In the Bedroom (VHS) Testbericht

In-the-bedroom-vhs-drama
ab 7,69
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Erfahrungsbericht von w.gruentjens

Spannender Thriller mit Tiefgang

Pro:

Spannender Thriller mit viel Problematik, der zeigt, wie eine bürgerliche Idylle zerstört wird.

Kontra:

Nichts für das Massenpublikum.

Empfehlung:

Ja

In the Bedroom (Hummerkasten) kommt es schon mal zu Kämpfen und einem oder zwei Toten, wenn sich drei Hummer darin befinden. Und auch drei Menschen in einer engen Beziehung bleiben nicht immer alle am Leben.

Aus diesem Motiv der Dreiecksgeschichte entwickelt der Film eine Dynamik, die das Gegenteil eines Happy-End-Films ist: Die brave, bürgerliche Gesellschaft wird durch eine Katastrophe aus dem Gleichgewicht gebracht und reagiert nun ihrerseits gar nicht mehr brav und bürgerlich, sondern fügt der ersten Katastrophe die nächste hinzu. So entwickelt sich eine Tragödie und ein Thriller zugleich, der mich sehr an die besten Filme von Hitchcock erinnert hat.

Von den Kritikern wurde der Film hoch gelobt, in Amerika hatte er viel Publikum, aber beim deutschen Publikum ist dieser Film durchgefallen . Deshalb muss jeder, der sich für oder gegen den Film entscheiden will, genau überlegen, ob er ein spaßiges Unterhaltungsfilmchen – was er hier nicht findet - oder ein bedrückendes Kunstwerk in der Nachfolge Hitchcocks sehen möchte.


INHALTSANRISS

Ein junger Mann ist in den Sommerferien zu Hause und bringt zu einer Grillparty seiner Eltern seine neue Eroberung mit. Diese ist allerdings 5 Jahre älter und zweifache Mutter. Schon das macht die Situation für seine Eltern fast unerträglich. Richtig gefährlich wird es allerdings, als ihr Noch-Mann bei ihr auftaucht und verlangt, dass sie wieder eine Familie werden und er wieder einziehen darf.

Solche Szenen wiederholen sich mehrmals, wobei die junge Frau auch einmal ein Veilchen davonträgt oder die Wohnungseinrichtung ertrümmert wird. Als der Noch-Mann schließlich mit gezücktem Revolver bei seiner Noch-Frau und ihrem Freund erscheint, hört der Zuschauer nur die Worte: „Leg sofort das Ding weg!“, dann einen Knall, und als die Kamera wieder das bisher nur gehörte Geschehen zeigt, ist der junge Mann schon durch ein Auge geschossen und tot. Weshalb sich wohl die Kamera während des Schusses weggedreht hat?

Damit entwickelt sich aber die Spannung und die Problematik des Films erst …


ACHTUNG! HIER WIRD ALLES VERRATEN!

Wer sich die Spannung nicht nehmen will, sollte bei „Qualität“ weiterlesen.

Denn jetzt kommt erst die eigentliche Problematik. Die Mutter des getöteten Jungen nämlich kann den Verlust des Sohnes nicht nur nicht verschmerzen, sondern den Anblick des Noch-Mannes seiner Freundin nicht ertragen. Das Wort „Unfall“, das von seiner Verteidigerin bei der Untersuchung mal erwähnt wird, wird sofort vom Gericht zurückgewiesen, und auch der Zuschauer ist empört, dass so etwas überhaupt gedacht wird.

Aus dem Gedanken „Der Mörder meines Sohnes läuft frei herum!“ wird bald der Gedanke: „Wir bringen ihn in eine andere Gegend, wo wir ihn nicht sehen!“ und die Frage: „Aber wo ist diese Gegend?“, auf die es natürlich nur eine Antwort gibt.

Aber die ausgeführte Rache führt auch nicht zur Ruhe, denn mit ganz kleinen Indizien wird allmählich gezeigt, dass der Mord vielleicht doch ein Unfall war, dass der Ehemann vielleicht doch kein Mörder, sondern ein verzweifelter liebender Ehemann war und die geschlagene Ehefrau vielleicht ein Flittchen, dass also die Rache nicht nur Mord, sondern eine völlig sinnlose Tat ist, die die Rächer, statt sie zu entlasten, auf ewige Zeiten zusätzlich belastet.


QUALITÄT

Dem Regisseur Todd Field gelingt es ausgezeichnet, die heile Welt des spießig-bürgerlichen Amerika, in der sich die Nachbarn treffen und gerade eine Geburtstagsparty gefeiert wird, allmählich zu demontieren. Ist schon die Konfrontation mit der Freundin des Sohnes, die ja älter, Mutter und immer noch verheiratet ist, für die Eltern unerträglich, so bricht diese Welt nach dem Tod des Sohnes völlig zusammen. Langsam ist diese Steigerung, ohne Langeweile zu erzeugen.

Ich kann es nicht verstehen, das deutsche Publikum. Hier hat es doch einen Film, der Spannung und Qualität zugleich besitzt, der handwerklich ziemlich perfekt und nicht unkünstlerisch ist, der aber das einfache Publikum auch nicht durch zu hohen Anspruch überfordert. Und doch hat der Film das Publikum nicht ins Kino gelockt, jedenfalls nicht in angemessener Zahl. Vielleicht liegt es daran, dass das Durchschnittspublikum langsame Spannung nicht verträgt, sondern lieber Action und dummes Gelächter haben will.

Mir jedenfalls hat der Film sehr gut gefallen. Er übertreibt nicht mit den Wendungen, sondern zeigt ein Problem auf, das sich aus der Anfangshandlung ergibt, und beleuchtet es von den verschiedenen Seiten, bis eine Erkenntnis aufkommt, die die Reaktion auf die Anfangshandlung in einem nicht mehr nur kriminellen, sondern auch in einem depressiven Licht darstellt.

Dieses Problem ist der Zerfall der bürgerlich-braven Reaktionen, der heilen Welt: Die eintretende Katastrophe, der erlittene Verlust des Sohnes, wird nicht verarbeitet, sondern führt zu Verfolgungswahn und Rachsucht, und über die falsche Rache zum völligen Zerfall der heilen Welt.

Die Musik hält sich so im Hintergrund, dass man sie nicht bemerkt.

Die junge Frau (Marisa Tomey) hat für dihre ausgezeichnete Darstellung der Frau im Zwiespalt zwischen Mann und Freund eine Oscar-Nominierung erhalten.

Besonders nennen möchte ich noch Sissy Spacek, welche die treibende - und getriebene - Kraft im zweiten Teil des films ist: Die Frau, die aus der Verzweiflung selbst eine Strategie zur Lösung - zur falschen Lösung - ihrer Probleme entwickelt.

Vielleicht hätte man den Noch-Mann mit jemand Sympathischerem besetzen können, denn warum sollte nicht jemand Sympathisches ein Mörder sein; oder wollte man sagen: Warum soll nicht jemand Unsympathisches KEIN Mörder sein?


FAZIT

Wer Hitchcock-Filme geliebt hat, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen. Denn er ist geradeso, als hätte ihn der Meister selbst gedreht – Spannung, gepaart mit etwas Kunst und etwas Problematik.

Wer mal einen sehr dichten, spannenden Film sehen will, der sehr an Hitchcocks Meisterwerke erinnert, der sollte In the Bedroom ausleihen.


Regie: Todd Field
Dasteller: TomWilkinson (Dr. Matt Fowler), Sissy Spacek (Ruth Fowler), Nick Stahl (Frank Fowler), Marisa Tomey (Natalie Strout), William Mapother (Richard Strout)
USA 2001

37 Bewertungen