Die deutsche Rechtschreibung (gebundene Ausgabe) / Duden Testbericht

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Erfahrungsbericht von klausalfred

Dem Willi seine Würstchenbude

Pro:

Gibt einem in Zweifelsfällen Sicherheit, sehr umfassend

Kontra:

Richtet sich manchmal zu sehr nach dem Trend

Empfehlung:

Ja

Mehrfach täglich greife ich zu diesem Bestseller, der sich in dem schmalen Bücherbord an meinem Schreibtisch gleich durch seine gelbe Signalfarbe bemerkbar macht. Der Duden ist neben dem Rechner mein wichtigstes Hilfsmittel bei der Arbeit, aber auch beim Schreiben von Berichten für Ciao oder yopi. Zurzeit benutze ich die 22., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. (Und schon habe ich einmal geblättert. Tatsächlich: „Zurzeit“ schreibt sich nach der neuen Rechtschreibung zusammen.)

Wo der Name herkommt

Der erste Duden ist im Jahre 1880 im Leipziger Bibliographischen Institut erschienen. Seinen Namen hat er von einem Mann, der trotz der großen Verbreitung des Buchs mit seinem Namen heute so gut wie unbekannt ist – Konrad Duden. Der Pädagoge wurde 1829 auf Gut Bossigt bei Wesel am Niederrhein geboren. Zu seiner Zeit gab es – so wie heute bei Dooyoo/Ciao – keine einheitliche Rechtschreibung in Deutschland. Motiviert durch die Gründung des Deutschen Reichs im Jahre 1871 stellte er ein Wörterbuch der deutschen Sprache zusammen, das rasch eine große Verbreitung fand.

Der Urduden hatte nur 187 Seiten, umfasste rund 27.000 Wörter und kostete bloß eine Mark. Der Verfasser schrieb im Vorwort, das Buch richte sich an alle, die „ohne den langsamern und schwierigern Weg der Anwendung allgemeiner Regeln auf einzelne Fälle zu betreten, mitten in der Arbeit des Schreibens, Korrigierens oder Setzens schnell und zuverlässig über ein bestimmtes Wort, dessen Schreibung ihnen im Augenblick unsicher ist, Aufschluß haben wollen ...“.

Eine Erfolgsgeschichte

Der Erfolg des Dudens beruhte auch darin, dass er sich sehr schnell zum offiziellen Wörterbuch der deutschen Sprache entwickelte. In rund 20 Jahren hatte Konrad Duden seinen Traum verwirklicht: 1901 wurde sein Werk auf einer staatlichen Rechtschreibkonferenz in Berlin für verbindlich erklärt. Ein Jahr später wurde es vom Bundesrat unter dem Titel „Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis“ für alle Bundesländer bindend; Österreich und die Schweiz schlossen sich an. Duden selbst arbeitete bis zu seinem Tod im Jahre 1911 an seinem Werk weiter.

Erst nach dem zweiten Weltkrieg gab es wieder Ansätze zu einer Auseinanderentwicklung der deutschen Sprache. In Leipzig erschien ein eigener Ost-Duden, der im Laufe der Jahre auch die Begriffe aufnahm, die oftmals aus politischen Gründen in der DDR geprägt wurden. Ich greife nach dem Duden, der 1984 vom VEB Bibliographisches Institut Leipzig herausgegeben wurde, und suche vergeblich Begriffe wie „Winkelement“ oder „Erdmöbel“. So sollte ja angeblich das Fähnchen und der Sarg in der DDR genannt worden sein. Aber wahrscheinlich war das nur westliche Feindpropaganda.

Etwas mehr vom real existierenden Sozialismus ist im Abkürzungsverzeichnis enthalten. Da gibt es sie noch, die ESP (Einführung in die sozialistische Produktion), die DSF (Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft) und die DHfK (Deutsche Hochschule für Körperkultur).

Inzwischen sind die beiden Duden wieder vereinigt. Und der Dudenverlag nennt als Verlagssitze nun gleich vier Städte im deutschsprachigen Raum, neben Mannheim und Leipzig auch Wien und Zürich. Die Redaktion allerdings arbeitet in Mannheim, wo auch das Mutterunternehmen, das Bibliographische Institut F.A. Brockhaus AG zu Hause ist. In der Mannheimer Dudenstraße Nr. 6 steht auch die Grundlage der ganzen Redaktionsarbeit, ein 15 Meter langer und gut zwei Meter hoher Karteikasten mit über drei Millionen authentischer Sprachbelege.

Was drin steht

Inzwischen ist der Duden auf 1.152 Seiten und 120.000 Stichwörter angewachsen. Und er ist heute nicht nur eine Sammlung von Wörtern in der richtigen Rechtschreibung, sondern auch ein wichtiger Ratgeber für Fragen der Grammatik und für die Zeichensetzung. Einen breiten Raum nehmen natürlich die Regeln der neuen Rechtschreibung ein, die hinten im Wortlaut abgedruckt sind und natürlich überall im Text auftauchen. Besonders hilfreich finde ich es, dass die neue Rechtschreibung in rot gedruckt ist, so dass Änderungen auf Anhieb zu erkennen sind.

Sehr nützlich ist auch die Darstellung von Rechtschreibung und Zeichensetzung am Anfang. Da wird zum Beispiel gesagt, wann man Anführungszeichen, die „Gänsefüßchen“, verwendet, wann den Apostroph oder – viel schwieriger – wann man zusammen oder getrennt bzw. groß oder klein schreibt. Natürlich kommt auch die Kommasetzung nicht zu kurz. Und dass sich die Dudenwissenschaftler auch ab und zu mal einen TV-Krimi reinziehen, verrät der Beispielsatz: „Harry, fahr bitte den Wagen vor.“

Verdient macht sich der Duden auch mit der vergleichenden Gegenüberstellung alter und neuer Schreibungen, wo ich lerne, dass man in Deutschland „zu Hause“, in der Schweiz und Österreich aber auch „zuhause“ sein kann. Im alphabetischen Wörterverzeichnis finden sich sehr häufig in rosa unterlegten Kästen spezielle Erläuterungen. So finde ich es erstaunlich, dass es zwar heißt „Wir werden bereit sein“, aber „Du musst dich immer bereithalten“.

Aber damit nicht genug. Mein gelber Helfer erläutert auch die Korrekturzeichen ebenso wie die bei der Textverarbeitung, dem Maschinenschreiben und E-Mails anfallenden Sonderprobleme. Und für Spezialisten bringt er auch das griechische Alphabet und die Transkription der griechischen Schriftzeichen in lateinische. Dafür fehlt ihm das kyrillische Alphabet, das der Ost-Duden natürlich gebracht hatte.

Der Sündenfall an der Würstchenbude

Aber jetzt wird es wohl Zeit, dass ich die Überschrift zu diesem Stück erläutere. (Und ich bitte um Verzeihung, wenn ich dabei polemisch werde.) Für mich ist der Duden nämlich nicht nur mein wichtigstes Arbeitsmittel, sondern auch mein Kronzeuge, wenn es mit Kollegen und Kunden Differenzen über die Schreibweise eines Wortes gibt. So hat kürzlich ein Kunde ebenfalls unter Berufung auf den Duden partout „das Radfahren“ getrennt schreiben wollen. Erst ein Anruf bei der Duden-Sprachberatung konnte ihn überzeugen. (Zu der komme ich später noch.)

Doch nun hat sich mein Kronzeuge gerade bei meinem Lieblingsthema, dem Gebrauch des Apostrophs (oder Auslassungszeichen) dem allgemeinen Sprachverfall angeschlossen. Mit zwei Wörtern hat er das Einfallstor für die Verluderer der deutschen Sprache geöffnet. Die beiden Wörter lauten „Willi’s Würstchenbude“ – sobald ich diese Ungeheuerlichkeit hier hinschreibe, rebelliert schon die Word-Rechtschreibprüfung. Als ich das in roter Schrift (für neue Rechtschreibung) unter Punkt K16 im Kapitel über „Rechtschreibung und Zeichensetzung“ sah, stockte mir fast der Atem. Da stand zwar ganz richtig, dass der Apostroph bei Namen steht, die auf s, ss, ß, tz, z und x enden – also „Klaus‘ Besserwisserei“ oder „Strauß‘ Walzer“. Einleuchtend ist auch noch, das neuerdings „Andrea’s Blumenecke“ mit dem Apostroph geschrieben wird. Hier geht es um die Unterscheidung vom männlichen Vornamen Andreas. Aber dann stehen da noch ganz ohne Begründung die zwei Wörter, die ich nicht wiederholen mag. Dann hab‘ ich es ja noch lieber so, wie man im Kohlenpott sagen würde: „Dem Willi seine Würstchenbude“.

Da hilft es nichts mehr, wenn die Duden-Redaktion in Mannheim in ihren Anmerkungen beteuert, „normalerweise“ werde vor einem Genitiv-s kein Apostroph gesetzt. Der Sündenfall ist nicht mehr rückgängig zu machen.

Sprachberatung per Telefon

Ich will es noch nicht wahrhaben (das zweite Mal nachgeguckt) und rufe die Duden-Sprachberatung an. Sie beantwortet montags bis freitags zwischen neun und 17.00 Uhr Fragen zur Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik u. Ä. zum Minutentarif von 3,63 DM (etwa 1,90 Euro). Bei dem Preis kommt man immer sofort dran, wenn man die Nummer 0190-870098 gewählt hat. Aber man gönnt sich ja sonst nichts. Die Dame am anderen Ende ist ein bisschen verlegen, sie findet auch keine Begründung. Es habe wohl keine Übereinstimmung in der Redaktion geherrscht. Außerdem müsse man sich dem Sprachgebrauch anpassen.

Nun gut, das verstehe ich ja. Aber dann sollen sie das klar ausdrücken und nicht verschämt ein einziges Beispiel dafür bringen und dann in ihren Anmerkungen das Gegenteil sagen.

Die Hintertür ist schon geöffnet

In allen anderen Fällen, in denen der Apostroph falsch eingesetzt wird, steht der Duden zwar noch auf meiner Seite. Aber hier gibt es auch schon Anzeichen für einen Kurswechsel. So schreibt die Redaktion: „Bei den allgemein üblichen Verschmelzungen von Präposition (Verhältniswort) und Artikel setzt man – und nun kommt es – in der Regel keinen Apostroph.“ In der Regel – da wird die Hintertür bereits geöffnet. Aber noch heißt es „fürs, ums, ans etc.“ Und die Auslassungszeichen in „Berlins älteste Kneipe“, „sonnabends“ oder \"Handys“ sind immer noch falsch. Ich frage mich nur, wie lange noch.

Noch ein paar Fakten

Der Rechtschreib-Duden (ISBN 3-411-04012-2) kostet in Deutschland glatte
20,00 Euro, die Österreicher müssen 60 Cent mehr berappen. Und in der Schweiz kostet er 35,40 sFr. Für Buch und CD-Rom (ISBN 3-411-70922-7)
zahlt man 25,50 oder 26,30 Euro bzw. 44.40 sFr.

Dass der gute alte Rechtschreib-Duden auch noch elf Geschwister hat, zum Beispiel das Stilwörterbuch, das Bildwörterbuch, das Fremdwörterbuch, das Aussprachewörterbuch ist nicht allgemein bekannt. Für besonders empfehlenswert halte ich noch Band 9: „Richtiges und gutes Deutsch – Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle“.

Zum Apostroph-Missbrauch: http://members.aol.com/apostrophs/
Zum Duden allgemein: http://www.duden.de/

erschienen auch bei Ciao und Dooyoo

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