Der Tatortreiniger (DVD) Testbericht

Es war eine Nacht im Dezember 2011, als ich gemeinsam mit der damals 19-jährigen Tochter vor dem Fernseher saß. Ich weiß heute nicht mehr, was wir uns da gemeinsam im Programm des NDR angeschaut haben - irgendwie scheint das keinen besonders tiefen Eindruck hinterlassen zu haben. Aber nach der eigentlich gewünschten Sendung blieb der Fernseher noch an. Und plötzlich begann da etwas, was ich zunächst gar nicht richtig einordnen konnte, ich hielt es anfangs sogar für eine Dokumentation. Doch damit lag ich weit daneben - es war die erste, völlig unbeworbene Folge einer Serie, die ich einfach nur genial fand und finde - natürlich wurde der besten Ehefrau von allen tags darauf berichtet. Und weil sie sich diesen TV-Genuss eigentlich auch verdient hatte, wurde schon vor geraumer Zeit die entsprechende DVD geordert, über die entsprechend nun hier berichtet werden kann.

Der Kauf

Gesucht und gefunden wurde die DVD mit den ersten vier Folgen der von mir so begeistert aufgenommenen Fernsehserie im Internet bei buecher.de, wo damals 14,99 Euro für das im April 2012 in den Handel gekommene Werk zu bezahlen waren. Inzwischen ist es beim gleichen Anbieter übrigens genau einen Euro preiswerter, Versandkosten fielen damals nicht an und sind auch jetzt nicht zu zahlen. Geliefert wurde und wird mit DHL.

Das Aussehen

Der einzelne Datenträger ist in einer Plastikbox versteckt - wie das nun einmal zumeist bei DVDs der Fall ist. Hauptdarsteller Bjarne Mädel ist auf dem Titel in seiner Rolle als "Schotty" mit Mütze und ziemlich entgeistertem Gesichtsausdruck zu sehen. Der Serien-Titel ist in weißer Schrift auf rotem Grund zu lesen, wobei dieses Rot sicherlich Blut darstellen soll, zumal das auch noch auf weißem Hintergrund verlaufen ist. Auf der Rückseite der Box gibt es einige Informationen über die Serie, die auf einem Booklet im Inneren noch vertieft werden.

Der Inhalt (DVD-Box)

"Meine Arbeit fängt da an, wo andere sich vor Entsetzen übergeben", sagt Heiko Schotte, staatlich geprüfte Reinigungsfachkraft. Angestellt bei der Hamburger Gebäudereinigungsfirma Lausen, fährt "Schotty" immer dann mit seinem weißen Pick-Up vor, wenn die Polizei die Ermittlungsarbeit abgeschlossen hat. Mit Chemikalien, Putzlappen und Schrubber bewaffnet, beseitigt er die letzten Reste des Lebens. Im Umgang mit Müll, Blut und Leichengeruch bringt Schotty so schnell nichts aus dem Konzept. Allerdings trifft Schotty bei seinen Einsätzen auch auf Hinterbliebene und weil er ein geselliger Mensch ist, wird manchmal mehr gesprochen als geputzt. So kommt es zu schrägen Begegnungen mit einer bestellten Prostituierten, einem Schriftsteller mit Schreibblockade, einer gar nicht so noblen Alstervillenbewohnerin und einem noch als Geist präsenten ermorderten Psychiater.

Mitwirkende

In allen Folgen gibt es nur einen festen Mitwirkenden: Bjarne Mädel, der den "Schotty" spielt. Zudem wirken in einzelnen Folgen mit: Vanessa Stern, Michael Hanemann, Katharina Marie Schubert, Anneke Kim Sarnau, Charly Hübner, Bernd Moss, Bettina Stucky, Michael Wittenborn, Christine Schorn und Carmen-Maja Antoni.
Die Idee zur Serie lag bei Bjarne Madel und Arne Feldhusen, Autorin ist Mizzy Meyer, Regie führte Wolfgang Henningsen.

Die Hauptperson

Bjarne Ingmar Mädel, geboren 1968 in Hamburg, entzog sich nach dem Abitur dem eigentlich anstehenden Wehrdienst durch Simulieren einer Migräne. In Kalifornien studierte er dann Weltliteratur und Kreatives Schreiben. Ebenso arbeitete er als Bauarbeiter und im Hamburger Hafen. Nach einem Studium der Theaterwissenschaften und der Literatur an der Universität Erlangen erlernte Mädel von 1992 bis 1996 auf klassischem Wege den Beruf des Schauspielers an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam. Es folgte ein Engagement am Volkstheater Rostock von 1996 bis 1999. Danach war er fünf Jahre Ensemblemitglied am Schauspielhaus Hamburg. Größere Bekanntheit erlangte Mädel 2004/2005 durch die Figur des Berthold "Ernie" Heisterkamp, welche er in der TV-Serie "Stromberg" verkörperte.
Mädel bekam von Stromberg-Autor Ralf Husmann eine eigene Comedy-Serie auf den Leib geschneidert. In der Serie, die den Titel "Der kleine Mann" trägt, spielt Mädel die Hauptfigur des Elektrofachverkäufers Rüdiger Bunz, der durch eine Schnapswerbung plötzlich berühmt wird. Die Dreharbeiten für die erste Staffel der Serie wurden im Oktober 2008 beendet, die Serie lief ab März 2009 auf ProSieben. Nach Abschluss der Dreharbeiten der vierten Staffel von "Stromberg" Ende Mai 2009 folgte für Mädel der Dreh der zweiten Staffel von "Mord mit Aussicht" (ARD). 2013 verkörperte er bei den Dreharbeiten zu "Stromberg - Der Film" letztmals die Rolle des "Ernie" Heisterkamp. Bjarne Mädel lebt in Berlin. (Quelle: Wikipedia).

Technische Angaben

Laufzeit: ca. 100 Minuten plus Bonusmaterial
Disc-Type: 1 DVD 9
Sprache: Deutsch
Untertitel: Deutsch für Hörgechädigte
Ton: Dolby Digital 2.0 Stereo
Bildformat: 16:9
Bonusmaterial: Behind The Scenes, Webclips
FSK-Freigabe: ab 12 Jahre

Zur Produktion und Ausstrahlung

Zunächst wurden vier Folgen produziert; die Dreharbeiten fanden im November 2011 in Hamburg statt Ausgestrahlt wurden die Folgen erstmals im öffentlich-rechtlichen Fernsehen beim NDR am 23., 25., 26. und 27. Dezember 2011 im Nachtprogramm. Am 4. und 5. Januar 2012 wurden die ersten beiden Folgen ein weiteres Mal am späten Abend wiederholt. Nachdem die Serie 2012 für den Grimme-Preis nominiert worden war, entschied sich der NDR dazu, weitere Folgen zu produzieren. Im Sommer 2012 wurden drei neue Folgen produziert; zwei weitere Folgen wurden im Herbst 2012 gedreht. Die ersten drei neuen Episoden wurden am 2. und 3. Januar 2013 im NDR ausgestrahlt, nachdem die Folge "Über den Wolken" ab dem 24. Dezember 2012 bereits als Weihnachts-Preview über die offizielle Facebook-Seite und wenig später auch in der NDR-Mediathek gezeigt wurde. Zwei weitere neue, bisher unausgestrahlte Folgen wurden am 13. Mai in verschiedenen deutschen Kinos gezeigt.
Die Erstausstrahlung, die vom NDR nicht angekündigt worden war, erhielt keine besondere Zuschauerresonanz. Die am 25. Dezember 2011 gesendete zweite Folge fand beispielsweise nur 50.000 Zuschauer. Durch eine Web-Kampagne allerdings fand die Serie schnell begeisterte Angänger, sie entwickelte sich vor allem bei Facebook und Twitter zum Geheimtipp und zog schon bald ein großes Presse-Echo nach sich. So erreichte die Zweitausstrahlung der ersten Folge am 4. Januar 2012 bereits 670.000 Zuschauer. (Quelle: Wikipedia).

Meine Meinung

Zunächst einmal bin ich völlig begeistert von der Idee zu dieser Comedy-Serie, die so ganz anders ist als das, was wir kennen. Es sind stets die Treffen mit anderen Menschen und die selbstbewusste Hilfslosigkeit des Protagonisten, die den Charme der Serie ausmachen, wobei das Konzept der einzelnen Folgen schon dem eines Kammerspiels ähnelt, denn neben "Schotty" gibt es zumeist nur eine, maximal zwei weitere relevante Charaktere im Geschehen. Erwähnt werden muss dabei allerdings auch, dass trotz des blutrünstigen DVD-Titels diese Serie nichts mit einem Kriminalfilm zu tun hat. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das Bonus-Material, in dem erklärt wird, wie die Serie in den Köpfen entstand und wie Schauspieler dazu überredet wurden, dabei mitzumachen - ausnahmsweise also ist dieser Zusatzstoff wirklich sehenswert.

Als hervorragend zu beurteilen ist auch die Tatsache, dass eigentlich keine Folge der anderen gleicht - die humoristischen Elemente sind stets völlig anders aufgebaut. Mein persönlicher Favorit ist gleich die erste Folge "Ganz normale Jobs", in der Schotty am Tatort eine Prostituierte trifft und beide sich ausführlich über ihre Arbeit unterhalten, wobei der Tatortreiniger nicht abgeneigt scheint, in die Rolle des Auftraggebers zu schlüpfen - aber irgendwie steht Schotty zwar zwischenzeitlich nur mit einer Unterhose bekleidet da, findet letztlich mehr eine Freundin und Seelenverwandte als eine Partnerin für Sex. Gemein mit dieser ersten Folge hat die zweite ("Spuren") lediglich, dass erneut das Zwiegespräch im Vordergrund steht, wobei Schotty selbst überrascht ist, dass seine eher realitätsnahen Bemerkungen und Handlungen dafür sorgen, dass er zur Muse des hinterbliebenen Schriftstellers wird, der unter einer Schreibblockade leidet. Etwas flacher wird der Humor in "Nicht über mein Sofa", wobei hier schon der Einstieg völlig anders ist als bei den Vorgänger-Folgen, denn die Versuche des Tatortreinigers, den Tatort überhaupt zu erreichen, gehen in den Bereich Slapstick, sorgen aber dennoch für gute Laune beim Zuseher. Und wie Schotty dieses Mal dank seiner Arbeit und Unterhaltungsgabe ein Verbrechen auflöst, das ist schon geschickt kosntruiert. Immerhin gleich zwei Gesprächspartner hat Bjarne Mädel in der Folge "Geschmackssache", in der er - dank des nur ihm sichtbaren Geistes eines von einer Patientin ermordeten Psychiaters - von einem Fettnäpfchen ins andere tritt, selbst erkennt, dass er Vorurteile hat, um sich dann selbst die Sinn-Frage zu stellen.

Die Dialoge in allen vier Folgen sind ebenso skurril wie politisch unkorrekt. Schotty sagt eben, was er denkt. Und er denkt nicht um viele Ecken herum, sondern eher linear, was auch dafür sorgt, dass der Humor so manches Mal in schwarze Bereiche abdriftet, ohne dabei allerdings jemals geschmacklos zu werden. Ein besonderes Lob gebührt natürlich Bjarne Mädel, der seine Wandlungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellt und für die Rolle des norddeutschen Tatort-Reinigers die perfekte Besetzung zu sein scheint. Wenn ich nur daran denke, wie anders der Mann - auch rein optisch! - als Dorfpolizist in "Mord mit Aussicht" wirkte, dann kann ich ihm für seine Leistungen nur allergrößtes Lob aussprechen. "Der Tatortreiniger" hat absolutes Kult-Potenzial, weswegen inzwischen auch eine zweite Staffel im Fernsehen ausgestrahlt wurde und auch als DVD erhältlich ist - die übrigens steht noch auf meiner Merkliste. Ein wenig stolz bin ich ja darauf, dass ich damals die allererste Ausstrahlung der allerersten Folge im Fernsehen verfolgt habe. Und so gehöre ich wohl auch zu den ersten "Fans" dieser Serie - damals wie heute.

Auszeichnungen

Mit meiner Begeisterung für den "Tatortreiniger" stehe ich nicht allein, denn es gab bereits diverse Auszeichnungen. Hier eine Auswahl:
- Nominierung für Bjarne Mädel als Bester Schauspieler in einer Serie beim Bayerischen Fernsehpreis.
- Grimme-Preis 2012 in der Kategorie "Unterhaltung" an Mizzi Meyer (Buch), Arne Feldhusen (Regie), Bjarne Mädel (Darsteller) und Benjamin Ikes (Schnitt).
- Nominierung für den Deutschen Fernsehpreis 2012 als Beste Serie und für Bjarne Mädel als Bester Schauspieler.
- Deutscher Comedypreis 2012 in den Kategorien Bester Schauspieler an Bjarne Mädel und Beste Comedyserie.
- Grimme-Preis 2013 in der Kategorie "Unterhaltung" an Mizzi Meyer, Arne Feldhusen und Bjarne Mädel für die Folge "Schottys Kampf".
- Jupiter-Filmpreis 2013 als Beste deutsche TV-Serie.