GoodFellas (DVD) Testbericht

D
Goodfellas-dvd-kriminalfilm
ab 7,52
Auf yopi.de gelistet seit 11/2010
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Summe aller Bewertungen
  • Action:  viel
  • Anspruch:  sehr anspruchsvoll
  • Romantik:  sehr niedrig
  • Humor:  durchschnittlich
  • Spannung:  sehr spannend

Erfahrungsbericht von Bjoern.Becher

American Nightmare

Pro:

von der Story über die Darsteller hin zur formal perfekten Inszenierung: einfach ALLES

Kontra:

NICHTS

Empfehlung:

Ja

Als „American Nightmare“ beschreibt Henry Hill in einem der Bonus-Features der Ende Oktober 2004 erschienen Special Edition DVD von Martin Scorceses Genre-Klassiker „Goodfellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia“ einen Großteil seines Lebens. Trotzdem gibt es kaum einen Tag, an dem er nicht dieses Leben vermisst. Nun ist er durchschnittlicher Niemand und wird denn Rest seines Lebens wie ein Trottel verbringen, wie der im Film über die meiste Zeit von Ray Liotta gespielte Hill als Abschiedsworte an den Zuschauer richtet. Genauso wenig gibt es aber für ihn einen Tag, an dem er nicht froh ist, dass er sein altes Leben hinter sich gelassen hat.

Diese Zwiespältigkeit im Leben von Henry Hill ist es, welche Martin Scorcese eindrucksvoll in seinem Film zur Schau stellt. Henry Hill war bis zum Jahr 1980 Gangster, ein Wiseguy, ein Mafiosi und das nicht seit kurzer Zeit, sondern fast sein Leben lang. Mit elf Jahren (hier noch gespielt von Christopher Serrone) fing er an für Paul Cicero (Paul Sorvino) zu arbeiten. Erst nur kleine Botenaufträge neben der Schule, dann immer mehr. Anerkennung und Respekt, sind die Dinge, welche ihn dabei am meisten beeindruckten. Die Mafiosi behandelten ihn wie einen Erwachsenen, immer mehr wurde ihm dem Halbiren in der Welt der Italo-Amerikaner vertraut. Andere Kinder trugen seiner Mutter die Einkaufstüten nach Hause, überall wurde er zuvorkommend bedient. Er war wer und verdiente mehr Geld als sein Vater.

Mit dem in etwas gleichaltrigen Tommy (zu Beginn gespielt von Joe D’Onofrio, später von Joe Pesci) und dem älteren Jimmy (Robert De Niro), wie Ray mit irischen Vorfahren ausgestattet, bildet er ein verschworenes Trio. Kein Überfall ist für die drei zu schwer, schnell sind der pfiffige Henry, der leicht reizbare Tommy und der eiskalte Killer Jimmy die ersten Männer, wenn Jobs zu erledigen sind.

Scorcese präsentiert zu Beginn eine Welt, um die man den Protagonisten fast beneiden möchte. Es sind scheinbar keine Verbrechen, die er da verübt, er geht zur Arbeit, wie jeder andere auch. Doch seine Arbeit bringt viel mehr Geld und andere Vorzüglichkeiten. Am eindrucksvollsten ist wohl die Szene, in welcher Henry seine spätere Frau Karen (Lorraine Bracco) das erste Mal offiziell ausführt. Man geht in den angesagtesten Nachtclub der Stadt, das Copacabana. Eine lange Schlange steht vor der Tür, Stars treten hier auf. Doch Henry achtet gar nicht auf die Schlange, er betritt einen Nebeneingang. Nun zeigt uns Scorcese mit einer langen und eindrucksvollen Kamerafahrt, wie Henry durch den Hintereingang über die Angestelltenräume und die Küche schließlich mitten im angesagten Nachtclub der Stadt landet, wo sofort ein Tisch in bester Position für ihn bereit gemacht wird. Auf seinem Weg dahin, scheint er jeden zu kennen, einen Zwanziger Trinkgeld dort, einen weiteren Zwanziger hier, die Geldscheine flutschen bei den zahlreichen Händedrücken gerade so aus der Hand von Henry. Daneben Karen, die noch nicht weiß womit Henry sein Geld, die wie der Zuschauer, beeindruckt ist von dieser Szenerie. Der Mann, der sie ausführt, scheint der einflussreichste Mann in der Stadt zu sein. Ihr kommt es vor wie ein Traum. Diese Szene kombiniert mit der Schlussszene, in welcher Henry Hill einsam vor seinem Durchschnittshaus steht und froh ist wenigstens noch zu leben, gegenübergestellt zeigt wie nah Traum und Alptraum beieinander liegen.

Allen Mafia-Film ist gemein, dass irgendwann der Abstieg, der Niedergang des Protagonisten fällt. Doch wo dies in Coppolas Pate-Trilogie noch vergleichsweise sanft geschieht und bis zum Schluss die Mafiawelt etwas elegantes, etwas „cooles“, etwas aufregendes an sich hat, geht der Abstieg hier brutal vonstatten. Es kommen wie immer viele Faktoren zusammen, Tommy rastet etwas zu oft aus und bringt die falschen Leute um, Henry verfällt dem Kokain und fängt gegen den Willen seines Bosses an, damit zu handeln (eine Parallele zu dem Paten, wo es genau umgekehrt ist und die Weigerung von Don Corleone mit Drogen zu Handeln der erste Schritt zu seinem Tod ist).

Auch hier zeigen zwei Szenen gegenübergestellt eindrucksvoll mehr als tausend Worte. Das Hochzeitsfest von Henry und Karen mit zahlreichen Gästen. Alle sitzen sie beisammen, es sind nicht nur Freunde, es ist eine große Familie. Man denkt nie, dass hier einer dem anderen was tun kann. In einer Szenenabfolge in einem späteren Teil des Films sieht man die gleichen Männer wieder. Man sieht sie wie bei der Hochzeitsszene (oder auch einer Barszene zu Begin) alle kurz hintereinander. Doch diesmal sieht man sie nicht lachen und gemeinsam feiern und die Kamera gleitet nicht durch einen Raum. Es sind nun mehrere Szenen, verschiedene Schauplätze und keiner der Männer lacht mehr. Einer sitzt erschossen in seinem Auto, ein anderer hängt tot an einem Fleischerhaken in einer Kühlzelle und so weiter und so fort. Wenn es hart auf hart kommt, verwandelt sich der Traum in einen Albtraum. Was eben noch eine glückliche Familie war, die einem nicht nur alle Türen öffnete, sondern in welcher Du Dich geborgen fühlen konntest, bedroht Dich nun mit Deinem Leben. Um die eigene Haut zu retten muss jeder sterben, der einen verpfeiffen könnte.

Was Scorceses Film so stark macht ist die Tatsache, dass er nicht nur einfach eine Geschichte, nämlich die von Henry Hill erzählt, sondern dass er sie förmlich dokumentiert. Ray Liotta als Henry Hill und in einigen Szenen auch Lorraine Bracco als seine Frau reden kommentieren oftmals aus dem Off die Handlung. Eine Maßnahme, die sich oftmals als nervtötend erweisen kann, vor allem wenn der Zuschauer mit Erklärungen versorgt wird, die sowieso überflüssig sind, passt hier perfekt und macht den Film stimmiger. Gegen Ende wendet sich der Protagonist sogar direkt an den Zuschauer, so in der Abschlussszene und bei seinem Gerichtsauftritt. Es verstärkt die Wirkung des nach der Aussage des echten Henry Hills zu 99,9 % genau verfilmten Stoffes.

Scorceses erzählt schonungslos, nimmt keine Rücksichten auf den Zuschauer. Die Gewaltszenen sind real, schon gleich in der Eröffnungsszene, wenn Joe Pesci als Tommy mit einem Fleischermesser mehrmals auf einen schon totgeglaubten anderen Mafiosi, der im Kofferraum liegt, einsticht oder bei einigen Szenen in den oft völlig unvermittelt und aus dem Nichts einer eine Kugel aus nächster Nähe durch den Kopf gejagt bekommt und das Blut durch den Raum spritzt. Scorcese ist zu keinem Zeitpunkt darum bemüht die Gewalt für den Zuschauer zu entschärfen, sondern er zeigt sie real, was auch den Film wirklicher macht. Bei dieser schockierenden Brutalität des Films ist auch die Freigabe ab 16 Jahren durch die FSK hart an der Grenze und Deutschland zeigt sich hier ausnahmsweise liberaler als der Großteil der Welt, in welcher der Film höhere Altersfreigaben bekommen hat.

Dazu bekommt der Zuschauer einen perfekten Einblick in das Leben dieser Mafiosi, für welche das alltäglich ist. Auch hier zeigt eine einzige Szene ungemein viel. Tommy, Jimmy und Henry müssen eine (vermeintliche) Leiche entsorgen und wollen bei Tommys Mutter (übrigens gespielt von der Mutter von Regisseur Martin Scorcese) nur schnell eine Schaufel holen. Doch die bemerkt die drei mitten in der Nacht und nötigt sie erst einmal hier zu bleiben und ein gutes Essen einzunehmen. So werden die drei erst einmal bekocht, sitzen dann gemütlich bei einem Essen und nur Henry fühlt sich leicht unwohl mit dem Gedanken an die Leiche, die im Kofferraum des Wagens vor der Haustür steht. Für die anderen beiden ist dies scheinbar nur eine Arbeitspause, wie es sie für jeden anderen Arbeiter auch wäre.

So kann man „Goodfellas“ durchaus als den bisherigen Höhepunkt in Martin Scorceses eindrucksvoller Karriere sehen. Bei allen anderen Vorzügen, die zum Beispiel Coppolas geniale Pate-Trilogie hat, so bietet Scorceses Werk doch den klarsten und konsequentesten Blick auf die Mafia-Welt. Dies ist nicht nur eine Folge des zugleich dokumentarischen wie packenden Stoffes, sondern vor allem ein Verdienst der formal mustergültigen Inszenierung gepaart mit den klasse Darstellerleistungen. Nicht nur Ray Liotta, der die wohl eindrucksvollste Leistung seiner Karriere liefert (und bei den Oscars zu Unrecht völlig übergangen wurde) ist hier zu nennen. An seiner Seite trumpfen Joe Pesci (Auszeichnung mit dem Oscar), Paul Sorvino und Lorraine Bracco (oscarnominiert) auf. Dazu ein Robert De Niro, der sich gegenüber seinen sonstigen Rollen hier sehr zurücknimmt und gerade dadurch eine Performance sehr starke Performance abliefert. Formal einer der herausragendsten Szenenfolgen ist dazu neben der schon beschrieben Kamerafahrt durch das Copacabana, die Darstellung von Henrys vermeintlicher Paranoia, wenn er sich am Ende völlig zugekokst von einem Polizeihubschrauber verfolgt fühlt und der Zuschauer lange Zeit nicht weiß, ob es wirklich nur die Paranoia eines Drogensüchtigen ist oder real. Diese Szene ist vielleicht das Beispiel überhaupt für das Zusammenspiel zwischen dem perfekten Einsatz der filmischen Mittel und einer hervorragenden Darstellerleistung in diesem rundum gelungen und nur empfehlenswerten Meisterwerk.


Wie eingangs erwähnt ist der Film nun auf einer Special Edition mit 2 DVDs erschienen. Diese bietet nicht nur den Film in hervorragender Bild- und Tonqualität, sondern auch eine Menge Extras. So gibt es auf der zweiten Disc unter anderem einen kleinen Dokumentarfilm, in welchem der echte Henry Hill mehrmals zu Wort kommt und noch einmal auf die Realität des Films verweist. In einem anderen Feature beschreiben Regisseure wie Joe Carnahan (Narc), Richard Linklater (School of Rock), Jon Favreau (Made), Antoine Fuqua (Training Day), Frank Darabont (The Shawshank Redemption) und andere ihre Eindrücke zum Film und wie sie dieser geprägt hat. Auf der ersten Disk gibt es zudem noch zwei Audiokommentare, einen mit dem echten Henry Hill und dem ehemaligen FBI-Agenten Edward McDonald (der im Film nur am Ende kurzzeitig vorkommt), und einen weiteren, in dem so gut wie die ganze Crew mal eine Szene kommentiert. Letzter ist aber kein kompletter Audiokommentar, sondern einige Szenen werden ausgespart und übersprungen und bei anderen Szenen gibt mal Scorcese, mal Buchautor Nicholas Pileggi, mal Kameramann Michael Ballhaus, mal Darsteller Ray Liotta oder jemand anderes seine Eindrücke und Informationen wieder.


Darsteller: Ray Liotta (Henry Hill), Robert De Niro (Jimmy Conway), Joe Pesci (Tommy DeVito), Lorraine Bracco (Karen Hill), Paul Sorvino (Paulie Cicero), Frank Sivero (Frankie Carbone), Catherine Scorsese (Tommys Mutter), Charles Scorsese (Vinnie), Illeana Douglas (Rosie)

Regie: Martin Scorsese
Buch: Nicholas Pileggi, Martin Scorsese nach dem Roman „Der Mob von innen“ von Nicholas Pileggi beruhend auf der Geschichte von Henry Hill
Kamera: Michael Ballhaus
Schnitt: Thelma Schoonmaker

http://www.ofdb.de/view.php?page=film&fid=2234

http://german.imdb.com/title/tt0099685/

© Björn Becher 2005

28 Bewertungen, 1 Kommentar

  • ZordanBodiak

    15.01.2005, 16:13 Uhr von ZordanBodiak
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich an deiner Stelle würde dein Pro und Kontra noch mal überdenken :o)