Die fabelhafte Welt der Amélie (VHS) Testbericht

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Erfahrungsbericht von ChiChi

Zuckersüß ist die Welt ...

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

... die uns Jean-Pierre Jeunet in „Le Fabuleux destin d\'Amélie Poulain“ präsentiert. Die Welt – das ist Paris, ausschließlich Paris, ein sauberes Paris, eines in leuchtenden Farben und bei Sonnenlicht, eines aus den Dächern, die uns den weiten Blick über die Stadt gewähren, auf denen Amélie uns verkündet, wie viele Paare gerade in diesem Augenblick einen Orgasmus haben: 15. Augenblicke. Viele Augenblicke hat Jeunet in zwei Stunden zusammengetragen und zu einem Bild aus Märchen- und Schicksalhaftem, Zufälligem und Kausalem, Komischem und Heldenhaftem zusammengefügt.

Amélie ist in dieser auf Spielfilmlänge ausgedehnten Leuchtreklame mit menschlichem Antlitz so etwas wie eine Mischung aus Mutter Teresa im Westentaschenformat, einer Frau, die ihre Bestimmung im Leben sucht, und einer Traumfigur, eine Heldin also, gegen die niemand etwas einwenden kann, weil es nichts einzuwenden gibt. Der Zufall ist es, der Amélies Leben anstößt, es zum Laufen bringt. Vorher nur Laufstall: ein Vater, der sie nie in den Arm genommen hat, aber auf seine Weise liebt, eine Mutter, Lehrerin, die von einer herabstürzenden Touristin in die ewigen Jagdgründe verbannt wurde, ein Fluch, der auf ihr liegt, weil ihr als Kind erzählt worden war, sie würde mit ihrer Kamera Autounfälle verursachen und Hochhäuser zusammenstürzen lassen. Nun ist sie Serviererin im „Deux Moulins“, einer jener typischen Bars, in der sich die typischen Pariser und Pariserinnen treffen, streiten und schweigen, beobachten und eben auch etwas trinken.

Der Zufall, das ist der Tod Lady Dianas, also etwas gar nicht Zufälliges, von dem Amélie erfährt, als sie im Bad steht. Vor Schreck lässt sie eine Kugel fallen, die an die Wand rollt und der jungen Frau hinter einem Stück abgesprungenen Mauerwerks ein Geheimnis offenbart: eine Zigarrenkiste mit einem Kartenspiel und anderen Utensilien, die ganz offensichtlich ein Junge vor Jahren dort versteckt hat. Amélie beschließt, diesen Jungen, der längst erwachsen sein muss, zu suchen, um ihm – natürlich anonym – das Kostbare zurückzugeben. Amélie beschließt mithin, sich in die Welt einzumischen, anderen zu helfen, unmerklich, ohne aufzufallen.

Und das Geschäft beherrscht die junge Frau so gut, als ob sie mit dieser Fähigkeit schon auf die Welt gekommen wäre. Die Zigaretten verkaufende Kollegin Georgette verkuppelt sie mit dem eifersüchtigen Joseph, der sich nur ständig in der Bar aufhält, um seine Ex-Freundin Gina zu beobachten und alles penibel auf Tonband aufzunehmen, was Gina tatsächlich oder vermeintlich tut.

Amélie wird Zorro und Robin Hood zugleich. Dem seinen Angestellten Lucien permanent schikanierenden Gemüsehändler bereitet sie häuslichen Horror mit Pfeffer im Wein, viel zu kleinen Pantoffeln, verstelltem Wecker und anderem. Ihrem Vater, der sein Haus nicht verlässt, stiehlt sie den Gartenzwerg, den sie vermeintlich auf Weltreise schickt und der ebenso vermeintlich Polaroid-Fotos aus aller Welt schickt, um ihren Vater zu animieren, sich die Welt anzuschauen. Der ihrem seit langem mit einer anderen verschwundenen Mann nachtrauernden Concierge, der nur ihr inzwischen ausgestopfter Hund geblieben ist, der Herrchens Foto an der Wand permanent anzustarren scheint, stiehlt sie alte Briefe und zaubert mit Schere, Kopierer und Wasserbad einen angeblichen Liebesbrief ihres Ex-Mannes, dessen Tod Amélie einem Flugzeugabsturz zuschreibt.

Amélie lügt, um zu helfen, erfindet, um andere zu rächen, täuscht vor, um Liebende zusammenzubringen, die noch gar nicht wissen, dass sie sich lieben, spielt ein bisschen Schicksal, bis es sie selbst ereilt. Der junge Mann, Nino, der in Bahnhöfen vor Schnellfoto-Automaten auf dem Boden kriecht und von Passanten weggeworfene Passfotos sucht und in ein Album klebt, das wie ein Familienalbum aussieht, einer, der auch auf der Suche ist, sein Fotoalbum verliert, das natürlich Amélie vor die Füße fällt.

Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Eine Welt der Kleinigkeiten, der kleinen Wunder, der sprechenden Bilder und Fotos, der kleinen Schubse des Zufalls und Schicksals, in der manches im Zeitraffer an uns vorbei läuft, anderes auf sich warten lässt, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreffen wird. „Le Fabuleux destin d\'Amélie Poulain“ ist ein modernes Märchen, in dem es der Regisseur tunlichst vermeidet, über den Rand des Gezeigten hinaus zu blicken. Die Charaktere bedürfen keiner näheren Betrachtung; es reicht, von ihnen zu erzählen nach der Methode: das mögen sie, das nicht. Ihre Probleme sind auch die unsrigen, ein bisschen ironisch gemildert, ein wenig ins rechte Licht gesetzt, die einen skurril, die anderen ein bisschen bösartig, die nächsten verkorkst und die letzten zum Verlieben süß.

Eine Mischung aus „Chocolat“, „Der Zauberer von Oz“ und Cinderella – wer würde das nicht mögen wollen. Audrey Tautou die Rolle auf den Leib geschnitten, Mathieu Kassovitz desgleichen und eine unterstützende Garde von Schauspielern, die nichts zu wünschen übrig lässt.


Frankreich 2001
Regie: Jean-Pierre Jeunet
Darsteller: Audrey Tautou, Mathieu Kassovitz, Rufus, Serge Merlin, Jamel Debbouze, Clotilde Mollet, Claire Maurier, Isabelle Nanty, Dominique Pinon, Yolande Moreau

Zuckersüsse Grüsse...ChiChi

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