Was nützt die Liebe in Gedanken (DVD) Testbericht

ab 7,80
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Erfahrungsbericht von marenmoon

Was nützt das Leben ohne Liebe?

Pro:

Tolle Bilder, August Diehl

Kontra:

Daniel Brühl

Empfehlung:

Ja

„Gibt es ihn wirklich, den höchsten Punkt im Leben?“

Für Günther (August Diehl) und Paul (Daniel Brühl) ist die Antwort klar: Ja, es gibt ihn, und alles was danach kommt, ist nicht mehr lebenswert. Gemeinsam mit Günthers Schwester Hilde (Anna Maria Mühe) verbringen die beiden Berliner Abiturienten das Wochenende auf dem Landgut von Günthers Eltern in Marlow. Schon am ersten Tag ihres Zusammenseins liegt Spannung in der Luft. Paul, nachdenklich und introvertiert, zeigt sichtlich Interesse an Hilde, die man im heutigen Sprachgebrauch vielleicht als „Vamp“ titulieren würde. Die allerdings will sich nicht festlegen. Sie verlebt zwar einige romantische Stunden mit Paul, reist dann allerdings für einige Stunden zurück nach Berlin, um dort ihren Liebhaber Hans (Thure Lindhardt) zu treffen. Diese Zeit nutzen Paul und der extrovertierte, impulsive Günther, um sich Gedanken über das Glücklichsein zu machen. Auf einem ihrer Spaziergänge beschließen sie schließlich, einen Selbstmörderclub zu gründen. Dessen Kodex sieht vor, dass sie sich verpflichten, am Punkt des höchsten Glückes und der größten Liebe aus dem Leben zu scheiden, und all diejenigen, die ihre Liebe nicht erwidern, mit in den Tod nehmen. Noch ahnen beide nicht, dass dieser Punkt bald erreicht sein wird.

Am Samstag Abend feiern Paul, Günther und Hilde ein großes Fest auf dem Landgut. Viele ihrer Freunde aus der Berliner Oberschicht der 20er Jahre sind gekommen, so auch Hildes Freundin Elli (Jana Pallaske), die ein Auge auf Paul geworfen hat. Als überraschend Hildes Liebhaber Hans auftaucht, scheint die Situation zu eskalieren. Der bisexuelle Hans ist nämlich nicht nur Hildes Freund, sondern auch Günthers früherer Liebhaber, den dieser immer noch abgöttisch liebt. Als Hilde, Hans und Günther sich zu dritt am See treffen, wird Günther klar, dass er Hans verloren hat. Dieser wendet sich von ihm ab und küsst seine Schwester leidenschaftlich. Günther ist am Boden zerstört. Auch Paul merkt, dass seine Liebe zu Hilde keine Chance hat. Aus Trotz lässt er sich auf Ellis Angebot ein, mit ihr zu schlafen, um in Sachen Liebe „dazuzulernen“. Als dann eine Flasche Absinth die Runde macht, gibt es zumindest für Günther kein Halten mehr. Tief verletzt prügelt er sich mit Hans, demjenigen, den er am meisten liebte.

Am Sonntag Mittag ist die Ernüchterung groß. Die Feier am vorherigen Abend hat sowohl Paul als auch Günther gezeigt, dass ihre Liebe zurückgewiesen wird. In Günthers Augen ist neben großer Traurigkeit auch ein fast wahnsinniges Funkeln zu sehen. Gemeinsam mit Hilde und Elli fahren die Freunde zurück nach Berlin. Abends ist es schon so spät, dass Paul bei den Geschwistern übernachtet. Allerdings hat dies nicht nur Paul getan, sondern, wie Günther am nächsten Morgen bemerkt, auch Hans. In diesem Augenblick ist für Günther klar, dass dies der Punkt ist, an dem er aus dem Leben scheiden muss. Er tötet Hans mit mehreren Schüssen, und anschließend sich selbst.

Paul tötet sich nicht. Er ist derjenige, der bei der Polizei aussagen und erklären muss, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Mit dieser Szene beginnt der Film.


Gibt es ihn nun also wirklich, den höchsten Punkt im Leben? Ich kann diese Frage nicht beantworten, und der Film schafft es leider auch nur teilweise. Eine Geschichte über große Liebe, unerwiderte Gefühle und große Taten hat es schon öfter gegeben. Was ist hier also besonders? Nun, zum einen sind das die sehr gut gelungenen Bilder. Kamerafrau Jutta Pohlmann hat hier Stimmungen eingefangen, die man nur schwer beschreiben kann. Da ist etwas nostalgisches, etwas spannendes, gleichzeitig etwas ruhiges in ihren Bildern. Viele Nah- und Detailaufnahmen zeigen nicht nur die Schauspieler, sondern auch die Landschaft von einer Seite, die man in Filmen nicht oft präsentiert bekommt. Das, wovon ein Film außerdem noch lebt, sind natürlich seine Schauspieler, die auch zum großen Teil überzeugen können. Eine wirklich herausragende Leistung zeigt August Diehl, der vorher in den Filmen „23“, \"Kalt wie der Abendhauch\" und \"Tattoo\" zu sehen war. Mit einer Mischung aus Wahnsinn und Begeisterung verkörpert er die Figur des Günthers so authentisch, dass man denkt, er hätte dessen Charakterzüge völlig übernommen. Die Gestik, das fast schon schelmische Lächeln und das Blitzen in den Augen zeigen, dass sich August Diehl intensiv mit seinem Charakter auseinandergesetzt hat. Etwas, was Daniel Brühl offenbar nicht in diesem Maße getan hat. Der Schauspieler, der nach dem Erfolg von „Goodbye Lenin“ überall als „die neue Schauspielerhoffnung“ gefeiert wurde, kann als Paul nicht überzeugen. Zwar spielt er den Abiturienten ruhig, introviertiert, kann aber nicht mit der Tiefe überzeugen, mit der Diehl seinen Charakter auslebt. Brühl kratzt an der Oberfläche. Man ahnt, was er zeigen, sagen, mitteilen will. Man ahnt, wie seine Figur sein sollte. Leider gelingt die Umsetzung nur selten. Besonders in den Schlussszenen ist dies mehr als schade.
Besser spielt Anna Maria Mühe. Die Newcomerin, die für diesen Film noch ein Extra-Coaching bekam, überzeugt als Diva der 20er Jahre. Sie spielt Hilde als eine in sich widersprüchliche Person. Einerseits möchte sie erwachsen sein, küssen, wen sie möchte. Andererseits hat sie Angst vor den Folgen ihrer Liebschaften, in diesem Fall dem Ärger ihres Bruders. Gegen diesen Ärger an, der Hans am Ende zum Verhängnis wird, trifft sie sich weiter mit dem Ex-Freund ihres Bruders. Wissend, dass sie ihren Bruder dabei tief verletzt. Allerdings scheint auch sie nicht zu ahnen, welche Gedanken sich hinter dem oft großmütigen Getue Günthers verbergen.
Die beiden letzten im Bunde, Jana Pallaske und Thure Lindhardt, haben weniger dominante Rollen. Jana Pallaske, die neben der Schauspielerei auch noch beim VIVA moderiert, spielt die schüchterne Elli, die aus Verzweiflung am Ende mit Paul schläft, obwohl sie weiß, dass er sie nicht liebt. Manchmal merkt man, dass Pallaske eine Rolle spielt, die zu ihrem eigentlichen Charakter eher wenig passt. Oft wirkt sie so, als wollte sie schreien, ihre Gefühle herauslassen. Kann sie natürlich nicht.
Thure Lindhardt, der aus Dänemark stammt und zum ersten Mal in einem deutschen Film mitwirkt, verkörpert fast perfekt die Rolle des etwas proletenhaften Kochs. Im Gegensatz zu emanzipierten Hilde scheint er noch ein altes Rollenbild im Kopf zu haben, in dem er den Mädchen vorschreiben kann, was sie zu tun haben. Gleichzeitig sprengt er durch das Ausleben seiner Bisexualität gesellschaftliche Grenzen. Am Ende überwiegt sein Egoismus über die Rücksicht auf Günthers Gefühle. Dieser Egoismus wird ihm später, nach einer Nacht mit Hilde, zum Verhängnis.

Was möchte uns „Was nützt die Liebe in Gedanken“ nun eigentlich sagen? Eine finale Aussage zu finden, auf die der Film hinausläuft, ist schwer. Trotzdem gibt es etwas, was man mitnehmen kann. Den Gedanken, dass diese Geschichte wahr ist. Der Film von Regisseur Achim von Borries ist angelehnt an die „Steglitzer Schülertragödie“, die im prüden Deutschland der 20er Jahre moralische Entrüstung hervorrief. Diese Personen, die die Schauspieler mehr oder weniger gut verkörpern, haben wirklich gelebt. Und geliebt. Und ihre Gedanken für die Nachwelt festgehalten:

„Liebes Weltall! Ein winziges Stück Deines Organismus vergeht. Sei nicht böse darüber, du wirst den Untergang einer Zelle kaum als Verlust empfinden. Tausend andere drängen sich als Ersatz. Die Zeit rollt weiter und weiter, was kümmert sie mein bisschen Leben? Ein kurz aufleuchtender Schein in der Gemeinschaft der Menschen und dann Erlöschen, Staub, Asche.“


©marenmoon

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Offizielle Homepage des Film:
www.liebe-in-gedanken.de

Filmkritiken finden sich hier:
http://www.filmstarts.de/kritik/was%20n%FCtzt%20die%20liebe%20in%20gedanken.html
http://www.zeichensprache.de/film/seiten/004/was_nuetzt_liebe.php
http://www.br-online.de/bayern3/kino/archiv/film_wasnuetztdieliebeingedanken.shtml
http://www.br-online.de/kultur-szene/film/kino/0401/02391/

Informationen über die Steglitzer Schülertragödie finden sich hier:
http://www.leipzig-life.de/leinwand/32904.html

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