Was nützt die Liebe in Gedanken (DVD) Testbericht

Bei meinem letzten Besuch in der Stadtbücherei entdeckte ich eine DVD mit dem wunderschönen und recht wohlklingenden Titel "Was nützt die Liebe in Gedanken", wobei ich mir fragte, wer sich solch eine Frage überhaupt stellt. Einer, bzw. eine der/die vor Liebeskummer krank, verzweifelt ist, oder einer/eine, der/die sich nach einer richtigen, innigen, handfesten Liebe sehnt? Ich weiß es nicht. Und deshalb entlieh ich mir diese DVD, die ich mit meinem Mann dann gemeinsam anschaute.

Und damit ich ohne große Umschweife gleich zu meiner eigenen Meinung komme, gebe ich die kurze Inhaltsangabe wieder, die auf der Rückseite des Covers abgedruckt ist.

Günther (August Diehl) und Paul (Daniel Brühl) sind davon überzeugt: Sie wollen leben, in vollen Zügen und ohne Kompromisse - und Gleiches verlangen sie von der Liebe. Gemeinsam mit Günters Schwester Hilde (Anna Maria Mühe) verbringen sie das Wochenende in einem Sommerhaus auf dem Land. Paul ist fasziniert von dem Mädchen und verliebt sich in sie. Doch Hilde liebt viele. Heimlich trifft sie sich mit Hans - Günters ehemaligem Liebhaber. Im Garten des Hauses feiern sie ein berauschendes Fest. Aber bald gerät alles außer Kontrolle. Berauscht von Absinth und Musik, von großer Sehnsucht und ihrer Gier nach dem Leben, werden sie alle in einen tödlichen Strudel gerissen....

"Dies Buch trägt die Ergüsse deiner Seele. Mein Sohn, du bist poetisch angehaucht. Zwar sind die Reime ohne Fehle, doch die Gedanken sind in Finsternis getaucht.

Auch scheint es mir, da du noch jung an Jahren, Daß dein Erleben in der Liebe nur erträumt. Ich fürcht', du bist darin noch reichlich unerfahren. Beeile dich, du hast schon viel versäumt.

Ein Mädel wird sich schön bedanken, Wenn deine Glut nur aus Gedichten spricht. Was nützt die Liebe in Gedanken? Kommt die Gelegenheit, dann kannst du's nicht.

Doch ist das noch kein Grund, sich zu erschiessen. Die Kugel spare Dir zu anderm Zweck. Auch würden viele Tränen fliessen, Das lohnt sich nicht, für solchen Dreck."

Hildegard Scheller´s Gedicht an Paul (1927)

Jetzt also zur eigenen Meinung

Bis auf die Gerichtsverhandlung, spielen in dem ganzen Film, der einer wahren Begebenheit zugrunde liegt, nur Jugendliche und Heranwachsende mit, was jedoch meiner Meinung nach den Grund hat, dass die Gefühle, Stimmungen dieser Generation unverfälscht zum Ausdruck kommen. Die Erwachsenwelt würde diese Gemütslage und Atmosphäre zerstören.

Na ja, den Anfang zur eigenen Meinung zu finden, finde ich heute bei solch einem ergreifenden, traurigen, poetischen und wunderschönen Film persönlich wahnsinnig schwer, zumal mir so viele Gedanken dazu durch der Kopf schwirren, die ich erst mal unter Fach und Dach bringen muss. Deshalb fang ich einfach mal mit dem Gedicht an, welches Hilde Paul gewidmet hat.

Nun, wer ist Hilde überhaupt? Hilde ist ein 16jähriges sehr hübsches, sinnlich, romantisch und poetisch veranlagtes Mädchen, mit blondem, leicht lockigem, Schulterlangem Haar, wobei sie mit ihrem Schmollmund und ihrem recht verführerischen Blick, die Männerwelt geradezu aus der Fassung bringt. Sie genießt es regelrecht, wenn sich die Männer wegen ihr den Kopf verdrehen, wobei es für manchen den Anschein hat, dass sie nur mit der Liebe spielt. Richtig ernst nimmt sie es bei keinem. Nicht mal bei ihrem Freund Hans, mit welchem sie wohl intim ist, wobei sie sich dabei fragt, ob dies nun wirklich die Liebe ist. Na ja, in der kurzen Inhaltsangabe steht ja schon, dass Hilde viele liebt, wobei sie mit diesen nicht das Bett teilt, obwohl ihr körperliche Liebe wichtig ist, spielt sich im Großen und Ganzen das alles rein platonisch, auf geistig-seelischem Niveau ab, sodass höchstens mal ein freundschaftlicher Kuss drin ist. Aber dennoch versteht sie es geschickt mit ihren Reizen zu spielen, und dabei die Männerwelt verrückt zu machen. Als kleine "Lolita" wie man solche Frühreifen Mädchen in den 20ziger Jahren genannt hat, als solche kann man Hilde sehen. Auf jeden Fall hat Hilde ihren Spaß, wenn sie wieder ein Männerherz erobert hat, dass sie jedoch dann im gleichen Zug wie eine heiße Kartoffel wieder fallen lässt. So zumindest müssen sich die Männer hinterher fühlen.

Aber auch mit ihrer Poesie, dem Gedicht, das sie dem schüchternen, ruhigen und besonnenen Poeten Paul gewidmet hat, versteht sie es geschickt ihr Verlangen auszudrücken, wobei sie ihn gleich daraufhin weißt, dass er sich nichts draus machen soll, wenn´s beim ersten Mal nicht gleich klappt. Okay, das Gedicht ist an Paul gerichtet, jedoch wenn man dies verallgemeinert, heißt das so viel, oder zumindest interpretiere ich es so, dass niemand es Wert ist, dass man wegen einer verschmähten Liebe sich die Kugel gibt. Dazu muss ich sagen hat Hilde ein Feingefühl und Gespür dies diesen jungfräulichen, verträumten, sinnlichen und romantisch veranlagten Paul beizubringen.

Na ja, von Paul haben wir schon so viel erfahren, dass er in sich vertieft, verträumt, zurückhaltend wenn nicht gar schüchtern ist, der das ganze Geschehen mehr aus dem Hintergrund beobachtet. Als stillen Genießer kann man ihn sehen, der mit seinen Augen wahrlich die Geschehnisse, das Schöne und Reizende um ihn herum regelrecht einsaugt, festhält und dabei ein Glücksgefühl erlebt. Man hat den Anschein, als ob Paul mit den Augen spüren kann, was in folgender Szene deutlich wird, als Hilde ihm sein Gedicht "An die Liebe" vorliest, das er an sie gerichtet hat.

Ich habe dich nicht gebeten zu bleiben,
doch du bist geblieben,
Ich habe dich niemals gefragt, wer du bist oder was du auch willst,
du warst einfach da.
Was willst du nur Liebe von mir,
war ich nicht viel stärker alleine?
und habe ich dich jemals gebraucht,
doch bleib noch ein bisschen-nicht lange
solange nur bis keiner mehr fragt,
na wie gehts
und ich nicht mehr sage - es geht
Ein jeder sieht gleich, du bist da
denn wenn du mich einstmals verlässt,
sei dir sicher, ich gehe mit dir.

Nachdem sie ihm das Gedicht sehr gefühlvoll vorgelesen hat, fragt sie ihn, ob er an die große Liebe glaubt. Sie schmunzelt ihn daraufhin recht keck an, spreizt lustvoll ihre Beine, sodass man die Spitzen an ihrem Unterrock sehen kann. Dass sich Hilde so aufreizend, ja gar herausfordernd gibt, lässt ihn verlegen lächeln, wobei ihm diese feinsinnigen Worte genügen um ein Glücksgefühl, ja Hochgefühl zu erleben. Klar spürt es Hilde, dass er etwas bei ihrer recht provozierten Art empfindet, wenngleich er es vor ihr zu verheimlichen versucht, verlangt sie von ihm, dass er ihr ganz spontan poetisch sagt, was er für sie in diesem Augenblick empfindet.

Ein Saum blitzt rosa über den Beinen,
schön und frech zugleich,
welch Straps hängt runter an der Leine,
frage Sie deshalb zugleich.

Was Hilde an Paul über alles liebt, ist seine poetische Ader mit welcher er melancholische Gedichte und romantische Gedanken über das Leben, die Liebe und den Tod führt. Das ist das eine was die zwei verbindet, wenngleich sie eine ganz unterschiedliche Auffassung von Liebe haben. Er glaubt, dass es die große Liebe gibt, woran sie gar nicht glauben kann, auch wenn sie wie er romantisch eingestellt ist. Mit romantisch verbindet Paul, die große Liebe die ihm einmal begegnet festzuhalten und treu zu bleiben, wobei sie wie eine Biene von Blüte zu Blüte fliegt und hier und da ihr vergnügen hat. Der Reiz, das schüchterne, das Paul ausstrahlt, ist jedoch so groß, sodass sie ihn mit einem sinnlichen und sehr zärtlichen Kuss verführt, was wiederum dann für Paul so viel bedeutet, dass ihn nun Hilde alleinig liebt.

Hilde hat einen Bruder, der Günther heißt, den eine überaus gute Freundschaft mit Paul verbindet. Nicht auf sexueller Basis, sondern mit ihm rein freundschaftlich. Was ich zumindest zwischen den zweien als eine gute Männerfreundschaft sehe. Anders verhält er sich zu Hildes Freund Hans, der ihm ein Intimer Partner ist. Nun frag ich mich, hat Hans das Verhältnis zu Günther gesucht, dass er an Hilde rankommt? Zumal dieses Geschwisterpaar Hilde und Günther aus der gehobenen Gesellschaftsschicht kommen und Hans nur ein gewöhnlicher Arbeiter ist. Einige Szenen zeigen deutlich, dass Günther sich buchstäblich daran ergötzt, wenn seine Schwester mit ihren Reizen die Männerwelt verrückt macht. Ein grinsen, ein lächeln und ein strahlen ist dann in seinem Gesicht zu sehen. Günther ist in seinem Wesen schon was ganz besonderes, wobei er recht sinnlich, sensibel, verletzlich, geradezu zerbrechlich, wie auch überheblich wirkt. Keinerlei Eigeninitiative steckt in ihm, wobei er einen Hang zum Voyeurismus hat, das heißt, dass er sich genüsslich amüsiert und ergötzt, wenn seine Schwester mit ihren Reizen spielt, und anderen Männern den Kopf verdreht. Außerdem, so kommt es mir zumindest vor, hat Günther ein gestörtes Sexualverhalten, da er ein recht inniges Verhältnis zu Hans unterhält, was in folgenden Szenen klar zum Ausdruck kommen, als nämlich Günther im Keller ist und Hans dazukommt, bedrängt ihn Hans mit heißen Küssen, die er zu Anfang jedoch energisch abwehrt, dann aber doch Gefallen daran findet. Und in der anderen Szene, als Hilde mit Hans und ihrem Bruder im Gras liegen, und Hans Günther zärtlich küsst und streichelt, ist Günther von Hans enttäuscht, ja eifersüchtig, als er sich seiner Schwester Hilde zuwendet, zumal er mit einer Liebe zu dritt gerechnet hat. Ist es da verwunderlich, dass sich nicht irgendwann ein Eifersuchtsdrama anbahnt, das einem oder zwei oder sogar allen dreien das Leben kostet? Denn einen Pakt, einen Selbstmörderclub haben Günther und Paul miteinander geschlossen in welchem steht: "Wir verpflichten uns, unser Leben in dem Augenblick zu beenden, in dem wir keine Liebe mehr empfinden. Und wir werden all diejenigen mit in den Tod nehmen, die uns unserer Liebe beraubt haben."

Ja, und zu wem fühlt sich am Ende Hans mehr hingezogen, zu Hilde oder zu Günther? Ganz klar kommt das im Film nicht rüber, wobei es natürlich fraglich ist, ob Hans nicht so zum Schein mit Günther intim ist, nur um mit Hilde zusammen zu kommen. Denn früher wie auch heute noch, spielt der Soziale Unterschied eine große Rolle, wer mit wem am Ende zusammenkommt. Zumeist nur in einem Märchen kommt ein Prinz daher und nimmt das arme Mädchen zur Frau. In diesem Fall wär es halt die Prinzessin, die sich einen Bettelmann anlacht. Mir kommt es so vor, als wenn Hans mit beiden nur spielt. Mit Hilde und mit Günther. Hans hat mit Günther Schluss gemacht, wohlwissend wie weh er ihm tut und wie eifersüchtig er darauf reagiert. Außerdem, und das erkennt man in einer Szene, als Günther mit Paul ins Sommerhaus kommt, riecht es gut nach Essen, wobei es Günther klar ist, dass seine Schwester nicht so gut kochen kann. Folglich muss Hans, der Koch von Beruf ist da gewesen sein, wobei es Günther nicht recht ist, dass Hans ein Verhältnis mit seiner Schwester hat.

Im Grunde ist es ein rechter Wirrwarr, wobei man sich am Ende fragt, wer war mit wem im Nest. Na ja, im gewissen Sinn, darf man dies wiederum nicht so eng sehen, zumal fast alle unter reichlichem Alkoholeinfluss in dieser besagten lauen Sommernacht standen. Hilde hat nicht nur männliche Freunde zu dieser Party geladen, sondern auch recht viele Freundinnen, darunter Elli, die zu ihrer besten zählt, die Hilde mitunter nicht versteht kann, warum sie sich nicht mal nur für einen entscheiden kann. Im Grunde tun Elli die Männer leid, die sich Hoffnungen machen, wenn Hilde ihr Spielchen mit ihnen treibt. Ohne Ausnahme auch Paul, der ziemlich hart auf Hans und Hilde schaut, wie sie sich vergnügen. Elli, die in einem hohen Baum sitzt und das ganze Geschehen von oben aus beobachtet, nutzt die Situation aus, und bietet sich Paul an. Paul sagt nicht Nein, jedoch seine Gedanken sind bei Hilde. Das merkt man. Liebe, so wie Liebe sein soll, ist dieses intime Zusammensein für keinen. Man tut´s oder macht´s halt, weil man noch jung ist, und nichts versäumen will. Bloße Neugier, oder wie man so was nennt, wobei das sicher jeder auch so oder so ähnlich in seiner "Sturm und Drangzeit" erlebt hat.

Zurück in Berlin. Günther will, dass sich Hilde und Paul näher kommen. Doch leider zieht sich Hilde allein zurück, geht in ihr Bett und lässt die drei Männer, Hans, Günther und Paul allein in der Wohnstube sitzen. Hans stielt sich kurze Zeit später davon und steigt zu Hilde ins Bett. Als Günther und Paul eindeutige Liebesgeräusche der beiden vernehmen, steigen in Günther Rachegelüste, ja Mordgedanken auf, zumal jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, den Pakt einzulösen. Er, der enttäuscht von Hans wurde, weil er für ihn die große Liebe ist, geht am nächsten Morgen in Hildes Zimmer und erschießt Hans und daraufhin sich selbst. Ganz teilnahmslos steht Paul da, worauf hin er später unter Mordverdacht verhaftet wird. Nun fragt man sich, warum sich Paul nicht auch die Kugel gegeben hat, zumal er ja auch von seiner heimlichen Liebe hintergangen wurde. Ganz klar, drückt das Paul mit folgenden Worten aus, dass dies niemand Wert ist.


Daten zur DVD "Was nützt die Liebe in Gedanken"

Darsteller: Daniel Brühl, August Diehl, Anna Maria Mühe
Regisseur(e): Achim von Borries
Komponist: Thomas Feiner, Ingo Frenzel
Format: Dolby, PAL, Surround Sound
Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Deutsch (Dolby Digital 2.0)
Region: Region 2
Bildseitenformat: 16:9 - 1.85:1
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: Warner Home Video - DVD
Erscheinungstermin: 20. August 2004
Produktionsjahr: 2003
Spieldauer: 85 Minuten

Extras: Audiokommentar von Regisseur Achim von Borries,
Macking of "Was nützt die Liebe in Gedanken"
Casting / Proben*
Geschnittene Szenen
Animierte Fotogalerie
Bildtests
Teaser
Trailer
Kurzbiografien von Stab & Besetzung
Hidden Feature
*wahlweise mit Regiekommentar

Ganz kurz eine Zusammenfassung:

Schon der Filmtitel "Was nützt die Liebe in Gedanken" sagt aus, dass die Liebe im Mittelpunkt steht, um welchen sich die doch recht dramatischen Ereignisse gruppieren. So z.B. kann man Hilde, Günthers Schwester als Wegbereiterin in Sachen Gleichberechtigung etc. sehen, zumal sie sich nicht für einen Lover entscheiden kann. Nicht für Paul geschweige denn Günthers Geliebten Hans. Hans jedoch geht es nicht besser, auch er pendelt so wie sie, unschlüssig zwischen ihr und ihrem Bruder. Heute, im 21. Jahrhundert, ist es eigentlich nichts Ungewöhnliches mehr, wenn selbstbewusste Frauen ihre sexuelle Freizügigkeit ausleben, genauso wenig wird keiner mehr mit dem Finger auf Homosexuelle zeigen. Nur was für viele heutige Jugendlichen oder Heranwachsenden schon als Utopie angesehen wird, ist, an die einzig wahre Liebe, in einer monogamen Beziehung zu glauben. Ich zumindest bin der Auffassung, dass es nur dem/derjenigen gelingt, mit den Jugendlichen mitzufühlen, welche enttäuschte Liebe und romantischer Weltenschmerz schon mal durchgemacht hat. Klar, muss und darf so was nicht mit einer Katastrophe enden, aber wie viele hat gerade eine verschmähte Liebe in den Tod gerissen. Denken wir nur an "Die Leiden des jungen Werther".


Mir persönlich gefällt dieser Film aus folgenden Gründen überaus gut, weil man sich in diese Personen reinversetzten und mitfühlen kann, zumal man ja auch mal jung war, und das Thema Liebe mit seiner ganzen Problematik zugut kennt. So gut kennt, dass sich fast jeder in gewissen Punkten wiedererkennt. Auch darin, dass man auch unglücklich sein kann wenn man Liebe bekommt, wobei man sich komischerweise im selben Zug nach Liebe und Anerkennung sehnt.

Fazit: Gibt es ihn wirklich, den höchsten Punkt im Leben?