Good Bye, Lenin! (VHS) Testbericht

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Erfahrungsbericht von LosGatos

Urlaub im Ossiland - Teil 3

Pro:

subtile Aufbereitung der Wiedervereinigung

Kontra:

sowas wird zu selten geboten

Empfehlung:

Ja

Natürlich hatten wir einen Fernseher in unserer Ferienwohnung auf Rügen. Aber Fernseher mit zunehmender Anzahl von Programmen und dennoch kontinuierlich sinkendem Niveau waren noch nie ein Grund, nicht mehr ins Kino zu gehen. Und so nah zu einem Kino hatten wir es noch nie wie in unserem Urlaubsort Göhren. Noch näher als das Kino lag natürlich gerade im Ossiland der Gedanke, uns Wolfgang Beckers Polit-Komödie „Goodbye, Lenin“ anzusehen. Das Tüpfelchen auf dem „i“. Und diesen Film wollte ich ohnehin unbedingt mal anschauen.

Christiane Kerner ist alleinerziehende Mutter zweier Kinder und überzeugte und linientreue Sozialistin. Zumindest spielt sie diese Rolle perfekt. Nicht nur die Schauspielerin Katrin Sass, sondern Christiane Kerner als Bürgerin der DDR. Ihr Mann hat sie verlassen, ist in den Westen geflüchtet und hat dort eine andere geheiratet. So jedenfalls die offizielle Version, die sie auch ihren Kindern Alex (Daniel Brühl) und Ariane vermittelt. Später werden wir erfahren, dass die Wahrheit etwas anders aussieht.

Ein Zeitsprung versetzt uns ins Jahr 1989, da wo die Welt eine entscheidende Wendung erlebte. Alex, der im Film die Geschichte aus seiner Sicht schildert, ist mittlerweile 18 und mit Tausenden DDR-Bürgern geht er auf die Straße und demonstriert gegen das Regime. Wird es eine Wiederholung der Ereignisse des 17. Juni 1953 geben oder der Aufstände in Ungarn 1954 und Prag 1968? Oder ist es nach 40 Jahren Sozialismus Zeit einzugestehen, dass der Sozialismus nicht in der Lage war, die Lehren von Marx und Engels menschengerecht umzusetzen? Schließlich ist da jetzt ein Gorbatschow, der Begriffe wie Glasnost und Perestroika geprägt hat. Doch noch greifen Polizisten mit Schlagstöcken und Wasserwerfern ein. Christiane Kerner ist an diesem Tag mit dem Taxi unterwegs zu einer kulturellen Veranstaltung. Als sie das Taxi verlässt, sieht sie, wie ihr Sohn Alex zusammengeschlagen und festgenommen wird. Auf der Stelle erleidet sie einen Herzinfarkt und fällt für 8 Monate ins Koma.

Was in diesem Jahr passiert, wissen wir alle. Da wo jahrelang die Zeit stehen geblieben ist, überschlagen sich Ereignisse täglich aufs Neue. Honecker darf noch zum 40. Jahrestag der DDR sein Gesicht waren. Ostdeutsche fliehen in Massen über Ungarn und Prag in den Westen. Dann fällt die Mauer.

In die Wohnung von Alex und Ariane zieht schnell westlicher Lebensstil ein. Das Outfit ändert sich. Ost-Produkte sind out, West-Produkte in. Ariane hat einen Wessi als Freund, der bei ihnen einzieht. Sie selbst arbeitet fortan bei Burger-King. Größer können Gegensätze nicht sein.

Nach 8 Monaten erwacht Christiane überraschend im Krankenhaus aus dem Koma. Irgendwann soll sie entlassen werden. In Zeiten, wo Geschichte im Zeitraffer abläuft, sind 8 Monate Koma wie sonst 50 Jahre Tiefkühltruhe. Die Wahrheit möchten Alex und Ariane ihrer Mutter, der überzeugten Sozialistin, nicht zumuten. Sie würde es womöglich nicht überleben.

Also heißt es jetzt, die DDR zumindest auf einer Fläche von 79qm wieder aufzubauen. Die alten Möbel müssen wieder her. Alles muss so aussehen wie früher. Das ist noch die leichteste Übung. Aber eine Wohnung hat ja auch Fenster. Und vielleicht möchte Christiane auch mal im Fernsehen die Aktuelle Kamera sehen? Und was ist mit den geliebten Ostprodukten wie z.B. Spreewaldgurken? Die Marke gibt es doch nicht mehr...Und die Ersparnisse der Mutter? Der Umtausch zu lukrativen Konditionen ist schließlich befristet...

Aber Alex meistert mit Unterstützung eines Freundes (fast) alles. Um Ausreden ist er nie verlegen. Der Exodus vieler DDR-Bürger hat zu verlassenen Wohnungen geführt. Eine Fundgrube für altbekannte Produkte und deren Verpackungen. Als tägliche Nachrichten dienen Video-Konserven. Und irgendwann wird es gar notwendig, dass Alex und sein Freund eigene Nachrichtensendungen produzieren. Zum Schluss wird die Realität gar auf den Kopf gestellt. Er meistert alles bis zum traurigen Ende... Christiane Kerner überlebt die Wiedervereinigung nur um 3 Tage.

Wolfgang Beckers Aufbereitung der Wiedervereinigung ist es Meisterwerk. Der Begriff Polit-Komödie wird dem Film nicht wirklich gerecht. Der Film ist lustig, keine Frage. Er hat mich immer wieder zum Schmunzeln veranlasst, der subtilen Form des Lachens. Aber keineswegs zum Grölen. Natürlich habe ich während der Vorstellung Leute laut lachen gehört. Zu gerne hätte ich gewusst, sind das Ossis oder Wessis. Ich vermute, eher letzteres. Der Film ist natürlich von der Thematik her politisch. Aber es ist kein Film, der belehren will oder Systeme verteufelt, weder das eine noch das andere. Christiane hatte gewiss immer eine bessere Welt vor Augen, in der die DDR eine wichtige Rolle spielt. Oder vielleicht doch nicht? Die Beantwortung der Frage ist nicht wirklich entscheidend. Der Film brilliert vielmehr durch das Fingerspitzengefühl, mit dem Wolfgang Becker die Zeitgeschichte aus Sicht ehemaliger DDR-Bürger aufbereitet. Ebenso zeigt er auf, dass die Wende auch Verlierer hatte. Für den einst gefeierten Helden des Sozialismus, Sigmund Jähn, Kosmonaut der DDR und erster Deutsche im All, bleibt nach der Wiedervereinigung nur der Job eines Taxi-Fahrers. Doch Becker verhilft auch ihm zu neuem Ruhm. Und letztlich darf in keinem erfolgreichen Film auch etwas Romanze fehlen. Denn da ist die russische Krankenschwester Lara, in die Alex sich verliebt.

Der letzte Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft durch Deutschland wurde damals schon in Ost und West gefeiert. Auch davon zeigt der Film immer wieder Ausschnitte. Ich (LosGatos) erinnere mich noch an die Worte des „Kaisers“ als er das Zepter an ein kleinen blonden vom Niederrhein abgab: „Jetzt kommen ja noch die ganzen Spieler aus der ehemaligen DDR dazu. Deutschland wird auf Jahre unschlagbar sein“.

Ein großartiger, sehr einfühlsamer Film mit weitgehend unbekannten Schauspielern. Katrin Sass war schon zu DDR-Zeiten eine Größe. Die Wende dürfte sie auch nicht so leicht verarbeitet haben. Schon von daher die ideale Besetzung. Bekannt war mir nur der Schauspieler (auch ein Ossi), der kurz nach der Wende im Fernsehen als Ossi-Hasser „Motzki“ auftrat.

Auf dem Heimweg nach der Vorstellung hörte ich nur, wie sich ein paar Teenager unterhielten. Ob aus Ost oder West, sie dürften die DDR nur noch vom Hörensagen kennen. Wie die Zeit vergeht...


Copyright LosGatos
Erstveröffentlichung 18.7.2003
Veröffentlicht außer bei Ciao derzeit nur noch bei Yopi

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