Spun (DVD) Testbericht

Einleitung:

Bei einem Videoabend, als in beschaulicher Runde sich der Film "Spun" reingezogen wurde, dachte ich zunächst, ich seh nicht recht. Was da über die Mattscheibe flimmerte, war in Sachen Darstellung exzessiver Drogenrauschs kaum zu überbieten. Einfach nur ein krass kranker Film, der in Sachen Besetzung, Schnitt und Kameraführung einfach nur genial ist. Regisseur Jonas Akerlund hat ihr einen unkonventionellen Drogenklassiker geschaffen. Neben anderen durchaus bekannteren vergleichbaren Werken wie Blow, Trainspotting usw. blieb dieser Streifen aber weitesgehend im Untergrund und ist für nur wirklichen Filmfreaks ein bekannter Titel. Andere trashige Kurzfilme haben wir diesem Regisseur auch noch zu verdanken: Videoclips wie Music von Madonna oder Smack my bitch up von Prodigy, in dem auch eine wirre und unruhige Kameraperspektive neben einem krankem Plot sich auszeichnen kann.


Inhalt & Kritik:

Spun heißt im ami-Genre soviel wie "high" oder zugedröhnt sein. Genau das sind auch nahezu alle Protagonisten im Film: Egal ob dem Attribut gut oder böse zuzuordnen: Druff und unterwegs. Die Story klar zu umreißen ist nicht einfach, aber ich versuch mein Glück, um euch anschaulich die Geschehnisse zu schildern und so den Film schmackhaft zu machen. Anfangs wird der Rezipient quasi ins kalte Wasser geworfen. Er findet sich als Beobachter in der Wohnung des Protagonisten Spider Mike, ein Ticker (Dealer) von Speed - einer chemischen Drogen, deren Wirkstoff primär Amphitaminen zuzurechnen ist, wieder. Dort vegetieren der durchgeknallte Junkie Frisbee, ein Schatten seiner selbst - nur noch durch Flashs scheint sein Leben einen Sinn zu haben und dem exzessiven Konsum von Computerspielen und der Glotze - , die bitchige Nikki sowie Mikes Freundin Cookie (gespielt von Mena Suvari - bekannt aus American Beauty) vor sich hin. Schließlich stößt Kurier Ross hinzu, der jedoch Mike darauf aufmerksam macht, dass er mal wieder seine Ware verloren haben muss. Alle Beteiligten sind nun mehr als irritiert und die Suche nach dem Rauschmittel beginnt. Doch die Quelle in Form des selfmade-Chemikers The Cook - ein Gentelman im Cowboy-Stil, scheint ja zum Glück nicht zu versiegen und so ist schnell für Nachschub gesorgt.

Alle schuften ein trostloses Dasein. Jeder lebt in seiner eigenen Drogenwelt und die Gespräche sind so wenig aufeinander abgestimmt. Jeder trägt seine Geschichte vor, aber irgendwie scheint keiner so richtig zuzuhören. Egal, es gibt ja für alle noch den weißen pulverisierten Freund, der nasal zugeführt werden muss und für Brainstorming sorgt.

Ross steigt in der Folge weiter als Drogenkurier auf, da er der einzige dieses Umfelds ist, der ein Vehikel besitzt. Ansonsten hat die Heimat Oregon für die Suchtgeplagten scheinbar wenig zu bieten. Frisbee schottet sich gänzlich von seiner Außenwelt ab und bemerkt nicht mal die Sorgen seiner arg gebeutelten Mutter.

Quasi symptomatisch dann auch seine Festnahme: Nach Observation durch zwei stereotypische Gesetzeshüter - Sonnebrille, die Coolness gepachtet und dabei genau wie die gejagten auch immer im Drogenrausch - schnappt die Falle zu. Gerade als Frisbee sich seine Line Speed via Näschen zugeführt hat und in der Glotze die real-life Polizei-Doku Bust reinzieht, kann er den beobachteten Campingwagen als den seinigen erkennen. Er wundert sich zwar etwas, peilt die Lage aber nicht annähernd. Da wird die Behausung schon gestürmt: Samt Swat-Kommando, den zwei Supercops und dem Fernsehteam.

Der Film zeigt eindrucksvoll die Macht der Medien auf der einen, den durch die Beschallung abstumpfenden Teil der Bevölkerung auf der anderen Seite dar, genau wie die hedonistische Lebensweise der jungen, perspektivlosen Teenies am Beispiel der Junkie-Gemeine um Spider Mike und Co auf. Eine Art Teufelskreis, der sich auf immer und ewig zu schließen scheint. Die Verbitterung zeigt sich im exzessiven Konsum harter Dorgen und der Abschottung von der Außenwelt. Was für Nikki und Co zählt ist das hier und jetzt: Erlebnisorientiert und geradlinig: Sex, Drugs und Rock´n´Roll.

Auch Ross scheint sich diesem Dilemma nicht entziehen zu können: Er hat einen 450-Dolllar-Schuldenberg bei seiner Freundin Amy, die sich durch das ständige Zudröhnen von Ross Stück für Stück von ihm abgekapselt hat, angehäuft und hat so in emotionaler als auch materieller Betrachtungsweise schnell den Kredit bei ihr überzogen. Nebenbei führt er ein Doppelleben: Lädt sich die Stripperin April zu sich nach Haus ein, ballert sie und sich bis zum bitteren Ende zu und tobt sich auf der Bett-Spielwiese durch intensiven Matratzensport aus.

Die Metaphitamine wecken den Stier ihn ihm und steigern sein Lustempfinden - leider benebeln sie auch sein Betrachtungswinkel und verstärken so gleichzeitig seinen Rückzug aus der Gesellschaft.

Der Film brilliert durch seine trashige, direkte Betrachtungs- und Darstellungsweise: wirre Zeichentrickdarstellungen, schnelle Kameraschwenks, -fahrten und eine unglaubliche Schnittfrequenz zeugen vom Abtauchen der Protagonisten in ihre eigene, phantasievolle, kurzlebige Drogenwelt.

Zudem spielt der Film mit so viele tollen Klischees und weiß diese gekonnt und in beeindruckender Art darzustellen: Dafür sprechen auch die inszenierten Auftritte der Kleinstadt-Sheriffs: Im Miami-Vice-Stil stürzen sie sich auf jeden Fall und forschen mit scheinbarer Professionalität im Kriminalitätsdschungel, erweisen sich dabei aber aus objektivem Betrachtungswinkel als die geballte Inkompetenz. Nur die Räuber scheinen in diesem Falle noch beknackter zu sein als die Gendarms.
Sie schlüpfen abwechselt in die Rolle des kumpelhaften Polizisten, aber auch in die des korrputen, rücksichtslosen Cop.


Fazit:

Ein wirklich klasse Film, der stilistisch eng an den trashigen Comic-Style der Bildband-Verfilmung von Sin City (Vorreiter waren ja bekanntlich die gleichnamigen Comics von Frank Miller) angelehnt ist. Der Tarantino-Kult scheint in Spun einen würdigen Nebenbuhler gefunden zu haben. Einfach nur der Knaller und ein muss für jeden gepflegten Filmabend. Spun ist viel mehr als nur ein unterhaltsamer Drogenfilm: Er weiß meines Erachtens nach gekonnt den Zahn der Zeit an der Wurzel anzupacken und prüft nach Herz und Nieren die wirklichen Probleme eines kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Teils vieler Gesellschaften: Abschottung muss nicht nur auf Missverständnis, Deprimierung oder Drogensucht geschuldet sein.
Negativ anzusehen ist das recht leicht vorhersehbare Ende der Story. Die finale Szene ist einfach zu durchsichtig gestaltet.


Am Ende wie gewohnt die allgemeinen Daten zum Film:

Bildformat: 1:1,78/16:9
Mehrkanalton: Dolby Digital 5.1
Vertrieb: Universum Film
Untertitel: Englisch/Dt. f. Hörg.
Anbieter (Label): Universum Film (UFA)
Ton: Dolby Surround
System: DVD
FSK: 16
Sprache: Deutsch DD 5.1/Englisch
KAUFMEDIUM
Auslieferung: 24.05.2004
EAN-Code: 0828765955294
FILM/ KINO-DATEN
Land/ Jahr: USA 2002
Kategorie: Spielfilm
Genre: Komödie/Drama
Regie: Jonas Akerlund
Darsteller: Jason Schwartzman spielt Ross
Mickey Rourke spielt The Cook
Brittany Murphy spielt Nikki
John Leguizamo spielt Spider Mike
Patrick Fugit spielt Frisbee
Mena Suvari spielt Cookie
Chloe Hunter spielt April
sowie in weiteren Rollen: China Chow, Debbie Harry, Eric Roberts, Peter Stormare, Billy Corgan, Alexis Arquette, Ron Jeremy
Originaltitel: Spun