglich eine arg unbedeutende Rolle hätte spielen können ~ dementgegen bin ich der Meinung, dass gerade Filme, die sich '''vorrangig auf der psychologischen statt der profan-unterhaltenden Ebene''' bewegen, manche vermeintlichen Hintergrundinformation zur gestörten Mutter-Tochter-Beziehung nur bedingt hätten unter den Tisch fallen lassen dürfen. Weiß man hingegen, dass die Mutter von Erikas Geburt an alleinerziehend war, oftmals der Gedanke „ich hab doch nur noch sie“ fruchtete... dann fühlt sich das ein oder andere Verhalten womöglich nachvollziehbarer an.

Zu kurz oder schlicht und ergreifend zu spät in Folge kommt überdies eine Szene, in der Erika sich an ihrem Genital selbst verstümmelt. '''Jener Rasierklingen-Moment bzw. dessen Erklärung, respektive Ziel kann meiner Ansicht nach fast nur von denjenigen verstanden werden, die bereits selbst ähnliche „Lustabtötungsgedanken“ innetrugen oder entsprechend thematisch vor-informiert sind.'''

~ So mittelprächtig all dies nun auch klingen mag, so galant wurde die vorherrschende Atmosphäre zwischen den einzelnen Protagonisten eingefangen. Bereits in den ersten Filmszenen ist klar, wie das Mutter-Tochter-Verhältnis aussieht; sodann dauert es nicht lang, bis erkennbar ist, dass Erika beinahe völlig gefühlskalt agierend durchs Leben schreitet. Überaus aufmerksame Zuschauer werden aus den Momenten, in denen sie nach einer zufälligen Berührung ihren Mantel mehrfach abstreicht; stetig mit hochgeklappten Kragen durch die Gegend schreitet und generell die personifizierte Unnahbarkeit darzustellen versucht.

Die Figur des Walter Klemmer erscheint im Film in seinem Anliegen (sprich: Date) direkter als im Buch, passt jedoch einwandfrei in die Rolle, die der Darsteller ihm aufbürdet. Tatsächlich überzeugt keine der drei Hauptfiguren oder der einzelnen Nebenfiguren wenig; allen voran brilliert meiner Ansicht nach Benoit Magimel fast noch am meisten. So sehr er sich in seine Lehrerin verliebt zu haben meint, so deutlich trägt er die entsprechende Verzweiflung vor, die ihm nicht zuletzt durch Erikas Brief aufgelastet wird.

Fast schon fatal im weiteren Zusammenhang, dass Roman-Kenner das Wissen auf ihrer Seite haben, dass Erika mitunter um Beleidigungen bettelt ~ im Film hingegen davon jedoch nichts zu vernehmen ist. Der ein oder andere mag sich dies vielleicht denken können; ich persönlich allerdings würde eher unterstellen wollen, dass der filmische Walter die Worte, die er Erika hinterherwirft, tatsächlich so meint. Wobei schon alleine diese Szene somit durchaus zu Diskussionen anregen dürfte; ein Umstand, der alles andere als uninteressant sein dürfte ~ nicht zuletzt im Zusammenspiel mit der späteren erfolgten Aussage

_„Ich will ja spielen lernen, Frau Professor.“_

===Summa summarum=== stellt „Die Klavierspielerin“ ein Werk dar, welches sich für die meisten Zuschauer nach direktem Angucken eher mau anfühlen dürfte. Lässt man das gesehene jedoch ein paar Stunden sacken, so tut sich dann doch noch die ein oder andere Schlussfolgerung, Überlegung oder gar Faszination auf ~ zumindest bei denjenigen, die für solcherlei empfänglich sind und sich nicht direkt mit voller Aufmerksamkeit der nächsten Beschäftigung widmen.
Erwähnenswert an dieser Stelle vermutlich die Beurteilung, zu der sich Michael Haneke hinreißen lies: '''in Frankreich gelten Filme als Kunst, hierzulande hingegen sollen sie oftmals als reine Unterhaltung dienen.'''

Tatsächlich ist der Unterhaltungswert von „Die Klavierspielerin“ nicht sonderlich hoch; genauso wie auch das Buch _wirklich spannend ist. Sehenswert vielmehr die zerstörerische Kraft diverser zwischenmenschlicher Beziehungen; nicht zuletzt die Thematisierung des generellen Leistungsdrucks, der oftmals von Müttern auf deren Töchter gelegt wird.

Die meinige definitive wooooow-Szene findet an der Stelle statt, in der Erika einen indirekten Angriff auf eine ihrer Schülerinnen verübt. Selbst über das Motiv kann man sicherlich geteilter wie auch widersprüchlicher Meinung sein ~ ob nun Eifersucht im Spiel war oder gar doch der unbedingte Wille, Anna Schober (Anna Sigalevitch) ein ähnliches Schicksal wie das ihrige zu ersparen... so wirklich sicher sein kann man sich mit der potentiell eigenen Auflösung vermutlich nie.

Bitterster Patzer bezüglich der Umsetzung zweifellos der Aspekt, dass mancherlei derartig unecht aussieht, so dass wie eigentliche Wirkung auf den Zuschauer beinahe völlig verpufft. Wie bereits in „Domestic Violence“ ist in „Die Klavierlehrerin“ deutlich erkennbar, dass die ausgeführten Ohrfeigen vielmehr angedeutet werden als dass sie buchstäblicherweise treffen.
'''Nicht, dass wir uns falsch verstehen''': ich verlange natürlich nicht, dass die Schauspieler förmlich auf einander einprügeln, nur damit es den Zuschauer möglichst zusammenzucken lässt ~ doch '''die kleinen, sanften Backpfeifen, die man hier zu sehen bekommt... die nimmt man den Protagonisten tragischerweise so rein gar nicht ab'''. Sehr derbe verhält es sich im weiteren Zusammenhang sodann in der ultimativen Schlussszene; die ich an dieser Stelle wohlweislich nicht offenbaren werde.
Fakt ist jedoch: ich schätze, ich werde nicht die einzige bleiben, die die „rückwärts“ Taste der Fernbedienung bedient, um sich das Szenario zur vollständigen Erkennbarkeit noch einmal anzusehen. Dass die Intensität hierunter leidet, muss ich vermutlich nicht expliziter ausschmücken.

Trotzdessen sich nicht wenige Szenen beinahe 1:1 an die Romanvorlage halten, würde ich persönlich allen Film-Interessierten anraten, ebenfalls einen Blick in das genannten Schriftstück zu werfen. An für sich funktioniert Haneke's Werk zwar für sich; doch die Ergänzungen, die Jelineks Roman parat hält, runden die Handlung nicht nur auf, sondern erklären vielmehr das ein oder andere oder lassen es gar in einem anderen Licht erscheinen.

_„Obzön, skandalös, pervers“_ ~ eine DVD-Titulierung, der ich ein schiefes Lächeln schenke; darüber hinaus bleibt lediglich anzumerken, dass es im Grunde ausschließlich eine einzige „echte“ wenige Sekunden anhaltende Porno-Szene gibt, die den ein oder anderen möglicherweise skeptisch auf die FSK16 Angabe linsen lässt.

Dass es bei „Die Klavierspielerin“ vorrangig um den geistigen Anspruch und nicht um die komplette Aufdröselung der Geschehnisse geht, sollte man sich in diesem Fall explizit vor Augen halten. Wer also einfach einen Film sehen möchte, der Fragen beantwortet statt welche aufwirft, der kann getrost einen weitläufigen Bogen um das – tada – made en france Werk machen.

Von mir persönlich aufgrund des „ohne manche im Buch befindlichen Eckpfeiler kann solcherlei nicht ganz verständlich gemacht werden“ Effekts berührt-verstörte drei Sterne sowie eine Neutralitätsempfehlung.

32 Bewertungen, 6 Kommentare

  • yeppton

    26.04.2011, 11:35 Uhr von yeppton
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr schoen geholfen, Lg Markus

  • kleiner_engel

    25.04.2011, 22:27 Uhr von kleiner_engel
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße und einen schönen Abend noch!!

  • Clarinetta2

    25.04.2011, 20:42 Uhr von Clarinetta2
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr gut vorgestellt

  • sigrid9979

    25.04.2011, 15:42 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    ....... frohe Ostern!

  • atrachte

    25.04.2011, 13:09 Uhr von atrachte
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh. lg

  • Nina1805

    25.04.2011, 12:24 Uhr von Nina1805
    Bewertung: sehr hilfreich

    Frohe Ostern! SH, freu mich immer über Gegenlesungen.