One Hour Photo (DVD) Testbericht

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Erfahrungsbericht von Gemeinwesen
Netter böser Onkel sucht Familienanschluss
Pro:
intensiv gespieltes Drama . . .
Kontra:
. . . das man reißerisch als Psychothriller zu vermarkten versucht hat
Empfehlung:
Ja
(Romeo and Juliet, Act V, Scene III)
Willy Loman. D-Fense. Der "Taxi Driver". An diese Gestalten habe ich mich erinnert gefühlt, als ich mir jüngst "One Hour Photo" angesehen habe. Den Film wollte ich längst gesehen haben, aber irgendwie hat's lange Zeit mal wieder nicht sollen sein. Da kommt es mir sehr zupass, dass es den Film derzeit als DVD-Beikleber gibt ("TV Movie", Ausgabe inklusive Film auf DVD zu 3,30 €).
"Er weiß, wo du wohnst" raunte die Plakatwerbung für den Film derzeit bedrohlich. Was insofern irritierend ist, als es sich bei "One Hour Photo" trotz aller Bemühungen um einen anderen Eindruck weniger um einen Psychothriller als ein Drama handelt, in dessen Mittelpunkt ein zutiefst einsamer Mensch steht. Der begeht zwar tatsächlich eine Straftat, aber im Gegensatz zum unberechenbaren, perversen geistesgestörten Kriminellen, der im Hollywoodkino der letzten Dekaden schon fast zum Prototyp des Verbrechers geworden ist, sind die Handlungen des kleinen Fotolaboranten Sy Parrish ziemlich nachvollziehbar.
Seit elf Jahren schon arbeitet Sy Parrish (Robin Williams) im "Shop-in-Shop"-Fotoladen einer Filiale der Supermarktkette "Sav Mart". Die liegt in einer hübschen Vorortgegend, in der die Leute leben, "die es geschafft haben", wie man so schön sagt. Sy Parrish gehört nicht dazu, denn Sy arbeitet nur im schmucken Außenbezirk, wohnt selbst aber in der Innenstadt. Anders die dreiköpfige Familie Yorkin: Vater Will, Mutter Nina und der neunjährige Sohn Jake scheinen das Ideal einer glücklichen Kleinfamilie zu verkörpern, die ein im Sinne materiellen Wohlstandes sorgloses Leben führt. Hinter den Kulissen freilich kriselt's gehörig, zumal die Geschäfte von Wills (Michael Vartan) Ein-Mann-Designbüro in letzter Zeit offenbar nicht mehr so gut laufen, wie der Familienvater das gern hätte.
Sy Parrish, bei dem Frau Nina (Connie Nielsen) und Sohn Jake (Dylan Smith) ein über den anderen Tage Filme zum Entwickeln abgeben, kann von solcherlei Zwist natürlich nichts ahnen, und so scheinen dem stets höflichen Laboranten die Schnappschüsse aus dem Leben der Familie Yorkin wie getreuliche Abbilder des vollkommenen Familienglücks. Und weil der zum Gotterbarmen einsame Parrish sich nach genau dem sehnt wie nach nichts anderem, macht Parrish sich von jedem Film der Familie Yorkin auf Kosten der Firma zusätzlich einen Satz Abzüge fürs eigene Fotoalbum. Das ist in diesem Fall überdimensional groß: Parrishs Wohnzimmerwand ist fast zur Gänze bedeckt von den Momentaufnahmen aus dem Leben der Yorkins.
Mehr und mehr gibt Parrish sich der Ilusion hin, allein aufgrund der Dauer seiner geschäftlichen Bekanntschaft mit Nina und Jake schon fast zur Familie zu gehören. In seinen Tagträumen ist Sy für die Familie längst nicht mehr der Mann vom Fotoladen, sondern Onkel Sy. Immer wieder versucht Sy zaghaft, übers rein Berufliche hinaus Zugang zu den Yorkins zu finden. Die verhalten sich Sy gegenüber weiterhin höflich, aber doch distanziert.
Dann bricht Sy Parrishs Welt zusammen: Die finanziellen Unregelmäßigkeiten im Fotoladen werden ruchbar, Sy wird entlassen. Kurz zuvor entdeckt Sy noch, dass die heile Welt der Familie Yorkin nur schöner Schein ist: Seit geraumer Zeit schon betrügt Will seine Frau. Jetzt scheint auch Sy Parrish zu zerbrechen, und die Risse in der Fassade des stets korrekten und höflichen kleinen Angestellten geben den Blick frei auf einen Menschen mit überaus labilem Charakter.
Als Sy Nina Fotos zuspielt, die ihren Mann beim Austausch von Zärtlichkeiten mit Nebenbuhlerin Maya Burson (Erin Daniels) zeigen, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Denn Nina reagiert keineswegs, wie Sy sich das erwartet, sondern beschließt offenbar, die kompromittierenden Fotos zu ignorieren, um ihre Ehe zu retten. Genau das aber kann und will Sy Parrish nicht verstehen: "Was sind das nur für Leute", brüllt Sy und schmiedet einen perfiden Plan. Sy scheint beschlossen zu haben, es könne und dürfe nicht sein, dass Will und seine Buhlschaft strafenlos davonkommen ...
R e s ü m e e
"One Hour Photo" ist ein beklemmender, über weite Strecken aber einfach nur sehr trauriger Film über einen Menschen, dem die eigene Einsamkeit zum Verhängnis wird. Mit dem Hollywood- Mainstream-Kino hat das weniger gemein als mit den Filmen eines Claude Chabrol. In "One Hour Photo" gibt es keine Guten und keine Bösen. Hier gibt es nur Menschen, die Fehler machen und die ihre Unschuld verlieren.
Vor einiger Zeit gab es die DVD als Beikleber der Zeitschrift "TV Movie"; zusammen mit einem Fernsehprogramm für 14 Tage schlägt die Anschaffung mit 3,30 EUR zu Buche. Extras bietet die DVD nicht, dafür kommen der Soundtrack von Reinhold Heil und Johnny Klimek ("Lola rennt") und die tristen, unterkühlt ausgeleuchteten Bilder von Jeff Cronenweth ("The Game") gut zur Geltung. Unterm Strich deshalb fünf von fünf Keksen für Robin Williams' intensives Spiel in einem sehenswerten Film auf einer günstigen DVD.
31 Bewertungen, 10 Kommentare
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03.01.2007, 01:43 Uhr von hjid55
Bewertung: sehr hilfreichsh & lg Sarah
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25.03.2006, 18:12 Uhr von jenny123
Bewertung: sehr hilfreich<font face=Georgia, "Times New Roman", Times> <br/><strong><u>lg, Jenny123</u></strong> <br/>
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24.03.2006, 02:38 Uhr von Django006
Bewertung: sehr hilfreichsh & *lg* Alan :o))))
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23.03.2006, 19:15 Uhr von topfmops
Bewertung: sehr hilfreichAHA !! . . . . . und ich sage und schreibe immer ‚AHA’, wenn ich mal wieder was Neues gelernt hab’. Und bei diesem Bericht habe ich viel für mich Neues erfahren.
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23.03.2006, 18:13 Uhr von TheLick
Bewertung: sehr hilfreichIch liebe Robin Williams! Vor allem natürlich für "Good ;orning Vietnam", "Club der toten Dichter" und "König der Fischer". <br/>In One Hour Photo zeigt er zum ersten mal eine Vollkommen andere Seite seines Schauspielerischen
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23.03.2006, 18:06 Uhr von pannsen
Bewertung: sehr hilfreichsh ... würde mich über gegenlesungen freuen ;-)
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23.03.2006, 17:47 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreichsehr hilfreich
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23.03.2006, 17:42 Uhr von jarolimi79
Bewertung: sehr hilfreichSH Liebe Grüße Jaro
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23.03.2006, 17:41 Uhr von Kranich
Bewertung: sehr hilfreichsh - *danke für gute rückbewertungen* :-))
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23.03.2006, 17:40 Uhr von lemsi
Bewertung: sehr hilfreichDein Bericht ist sehr gut gegliedert und sehr ausführlich, ich gebe dir gerne dafür ein sehr hilfreich und hoffe auf eine Gegenlesung :-) In diesem Sinne einen schönen Tag. lg lemsi
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