Good Bye, Lenin! (VHS) Testbericht

Good-bye-lenin-vhs-komoedie
ab 15,46
Paid Ads from eBay.de & Amazon.de
Auf yopi.de gelistet seit 10/2004

5 Sterne
(19)
4 Sterne
(3)
3 Sterne
(1)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von Daverigger

Die DDR ist tot, es lebe die DDR!

Pro:

Lustige Idee und Story, überzeugende Schauspieler, emotional ohne kitschig zu wirken, starker Soundtrack, keine überzogenen Klischees

Kontra:

Ein Kinobesuch kostet nun mal Geld ...

Empfehlung:

Ja

Was ist ein Film wert, der die Seele nicht berührt, das Herz außen vor lässt und nach seinem Ende keinerlei Eindruck hinterlässt?
Nur sehr wenig wie ich finde.
Da ich selbst nicht aus der ehemaligen DDR stamme und auch als „Wessi“ aus NRW nicht von den Ereignissen betroffen war, die sich in den Jahren 1989/1990 rund um den Mauerfall abspielten, kann und will ich in diesem Bericht auch nichts groß darüber aussagen. Das hier ist eine Meinung zu einem Film. Ich gebe lediglich wieder, wie dieser auf mich gewirkt hat. Nicht weniger! Aber auch nicht mehr ...


Direkt zu Beginn des Films wird man mit Bildern konfrontiert, die auf eine ganz bestimmte Weise den Atem anhalten lassen. Sicher trägt der ausgezeichnete Soundtrack von Yann Tiersen sein Scherflein zur Stimmung des Vorspanns bei, doch die Bilder sprechen stark genug für sich. Aufnahmen aus DDR-Zeiten. Straßenzüge, Gebäude, eher weniger Menschen als eher mehr Architektur. Besonders die Weltzeituhr sticht heraus, die bei mir aus irgendeinem Grund sofort die Stimmung niederdrückt.
Die wundervolle Klaviermusik setzt sich weiter fort, auch als nun alte Super8-Aufnahmen gezeigt werden. Eine Familie in den 70ern der DDR. Ferien, Datsche, Glückseligkeit.
Die Stimme von Alex (Daniel Brühl) beginnt, die Geschichte seiner Familie zu erzählen. Von seinem Vater (Burghart Klaußner), der in den Westen ging um nie mehr wieder zu kommen. Von seiner Mutter (Katrin Saß), die durch diesen Schicksalsschlag Wochenlang nicht mehr redete, um nach dieser Phase ganz in der Ideologie der DDR und des absoluten Sozialismus aufzugehen. Und von sich und seiner Schwester (Maria Simon), die als Kinder zuerst unter der zerrütteten Familie litten, um nach der Wiedergenesung der Mutter nur noch stärker von ihr und ihrer Liebe abzuhängen. Trotz der Starken Persönlichkeit seiner Mutter entwickelt Alex sich nicht so wie sie. Seine Gedanken laufen eher in Richtung „Grenzenlosigkeit“, weswegen er auch an einem Protestmarsch teilnimmt, der prompt zerschlagen wird. Als seine Mutter ihn dabei auf den Straßen sieht, die Gewalt die um sich greift, gegen teilweise wehrlose Menschen, ist das zuviel für ihr Herz. Sie erleidet einen schweren Herzinfarkt und fällt ins Koma. Es ist ungewiss, ob sie jemals wieder erwachen wird.
Erich Honecker dankt ab, die Grenzen öffnen sich und der Westen hält unerbittlich Einzug in die Gebiete hinter der Mauer, die jetzt nur noch durch zerstörte Steinhaufen an ihre vormalige Präsenz erinnert. Die Menschen müssen sich mit der jetzigen Situation arrangieren. Und was niemand für möglich gehalten hat, passiert, als Alex zum ersten Mal Schwester Lara (Chulpan Khamatova) küsst: Seine Mutter erwacht nach 8 Monaten aus ihrem Koma.
Die Freude ist groß, doch das Problem das sich nun stellt auch. Denn sie darf in ihrem nun sehr instabilen Zustand keinerlei Aufregung ausgesetzt werden. Und der Fall der Mauer wäre für die überzeugte Sozialistin mehr als nur Aufregung. Daher ist Alex Entscheidung gefallen: Seine Mutter muss nach Hause in ihre Plattenbau-Wohnung, wo die DDR einen Wiederaufbau erleben soll. Die Einrichtung wird wieder auf DDR getrimmt, Kleidung organisiert Alex auch. Aus dem Müll fischt er alte Einmachgläser mit Etiketten alter DDR-Produkte und mit seinem Arbeitskollegen und Freund Denis (Florian Lukas) dreht er das alte DDR-Fernsehen nach.
Doch Alex Mutter wird immer wacher und aktiver. Es wird immer schwerer, die Fassade aufrecht zu erhalten. Als sie eines Tages unbeobachtet die Wohnung verlässt, scheint die Geschichte aufzufliegen. Doch Alex erfindet eine Geschichte, die wahnsinniger nicht sein könnte ...


Goodbye Lenin ist ein Film, der sich auf eine wunderbare Weise mit den Menschen auseinandersetzt, die vom Mauerfall direkt betroffen waren. Er wertet nicht und parodiert auch nicht. Er zeigt einfach nur, und das schafft er mehr als nur gut!
Ich war überrascht, das der Film so ausgesprochen neutral bleibt. Die Bewohner der ehemaligen DDR werden nicht persifliert, die Westdeutschen im Grunde genauso wenig. Die Menschen in diesem Film werden einfach als das dargestellt, was sie sind, als Ergebnis gewisser Umstände. Es wird keine Schuld zugewiesen, es wird einfach nur gezeigt, wie sich Menschen mit einer gewandelten Umwelt akklimatisieren.

Sehr stark beeindruckt hat mich auch die starke Emotionalität des Films. Ich dachte eigentlich, dass der Film nicht so sehr auf mich wirken würde, da ich wenig Bezug zur Thematik habe. Meine Freundin wohnt zwar in Sachsen-Anhalt, aber das alleine schafft meiner Ansicht nach noch keinen Bezug, der mich emotional reagieren lassen würde.
Ich weiß nicht, ob ich von den Bildern des Films mitgerissen wurde oder ob es einfach nur die Geschichte war, die mich nah ans Wasser gelenkt hat, Tatsache ist jedoch, dass die Charaktere so überzeugend gespielt haben, dass ich an bestimmten Stellen sehr ergriffen war.

Sehr interessant finde ich auch die vielen Original-Szenen von damals, die aus dem Film teilweise schon eine Dokumentation machen. Aufnahmen vom Fall der Mauer, von Paraden, politischen Reden etc. werden hier und da zur Situation passend eingestreut und vermitteln ein Gefühl von Nähe und Authentizität, was durch die vielen DDR-typischen Produkte, die gezeigt werden und eine zeitlang zentral das Geschehen im Film bestimmen noch verstärkt wird. Dies sind auch Aspekte des Films, die sicher verschieden aufgenommen werde. „Wessis“ werden darüber nicht großartig lachen können, während „Ossis“ sich dabei eher berührt fühlen werden. Genauso die Verarbeitung des TV-Sandmännchens oder der (Kult-)Figur „Sigmund Jähn“, der im Film als Taxifahrer auf den Plan tritt, um zum Ende hin in einer der gefälschten Nachrichtensendungen als Nachfolger Honeckers auf den Plan zu treten.

Lobend gilt es auch den hervorragenden Soundtrack zu erwähnen. Yann Tiersen, der auch schon bei „Le fabouleux destin d’Amélie“ für die musikalische Seite zuständig war, hat bei „Goodbye Lenin“ wieder wahre Wunder gewirkt. Die langsame, leise Klaviermusik unterstreicht die bedächtigen Szenen des Films einfach grandios. Es hätte einfach kein auf modern getrimmter Soundtrack gepasst, und so passt die nachdenklich wirkende Musik einfach perfekt zu den Bildern und Gefühlen des Films, die eines ganz klar werden lassen:
Die DDR mag zwar „anders“ gewesen sein als der Westen. Jedoch war sie für die meisten Menschen nicht das „Dunkeldeutschland“, das viele „Wessis“ sehen. Auf beiden Seiten der Mauer haben Menschen existiert, die einfach ihr Leben gelebt haben, den besonderen Bedingungen angepasst, die herrschten. Mal glücklich, mal traurig, mal undefinierbar. Menschlich eben, mit vielen Stärken und Schwächen, die in „Goodbye Lenin“ ungeschminkt dem Publikum vor Augen geführt werden.

Das Ende des Films hat mir im Übrigen auch sehr gut gefallen. Manche werden erwarten, das Alex Mutter stirbt. Vielleicht hoffen auch einige inständig, dass sie überlebt und sich alles in Wohlgefallen auflöst. Die Art und Weise, wie der Film jedoch schließlich zu seinem Ende kommt, ist ein würdevoller und sehr schön inszenierter Übergang in die Zeit des wiedervereinten Deutschlands.
Natürlich werden am Schluss wieder Worte aus dem Off von Alex gesprochen, wie schon während des gesamten Films an meist sehr gedankenverlorenen oder gefühlsbetonten Passagen. Was ich übrigens immer wieder sehr passend und überzeugend empfand. Seine stimme ist bei solchen Kommentaren aus dem Off sehr ruhig und recht monoton, was einen gewissen Abstand zur Geschichte selbst schafft, ganz so als erzähle er aus einer Zeit in der Zukunft die Geschichte um die wirren Vorkommnisse um seine Mutter nach.


Insgesamt kann ich sagen, die 9 Euro für den Kinobesuch gut investiert zu haben.
Der Film ist in sich stimmig, bietet ein sehr gefühlvolles Bild von Menschen, die in den Wirren des Mauerfalls ihr Leben auf die Reihe zu bekommen versuchen und schlägt sowohl West als auch Ost in seinen Bann! Der Humor ist gut proportioniert und reißt bei gelegentlichen, spontanen Ausbrüchen nicht aus dem Fluss der Geschichte heraus, sondern fügt sich fabelhaft in sie ein. Der Soundtrack lädt bei jedem musikalischen aufflackern zum Träumen ein, und auch die Schauspieler wissen alle in ihren Rollen zu überzeugen.

Von mir gibt es eine klare Empfehlung für diesen Film und 5 Sterne!

29 Bewertungen