Mulholland Drive - Straße der Finsternis (VHS) Testbericht

Mulholland-drive-strasse-der-finsternis-vhs-thriller
ab 16,49
Auf yopi.de gelistet seit 10/2004

5 Sterne
(6)
4 Sterne
(2)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(2)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von Fantomiss

Der (Alp)Traum einer jungen Frau

Pro:

großartiges Schauspiel, grandioser Regisseur, ein Kunstwerk

Kontra:

die Handlung bleibt bisweilen undurchsichtig und verlangt vom Zuschauer, eigene Schlüsse zu ziehen.

Empfehlung:

Ja

Eine Nobellimousine fährt langsam über den Mulholland Drive in den Hügeln Hollywoods. Es ist Nacht. Auf dem Rücksitz lehnt eine hübsche dunkelhaarige Frau (Laura Elena Harris) im Abendkleid in den Polstern. Plötzlich hält der Wagen, die Frau ist irritiert. "Was soll das? Wir halten hier aber nicht!" sagt sie. Der Mann auf dem Beifahrersitz dreht sich zu ihr um, in seiner Hand hält er eine Pistole...
Plötzlich rast ein Wagen mit kreischenden Jugendlichen, die sich auf der Strasse eine Verfolgungsjagd geliefert haben, frontal in die Limousine. Schnitt. Die Frau steigt, leicht lädiert und mit zittrigen Beinen, aus dem Wagen. Die anderen Beteiligten sind tot, zumindest hört man keinen Laut. Sie fasst sich an die blutende Stirn, wirft einen Blick auf das im Tal vor ihr liegende Los Angeles und macht sich auf den Weg hinunter in die Stadt...

So beginnt "Mulholland Drive - Strasse der Finsternis". Regisseur David Lynch ist damit wieder ein großartiges Meisterwerk gelungen und erhielt zu Recht dafür den Preis für beste Regie in Cannes 2001. David Lynch wurde vor allem durch die Serie "Twin Peaks" bekannt, die Anfang der Neunziger Jahre völlig neue Maßstäbe für TV-Serien setzte.

Doch zurück zu Mulholland Drive...

Die dunkelhaarige Frau versteckt sich in einem Appartement, da sie zufällig von der Abreise der Bewohnerin, einer älteren rothaarigen Dame, mitbekommt, und schläft ein...

Szenenwechsel. Eine junge hübsche blonde Frau namens Betty (Naomi Watts) verläßt in Begleitung eines älteren Ehepaares den Flughafen. Sie ist überwältigt vom Anblick der Stadt, sie selbst stammt aus einem kleinen Nest und ist nach Hollywood gekommen, um ein "Filmstar, oder besser noch eine Schauspielerin" zu werden. Wohnen kann sie vorübergehend bei ihrer Tante Ruth, die sich auf Dreharbeiten im Ausland befindet.
Im Apartment ihrer Tante trifft sie auf jene dunkelhaarige Schönheit und hält sie zunächst für eine Freundin ihrer Tante. Schnell stellt sich aber heraus, dass die Frau sich an nichts erinnern kann, geschweige denn an ihren Namen, sie weiß nur noch, dass es einen Unfall gegeben hat. Als die beiden Frauen in ihrer Handtasche nach einem Hinweis auf ihre Identität suchen finden sie nichts als einen Haufen gebündelter 100-Dollar-Noten und einen rätselhaften blauen Würfel mit einer dreieckigen Öffnung.
Provisorisch nennt sie sich Rita, nach einem Filmplakat mit Rita Hayworth zum Film "Gilda", das im Schlafzimmer an der Wand hängt.
Betty möchte der Frau helfen und nimmt sie bei sich auf. Es kommt ihr aufregend vor, das Geheimnis dieser Frau zu entschlüsseln und ein anonymer Anruf bei der Polizei bringt dann auch schnell die Gewissheit, dass es in der letzten Nacht auf dem Mulholland Drive tatsächlich einen Unfall gegeben hat. Bei einer anschließenden Tasse Kaffee erinnert sich Rita, angeregt durch das Namensschild der Kellnerin, plötzlich an den Namen Diane Selwyn, weiß aber dennoch nicht, ob das ihr eigener Name ist oder ob sich jemand anderes dahinter verbirgt.
Zurück im Apartment finden sie im Telefonbuch tatsächlich eine D. Selwyn, durch einen Anruf dort wird aber schnell klar, dass Rita nicht Diane ist, denn die Stimme auf dem Anrufbeantworter ist nicht die ihre.
Als Betty und Rita schließlich das Apartment aufsuchen finden sie eine Frauenleiche....

Hier möchte ich einen Schnitt machen, denn es wäre meiner Meinung nach unverzeihlich, mehr zu erzählen :)

Mulholland Drive ist jedoch nicht nur die Geschichte der beiden Frauen Betty und Rita. Immer wieder fügt Lynch Szenen ein, die zunächst scheinbar nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben, die im weiteren Verlauf aber an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig spinnt er einen zweiten Handlungsstrang um den jungen Regisseur Adam Kesher. Dieser wird von einer dubiosen Filmmafia gezwungen, für seinen neuen Film für die Hauptrolle eine Schauspielerin namens Camilla Rhodes zu besetzen. Zunächst weigert er sich, fährt wutentbrannt nach Hause, nur um seine Frau mit dem Poolputzer im Bett zu erwischen. Er flüchtet in ein schäbiges Hotelzimmer und muss von seiner Sekretärin erfahren, dass seine Konten gesperrt sind und er faktisch pleite ist. Zudem habe ein gewisser "Cowboy" angerufen und um ein Treffen gebeten. Adam fährt wohl oder übel hin und erfährt vom "Cowboy", dass er entweder Camilla Rhodes besetzen solle oder für immer erledigt sei. Adam bleibt also keine Wahl...

Meiner Meinung nach ist David Lynch hier ein Meisterwerk gelungen. Das Besondere an diesem Film ist, dass er im Prinzip aus zwei Teilen besteht. Zunächst ist es eine lineare Erzählung über die beiden Frauen Betty und Rita sowie den Regisseur Adam Kesher. Deren Wege kreuzen sich kaum, nur Betty begegnet Adam kurz auf einem Filmset, bekommt aber offensichtlich Angst, als er sie bemerkt und flüchtet, warum bleibt zunächst unklar. Auch Figuren wie die des Cowboys oder eines sehr schusseligen Auftragskillers bleiben zunächst von ihrer Funktion her nicht recht durchschaubar. An einer Stelle des Films entsteht jedoch so eine Art Bruch, und zwar dann, als Rita und Betty den Schlüssel für das seltsame blaue Kästchen finden und Rita dieses öffnet. Das Kästchen fällt zu Boden, für einen Moment umfängt den Zuschauer Schwärze und von da an ist alles anders...
Es bleibt nun dem Zuschauer überlassen, wie er das weitere Geschehen einordnet. In teilweise rasanten Schnitten erzählt Lynch die Geschichte zuende, und nichts ist mehr so, wie es am Anfang schien. Das Faszinierende an diesem Film wie auch schon an "Lost Highway" (1996) finde ich, dass hier jeder seine eigene Theorie über den "Sinn" des Ganzen aufstellen kann, die teilweise bei einem erneuten Schauen des Films wieder über den Haufen geworfen werden muss. Dieser Film beschäftigt und er verlangt einiges ab, und nicht jeder kann damit etwas anfangen. Ich habe schon Kritiken über Mulholland Drive gelesen, in denen die Rezensenten gänzlich ratlos waren, was sie mit den ihnen vermittelten Bildern nun anfangen sollen, und daher den Film als absolut schrecklich und unverständlich abgetan haben. Ich muss gestehen, als ich vor Jahren das erste Mal "Lost Highway" gesehen habe, erging es mir ähnlich. Da wartet man den ganzen Film über auf eine Auflösung, und sie kommt nicht. Bei Mulholland Drive ist es ebenso. Wer einen geradlinig erzählten Thriller erwartet, wird enttäuscht werden. David Lynch verlangt von seinem Publikum, eigene Schlüsse zu ziehen, Szenen selbst einzuordnen. Mulholland Drive ist kein Film, wie wir ihn gewohnt sind, mit Spannungsaufbau, Höhepunkt und Lösung. Dennoch erzeugt er meiner Meinung nach eine ganz eigene Spannung, er ist düster, unheimlich, surreal, verstörend.
Ich muss zugeben, es fällt mir etwas schwer, wie ich diese Wirkung erklären soll, da dieser Film in jedem andere Assoziationen weckt und jeder seine eigene Theorie hat. Ich kenne so viele unterschiedliche Interpretationen über diesen Film, wie ich Leute kenne, die ihn gesehen haben. Dabei ist keine Theorie falsch, ich denke, es gibt hier einfach keine allgemeingültige Wahrheit. Wer sich selbst ein Bild machen will, dem wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als sich den Film anzusehen.


Mulholland Drive wird übrigens, wie auch der Vorgänger "Lost Highway" meist zum Genre des "Neo-Noir" gezählt. Der Film Noir hatte seine Blütezeit in den 40er und 50er Jahren, dazu zählen zahlreiche Hitchcock-Klassiker wie "Notorious" (Berüchtigt), oder "Shadow of a Doubt" (Im Schatten des Zweifels), aber auch - ein Verweis findet sich wie erwähnt in Mulholland Drive - "Gilda" mit Rita Hayworth. Aber auch in späteren Filmen wurde oft auf den Film Noir Bezug genommen, diese Filme bezeichnet man nun im Allgemeinen als "Neo-Noir", dazu zählen z.B. "Chinatown" von Roman Polanski, aber auch "Pulp Fiction" oder "Sin City" können hier genannt werden. Gemeinsam ist diesen Werken eine eher düstere Stimmung (gut, bei Pulp Fiction läßt sich über Düsternis streiten...) und eine oft bedrückende Atmosphäre. Die Helden sind keine Helden im eigentlichen Sinn, oft fällt es ihnen schwer, Gut von Böse zu unterscheiden, sie sind schwach, und bisweilen erscheinen sie äußerst zwiespältig und zwiegespalten, wohingegen das Böse im Film Noir attraktiv und anziehend erscheint.
Über die Klassifizierung lässt sich mal wieder streiten, aber es war eben ein Versuch des Filmkritikers Nino Frank, Filme unter einem "Genre" zusammenzufassen, die bisher in keine der gängigen Bezeichungnen, wie Thriller oder Drama wirklich gepasst haben.


-------Kurz zu den Schauspielern------

Naomi Watts (Betty) ist manchen vielleicht bekannt aus der amerikanischen Version von "The Ring". Sie überzeugt mich in Mulholland Drive durch ihr authentisches Spiel. Besonders im zweiten "Teil" von Mulholland Drive habe ich regelrecht mit ihr gelitten.
Auf der VHS-Hülle wird sie, ebenso wie Laura Elena Harring, als "Lynch-Entdeckung" angekündigt. Auch Laura Harring spielt meiner Meinung nach großartig, und der Wandel, den sie im Laufe des Films durchmacht, gelingt ihr perfekt darzustellen. Großartig finde ich auch Justin Theroux als Adam Kesher. Die Szene, in der er seine Frau in flagranti mit dem Poolputzer erwischt ist einfach göttlich :)
Aber auch die Nebendarsteller glänzen. Dan Hedaya, der mir noch als betrügerischer Anwalt aus der "Addams Family" bekannt ist, als dubioser Mafiamann ist ein echter Hingucker, wenngleich er im ganzen Film nur wenige Minuten zu sehen ist. Ein Wiedersehen gibt es auch mit dem kleinen Mann aus Twin Peaks, der hier scheinbar alle Fäden in Hollywood in der Hand hat. Und herrlich finde ich auch die spleenige Coco (Ann Miller), Verwalterin in Tante Ruths Apartmentanlage.

--------Ein paar Fakten--------

Originaltitel: Mulholland Drive
Deutscher Titel: Mulholland Drive-Strasse der Finsternis (wobei ich diesen Zusatz ja völlig überflüssig finde, aber naja...)
VHS im Vertrieb von Concorde Home Entertainment. erschienen 2002
Lauflänge ca. 141 Minuten
FSK 16
Musik: Angelo Badalamenti

Kurzes Wort zum Soundtrack: Lynch arbeitet hier wieder (wie schon vielfach zuvor) mit Angelo Badalamenti zusammen, der die Vision des Regisseurs meiner Meinung nach wieder perfekt vertont. Die Atmosphäre verdichtet sich noch um ein vielfaches durch Badalamentis stimmungsgeladene Musik. Der Soundtrack wäre vielleicht bei Gelegenheit auch noch einen eigenen Bericht wert...


Bleibt mir nur noch, eine Empfehlung auszusprechen und natürlich 5 Sterne zu vergeben, obschon mir natürlich klar ist, dass dieser Film nicht jedermanns Sache ist. Vielleicht lest ihr euch vor der Entscheidung erst noch die anderen Berichte durch? Habe gesehen, dass es schon ein paar sind. Ich würde mal sagen, wer Filme wie Hitchcocks "Vertigo" mochte (auch hier dreht sich ja alles um verschiedene Identitäten), kann Gefallen am "Universum des David Lynch" finden...

79 Bewertungen, 22 Kommentare

  • anonym

    18.09.2006, 20:53 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    schon von gehört. aber noch nie angeschaut

  • annemone62

    13.09.2006, 11:38 Uhr von annemone62
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH und LG - ANNEMONE

  • sape26

    26.07.2006, 15:50 Uhr von sape26
    Bewertung: sehr hilfreich

    klasse Film-klasse Bericht=SH!:) lg,Sandra

  • Zuckermaus29

    24.07.2006, 00:25 Uhr von Zuckermaus29
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh von mir für Dich :o) Viele Grüße Jeanny

  • samatweb

    17.07.2006, 22:21 Uhr von samatweb
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toller Bericht, wie auch schon der über Lost Highway!

  • anonym

    16.07.2006, 21:51 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Lieben Gruß ;o)) Marianne

  • anonym

    14.07.2006, 10:58 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :o)

  • MichiStephan

    12.07.2006, 16:06 Uhr von MichiStephan
    Bewertung: sehr hilfreich

    ♫♪♫ Sehr informativer Bericht! LG MichiStephan ♫♪♫

  • maildynamik

    10.07.2006, 01:35 Uhr von maildynamik
    Bewertung: sehr hilfreich

    MfG Rupy

  • anonym

    09.07.2006, 20:00 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße Edith und Claus

  • Volker111

    09.07.2006, 00:06 Uhr von Volker111
    Bewertung: sehr hilfreich

    5 Sterne auch für dich ;-)

  • anonym

    08.07.2006, 21:29 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hört sich gut an, den muss ich mir auch mal anschauen. SH. Lg anja

  • blackangel63

    07.07.2006, 16:03 Uhr von blackangel63
    Bewertung: sehr hilfreich

    ◄ SH ◄► LG ◄► ANJA ►

  • absinth_girl

    06.07.2006, 02:38 Uhr von absinth_girl
    Bewertung: sehr hilfreich

    den fand ich auch sehr gut

  • Estha

    05.07.2006, 12:53 Uhr von Estha
    Bewertung: sehr hilfreich

    klasse :-) ... lg susi

  • phobee

    05.07.2006, 12:36 Uhr von phobee
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich! Liebe Grüße, Pia

  • schokofan

    05.07.2006, 10:56 Uhr von schokofan
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh--lg Dagmar

  • campimo

    05.07.2006, 10:12 Uhr von campimo
    Bewertung: sehr hilfreich

    ~*~sehr hilfreich~*~

  • bigmama

    04.07.2006, 23:41 Uhr von bigmama
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh, LG Anett

  • morla

    04.07.2006, 21:49 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • Django006

    04.07.2006, 21:00 Uhr von Django006
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & *lg* Alan :>))))

  • SuicideToday

    04.07.2006, 20:20 Uhr von SuicideToday
    Bewertung: sehr hilfreich

    ~*~sehr hilfreich~*~man liest sich~*~