Fahrenheit 9/11 (DVD) Testbericht

Fahrenheit-9-11-dvd
ab 4,64
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Erfahrungsbericht von kasmodiah

Einfach überwältigend

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Ich habe bisher zwei Filme von Michael Moore gesehen und ein Buch gelesen. Somit bin ich also mit dem Stil von Moore vertraut und habe darauf verzichtet mich inhaltlich mit Fahrenheit 9/11 auseinander zu setzen. Ich wusste nur, dass Moore sich in erster Linie mit Bush auseinandersetzt, ansonsten bin ich absolut unbefangen ins Kino gegangen.

Anfangs beschreibt der Film die Übernahme der Präsidentschaft durch Bush. Dabei wird auf zahlreiche Korruptionen hingewiesen, die nicht zuletzt auch bzw. hauptsächlich auf Papa Bush zurückgehen. Es schien anfangs als würde Michael Moore das Buch \"Stupid White Man\" als Film umsetzen. An dieser Stelle war ich ein wenig enttäuscht, denn mir lag nicht an einer cineastischen Darstellung des Buches. Nach einiger Zeit, ich schätze nach einer halben Stunde, gehen Buch und Film getrennte Wege. Von nun an begann der Film für mich interessant zu werden.

Die eigentliche Geschichte beginnt beim Attentat auf das World Trade Center. Das Unglück selbst wird stark in Szene gesetzt. Es werden Bilder gezeigt, die beinahe künstlerisch wirken. Staub legt sich sanft über die Straßen, es ist sehr viel grau in grau zu sehen. Bilder die aufs Gemüt gehen, aber dennoch keine Bilder des Grauens. Die Attacke durch die Flugzeuge wird ebenso wenig gezeigt, wie Verletzte, Tote oder gar Leute, die aus dem Fenster springen. Nichts dergleichen. Der Zuschauer wird nicht durch schreckliche Bilder geschockt, sondern durch laute, eindringliche Geräusche und (beinah) stimmungsvolle Bilder berührt.

Anders geht es bei der Umsetzung des eigentlichen Inhalts zu. Grauenvolle Bilder schocken den zart besaiteten Zuschauer. Verletzte Menschen, Soldaten, vor allem aber Kinder. Tod und Verletzung werden in den schaurigsten Details dargestellt. Große, offene Wunden, abgetrennte Körperteile, Erschießungen, ja sogar eine Köpfung wird dem Zuschauer nicht vorenthalten. Wer glaubte, eine politische Dokumentation zu sehen zu bekommen, irrte. Nicht wenige Leute begaben sich während des Films nach draußen, weil sie nicht verarbeiten konnten, was sie sahen. Mit einem Splatter haben viele Zuschauer, vor allem die älteren, nicht gerechnet.

Einige junge Leute fanden toll, was sie dort sahen. Was man sonst nur in Action-Filmen zu sehen bekommt, wird hier in einer Dokumentation dargestellt. Nicht nur getreu bis ins letzte Detail, sondern auch noch in Hülle und Fülle. Es fanden sich sogar welche, die bei der Enthauptung, die ziemlich früh in diesem Film stattfindet, jubelten. Doch auch diesen gingen Michael Moore ins Netzt. Wer abgebrüht genug war für die Massaker, der wurde eben auf emotionaler Ebene getroffen. Durch den ganzen Film führen diverse Einzelschicksale. Im Vordergrund steht dabei die Geschichte einer recht patriotischen Familie. Wie üblich für Amerikaner, scheint die Vaterlandsliebe und Überzeugung der Familie übertrieben. Der Patriotismus ist meiner Meinung nach im gesamten Film zu übertrieben und vordergründig dargestellt. Aber so sind die Amis nun mal. Und letzt endlich wettert Michael Moore ja nicht gegen George Bush, sondern für sein Land. Da darf eine typisch amerikanisch patriotische Darstellung nicht fehlen. Das mag einem gefallen oder auch nicht, aber auf jeden Fall ist Moore vor allem mit der Geschichte eben dieser Familie eine überwältigende, emotional mitreißende Schicksalsdarstellung gelungen, die wohl kaum jemanden unberührt ließ. Während der gesamten Erzählung lebt und leidet man mit dieser Familie. Je tiefer die Geschichte vordringt, um so ruhiger und angespannter wurde die Stimmung im Kino. Man konnte die Luft vor Anspannung knistern hören. und es nicht zuletzt dieses Schicksal, das dazu führte, dass auch nach Filmende die Leute noch dermaßen betroffen und berührt waren, dass kaum einer es wagte, das erste Wort zu sprechen.

Fahrenheit 9/11 ist ein dermaßen bedrückender und mitreißender Film, dass ich glaube, jene Szenen, die beinahe komisch rüberkommen und zwischendurch zur Auflockerung beitragen, absichtlich so eingebaut wurden, damit der Zuschauer nicht in abgrundtiefe Melancholie fällt. Diese Szenen sind an manchen Stellen wirklich nötig um wieder zu sich zu finden und sich aus dem Sog des immensen Mitleides und der Schockiertheit ein wenig lockern zu können. Meist tauchen solche Szenen auf, wenn es weniger um Leid und Krieg, als mehr um die Politik im engeren Sinne geht. Bemerkenswert, was Bush sich an Fehltritten leisten konnte. Und dennoch musste er keine Konsequenzen daraus tragen. Sicherlich ist es eine Frage der Inszenierung Bush als verzogenes, dummes, egoistisches ... Balg da stehen zu lassen. Moores Note ist dabei unverkennbar. Aber dennoch bleiben die eigentlichen Fakten real. Nicht inszeniert, nicht erfunden, gerichtlich beglaubigt. Wenn man das im Hinterkopf hat, kann man die meiste Zeit des Films nur mit dem Kopf schütteln.

Eher als andere Kinofilme ist Fahrenheit 9/11 bereits sehr kurz nach der Veröffentlichung auf Video und DVD erschienen. Darüber hinaus, kommt er bereits nächste Woche schon im TV. Ich kann diesen Film wirklich jedem halbwegs politisch Interessierten ans Herz legen. Im TV ist er wahrscheinlich auch für die etwas \"zarteren\" Zuschauer geeignet, denn in einem hellen Wohnzimmer bei Zimmerlautstärke und mit Werbepausen sollte der Film nicht so bedrückend wirken wie im dunklen, lauten Kino. Außerdem ist davon auszugehen, dass die blutigen Szenen sehr stark geschnitten sein werden. Dennoch wird Fahrenheit 9/11 auch im TV ein sehenswerter Film sein.

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