Roter Drache (VHS) Testbericht

Roter-drache-vhs-thriller
ab 16,66
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Erfahrungsbericht von myra-belle

Eine mittelprächtige Buchverfilmung

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

WARNUNG : Ich werde Vergleiche zwischen dem Buch, der 1. und der vorliegenden 2. Verfilmung anstellen und somit so einige Details anführen und damit preisgeben.

Dazu muß man natürlich sagen, dass es bereits die 2. Verfilmung von Thomas Harris´ Erfolgsroman ist. Die erste aus dem Jahre 1987 ist aber relativ unbekannt. Auch trug er im Gegensatz zum Remake den Namen \"Blutmond\" bzw. \"Manhunter\", im Fernsehen mittlerweile mit dem Zusatz \"Thomas Harris´...\" versehen. Regisseur war damals Michael Mann und der Hauptdarsteller William Petersen. Bloß frage ich euch : Wer hat denn schon mal was von denen gehört?

DARSTELLER

Auch wenn es einem beim Anschauen des Remakes nicht so vorkommt, der Hauptdarsteller ist Special Agent William Graham und NICHT Dr. Hannibal Lecter! Das ist meiner Meinung nach sowieso der stärkste Mangel, nämlich eine Figur so herauszustellen, dem im Buch gerade mal 10 % der Seiten gewidmet werden und in 80 % dieser Fälle auch nur in der 3. Person von ihm geredet wird, d. h. Hannibal gar nicht in Aktion tritt! Im Remake aber bestreitet Sir Anthony Hopkins gut 40 % aller Szenen. Es wird so getan, als ob Will Graham (Edward Norton) ohne den Dr. Lecter gar nicht weiterkäme und dieser somit alle Fäden in der Hand hat. Bereits die 1. Szene wird ihm gewidmet. Hannibal sitzt in einem Konzert und seine Ohren werden durch einen minder qualifizierten Flötisten gequält. Im Anschluß darauf wird dieser seinen Gästen serviert. Ganz nach dem Motto \"Hannibal the cannibal\". Dabei ist ja gar nicht er der gesuchte Verbrecher des Filmes, sondern die sogenannte \"Zahnfee\".
Als ob es darauf ankäme, wurden Hopkins Haare gefärbt und der Zellentrakt in der Nervenheilanstalt, in der Dr. Lecter den Rest seiner Tage verbringen soll, eine 1:1-Nachbildung von der Kulisse aus \"Das Schweigen der Lämmer\". Die vorliegende Geschichte spielt nämlich Jahre vor der mit Jodie Foster als Clarice Starling und ist somit ein Prequel. Was ist sagen will, dieser an sich als kleine Nebenperson konzipierte Character erfuhr durch \"Das Schweigen der Lämmer\" einen solchen Hype, dass es unmöglich war, die Rolle für Hopkins entsprechend klein zu halten. Auch folgte wie bekannt nach diesem tollen Film \"Hannibal\", der wie der Titel schon sagt, genau diesem gewidmet ist. Ich muß zugeben, diesen Film nie gesehen zu haben und auch nicht vorzuhaben, ihn je zu sehen. Ich habe zu viel Schlechtes davon gehört, dass ich denke, dass jedes meiner Vorurteile dagegen bestätigt werden würde. Auch gebe ich zu, dem Character Hannibal nichts Positives abgewinnen zu können, ich ihn definitiv nicht leiden kann.

Norton ist, wie ich aus \"Zwielicht\" und \"American History X\" weiß, ein genialer Schauspieler, doch gibt im vorliegenden Fall das Drehbuch einfach zu wenig her. Im Original bekommt man immer wieder mit, wie Graham sich mit den auf ihn einströmenden Assoziationen bei Betrachtung der Bilder vom Tatort quält. Der Mann leidet massiv unter seiner Vorstellungskraft, die auf der einen Seite ihn einen 6. Sinn gibt, zufällig die Zusammenhänge zu erkennen, um den gesuchten Serienmörder zu finden und zu fangen, auf der anderen Seite ist er aber nicht in der Lage, diese Gedanken einfach abzuschalten und sein privates Leben zu führen. Im Buch spricht Jack Crawford (hier : Harvey Keitel), Grahams Vorgesetzter, davon, dass es zum Einen eine Gabe ist, die Alpträume im Gegenzug dazu aber nicht nur der Preis, sondern die Strafe sind. Im Remake wird die Qual meiner Meinug nach gar nicht herausgestellt. Es kommt mir eher so vor, als ob die Eingebungen zufällig geschehen, er aber keine Probleme damit hat. Damit hebt sich Graham gar nicht von den anderen hervor, weder im guten noch im schlechten Sinne. Norton kann für eine Rolle zu Gott oder Teufel mutieren, wurde hier aber meiner Meinung nach verheizt, ohne das ein tieferer Eindruck von seinem dargestellten Charakter bleibt.

Der 2. Hauptdarsteller, der den Kontrapunkt zu Will Graham setzen sollte ist \"die Zahnschwuchtel\" (steht so in meinem Buch) bzw. im Remake \"die Zahnfee\" Francis Dolarhyde (Ralp Fiennes), der von den FBIlern anfangst so tituliert wird. Als auch die Zeitung \"National Tattler\" den Serienmörder so nennt, fühlt sich Dolarhyde, der von sich selber denkt, dass er zum \"Roten Drachen\" in William Blakes Gemälde \"Der rote Drache und die mit der Sonne bekleideten Frau\" wird, indem er diese Morde begeht. Fiennes gibt einen sehr überzeugenden Psychopathen, der denkt, dass er als Mensch nichts wert ist. Zum Einen hat er große Komplexe wegen seiner operierten Hasenscharte, auf der anderen hat ihn seine verstorbene Großmutter eingeredet, dass er ein schmutziges, verdorbenes Kind sei. Seine Qual potenziert sich, als sich ihm die blinde Reba McClane (Emily Watson) zuneigt. Von Watson war ich positiv überrascht. Von der 1. Sekunde an, als sie ins Bild kam, hat sie die jeweilige Szene beherrscht. Sie zeigt mit Selbstvertrauen und viel Courage, dass Blindsein keine Behinderung sein muß und somit auch kein Mitleid, schon gar kein falsches, verdient. Man glaubt ihr ohne Zweifel, dass Reba Mr. D., wie Dolarhyde von seinen Kollegen eher belustigend genannt wird, wirklich gern hat und deswegen verdient hat, dass dieser sich wegen ihr so sträubt, sie ebenfalls im Sinne der Verwandlung zum Drachen aus dem Weg zu räumen.
Zurück zu Dolarhyde muß ich sagen, dass ich befürchte, dass die unbeleckten Zuschauer gar nicht kapieren, dass er in einem ehemaligen Altersheim lebt, den seine Großmutter geleitet hat und er damit seine frühe Kindheit mit verwahrlosten, senilen, sabbernden Greisen verbracht hat. Einmal hört man im Off die Stimme der Großmutter, die damit droht, ihn ins Kinderheim zu bringen, obwohl er ihr leiblicher Enkel sei. Damit wird jeder andere Aspekt seiner Vergangenheit einfach außer Acht gelassen. Im Buch wird er durch seine Mutter verleugnet, die ihn wegen seiner Mißbildung verstößt und seine Großmutter nimmt Rache an ihrer Tochter, die sie nach einer 2. Heirat mit einer guten Partie links liegen läßt, indem sie den kleinen Francis aus dem Kinderheim nimmt und ihn der besseren Gesellschaft, zu der seine Mutter jetzt zählte, vorführte und diese damit bloßstellte. Ich denke mal, dass diese Aktionen keine angenehmen Erinnerungen in einem Kind hinterlassen und das Ungeliebsein durch alle seine Bezugspersonen ein \"guter\" Grund sind, warum er denkt, als Monster wäre er besser dran als er es als Mensch je war.

Die andere Frau am Set war Mary-Louise Parker, die Grahams Ehefrau Molly spielte. Diese Figur ist aber extrem farblos geraten. Ihr wird so gut wie keine Bedeutung beigemessen. Da Graham nicht leidet, kann auch sie nicht sonderlich leiden. Aus \"Grüne Tomaten\" und \"Kaffee, Milch und Zucker\" weiß ich aber, dass Parker 1a leiden kann, also hier schlicht und ergreifend ihr Talent vergeudet wurde, indem sie nicht mehr zu tun hatte, als hie und da zu maulen und im Angesicht des Bösen hysterisch rumzuschreien.

Ansonsten fand ich es etwas befremdend, zu entdecken, dass Grahams Stiefsohn Willy hier zu Josh, Grahams eigen Fleisch und Blut, mutiert ist. Ich kann es mir nur so erklären, dass die damit auch diesen Charakter in die Versenkung schicken konnten. Im Buch überschatten die Ereignisse nämlich das gute Verhältnis zwischen Stiefvater und - sohn, da im Zuge der Ermittlungen auch die dunklen Flecken aus Grahams Vergangenheit zu Tage kommen. Da Josh nun sein leiblicher Sohn ist, stellt sich natürlich gar nicht die Frage, ob es sein kann, dass Graham nicht zu 100% zu den Guten gehört. Hannibal redet zwar davon, dass sie beide sich ähneln würden, doch glaubt das niemand, der im Kino sitzt und das Buch nicht kennt, weil kein Beispiel diese These unterstützt.

REGISSEUR

Brett Ratner hat ein paar traditionelle Hilfsmittel benutzt, um den Zuschauer hin und wieder zu schocken. Der Schock kommt auf einmal aus dem Hinterhalt herangeschossen. Angst ist ein Zustand, der allmälich aufgebaut wird. Von einem sich anpirschenden Grauen habe ich nicht viel gemerkt. Vielleicht habe ich auch nur schon zu viele ähnlich gestrickte Horrofilme gesehen und bin abgestumpft.
Ein großartiger Spannungsbogen konnte aber auch nicht aufgebaut werden, da bald alle Karten klar verteilt sind. Will Graham wird den Fall auf jeden Fall lösen, Dr. Lecter spielt mit dem Agent, um seinen Spaß zu haben, wobei keine seiner Worte mich auch nur ein bißchen überrascht haben, und der rote Drache ist erpicht darauf, den verhaßten Agent totzukriegen, schafft er aber nicht. Der Ausgang ist bereits vorprogrammiert. Mich interessierte nur die Darstellung der einzelnen Charaktere. Und die ist, wie oben beschrieben, bei einigen eher bescheiden gewesen.
Auch gab es für meinen Geschmack zu viele Anklänge zum unbestrittenen Meisterwerk \"Das Schweigen der Lämmer\". Andauernd fragt Hannibal, ob Will denn noch diese Träume habe. Und in der letzten Szene wird massivst auf besagten Film verwiesen, indem mehr als angedeutet wird, dass Starling in der nächsten Szene, die es hier nicht gibt, eintreten wird.

FAZIT :

Größstenteils überzeugende, namhafte Schauspieler, wobei diese Konstellation nicht überall hinhaut, und ein routiniert abgedrehter Plot, der nicht mehr als Mittelmaß an Spannung und Horror bietet.

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