Wrong Turn (VHS) Testbericht

Wrong-turn-vhs-horrorfilm
ab 10,17
Auf yopi.de gelistet seit 10/2004
Summe aller Bewertungen
  • Action:  viel
  • Anspruch:  durchschnittlich
  • Romantik:  sehr niedrig
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Spannung:  langweilig

Erfahrungsbericht von Hindenbook

Menschenjagd als Picknick im Walde

Pro:

Schöne Landschaft, solide Slasher-Effekte.

Kontra:

Unterforderte Darsteller in lahmer, spannungsarmer Story.

Empfehlung:

Nein

I. Inhalt

Auf der einen Seite Jessie, die gerade vom Lebensgefährten verlassen und von ihren Freunden Carly, Scott, Francine und Evan auf einen tröstenden Campingurlaub verschleppt wurde, auf der anderen Chris Finn, ein junger Arzt, der unterwegs zu einem Vorstellungsgespräch ist und - er hat es eilig - eine Abkürzung wählt, die er besser unterlassen hätte. In der Mitte trifft man sich, und zwar buchstäblich, denn Chris rammt den Van der fünf Camper. Nun sitzt man fest in den Wäldern von West Virginia, in denen kein Handy funktioniert und die wenigen Schotterwege im Nichts enden.

Oder vor dem Gruselhaus dreier Brüder, die schon auf unsere Pechvögel lauern. Von Inzucht und Geistesschwäche gezeichnet, sind sie zu Wegelagerern und Kannibalen degeneriert, die Wanderer, Bergsteiger und Freizeitjäger reihenweise abschlachten. Auch unser halbes Dutzend verzeichnet rasch den ersten Personenschwund: Evan und Francine, die an der Unfallstelle Wache halten sollen, statt dessen aber lieber kiffen und knutschen, wandern problemlos in den immer heißen Suppentopf unserer Waldschrate.

Deren Schreckenshöhle wurde inzwischen von den vier anderen Reisenden entdeckt, die auf der Suche nach Hilfe tiefer in die Wildnis vorgestoßen sind. Zwischen eingelegten, geräucherten oder sonst wie haltbar gemachten Leichenteilen stapelt sich allerlei Raubgut; der Gesamteindruck lässt es ratsam erscheinen, den Ort des Grauens umgehend zu verlassen.

Doch da naht bereits das Trio Infernale, das zwar nicht sprechen, aber einen uralten Abschleppwagen fahren und mit Schusswaffen umgehen kann. Sehr gut begreifen die Brüder auch, dass es mit ihrem fröhlichen Menschenfresserleben vorbei ist, könnten ihre unfreiwilligen \"Gäste\" das Weite suchen. Außerdem begrüßen sie die Abwechslung einer zünftigen Menschenjagd. Den Heimvorteil unschön ausnutzend, dünnen sie das Feld der Flüchtigen weiter aus. Chris und Jessie sind freilich aus härterem Holz geschnitzt. Sie wehren sich zu Wasser, zu Lande und in der Luft gegen ihre Feinde, die leider ziemlich widerstandsfähig, d. h. kaum oder eigentlich gar nicht umzubringen sind, obwohl es unsere Helden mehrfach einfallsreich versuchen.

Die Brüder gewinnen schließlich die Oberhand und verschleppen Jessie in ihre Speisekammer. Aber Chris lässt nicht locker; in der Not hat er endlich den \"american way\" der Schurkenjagd begriffen: Du musst einfach noch brutaler als deine Gegner vorgehen, dann wird die Gerechtigkeit schon siegen! So beginnt mitten im einsamen Wald das apokalyptische Schlussduell mit Schrotflinte, Messer, Axt und allen anderen Instrumenten, die man so braucht für ein Leben im Dienst der Forstwirtschaft ...

II. Darstellung

\"Kennt ihr den Film ‘Beim sterben ist jeder der Erste\'?\", fragt an einer Stelle Scott seine Leidensgenossen. Damit ist im Grunde schon alles gesagt: \"Wrong Turn\" ist ein auf Tempo inszeniertes Remake dieses Klassikers um einige Kanufahrer, die in der Wildnis mörderischen Hinterwäldlern in die Hände fallen.

Weil wir uns im 21. Jahrhundert befinden, haben Drehbuchautor Alan B. McElroy und Regisseur Rob Schmidt freilich alle verstörenden, mehrdeutigen, kritischen Elemente der Story getilgt und sie auf eine Kannibalen-Zombies-jagen-hübsche-Menschen-Hetzjagd reduziert; Filme sind teuer und müssen sich rentieren; Anspruch stört da nur.

Stört an sich nur elitäre Nörgler, wäre trotzdem nicht etwas höchst Überflüssiges entstanden: eine 08/15-Gruselmär, schon tausendfach und oft besser gesehen, überraschungs- und spannungsarm, aber reich an Klischees und Dümmlichkeiten. Das Drehbuch ist eine Zumutung, seine Umsetzung verrät Ideenmangel an denkbar ungeeigneten Stellen - in der Regel dann, wenn es spannend werden soll oder logisch sein sollte.

- Wieso ziehen unsere Helden nach dem Unfall ausgerechnet tiefer in den Wald als zurück zum Highway?

- Um das Schlachthaus der Brüder stapeln sich unter freiem Himmel die Autos ihrer Opfer. Ist wirklich davon auszugehen, dass sie ihr Unwesen so lange treiben konnten, ohne dass ihr Schlupfwinkel bei einer der Suchen nach Vermissten jemals entdeckt wurde?

- Würden selbst drei hirnweiche Kannibalen an einem Aussichtsturm im Wald vorüberziehen, ohne ihn als potenzielles Versteck auf jeden Fall zu durchsuchen?

- Was geschieht eigentlich mit dem brennenden Turm, während Beute & Jäger in den Wipfeln der umliegenden Bäume Eichhörnchen & Marder spielen? (Sein Brand und Umstürzen fiel offensichtlich dem Sparzwang zum Opfer.)

- Kein Wort verlieren wir besser auch über die erstaunliche Lebenskraft unserer Unholde; die mehrfache Wiederaufstehung eigentlich mausetoter Finsterlinge ist bekanntlich ein Lieblingsklischee (nicht nur) des (billigen) Horrorfilms.

Gibt\'s denn gar nichts Positives zu verzeichnen? So ist natürlich nicht, denn obwohl denen, die ihre Idee mit Leben füllen sollten, nichts eingefallen ist, arbeiten hinter der Kamera Hollywood-Profis. Stan Winston hat in seiner langen Karriere schon so manche maskierte Scheußlichkeit kreiert. Mit den drei Menschenfressern hat er wieder Großartiges geleistet; sie sind als genetisch gecrashte und grundsätzlich bedauernswerte Menschenkinder immer noch erkennbar, ansonsten aber wahrlich schauerlich.

Bemerkenswert ist auch ihr Heim geraten. Hollywood weiß, wie man Gräuelstätten überzeugend in Kulissen umsetzt. Da stimmt jedes widerwärtige Detail bis zur Gebisssammlung im Einweckglas. Die Wälder von West Virginia prunken mit natürlichen Schauwerten. Für die gewählte Story wirken sie allerdings ein wenig zu freundlich. Vor allem glaubt man einfach ihre angebliche Unzugänglichkeit nicht. Irgendwie scheint die Zivilisation, die unsere Verfolgten so eifrig erreichen wollen, gleich hinter dem nächsten Hügel zu liegen.

Grundsätzlich nicht zu beanstanden sind die Splattereffekte, das A & O eines richtigen Horrorfilms. Sie werden sparsam eingesetzt, können aber überzeugen. Seltsame Sprünge deuten darauf hin, dass die US-Version für den deutschen Einsatz \"bearbeitet\" wurde; hierzulande setzt sich im Kino immer stärker die Tendenz durch, harte Horrorstreifen in vorauseilendem Gehorsam zu \"entschärfen\", um die geschäftsschädigende Zensur (die es ja offiziell nicht mehr gibt - geschenkt!) zu umgehen sowie eine Absenkung der Altersfreigabe auf mindestens 16 Jahre zu erreichen: Das erweitert den potenziellen Zuschauerkreis erheblich - und gepfiffen auf die künstlerische Freiheit, die für Schmutz & Schund sowieso als aufgehoben gilt!

III. Schauspieler

Wie es üblich ist im Horrorfilm der B- und C-Kategorie, zerfällt der Feld der Handelnden auf der Seite der \"Guten\" rasch in zwei Gruppen, die der Profi so einteilt: \"Überlebende\" und \"Kannibalenfutter\". Wer klagt und quengelt, d. h. allzu viel menschliche Schwäche zur Schau stellt, ist bereits verloren; es geht nur darum, den Tod solcher Weichlinge möglichst exotisch zu zelebrieren. Hier geschieht dies u. a. durch Erwürgen mit Stacheldraht und Köpfen mit einer Axt, zur optischen Abwechslung auf einem gar hohen Nadelbaum.

Dass Evan und Francine zuerst über die Klinge springen, ist ebenfalls klar: Strafe muss schließlich sein für die, welche in der Öffentlichkeit rauchen - und dann auch noch Gras! - sowie es schamlos miteinander treiben. \"Just say No!\": Für solche unamerikanischen Triebe hegte der Horrorfilm noch niemals Verständnis.

Helden klagen zwar, aber sie jammern nicht, sondern raffen sich auf, entwickeln eine Strategie, stellen sie dem Bösen und stellen es schließlich nicht, sondern vernichten es, auf dass es niemals wieder sein hässliches Haupt erhebe. So haben es die Vereinigten Staaten von Amerika sein jeher gehalten; die bemerkenswerten Erfolge in den Kriegen nach 1945 scheinen die Wirksamkeit dieses Vorgehens zu unterstreichen ...

Wer sich wie Chris und Jessie wehrt, tötet in Notwehr, wobei jedes Mittel Recht ist. Tüchtige Leute sind sie außerdem, keine turtelnden Witzbolde wie Scott und Carly, keine Punks wie Evan und Francine, sondern ernst und besonnen, nützliche Mitglieder der Gesellschaft, zunehmend ehrenhaft zueinander hingezogen.

Pech für unsere Waldschrate. Sie mögen ja Pech gehabt haben und ohne ihr Verschulden auf verwickelte, besser ungeklärt bleibende Weise miteinander verwandt sein, was unschöne körperliche und geistige Auswirkungen hatte. Trotzdem haben sie höchstens das Recht, tief im Wald vor sich hin zu vegetieren. Doch sie morden und fressen die Guten oder wenigstens Schönen. Damit haben sie ihr eigenes Todesurteil unterschrieben. \"Three Finger\", \"Saw-Tooth\" und \"One-Eye\" sind Abschaum, der ausgemerzt gehört - und dieses unschöne Verb wird hier mit Bedacht verwendet. Ein schlechtes Gewissen muss man deshalb nicht haben. Eher ist es die Pflicht jedes anständiges Bürgers so zu handeln.

Für den Film schlüpfen die furchtbaren Drei in die Rollen der scheinbar übermächtigen Feinde, die ausschließlich böse sind. Das bedingt, dass sie ihren Opfern fatal gleichen: Sie sind austauschbar, langweilig, ihr Schicksal lässt den Zuschauer kalt. \"Gute\" sterben, \"Böse\" sterben, es ist an sich gleichgültig, so lange ihr Ende nur blutig genug ausfällt.

Es gibt deshalb wieder Schauspielerlob noch -schelte: Das dürftige Drehbuch lässt den Darstellern niemals eine Chance. Sie spielen ihre Rollen, sprechen ihre läppischen Dialoge, bringen es hinter sich. Eine traurige Verschwendung von Zeit und Geld, die sie gemeinsam mit dem Zuschauer auf ihren \"wrong turn\" zu einem angeblich unterhaltsamen Filmabend zwingt.

IV. Fazit

Die angebliche Wiederkehr des \"harten\", d. h. nicht auf Witzeleien zielenden Horrors entpuppt sich bei näherer Betrachtung als werbewirksam inszenierter Sturm im Wasserglas. \"Wrong Turn\" ist saurer Wein in uralten Schläuchen. Jede Szene besitzt einen deprimierenden Wiedererkennungswert. Im schematischen Gewirr des konstruierten Drehbuchs zappeln die Darsteller hilflos ihre Rollen ab. Die handwerklich saubere Machart kann die inhaltliche Leere nie überdecken: Selbst für einen DVD-Abend mit viel Popkorn nicht empfehlenswert.

IV. Filmdaten

Originaltitel: Wrong Turn (USA/Deutschland 2003)
Regie: Rob Schmidt
Darsteller: Desmond Harrington (Chris), Eliza Dushku (Jessie), Emmanuelle Chriqui (Carly), Jeremy Sisto (Scott), Kevin Zegers (Evan), Lindy Booth (Francine), Julian Richings (Three-Finger), Garry Robbins (Saw-Tooth), Ted Clark (One-Eye), Yvonne Gaudry (Halley), Joel Harris (Rich), Wayne Robson (verkommener Tankwart), James Downing (Trucker), David Huband (Trooper) u. a.
Drehbuch: Alan McElroy
Special Make-Up Effects: Stan Winston Studio
Kamera: John S. Bartley
Musik: Elia Cmiral
Länge: 81 Minuten
FSK 16

V. Features der DVD :

In der ersten (Leih-)DVD-Fassung für die Ungeduldigen halten sich die Features sehr in Grenzen. Den Menüpunkt \"Extras\" darf man getrost als Schwindel bezeichnen. Es gibt nur den knapp zweiminütigen Kinotrailer, dazu als Texttafeln knappe, wenig aussagekräftige Bio- und Filmografien der wichtigsten Darsteller. Reine Werbung, die den Titel \"Extra\" nicht verdient, sind diverse Programmhinweise des Herstellers.

Die Kauf-DVD bietet ein Making-Of (\"Frischfleisch: Die Make up Effekte\"), ein Feature über \"Stan Winston: Herr der Monster\", die obligatorische Schnipsel-Sammlung \"Behind the Scenes\", das gegenseitige Beweihräuchern von Cast und Crew (euphemistisch \"Interview\" genannt), ein \"Eliza Dushku Special\" (Grund unklar, da diese Darstellerin über keine offensichtlichen Starqualitäten verfügt; sie war allerdings mal Handtuchhalterin für TV-Vampir-Kinderschreck \"Buffy\"), dazu Fotogalerie, Trailer, die mickrigen Biografien und ein Audiokommentar.

Die Bildqualität der DVD-Fassung ist weit von dem entfernt, was die Kritik gern \"dreidimensional\" nennt, lässt sich aber sehen. Die Ohren werden wahlweise mit Dolby 5.1 oder DTS verwöhnt, wenn\'s die Haustechnik hergibt.


(Copyright 11.04.2004/Dr. Michael Drewniok)

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