Lost in Translation (DVD) Testbericht

ab 8,14
Auf yopi.de gelistet seit 05/2008

Erfahrungsbericht von Realjackass

Über das Wiederfinden von verloren Geglaubtem

Pro:

Bill Murray und Scarlett Johansson, ein authentischer, anrührender und ehrlicher Film

Kontra:

Nichts

Empfehlung:

Ja

Ich wähle die Filme, die ich sehe, nicht immer nach dem Genre aus, manchmal spielen auch die Schauspieler eine tragende Rolle. Genau so verhielt es sich auch mit "Lost in Translation", der zudem eine sehr interessante Story zu bieten hatte und außerdem fast überall nur gute Kritiken abstauben konnte. Wieso mir der Streifen nicht nur Dank der Beteiligung von Bill Murray sehr gefallen hat, steht im folgenden Bericht.




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+STORY+
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Der alternde Schauspieler Bob Harris (Bill Murray) befindet sich zur Zeit in Tokio, um einen Whiskey-Werbespot zu drehen. Die Zeit, die er in einem noblen Hotel verbringt, zieht sich langsam dahin, will einfach nicht enden. Bob weiß nichts mit sich anzufangen, bringt die Aufnahmen für den Werbespot, wobei er kein Wort des Regisseur's versteht, lustlos über die Bühne und kann sich auch nicht so recht darauf freuen, wieder nach Hause zu fliegen. Aus seiner 25 jährigen Ehe ist langsam die Luft raus, die Telefonate mit seiner Frau bestehen nur noch aus Fragen nach der Farbe des neuen Büroteppichs.

Gerade in dieser Zeit, der Bob mit viel Ironie zu begegnen versucht, trifft er auf die einige Jahre jüngere Charlotte (Scarlett Johansson). Diese ist mir ihrem Mann, dem Fotografen John (Giovanni Ribisi) in Tokio, der allerdings sehr beschäftigt ist und kaum Zeit für sie hat. Bob und Charlotte laufen sich in dem großen Hotel immer häufiger über den Weg und lernen sich irgendwann auch besser kennen. Als John für einige Tage weg muss, kommen sich die Beiden langsam näher. Gemeinsam erkunden sie die für sie fremde Welt und entwickeln eine gegenseite Abhängigkeit..




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+DATEN ZUM FILM+
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Originaltitel: Lost in Translation
Herstellungsland: USA, Japan
Erscheinungsjahr: 2003
Laufzeit: ca. 97 Min.
Freigabe: FSK 6

Regie: Sofia Coppola
Buch: Sofia Coppola
Produzent: Sofia Coppola, Ross Katz
Kamera: Lance Acord
Schnitt: Sarah Flack
Originalmusik: Jason Falkner, Justin Stanley, Bryan Mills

Darsteller:
Bill Murray.....Bob Harris
Scarlett Johansson.....Charlotte
Akiko Takeshita.....Mrs. Kawasaki
François du Bois.....Sausalito Piano
Giovanni Ribisi.....John
Anna Faris.....Kelly
uvm.




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+BEZUGSMÖGLICHKEITEN+
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"Lost in Translation" wurde von Highlight / Constantin auf einer überaus empfehlenswerten DVD auf den Markt gebracht. Der Film ist ab 6 Jahren freigegeben (was mich nicht wundert, allerdings sehr amüsiert, da der Streifen in den USA lächerlicherweise das R-Rating erhielt) und präsentiert sich hier mit ausreichend Extras und in einer zufriedenstellenden Qualität.




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+KRITIK+
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Wer mit dem Nachnamen Coppola zur Welt kommt und das selbe Blut in den Adern wie ein gewisser Regie-Titan namens Francis Ford Coppola hat, der weiß, dass er es als eigenständiger Charakter im Filmbusiness nicht leicht haben wird. Das wusste auch schon Nicholas Kim Coppola und ließ sich seinen Namen aufgrund dessen auf Nicolas Cage umändern. Sofia Coppola hat diese Freiheit als Tochter des berühmten Regisseurs allerdings nicht und muss wohl ständig in dessen Schatten leben. Mittlerweile hat sie allerdings schon zum zweiten Mal bewiesen, dass sie sehr wohl auch alleine fähig ist, großartiges zu Stande zu bringen. Nachdem sie im Jahre 1999 dem Bestseller "The Virgin Suicides" ein filmisches Gewand verpasste, wagte sie sich vier Jahre später an ein persönlicheres Werk, für das sie nicht nur auf dem Regiestuhl platz nahm, sondern zudem auch das Drehbuch verfasste.

"Lost in Translation" ist ein kleiner Film, der eine, auf den ersten Blick, unbedeutende Geschichte erzählt. Eine Geschichte über die Zusammenkunft zweier einsamer Seelen, die sich für einen kurzen Zeitraum Kraft und Zuneigung geben und sich dann nie wieder sehen. Eine Geschichte, die das Leben schreibt und wie sie sich auch täglich außerhalb der Kinosäle und Fernsehgeräte ereignet. Deshalb ist "Lost in Translation" gewiss nicht für ein Publikum geeignet, das sich hiervon eine gute Komödie oder einen guten Liebesfilm erhofft. Denn so wirklich passt Coppola's zweite Regiearbeit in keines der beiden Genres.

Was wir hier haben, ist zweierlei. Eine authentische, tiefgehende Freundschaft und ein Aufeinanderprallen zweier Welten, zweier Kulturen. Der in der Midlife-Crisis steckende Schauspieler Bob Harris ist von der imposanten Stadt Tokio völlig überfordert. Von ihren vollgestopften Straßen, den Menschen, die ihm stets freundlich begegnen und der Tatsache, dass er an diesem Ort weit von zu Hause keine Person hat, der er sich öffnen kann. Zwar liebt er seine Frau, was man an den drei Worten hört, die er ins Telefon spricht, nachdem das Telefonat mit ihr schon wieder zu Ende ist, doch er schafft es nicht, ihr dies noch zu gestehen. Das Feuer ihrer Beziehung ist trotz seiner Liebe zu ihr erloschen, seine Midlife-Crisis hat ihn vollkommen aus der Bahn geworfen. Und nun steht er hier in Tokio, verdient mal nebenbei 3 Millionen Dollar für einen Werbespot und fühlt sich dennoch nutzlos und total fehl am Platz. Bill Murray stellt den Charakter meist emotionslos und ruhig, des öfteren sarkastisch dar, was traumhaft passt.

Der erste Abschnitt des Films beschäftigt sich damit, wie die beiden Hauptfiguren in dieser fremden Welt zurechtkommen. Auch Charlotte fühlt sich einsam, stellt schon mit 20 Jahren ihren weiteren Werdegang in Frage und findet heraus, dass die Liebe zu ihrem hyperaktiven, ständig arbeitenden Freund John an einem Punkt festgefahren ist, an dem sie sich nach etwas anderem umsuchen muss. Die Zeit in Tokio ist für sie, genau wie bei Bob, von Schlaflosigkeit, Langeweile und Überforderung geprägt. Während sie ihre Zeit mit John's Bekannten totschlägt, hat Bob wiederum ganz andere Sorgen. Das beste Beispiel dafür ist die Szene, in der der Werbespot gedreht wird, wobei dann auch der Titel des Films erklärt wird. Bob versteht kein Wort, was der aufgedrehte Regisseur von ihm will und auch der Übersetzer schafft es lediglich das Nötigste zu vermitteln. Bob ist "Lost in Translation" und was Bill Murray in diesen Szenen an Mimik und Gestik leistet, ist wirklich überragend.

Der laute, bunte und zum Ersticken überfüllte Moloch Tokio wird dabei sehr realistisch gezeigt. Zwar gab Sofia Coppola in einem Interview an, nicht viel über die Kultur Japan's zu wissen, doch dafür wirkt "Lost in Translation" angenehm natürlich. Nicht wie ein typisch amerikanischer Film über irgend ein anderes Land. Der Humoranteil hält sich in dem Streifen im Übrigen insofern zurück, dass es keinerlei Gags, Situationskomik oder Derartiges gibt. Der Humor resultiert aus Bill Murray's wunderbar trockenen und zynischen Art, seiner Weise, mit den Umständen umzugehen. Auch Liebhaber von Liebesfilmen kommen hier nicht wirklich auf ihre Kosten. Ich vermute, dass Bob und Charlotte sich lieben gelernt haben, doch ein typisches Happy End darf man hier nicht erwarten. Beide werden am Ende wieder ihre eigenen Wege gehen, allerdings mit der Gewissheit, etwas aus dieser kurzen und dennoch schönen Zeit mitgenommen zu haben. Ein Gefühl, dass das Leben nicht nur aus der Midlife Crisis und der Angst vor einer unsicheren Zukunft besteht. Manchmal kann es passieren, dass sich zwei einsame Seelen genau dann treffen, wenn sie es am Dringendsten brauchen und manchmal kann es auch passieren, dass etwas Derartiges auf Film festgehalten wird. Nichts weltbewegendes, nichts besonderes, sondern ein authentischer Einblick ins Leben und seine ganz alltäglichen Menschen.

Auf Bill Murray bin ich nun schon des Öfteren kurz eingegangen, nun möchte ich seine Darbietung noch einmal zusammenfassend würdigen. Es ist unglaublich, wie der Akteur, den man in erster Linie aus Komödien kennt, der jedoch gerade in den letzten Jahren ins ernsthafte Fach gewechselt ist, seinen Part rüberbringt. Den alternden Schauspieler in der Midlife Crisis bringt er so einzigartig, so unvergesslich rüber, was deshalb so sehr wundert, weil Murray im Prinzip gar nicht viel tut. Emotional regt sich bei Bob Harris nicht oft was, er nimmt die Dinge meist wie sie sind, kaut sie kurz, und spuckt sie dann wieder aus. Erst Charlotte schafft es, durch seinen Mantel aus Ironie durchzudringen und ihm ein Lebensgefühl zurückzugeben. Bill Murray gehört ganz klar zu meinen Lieblingsschauspielern und Dank "Lost in Translation" weiß ich nun einmal mehr, warum.

Ihm gegenüber steht Scarlett Johansson als Charlotte, eine junge, attraktive junge Frau, die sich in der selben Situation befindet wie der wesentlich ältere Mann. Auch sie ist in der Maschinerie der Großstadt hilflos gefangen, verbringt ihre Nächte an der hoteleigenen Bar und sinniert über das Leben und sich. Die Beziehung zu ihrem Freund ist immer mehr zum Scheitern verurteilt, da dieser sie kaum mehr wahrnimmt und nur noch von einem Termin zum Nächsten spurtet. In Bob erkennt Charlotte schließlich einen Seelenverwandten, der sie für kurze Zeit über ihre Sorgen hinwegsehen lässt. Scarlett Johansson, die wohl noch vielen aus "Die Insel" oder "Match Point" bekannt ist, füllt ihre Rolle voll aus und präsentiert sich hier wesentlich reifer als in irgend einem beliebigen Blockbuster. Man kauft ihr den Charakter voll und ganz ab.




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+FAZIT+
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Für viele wird "Lost in Translation" ein langweiliges Machwerk ohne Höhepunkte und ohne Existenzberechtigung darstellen. Ich jedoch habe den Film von Minute zu Minute mehr schätzen gelernt und wusste am Ende, dass es etwas Besonderes ist, was Sofia Coppola da geschaffen hat. Bill Murray und Scarlett Johansson glänzen in ihren Rollen als desillusionierte Amerikaner in einem fremden Land, mit dem sie absolut nicht klarkommen. Lediglich die Freundschaft zueinander reißt sie in dieser Zeit aus ihrer Verlorenheit. "Lost in Translation" ist tragisch-komisch und auf seine eigene Art und Weise anrührend und unterhaltsam. Nichts für einen geselligen Abend, oder für Fans von überdrehten Komödien, sondern vielmehr für Menschen, die das Gefühl dieser hier geschilderten Leere kennen und zwei Menschen bei ihrem Weg miteinander durch eine fremde Welt folgen möchten. Daumen hoch für diesen Film, dem ich stolze

8,5 von 10 Punkten und eine Empfehlung gebe!

Mfg
Realjackass

30 Bewertungen, 9 Kommentare

  • Binki

    11.09.2006, 12:54 Uhr von Binki
    Bewertung: sehr hilfreich

    °°° sh und LG Binki °°°

  • LilaLisa

    08.09.2006, 16:09 Uhr von LilaLisa
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüsse Lisa :-)

  • Tweety30

    08.09.2006, 16:05 Uhr von Tweety30
    Bewertung: sehr hilfreich

    ☼ sh. Sonnige Grüße, Tweety30! ☼

  • samatweb

    08.09.2006, 11:47 Uhr von samatweb
    Bewertung: sehr hilfreich

    Super BEricht! Gruß

  • anonym

    08.09.2006, 01:19 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sh,für ein guten Bericht,Lg Bernd

  • anonym

    08.09.2006, 01:01 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    super Bericht!

  • stegi

    08.09.2006, 00:19 Uhr von stegi
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr schöner Bericht - LG Martin

  • papaonline

    08.09.2006, 00:01 Uhr von papaonline
    Bewertung: sehr hilfreich

    toller bericht

  • maus1991

    08.09.2006, 00:00 Uhr von maus1991
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg yvonne