Zwei glorreiche Halunken (VHS) Testbericht

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ab 6,79
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Erfahrungsbericht von Swinja

Drei Traumschwiegersöhne zum Vom-Fleck-weg-Heiraten

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Der Film beginnt mit einem Gesicht. In Nahaufnahme.

Ein regloses Gesicht, das aus einem debilen Gesichtsausdruck besteht (wie der Frankenstein-Darsteller in einem Stummfilm), und zwei blicklosen Augen, die, wie bei einem Untoten, zwar starren, aber nicht im landläufigen Sinne „sehen“. Bei Nacht und in real würde man wegrennen. Aber keine Sorge, dieser Mensch wird von jetzt an nicht mehr lange leben – sofern er denn überhaupt lebt, im anatomischen Sinne.

Er wird zusammen mit zwei gleichgesinnten Gestalten würdevoll vor einen Saloon in einer wüstenwinddurchtosten Geisterstadt schreiten, dort hineinstürmen und drinnen im Kugelhagel sterben – oder zumindest so durchlöchert werden, daß ein lebender Mensch davon sterben würde.

So beginnt der für meinen Geschmack genialste Western aller Zeiten, ein Werk des Italieners Sergio Leone.

Der Film erzählt die Geschichte einer Kriegskasse, einer Kiste mit Soldatenwehrsold, die in den Wirren des US-Bürgerkriegs geraubt wird und verschwindet. Sie verschwindet auf einen Friedhof in ein Grab, und drei Personen machen sich auf, sie zu finden.

Da wäre Setenza, von Lee van Cleef gespielt: ein eiskalter, gefühlloser Kopfgeldjäger, für den ein Mord nur ein ausgeführter Auftrag ist. Er macht sich nichts daraus, einen Familienvater vor den Augen von Frau und Kind niederzuschießen. Auch nicht, seinen Auftraggeber für diesen Mord ebenfalls umzupusten. Er will das Geld aus der verschwundenen Kasse. Van Cleef spielt ihn als einen vordergründig feinen eleganten Herrn mit Benimm, dem aber die Brutalität aus dem geiernasigen Gesicht und die Eiseskälte aus den starren Schlangenaugen schaut.

Da wäre noch Tuco, das Abbild eines bauernschlauen kleinen schmierigen Ganoven, gespielt von Eli Wallach. Tuco ist der Typus eines Gauners, der aus Veranlagung kriminell ist, aber für den richtig großen Coup dann doch zu wenig Horizont hat. Sein Sündenregister ist identisch mit seinem Lebenslauf und würde ausreichen, um ihn mehrmals aufzuhängen – was dann auch prompt passiert, ohne daß er davon stirbt. Schuld daran ist ein Mann, der in einer gefährlichen Situation seinen Weg kreuzt:

„Blondie“, wie er in der afrikaansen Version genannt wird (eigenartiger Name für einen Mann, gerade für so einen), ist ein Meisterschütze, der schneller zieht als sein Schatten. Er spricht kaum ein Wort, hat keinen in Erfahrung zu bringenden Namen, kann sich ausschließlich von einem Zigarrenstumpen im Mundwinkel ernähren, und die Kälte scheint von ihm regelrecht herunterzufließen. Es ist die Rolle schlechthin für Clint Eastwood, der hier als eiskalter einsamer Reiter mit einer Vorliebe für zynische Kommentare seinen Glanzauftritt hat.

Auf dieses Trio (das aber bis etwa zur Mitte des Films, als die beiden letzteren von der Existenz und dem Versteck der Kriegskasse erfahren, in zwei getrennten Handlungssträngen agiert) ist der Titel gemünzt: „The Bad“ ist Setenza, der von allen sicher der Unympathischste ist. „The Good“ ist der Namenlose, dessen Rolle Eastwood spielt: er ist ebenso ein Gangster wie die anderen beiden, aber er hat gelegentlich fast ritterliche Anwandlungen. Dazu später mehr noch. Und „The Ugly“, der „Greißliche“, ist Tuco: klein und schmächtig, niederträchtig, möchte man ihn fast charakterisieren...

So kämpfen sich nun durch den Film hindurch diese drei Personen, in wechselnden Beziehungen zueinander und ebenso wechselnden Bündnissen (mal verfeindet, mal verbündet), durch die Fronten des Kriegs auf das Versteck der Kasse zu. Setenza geht skrupellos seinen Weg, wobei er vor Mord und Folter nicht zurückschreckt. Tuco und Blondchen, die die meiste Zeit ein Traumpaar bilden (wenn auch äußerst unfreiwillig), geraten eher passiv in mehrere Fettnäpfchen, sogar in Kriegsgefangenschaft und ein dementsprechendes Lager. Aber mit dem Verlauf des Films immer logischer und drängender entwickelt sich die Handlung auf einen Höhepunkt zu: alle dreie stehen auf dem besagten Friedhof um ein Grab herum, in dem die besagte Geldkiste – nicht drinnen ist. Wo ist sie denn nun? Die Geschichte mündet in einem Duell zu dritt...

Was hat mich an diesem Film beeindruckt?

Sicher, Leone ist der Meister der Kameraeinstellungen. Manche Szenen leben davon, daß in ihnen praktisch NICHTS geschieht – während der Zuschauer vor Spannung fast stirbt. Das Gesicht am Anfang ist ein Beispiel dafür.

Die Dialoge. Wie kann einen etwas beeindrucken, was gar nicht da ist? In den ersten 7 Minuten des Films werden 5 Menschen erschossen – was insofern beachtlich ist, als daß in diesem Zeitraum kein einziges Wort gesprochen wird.

Doch, es gibt Dialoge, und sie sind tiefschwarz – nicht politisch. Sie sind so zynisch, daß sie wehtun. Etwa, zu Anfang, Tucos Hinrichtung durch den Strang: „Hiermit verurteile ich Tuco Benedicto Pacifico...“ (allein die Bedeutung der Vornamen ist schon Ironie) Blondie, hinter einem Pfeiler stehend, kommentiert nur: „...auch Schwein genannt...“ Der ganze Film ist voll von derben Sprüchen – nicht etwa vulgär, sondern schlicht und einfach zynisch-grausam.

Die Handlung. In vielen Filmen ist die Handlung, zumindest für einige Minuten, voraussehbar. Hier nicht. Wer es trotzdem versucht, rennt gegen die Wand. Die Handlung schlägt erstaunlichste Haken und gleitet gelegentlich ins Absurde ab. Beispiel: Tuco sitzt in einer vom Krieg zerschossenen Stadt in einem verlassenen Hotel in einer Badewanne und plätschert mit dem Badeschaum herum (allein das schon eine Situation, die nur als idiotisch bezeichnet werden kann), als plötzlich jemand, der noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hat, auftaucht. Die Situation scheint aussichtslos, denn welcher Mann hat schon seinen Colt mit in der Badewanne unter dem Schaum verborgen? Die Antwort: TUCO...?

Die Charaktere. Es gibt kein Gut-Böse, wie in vielen Hollywoodfilmen. Alle drei sind Ganoven, wobei Blondie der sympathischste und ritterlichste von allen ist. Er findet nichts dabei, Tuco aus der Hand von Kofgeldjägern zu retten – aber nur um ihn selbst, gegen das Kopfgeld, beim nächsten Sherriff abzuliefern. Er rettet ihn, indem er ihn bei der Exekution vom Galgen herunterschießt – aber nur, um ihn (dessen „Wert“ mittlerweile auch angestiegen ist) beim nächsten Sherriff überteuert abzugeben. Er hat keine Gewissenbisse, Tuco noch gefesselt und noch mit dem Strick um den Hals in der Wüste zum Verdursten zurückzulassen. Als er dieses Spiel bei einem anderen Ganoven versucht und ihn nicht retten kann (wobei sich der Film nicht geniert, den Gehängten zu zeigen, der mit den Füßen strampelt und um sein bißchen Luft und Leben kämpft): traurig und anteilsvoll sagt er: „Tut mir leid, Shorty.“ Und auf einem Schlachtfeld zwischen Nord und Süd läßt er einem im Sterben liegenden Soldaten den letzten Zug seiner Zigarre und deckt den Sterbenden, den die Kälte des Todes schon schüttelt, mit seinem Mantel zu. Der Mann mit dem Poncho und dem Tabakstummel, der „verdammte Hurensohn, der immer Zigarren raucht und das Maul nur aufmacht, wenn’s unbedingt sein muß“, ist eine Gestalt wie Hagen aus dem Nibelungenlied.

Das Wechselbad. Es gibt genügend Szenen im Film, bei denen man nur vor Lachen losprusten kann. Dazu tragen auch die erwähnten schwarzhumorigen Dialoge bei. Aber dieses Lachen kommt nicht weit und findet oft nicht den Weg aus dem Hals heraus – weil es bei irgendeiner gleich nachfolgenden Szene steckenbleibt. Die Episode mit dem oben erwähnten gehängten Ganoven „Shorty“ mag eine davon sein.

Die Musik. Ennio Morricone hat sie komponiert, und mit Trompete, Maultrommel, Stahlseitengitarre und Eunuchenchor spielt sie schwülstig-dramatisch auf den Nerven des Zuschauers wie ein begabter Pianist auf seinem Instrument. Vor allem bei dem abschließenden Duell zu dritt treibt sie, unterstützt durch die immer hektischer werdenden Kameraeinblendungen (auf die Hände und die Augen der drei Beteiligten), den Adrenalinspiegel nach oben – obwohl gar nichts passiert, außer daß drei Mann dastehen und sich gegenseitig anfixieren.

Wenn der Film dann endlich vorbei ist (mit einem etwas eigenartig happyend-artigen Schluß), sitzt man erschöpft und schweißgebadet da und weiß nicht, ob man immer noch über die Sprüche lachen soll oder über manche Szenen (die Hinrichtung, die Folterungsszenen im Kriegsgefangenenlager, die Sterbeszenen – manches läßt einen sehr melancholisch werden in diesem Film) sich grauen soll. Und im Hinterkopf behält man auf ewig die Musik, diesen Zweiklang-Akkord, der mal, wie von einem Urwaldvogel gepfiffen, die Westernromantik des Streifens herüberbringt, manchmal aber auch, von einem Kastratenchor gekreischt, sich anhört wie das häßliche Lachen einer Schicksalsgöttin, die sich voller Häme über die Tragödien freut, die sie ausgelöst hat. Filmprädikat: eine Legende auf Zelluloid, für Leute, die Western mögen und viel schwarzen Humor mit sich herumtragen.

PS.: Nur der idiotische deutsche Titel stört mich.

26 Bewertungen, 2 Kommentare

  • Nyx...

    01.12.2002, 10:11 Uhr von Nyx...
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ernährungsprogramm Zigarrenstumpen *lol*

  • Donline

    05.04.2002, 15:39 Uhr von Donline
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hut ab! Für Diesen Bericht und den wirklichen besten "Western" aller Zeiten. VG Jörg