Elling (VHS) Testbericht

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ab 10,29
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Erfahrungsbericht von T-Shirt

Zwei Verrückte zum Liebhaben

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Was kennt der durchschnittliche Mitteleuropäer von Norwegen? Fangfrischen Seelachs, medaillenbehängte Langläufer und seichte Popmusik (die Band mit dem eingebauten Aha-Erlebnis – ihr wisst schon). Dass in Norwegen auch gute Filme gedreht werden, hat bislang zu den am besten gehütetsten Geheimnissen des skandinavischen Landes gehört - dank „Elling“ hat sich das geändert.

Hauptfigur Elling (Per Christian Ellfsen) hat seine rund 40 Lebensjahre ausschließlich zu Hause bei seiner Mutter verbracht, praktisch ohne Kontakt zur Außenwelt. Als die Mutter stirbt, wird Elling in eine psychiatrische Anstalt verfrachtet, wo er sich ein Zimmer mit dem etwa gleichaltrigen Kjell Barne (Sven Nordin) teilt. Nach zwei Jahren tauschen die beiden, die inzwischen Freundschaft geschlossen haben, ihr Anstaltszimmer unter regelmäßiger Betreuung eines Sozialarbeiters gegen eine kleine Wohnung in Oslo.

So entsteht eine skurille WG: Auf der einen Seite Elling - jahrelang lebte er abgeschottet von der Außenwelt und hat daher größte Probleme im Umgang mit fremden Menschen – schon der Gang durch ein vollbesetztes Lokal ist für ihn die reinste Tortur.

Auf der anderen Seite Kjell Barne - ein gutmütiger Bär, der zwar mit den Händen geschickt ist, aber geistig zurückgeblieben scheint. Wortkarg, wie er ist, hat er ähnlich große Probleme, mit anderen Personen Kontakt zu knüpfen. Er trägt Menschen eher durch die Gegend als mit ihnen zu reden, und Konflikte versucht er dadurch zu bewältigen, dass er seinen Kopf gegen die Wand hämmert.

Und so haben die beiden Freunde eine schwere Aufgabe vor sich: Sie müssen ihre soziale Inkompetenz überwinden und versuchen, sich ins „normale“ Leben zu integrieren – ein Weg, der aus Sicht der beiden Hauptfiguren einem Abenteuer gleicht.

Diese scheinbare Problem-Story erzählen Autor Axel Hellstenius und Regisseur Petter Naess mit einer unglaublichen Lockerheit. Statt ein vor Betroffenheit triefendes Drama zu inszenieren, erzählen sie die Geschichte der beiden Sonderlinge mit jeder Menge leichtfüßigem Humor. Dabei machen sich Hellstenius und Naess niemals über ihre beiden Protagonisten lustig oder führen sie gar vor. Sie stehen jederzeit auf der Seite von Elling und Kjell Barne. An keiner Stelle des Films stellt sich dem Zuschauer die Frage, ob man aus übertriebener politischer Korrektheit überhaupt über zwei Behinderte lachen darf. Die Geschichte der beiden wird mit einem derart sensiblen, gutmütigen und warmherzigen Humor erzählt, dass man nie den Ansatz eines schlechten Gewissens haben müsste. „Ich wollte, dass das Publikum lacht, weil es mit den Figuren fühlt, nicht weil es sie seltsam findet“, beschreibt Petter Naess sein Anliegen – kein Zweifel, das ist ihm absolut gelungen.

„Elling“, der auf einem Roman von Ingvar Ambjörnsen basiert, ist in Skandinavien der mit Abstand erfolgreichste Film aller Zeiten und war als beste ausländische Produktion sogar für den Oscar nominiert. Bevor man aus dem Roman einen Film gemacht hat, wurde die Geschichte mit den gleichen beiden Hauptdarstellern zunächst einmal als Theaterstück aufgeführt. Hierin liegt auch ein kleines Problem des Films: Er wirkt zeitweise tatsächlich, als ob man ein Theaterstück auf eine Filmrolle gezwängt hat. Die Kinoleinwand scheint viel zu groß für diesen Streifen, der in seiner filmischen Umsetzung eher wie ein Fernsehfilm daherkommt.

Darüber hinaus überzeugt das Drehbuch nicht immer hunderprozentig. Natürlich müssen Elling und Kjell Barnre zahlreiche Hürden überwinden, aber Rückschläge in ihrer Entwicklung müssen sie eigentlich nie einstecken. Das Tempo, in dem sie sich in ihrer neuen Umgebung und ihrem neuen Leben zurecht finden, wirkt nicht immer ganz glaubwürdig. Und warum Alfons Jörgensen (Per Cristensen), offenbar ein bekannter Lyriker, kaum, dass er Elling kennengelernt hat, mit ihm, Kjell Bjarne und dessen neuer Flamme Reidun (Marit Pia Jacobsen) gemeinsam in den Urlaub fährt, bleibt für den Zuschauer doch ein wenig rätselhaft.

Aber diese kleinen Kritikpunkte schmälern den Filmgenuss nur wenig. Das ist vor allem Elling-Darsteller Per Christian Ellfsen zu verdanken. Eigentlich bräuchte er fast gar keinen Text: Man staunt, wie er allein mit Gestik und Mimik jede Gefühlsregung seiner Figur beeindrucken glaubwürdig darstellt – seien es Ellings neurotischen Verklemmtheiten oder seine innere Zerissenheit, als Kjell Barne eine Frau kennen lernt und Elling ihm einerseits zwar sein Glück gönnt, aber andererseits auch rasend eifersüchtig ist und Angst hat, seine mit Abstand wichtigste Bezugsperson zu verlieren.

Auch das Drehbuch trägt einen Großteil zum Vergnügen bei: Trotz aller dramaturgischen Schwächen werden die beiden Hauptfiguren ausgesprochen liebevoll gezeichnet und sorgen neben vielen humorvollen Szenen auch für unglaublich rührende Augenblicke: Sei es, dass Elling dem besten Freund seine Unterhose leiht, weil dieser die Nacht mit einer Frau verbringen will – sei es, dass Kjell Bjarne gleich nach dem Einzug in die neue Wohnung sein Bett ganz selbstverständlich aus seinem eigenen Schlafzimmer herausträgt und es, wie aus der Heilanstalt gewohnt, direkt neben Ellings Bett stellt ... selten hat Humor so viel Warmherzigkeit versprüht.

Und so sind einem nach 90 Minuten im Kino die beiden schrulligen Hauptfiguren derart ans Herz gewachsen, dass man eigentlich nur noch einen Wunsch hat: Elling und Kjell Barne in den Arm zu nehmen und zu knuddeln. Nicht nur, dass uns dieser Film zeigt, dass Norwegen mehr zu bieten hat als Lachs, Langlauf und Lala-Pop – er schafft es, zwei Figuren zu entwerfen, die einem nicht so bald aus dem Sinn gehen.

17 Bewertungen, 1 Kommentar

  • Libraia

    11.06.2002, 02:18 Uhr von Libraia
    Bewertung: sehr hilfreich

    ich habe den Film immer noch nicht gesehen, leider! Gruß, Elvira