Lola rennt (VHS) Testbericht

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Erfahrungsbericht von w.gruentjens
1/2 Sekunde entscheidet
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
Warum haben wir selbst, die wir eigentlich den Höhepunkt des deutschen Films bei \"Der junge Törless\" von Volker Schlöndorff gesehen haben, gerade diesen Film so lieben gelernt?
Es ist schwer darüber nachzudenken und eine Lösung zu finden. Vielleicht gelingt es uns am Ende der Meinung.
In diesem Film geht es um die Frage, wie sich Kleinigkeiten auf das Schicksal auswirken können. Und auch wenn hier die Ereignisse übertrieben sind, so sind sie doch nicht völlig unrealistisch. Aber zunächst zur Geschichte:
100 000 DM verliert nicht jeder an jedem Tag in einer Plastiktüte in einer U-Bahn. Aber Manni (drastisch gespielt von Moritz Bleibtreu) passiert es.
Als er, der Unterwelt-Geld-Kurier, von seinen Deal-Partnern bedroht wird, erhält Lola telefonisch seinen Hilfeschrei. Kann sie das Geld nicht in 20 Minuten besorgen, wird er umgebracht. In wilder Panik rennt Lola los.
Sie rennt und versucht das Geld zu besorgen. Dabei denkt sie an ihren Vater, den Bankdirektor. Der wird ihr doch helfen!? Und wenn er nicht freiwillig hilft, kann sie dann seine Bank überfallen? Oder kann Manni vielleicht einen Überfall machen? Oder kann er vielleicht im Spielcasino gewinnen? Oder kann er vielleicht die 100 000 DM, die er verloren hat, zurückbekommen? Kann er sie dem Landstreicher, der sie am Fahrrad in der Palstiktüte hängen hat und dem er begegnet, wieder abnehmen? All dies hängt von Kleinigkeiten, eben von der halben Sekunde ab.
Die Geschichte wird dreimal mit verschiedenen Zwischenerlebnissen und Ausgängen erzählt. Dabei hängt es schon beim Losrennen davon ab, ob Lola eine Stufe der Treppe etwas schneller nimmt, denn dann wird sie von dem Nachbarn mit dem Hund mehr oder weniger aufgehalten. Diese halbe Sekunde ist entscheidend für die weitere Handlung:
Davon hängt es nämlich ab, ob sie gut vor einem ausfahrenden Auto herläuft oder mit ihm zusammenstößt oder ob das Auto sogar einen schlimmen Unfall hat.
Offenbar werden auch ihre eigenen Entscheidungen von Kleinigkeiten beeinflusst:
In der ersten Fassung verweigert der Vater die Hilfe, und Lola geht wieder. In der zweiten Fassung versucht sie mit einer Pistole, die sie dem Wärter abnimmt, an das Geld zu kommen. Herrlich, wie sie dann von der anrückenden Polizei, die ja eigentlich sie sucht, aus der Schusslinie gewunken wird.
Beide Fassungen gehen tragisch aus.
In der dritten Fassung aber gelingt die Beschaffung des Geldes gleich doppelt. Und damit zeigt uns der Film auch die Spielräume, die das Medium Film hat, in der ganzen Breite von tragisch bis happy auf.
Es ist faszinierend zu beobachten, wie die rennende Lola und der verzweifelte Manni durch winzige Änderungen des Geschehens - ein Auto fährt 1/2 Sekunde früher - oder durch andere Entscheidungen oder Zufälle ihr Schicksal in völlig andere Bahnen lenken.
In den Pausen zwischen den drei Geschichten erleben wir dann Manni und Lola bei schalkhaften und philosophischen Gesprächen, z. T. im Bett. Anschließend wird dann ein kleiner Zeichentrickfilm von Lola gezeigt, wie sie die Treppe gleich wieder herunterrennen wird. So kann man bei den rasanten Fassungen wieder Luft holen.
Die drei Variationen lassen uns darüber nachdenken, ob wir nicht oft auch im wirklichen Leben unser Schicksal durch Kleinigkeiten beeinflussen und wie sehr kleine Zufälle es bedrohen können.
Aber der Film ist nicht nur philosophisch, sondern auch actionreich. Und er ist nicht nur actionreich und schnell, sondern auch musisch und nachdenklich. Er ist ein Film mit ausgezeichneter Regie und Kameraführung (tolle Fahrten), toller Musik (viel Techno), abwechselungsreichem Schnitt und vor allem Schauspielern, die einen vergessen lassen, dass sie schauspielern.
Regisseur Tykwer hat es geschafft, ein I-Tüpfelchen auf den deutschen Film zu setzen. Seine Story ist - wie immer - übertrieben, aber in diesem Film, in dem auch das Tempo übertrieben ist, die Musik übertrieben, die Aussage überdeutlich, stört das nicht unbedingt, es bringt sogar etwas Feuer hinein.
Moritz Bleibtreu und Franca Potente liefern hier ein schauspielerisches Glanzstück.
Gerade die Kombination zwischen philosophischer Aussage, rasantem Tempo und toller Musik macht den Film zu einem Spaß mit Niveau.
Es lohnt sich und ist ein Vergnügen, diesen Film öfter zu sehen als nur einmal. Wenn man auf die Übertreibungen gefasst ist - und das sollte man beim deutschen Film sein - so kann man sie in diesem Film gut ertragen, ja darüber schmunzeln.
Dieses mehr als flotte, ästhetische, künstlerische und musikalische Werk kann ich jedem nur wärmstens empfehlen.
40 Bewertungen, 4 Kommentare
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09.10.2004, 02:10 Uhr von Lianchen
Bewertung: sehr hilfreichich fand den film total klasse :) lg lianchen
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08.10.2004, 21:46 Uhr von lilly
Bewertung: sehr hilfreichIch muss mir den Film endlich mal anschaun... LG, Steffi
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05.10.2004, 16:46 Uhr von Prisca
Bewertung: sehr hilfreichIch habe die DVD noch aud der TV Movie irgendwo rumliegen - eigentlich hat der Film mich nie interessiert ... aber du machst mich doch neugierig! P.
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04.10.2004, 17:08 Uhr von antjeeule
Bewertung: sehr hilfreichDiesen Film besitzen wir auch. Es gab Phasen, da hätte meine Tochter diesen Film am liebsten zweimal täglich gesehen. ;-) Da ich oft nur zwischendurch reingeguckt habe, brauchte ich länger, den roten Faden zu finden. Vor einiger Zeit habe ic
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